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III.
Episches 1

 

Bach und Waldstrom
Liederquelle
Trost im Liede
Die Eiche und der Rosenstrauch
Stummes Lied
Der schweigende Strom
Der Fels und die Kiesel
Jünglings Abschied
Schön Lieschen und das Wasserweib
Das kranke Kind
Der Beduin
Drei Schwestern
Das Lied vom braven Nugent
Tugend und Leichtsinn
Melodie und Harmonie
Das Mädchen
Prinz Mai
Das Blumenmädchen
Fatmés Trost
Die Schnitterin

 

Bach und Waldstrom


Floß einst durch Rosenhecken
Ein Bächlein hell und rein;
Wohl mocht' es sich verbergen,
Es war so winzig klein.

Als dies der Waldstrom merkte,
Voll bittern Spott's er rief:
"Du brauchtest nicht zu fließen,
Das Meer wär' doch so tief."

Das Bächlein rollte weiter
Und sprach in sanftem Ton:
"Ich tränke Ros' und Veilchen,
Und labte Manches schon.

Zwar bist Du groß und mächtig,
Und ich bin schwach und klein,
Doch will ja auch das Veilchen
Von Gott getränket sein!

Wenn oft hinaus ich blickte
Zu jenen lichten Höh'n,
Wo deutsche Minnesänger
Und deutsche Dichter steh'n:

Dann schreckt' mich eine Stimme,
Die wie der Waldstrom rief:
"Du brauchtest nicht zu fließen,
Das Meer wär' doch so tief!"

Doch eine and're Stimme
Flößt mir Vertrauen ein:
"Es will ja auch das Veilchen
Von Gott getränket sein!"

Liederquelle

Ein Vöglein sang - weil rings der Lenz erblühte,
Weil schwellend jede Blumenknospe sprang,
Da fühlt' es, wie die Brust ihm wogend glühte,
Es wußte nicht warum? — es sang.

Und als der Lenz mit seinen Blumen schied,
Fühlt' es so einsam sich, so öd', so bang,
Es war ihm nichts geblieben, als sein Lied,
Es wußte nicht warum? — es sang.

Und wie das Vöglein hab' auch ich gesungen.
Warum? Wozu? das fragt' ich nimmer lang:
Die Saite hat in meiner Brust geklungen,
Da dankte ich dem Herrn — und sang.

Trost im Liede

Ein Vögelein, im Sang geübt,
Ward einst gefangen. Still betrübt
Sang es sein Liedchen fort und fort.
Ein and'rer Vogel sah es dort
Und fuhr im Grimm den Sänger an:
"Wie nur das Ding noch singen kann!"

"Ach," sprach das Vöglein, "daß ich's kann,
Das hält mich noch an's Leben an:
Denn wären nicht die Lieder mein,
Zu singen und zu klagen:
Ich müßt' verzagen!"

Die Eiche und der Rosenstrauch

"Du liebst mich," sprach der Rosenstrauch
Zum Abendwind, "es ist Dein Hauch,
Der mich zum Leben wach geküßt,
Ich fühl' es, daß Du gut mir bist,
D'rum will ich auch in Deinem Weh'n
Glückselig atmen und vergeh'n!"

"O Törin!" sprach der Eichenbaum,
"Der flücht'ge Zephyr kennt Dich kaum,
Und hat er milde Dich geküßt,
So kommt's, weil das ihm eigen ist;
Denn jeden Baum und jeden Strauch
Belebt, wie Dich, sein Liebeshauch."

Die Rose sprach: "Und ist es so,
Wie bin ich seines Kusses froh;
Ihm, der geweckt mein ganzes Sein,
Will ich dies kurze Leben weih'n.
Und küßt euch Andre auch sein Hauch:
Ich gönn' es Euch — mich liebt er auch!" —

Stummes Lied

Der Tag erwacht, von mildem Tau
Glänzt jedes Blümchen in der Au,
Der Vögel tausendstimm'ger Chor
Stieg jubelnd zu dem jungen Tag empor.
Die Nachtigall allein saß auf den Blütenzweigen,
Trank all den süßen Duft umher,
Sah wonnetrunken in das Blütenmeer
Und schwieg.
      Die Lerche sprach: "Wie kannst Du schweigen?
Sieh, Alles jubelt rings herum,
Nur Du bist stumm."
"O Schwester!" sprach die Nachtigall, "Du irrst;
Glaubst Du, Du sängest dann nur Lust und Schmerzen,
Wenn Du sie laut in alle Lüfte girrst?
Du nennst mich stumm? — ich singe mit dem Herzen."

