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III.
Episches 2

 

Die Kreolin
Die Sklavin
Gute Nacht
Der Bastard
Der Rheinstrom
Der Bursch und sein Liebchen
Der Ilsenstein
Der Meistersänger
Der Deserteur

 
Die Genesis des Bieres
St. Kilian
Kanarienvögel
Zeus und der Mensch

 

Die Kreolin


Ach, wie die weiche Lippe küßt!
Rosen sind Deine Küsse:
Ein Gluthauch spricht von Deinem Mund,
Und brennet mir die Seele wund.
Ich weiß, daß Du die Viper bist,
Doch süß sind Deine Küsse!

Mann, um von Dir geliebt zu sein,
Was hab' ich Dir gegeben!
Ich gab dahin mein ganzes Heil,
Ich bot's für Deine Liebe feil!
Doch kauft' ich nicht zu teuer ein.
Selig ist dieses Leben!

Doch lieben mußt Du mich allein,
So ganz, so voll, so innig.
Wie ich Dich lieb', so heiß, so toll,
So wonnig und so schmerzenvoll,
So teuflisch und so engelrein,
So glühend und unsinnig!

Was tief in meinem Innern schlief,
Der Schande böser Drache,
Das bange Wissen meiner Schuld,
Du hast es wiegend eingelullt.
O wiege fort, noch schläft es tief,
Auf daß es nicht erwache.

Denn könntest Du, der mich geliebt,
Mich je — mich je — verlassen,
Dann — küsse den Gedanken fort —
Dann atm' ich Gift, dann hauch' ich Mord,
Und alle Gräu'l, die je verübt,
Ich kann sie kalt erfassen.

Die Hand, die Deine Locke faßt,
Kann Deinen Hals erdrücken;
Fest schling' ich mich um Deine Brust,
Und mit des Vampirs blut'ger Lust,
Kann ich mit meiner Küsse Hast
Dein Leben stumm ersticken.

D'rum, wenn Dich meiner Blicke Droh'n
In stillen Stunden schrecket;
So denk': es ist ein Feuerfluß,
Den Deine Flamme nähren muß,
Und laß mit keinen Hauch entloh'n,
Was seine Lava decket!

Die Sklavin

Wie? zu den Mimosenhecken
Flüchten willst Du Dich mit mir?
Warum willst Du Dich verstecken?
Niemand sieht uns als die Sonne,
Und die ist so heiß wie wir.

In die braune Heide nieder
— Sieh' das Brautbett schwellend blüh'n, —
Strecke Deine schlanken Glieder,
Und das Haupt, das pantherschwarze,
Laß es ruh'n auf meinen Knien.

Ha, bei Deinen schwarzen Mähnen
Fass' ich Dich, Du brauner Leu,
Fasse Dich mit meinen Zähnen;
Schön bist Du, wie nie ein Weißer,
Weiß ist falsch und braun ist treu!

Weiß die Well'n, die trüglich glatten,
Braun die Erde, die uns trägt,
Weiß die Sonne, braun der Schatten,
Braun die Rechte, die mir schmeichelt,
Weiß die Rechte, die mich schlägt.

Spähest Du? Sei ohne Sorgen,
Unser Hüter pflegt der Ruh',
Auch die Herde ruht geborgen,
Und die schwere Mittagsschwüle
Drückt der Welt die Augen zu.

Gib und nimm und teil' im Bunde
Unsers Lebens süßen Kern!
Eine selige Sekunde
Für ein ganzes Sklavenleben!
— Ach, und doch lebt sich's so gern!

Gute Nacht

Gute Nacht, gute Nacht, mein Kind, schlaf' ein!
Du wirst nun lang ohne Mutter sein.
Noch einmal laß mich in's Auge Dir seh'n,
Du siehst ihm so ähnlich, Du bist so schön,
Du hast seinen Mund, der so falsch mir gelacht,
Du hast seinen Blick, der mich elend gemacht.
Er hat mich vergessen, er ließ mich allein —
Gute Nacht, gute Nacht, mein Kind, schlaf ein!

Hier steh' ich verlassen, hier steh' ich verdammt,
Weil einst mir ein Gott in dem Busen geflammt.
Hier steh' ich verstoßen von Vater und Haus,
Hier steh' ich gebannt in die Welt hinaus.
Weil einst ich geliebet, drum bin ich gehaßt,
Nichts hab' ich als Dich, Du beglückende Last!
Auch Du bist verstoßen, verachtet, allein
Gute Nacht, gute Nacht, mein Kind, schlaf ein!

O Du, der mich einst so herzinnig geliebt,
O Du, der mich einst so herzinnig betrübt,
Der Alles mir war, dem ich Alles gab,
Der nichts mehr mir ließ, als den Bettelstab,
Verzeih Dir der Himmel, wie ich Dir verzeih,
Und steh' unserm armen Kinde nun bei.
Ich trag' es nicht mehr, diese Not, diese Pein! —
Gute Nacht, gute Nacht, mein Kind, schlaf ein!

Schon wird es dunkel — ich muß — ich muß —
Komm her, Du mein Herz, diesen Kuß, diesen Kuß!
An die Tür jenes Hauses leg' ich Dich hin,
Es wohnen ja gute Menschen da drin,
Und hinaus an den See nun schleich' ich mich sacht,
Einen Sprung in die Flut und dann — gute Nacht!
Gute Nacht, gute Nacht, mein Kind, schlaf ein!
Du wirst nun lang ohne Mutter sein!

Der Bastard

Als einst der Graf betrunken war,
Rief er die Magd zu sich.
Und spielte mit ihrem langen Haar,
Und küßte sie brünstiglich.
Und als er wieder nüchtern war,
Jagt' er sie aus dem Hause gar,
Und als ein Jahr vorüber war,
Gebar die Ärmste mich.

In einer kalten Winternacht,
Aus einem harten Stein,
Da hat sie mich zur Welt gebracht,
In Jammer, Not und Pein.
Wie sie mich an die Brust gebracht,
Da hab' ich zu ihr aufgelacht,
Ich blödes Kind hab' nicht bedacht
Mein gottverfluchtes Sein.

Daß ich vor Hunger nicht verkam,
Das war der Gräfin Sünd',
Die meine Mutter zur Amme nahm,
Für ihr hochgräflich Kind.
Doch Nachts ward ich herbeigeschafft,
Sie nährte auch mich mit ihrer Kraft,
Wir sogen ihr aus den Lebenssaft,
So daß sie starb geschwind.

Nun kam ich in ein Findelhaus
Zu all' dem andern Quark,
Und unter Krankheit rings und Graus,
Ward ich gesund und stark.
Und jetzt seit zwanzig Wochen her,
Da trag