Der schweigende Strom

Ein Strom zog durch den Wiesengrund,
Ein Bächlein floß entlang zur Stund',
Der Strom war schweigend fort und fort,
Doch plätschernd nahm der Bach das Wort:

"Ach, Bruder! unser Lauf ist schwer,
Die Felsen dräu'n und drängen sehr;
Doch warum murrest Du nicht auch?
Das ist ja bei uns Flüßen Brauch."

Doch stolz der Strom zum Bache spricht:
"Ein Strom, das merk' Dir, murret nicht;
Hat er die Kraft, — so steigt er,
Hat er sie nicht, — so schweigt er."

Der Fels und die Kiesel

Vom klaren Silberquell umspült
Begann der Kies, der kleine,
Hinhüpfend mit der Wellen Tanz
Zu einem alten Steine:

"Wie, alter Graukopf, stehst Du da
So kalt, so ernst, so düster!
Sieh, fröhlich hüpfen mit der Flut
Wir glücklichen Geschwister."

"Ja tanze nur, du armes Volk,"
Hat drauf der Fels gesprochen;
"Dich — reißt die Welle mit sich fort,
An mir — wird sie gebrochen."

Jünglings Abschied

Ich muß hinaus, ich muß hinaus!
Daheim ist mir so weh!
Sie zieht mich an, die weite Welt,
Ich muß hinaus, wie's Gott gefällt!
Ade!

Zum Bruder trat der Bruder hin,
Im Auge Tränen hell:
"Wird Dir zu eng der Eltern Haus?
Treibt's dich so ungestüm hinaus,
So schnell?"

— Wohl ist die Heimat eine Welt
Für eines Kindes Sinn;
Doch für des Jünglings Wunsch und Freud'
Da reicht die Welt, so groß, so weit,
Nicht hin!

"Du bist der Eltern ganze Freud',
Du bist ihr höchstes Glück.
Und bist so schnell Du uns entfloh'n,
Dann trübt die Träne um den Sohn
Den Blick."

— Die Träne in dem treuen Aug',
Der Perl' ist sie verwandt;
Und kehr' ich heim und trockne sie
Die liebe Trän', dann glänzet sie
Demant!

Die Mutter sprach: "Du malest Dir
Die Welt in schönem Licht,
Doch wenn Dich Sorge trifft und Harm,
Dann winkt der treuen Mutter Arm
Dir nicht!"

Der Vater sprach: "Ich kenne Dich
Und Deinen festen Sinn;
Du hast des Vaters frohen Mut,
Dein Kopf ist klar, Dein Herz ist gut,
Zieh hin!"

— So lebt denn wohl und weinet nicht,
Wenn ich von hinnen geh.
Kommt, Vater, Mutter, diesen Kuß,
Mich reißt's dahin, ich muß, ich muß, —
Ade!

Schön Lieschen und das Wasserweib

Schön Lieschen war so zart, so fein,
Wie Veilchen in der Blüte,
Sie war so fromm, sie war so rein
Mit kindlichem Gemüte.
Schön Lieschen war so hell und rein
Wie nur die lieben Engelein,
Und kannte nur die Tugend
In ihrer zarten Jugend.

Ach, wie sie so am Brunnen stand
Mit ausgeschürztem Kleide,
Und Wasser aus der Tiefe wand
Und wie ein Kind sich freute,
Wenn glänzender als Diamant
Ein Tröpflein an dem Eimer stand.
— Und heller als Demanten
Die dunkeln Augen brannten.

Da schaut sie einst zum Born hinein
Wohl in die graue Tiefe;
Großmutter sagt: Ein Wasserweib
Im Grund des Bornes schliefe;
Und vorgebeugt bis an den Leib
Ruft sie: "Du liebes Wasserweib,
Soll ich der Sage trauen,
Laß mich den Liebsten schauen!"

Und wie sie's ruft und wie sie's sagt,
Fühlt sie das Herz gehemmet,
Und wie sie in den Born geschaut,
Fühlt sie die Brust beklemmet,
Die Hände schlug sie vor's Gesicht
Und eilte fort und lachte nicht.
Und Niemand hat ergründet,
Was ihr der Born verkündet.

Jüngst ruht' ich aus auf ihrem Grab,
Von Linden tief umdüstert.
Da hat es mir ein leiser West
Vertraulich zugeflüstert:
Das Wasserweib, ihr zugeneigt,
Hat ihr den Liebsten wohl gezeigt,
Wohl tät sie ihn erspähen —
— Den Tod hat sie gesehen.

Der Liebste hat sie heimgeführt
Einst um die zwölfte Stunde,
Da grüßten sie die Engelein
Und sangen in der Runde.
Man senkte sie zur Gruft hinab
Und pflanzte Veilchen auf ihr Grab,
Und Abends singt die Meise
Ihr eine Trauerweise.

Das kranke Kind

Nein, unser Lottchen ist nicht tot,
Wie Du gesagt, Mama,
Es steht im lichten Morgenrot
An meinem Bettchen da.

Es hat ein weißes Kleidchen an
Und einen Kranz im Haar,
Und ist so bleich, wie dazumal,
Wie's krank im Bettchen war.

— "Schon gut, schon gut, mein süßes Kind,
Sei ruhig jetzt, sei brav;
Denk' nicht an unser Lottchen mehr,
Komm, dreh' Dich um und schlaf'."

Ich schlief' ja gerne, Mütterlein,
Mein Kopf ist ja so schwer,
Doch weil das Lottchen bei mir steht,
Kann ich nicht schlafen mehr!

Es winkt mir mit den Händen zu,
Es weckt mich aus dem Schlaf,
Ach Mutter, laß mich mit ihm geh'n,
Gewiß, ich bin auch brav!

— "Um Gott, um Gott, geliebtes Kind,
Das Fieber spricht aus Dir;
Das Lottchen liegt im dunklen Grab
Und Du bist ja bei mir!"

Ach ja, bei Dir, bei Dir Mama,
Da ist's so kühl, so still!
Ich bleib ja auch so gerne da,
Wenn's Lottchen warten will.

Doch wenn es ruft, dann muß ich fort,
Ob Du auch traurig bist,
Und suchst Du mich — so such' mich dort,
Wo unser Lottchen ist.

Der Beduin

Hallo, mein Pferd, frisch auf, frisch auf!
Mein Leben hängt an Deinem Lauf,
Aus, tummle Dich, mein schwarzer Freund!
Horch, hinten trabt der weiße Feind
Und will uns fahen, spute Dich,
Mein Wüstenbruder, rette mich!

Und immer schneller eilt das Paar,
Und näher trabt die Feindes-Schar,
Und Blitze krachen vom Geschoß,
Und immer müder keucht das Roß.
Nur Mut, mein Rappe, tummle Dich,
Mein Wüstenbruder, rette mich!

Und immer wilder fliegt das Pferd,
Der braune Reiter schwingt das Schwert,
Und Roß und Mann von dannen saust,
Als wie der Sturm von Süden braust;
Der Boden glüht, sie achten's nicht,
Bis daß das Roß zusammenbricht.

Da hemmt der Reiter seinen Lauf
Und starrt zum dunkeln Himmel auf.
Schon trabt der Feind ihm nimmer fern,
Da blitzt sein schwarzer Augenstern
Und dunkle Glut färbt sein Gesicht;
Er reckt den Arm empor und spricht:

"O Allah! Herr in Himmelshöh'n,
Erhöre Deines Sohnes Fleh'n!
Peitsch' aus der Wüste glühend Meer!
Deck' mich und meiner Feinde Heer!
Begrab' mich in der Heimat Sand,
Und gib mich nicht in Feindeshand!"

Da braust's heran, da wirbelt's laut:
Der Samum tanzt mit seiner Braut.
Und jubelnd jauchzt der Beduin,
Und kniet bei seinem Rappen hin,
Und Roß und Mann und Feindesheer
Verschlingt ein glühend Wellenmeer.

Drei Schwestern

Auf dem Parnaß erschien im Mondenscheine
Ein hehres Weib in duftigem Gewand,
Still blickte sie von Phöbus' Lorbeerhaine
Hinab auf das verklärte schöne Land.

Da teilten leise sich die Büsche wieder,
Ein Schwesterbildnis trat in ihre Spur,
Und neigte liebend sich zur Erde nieder,
Und hauchte Blüten auf die grüne Flur.

Die Erste sprach: Mein ist die Welt alleine,
Sie lächelt mir beseligt allerwärts!
Die And're sprach: Die Erde ist die meine,
Denn mir gehört das reiche Menschenherz.

Die Erste sprach: Wer ist nicht mir gewogen,
Dem hehren Genius der Malerei?
Malt nicht der Himmel selbst den gold'nen Bogen?
Malt nicht die Erde jeden Tag sich neu?

Von tausend Farben wogt's im weiten Raume,
Es strahlt das Meer des Himmels Bild zurück,
Es malt das Leben sich in jedem Traume,
Es malt die Seele sich in jedem Blick.

Ich bin es, die mit ihrem Feuerstrahle
Den ersten Funken weckte in Apell,
Ich lud Da Vinci ein zum heil'gen Mahle,
Ich schloß den Himmel auf für Raphael.

Ich grollte um Salvators Felsen-Insel,
Ich spielte mit Murillo's Knaben froh,
Ich goß des Lebens Blut in Rubens' Pinsel,
Und schwärmte träumend mit Correggio! —

O, arme Schwester! sprach hierauf die Zweite,
Du fassest meinen ganzen Reichtum nicht!
Sieh, dieses Weltall, dieses endlos weite,
Es ist ein einz'ges göttliches Gedicht.

Mein ist die Brust, wenn sie die Wonne hebet,
Mein ist das Herz, wenn es in Liebe pocht,
Mein ist das Auge, das in Tränen bebet,
Mein ist die Ader, die für Freundschaft kocht.

Wo je das Mitleid fremden Klagen lauschet,
Wo je das Heimweh sprosset veilchengleich,
Wo je der Freiheit Adlerflügel rauschet,
Da ist auch mein — der Dichtkunst endlos Reich.

O frage jeden aller Erdensöhne,
Ob er nicht einmal in des Herzens Drang
Mit einem Kuß, mit einer süßen Träne
Die traute Freundin Poesie umschlang?

Ich strahlte durch Homeros ew'ge Nächte,
Ich folgte Tasso in das Burgverlies,
Ich reichte Dante leitend meine Rechte,
Ich führte Milton in das Paradies.

Ich weckte Shakespeare's gold'ne Morgenröte,
Verklärte Klopstock's Schmerz und Wieland's Lust.
An meiner Rechten führt' ich meinen Goethe,
Und meinen Schiller trug ich an der Brust.

Ja, wollt' ich flieh'n aus Deinem Bilderreiche,
So würdest Du ein leeres Handwerk sein,
Nur Poesie macht Dich zur Kunst — d'rum weiche,
Ich bin die Herrscherin! die Welt ist mein.

So stritten sie. Da tönt' es durch die Weite
Saust, wie ein Ton von Aeolsharfen quillt,
Die Lorbeern teilten sich, an ihrer Seite
Stand ein verklärtes drittes Schwesterbild.

Und sprach: Was streitet Ihr? Mein ist die Krone
Der ersten Himmelstochter Melodie!
Ich stehe an des Weltbeherrschers Throne,
Ich wecke seiner Sphäre Harmonie.

Es singt der Sturm, wenn er die Welt durchsauset,
Es singt der Hain, wenn er im Mondlicht bebt,
Es singt der Strom, wenn er zum Meere brauset,
Es singt der Schwan, wenn er gen Himmel schwebt.

Das Unaussprechliche, das höchste Schöne,
Das vor dem Wort, das vor dem Bilde bebt,
Das flüchtet in das keusche Reich der Töne,
Wo es empfunden selig weiter lebt.

Und wo von niederer Gewalt bemeistert
Das Bild, das Wort die Freiheit längst verlor,
Da tönt ein Lied begeisternd und begeistert,
Und trägt die Seele kühnen Flugs empor.

Ich zog zum Kampf vor Sparta's Heldensöhnen,
Der Stein ertönt' von meiner Leier Klang;
Die wilden Tiere lauschten Orpheus' Tönen
Und Mörder weinten, als Arion sang.

Und Iphigenie Alceste schreiten
Belebt durch Ritter Gluck in stolzem Zug,
Und Zauberflöten klingen, Zaubersaiten,
So oft mein Mozart seine Laute schlug.

Und soll ich Euch der Töne Meister nennen?
Den Titan mit dem gottverzückten Sinn?
Beethoven! hört ihn, lernt ihn ganz erkennen,
Und fühlt es, ich bin Eure Königin!

Mir gebt den Kranz! Doch nicht ihn zu zerstücken
Verlang' ich ihn, und nicht für mich allein,
Harmonisch soll er uns're Stirnen schmücken,
Laßt uns ein reiner, voller Dreiklang sein.

Laßt uns drei Blumen sein auf einem Zweige,
Drei Farben, d'rin ein Sonnenstrahl sich bricht,
Und aus der Künste treuem Bunde steige
Die echte Kunst geläutert an das Licht!

Das Lied vom braven Nugent
1849

Nugent, Du Held von Eisen,
Dich soll mein Lied jetzt preisen,
Nugent, Du Held von Erz.
Dein Name zwar klingt flämisch,
Dein Regiment klingt böhmisch,
Doch deutsch klingt Dir das Herz!

Nugent, der wack're Degen,
Der zog auf raschen Wegen
In's blühende Friaul.
Die Welschen waren stutzig,
Die Welschen taten trutzig
Und führten großes Maul.

Treviso sollte eben
Ein warnend Beispiel geben
Für Treubruch und Verrat.
Nugent, der wackre Degen,
Der zog dem Feind entgegen
Und war bereit zur Tat.

Da kam in Lagers Mitten
Ein Bote angeritten,
Der sprach gar schlau und fein:
Wir bringen Euch Aviso,
Herr Graf, daß in Treviso
Eu'r schmuckes Töchterlein*

Und wolltet Ihr's probieren
Und gegen uns marschieren,
So könnt' es leicht gescheh'n,
Herr Graf, daß die Treviser
In ihrem Zorne dieser
An's junge Leben geh'n.

Nugent, der wack're Degen,
Der war nicht lang verlegen
Und sprach in festem Ton:
Ein Militär von Ehren
Darf sich im Krieg nicht scheren
Um Tochter oder Sohn.

Das Amt, das ich verwalte,
Der Herr, den Gott erhalte,
Gab es in meine Hut.
Für meines Kaisers Rechten
Und Ehren will ich fechten,
Nicht für mein eig'nes Blut.

Doch mögt Ihr Euren Leuten
Noch nebenbei bedeuten:
Sollt' ihr ein Leids gescheh'n,
So bleibt von Euerm Neste,
Vom Giebel bis zur Veste,
Kein einzig Steinlein steh'n.

Da wurde der Treviser
Aus einmal wieder süßer
Und schlich sich leise fort.
Nugent, Du tapfrer Degen,
Dir werde Ruhm und Segen
Für dieses Heldenwort!

*Die Marchesa Pallavicini

Tugend und Leichtsinn

Die Tugend mit dem Leichtsinn kam
Einmal auf uns're Erde,
Dem Menschenvolke beizusteh'n
Gen Sorgen und Beschwerde.

Weitläufig waren sie verwandt
Und zogen in die Fremde:
Die Tugend mit Schild und Speer in der Hand,
Der Leichtsinn in bloßem Hemde.

Die Tugend griff alle Feinde an
Und warf sie hin auf dem Grase;
Der Leichtsinn hüpfte an allen fort
Und macht' ihnen eine Nase.

Die Tugend nahm Steine groß und schwer
Und trug sie, ohne zu murren;
Der Leichtsinn schlüpfte darüber hin
Und sang seine Lieder und Schnurren.

Die Tugend hielt offen Aug' und Ohr,
Die Gegner zu erspähen;
Der Leichtsinn hielt sich die Hände vor
Und wollte nichts hören und sehen.

Nun kamen sie an einen Berg,
Da konnten sie nicht weiter:
Die Tugend stand und dachte nach,
Der Leichtsinn trällerte heiter.

Die Tugend klomm durch Busch und Dorn
Und überstieg den Hügel;
Der Leichtsinn rief einen Schmetterling
Und band sich an seine Flügel.

Und brauchten sie ein Nachtquartier,
Kroch Tugend in Hütt' und Fässer;
Der Leichtsinn griff in die Wolken hinein
Und baute sich ein paar Schlösser.

So zogen sie immer fort und fort:
Die Tugend voll Wunden und Narben,
Der Leichtsinn immer frisch und gesund,
Bis daß sie beide starben.

Die Tugend flog stracks in's Himmelreich;
Der Leichtsinn blieb an der Schwelle,
Sprach: "Wenn ich auch nicht in den Himmel komm',
So komm' ich auch nicht in die Hölle!"

Melodie und Harmonie

Einst kam die Jungfrau Melodie
Als himmlische Gesandte,
Und mit ihr kam die Harmonie
Als ihre Gouvernante.

Man nahm sie gern in Deutschland auf,
Mocht' gern sie seh'n und hören,
Und auch die alte Tante hielt
Man immer sehr in Ehren.

Doch die verstand das Ding nicht recht,
Ward alle Tage dreister,
Mißhandelte das arme Kind
Und spielte stets den Meister.

"Das schickt sich nicht! wer trägt denn so
Das Herz stets auf der Stirne?" —
Und sprach das Kind ein freundlich Wort,
Schalt sie eine Dirne.

Und schnürte sie, wattierte sie,
Und brannte ihr die Locken,
Und zwängte ihr den leichten Fuß
In lange schwere Socken.

Da ward die arme Melodie
Verzogen und verdorben,
Viel fehlte nicht, so wäre sie
Vor Schwindsucht gar gestorben.

Doch während nun die Herrn einmal
Mit Brillen auf der Nasen,
Der alten Tante huldigend,
Mit ihr am Teetisch saßen:

Da machte sich die Jungfrau auf
Und floh mit raschem Schritte
In's Land, wo die Zitronen blüh'n,
In eine Fischerhütte.

Sie brachte manche Lehre mit
Von ihrer alten Bonne,
Und jung und frisch erblühte sie
Dort in der heitern Sonne.

Kaum missen sie die Musici
Bei Quint' und Dominante,
Sie huld'gen statt der Melodie
Der alten Gouvernante.

Das Mädchen

Die Veilchen haben sich geschämt
Bei ihres Atems Wehen,
Die Sterne haben sich gegrämt
Wie sie ihre Augen gesehen.
Und wie sie die Lippen hat aufgemacht,
Da haben die roten Rosen gedacht:
Ach blühten wir doch so schön! o mein,
Ach blühten wir doch so schön!

Das schlanke Reh im grünen Wald,
Das blieb verwundert stehen
Und hat beschaut die zarte Gestalt:
Ach könnt' ich so zierlich gehen!
Und wie sie gar ein Liedchen sang,
Da wurde den Nachtigallen bang:
Wir können nicht singen mehr, o mein,
Wir können nicht singen mehr.

Jetzt schlendert sie durch's Moos daher
Und will sich niedersetzen,
Das Bächlein kann sich nicht halten mehr,
Es muß ihr die Füße netzen.
Und durch die zitternden Blätter bricht
Verstohlen ein Strahl vom Mondenlicht
Und spricht: Jetzt kann ich sie seh'n! o mein,
Jetzt kann ich sie recht beseh'n.

Prinz Mai

Kommt Prinz Mai in's Land gefahren,
Macht die Runde durch den Staat.
Alles putzt sich, alles schmückt sich,
Alles freut sich, daß er naht.

Frischer Teppich wird gebreitet,
Und mit Blumen überstreut,
Grüne Ehrenpforten bauen
Ihm die Wälder weit und breit.

Äpfel-, Birn- und Kirschenbäume
Bilden eine Doppelreih',
Tragen Kränzlein in den Haaren,
Tragen Kleidlein funkelneu.

Als Vedette aus den höchsten
Zweigen sitzt die Nachtigall,
Und sobald der Prinz erscheinet,
Gibt sie schmetternd das Signal.

Und mit tausend Maienglocken
Läutet es von fern und nah,
Und es schwirrt und summt und zwitschert:
Kommt und schaut: Der Prinz ist da!

Alles drängt sich ihm entgegen,
Will ihn seh'n in seinem Glanz,
Und das ganze Volk des Frühlings
Singt: "Heil Dir im Blütenkranz."

Und jetzt kommt er angefahren,
Wie er strahlend um sich blickt,
Wie er huldvoll winkt und lächelt,
Wie er freundlich grüßt und nickt.

"Hast Du Dir ihn recht betrachtet?"
Sagt der Spatz zu seinem Kind;
Über's Jahr, wenn er vorbeikommt,
Ach, wer weiß, wo wir da sind!"

Das Blumenmädchen

                   1.
Ich will hier am Portale steh'n
Mit meinen Blumen eine Weile,
Und seh' ich Ihn vorübergeh'n,
So flücht' ich hinter jene Säule.

Die Sträußchen biet' ich zum Verkauf,
Sie nähren mich, die armen Blüten,
Allein das schönste heb' ich auf,
Um es dem Schönsten darzubieten.

Und hör' ich ferne seinen Schritt,
So werf' ich es zu seinen Füßen,
Und wenn er sorglos darauf tritt,
Dann heb' ich's auf, um es zu küssen.

                     2.
Als ich am Tore sinnend stand,
Gen Himmel sah und sein gedachte,
Ging er vorbei und drückte sachte
Ein Silberstück mir in die Hand.

Ich hab' es auf mein Herz gelegt,
Dort will ich's bis zum Tode tragen,
Mir ist, als müßt' es sanfter schlagen,
Wenn es an seine Gabe schlägt.

Der Tag wird kalt, der Himmel trübe,
Ich bin so arm, mich hungert sehr,
Doch dieses Geld geb' ich nicht her,
Dies Amulett der stummen Liebe.

                   3.
O wären alle Blumen mein,
Wie wollt' ich seine Fenster schmücken,
Wie sollte da, ihn zu entzücken,
Die Welt ein ew'ger Garten sein.

Und seinem Blick nicht zu begegnen,
Verdeckt von Blumen möcht' ich steh'n,
Und käm' er dann, um sie zu seh'n,
So könnt' auch ich ihn seh'n und segnen.

O süße Seligkeit des Gebens!
Ach, daß ich keine Blume bin,
Zu seinen Füßen legt' ich hin
Die arme Blüte meines Lebens.

                      4.
Er ist nun fort. Wohin er ging?
Wie hätt' ich es gewagt zu fragen.
Was nützt es auch? Du armes Ding,
So weit kann Dich Dein Fuß nicht tragen!

Er zog so heiter lächelnd fort,
Dem Frühling gleich, der wenn er ziehet,
Nicht ahnet, was durch ihn geblühet
Und was nun ohne ihn verdorrt.

Die Blume aber folgt dem Licht
Und mit dem Lenz, der es gegeben,
Vollendet sie ihr sel'ges Leben.
Ach, Menschenherz! das kannst Du nicht!

Fatmés Trost

Mein Achmet, weine nicht, Du sollst nicht weinen!
Ich kann's nicht sehen, Achmet, daß Du weinst;
Ich eine meine Tränen mit den Deinen,
Und traurig bin ich, wenn Du traurig scheinst.

Du sollst nicht weinen, Achmet, süßes Leben!
Laß mich Dich trösten, ist's in meiner Macht;
Ich will Dir meine beiden Tauben geben,
Ich liebe sie, weil Du sie mir gebracht.

Den teuern Rosenstrauß aus Deinen Händen,
Um den sich Deine schwarze Locke flicht,
Ich will ihn fort in alle Lüfte senden,
Nur Eines, süßer Achmet, weine nicht!

Nimm meine Locken, gern will ich sie missen,
Nimm, mein Geliebter, nimm mein Augenlicht!
Ich will Dich einen Tag lang nicht mehr küssen!
Selbst dieses Opfer! aber weine nicht!

Die Schnitterin

Heuer ist ein rechter Segen,
Gar nicht enden will der Schnitt;
Wie sich alle Arme regen,
Und die meinen wacker mit,
Gold'ne Garben allerwegen,
Dürft' ich hegen eine Bitt' —
Blaue Blumen, roter Mohn:
Was ich möcht' — ich wüßt' es schon.

Reich ist unser junger Bauer,
Und so gut und schön dabei.
Dien' ihm erst seit kurzer Dauer,
Ist's doch, als ob's ewig sei.
Jüngst sprach er: Du machst Dir's sauer,
Magst Du was, so sag' es frei!
Blaue Blumen, roter Mohn;
Was ich möcht' — ich wüßt' es schon!

Schau, da steht er bei den Garben
In der Sonne gold'nem Glanz.
Bunte Blumen aller Farben,
Meine Sichel läßt euch ganz.
Die wir sorglos sonst verdarben,
Heute brauch' ich euch zum Kranz,
Blaue Blumen, roter Mohn,
Und für wen? — ich wüßt' es schon.

Doch er wird Euch kaum begehren,
Er ist reicher Leute Sohn,
Ihm gehören all' die Ähren,
Und ich dien' um Tagelohn,
Rasch verwischt die heißen Zähren,
Denn sonst trifft mich Spott und Hohn.
Blaue Blumen, roter Mohn:
Saget Keinem was davon!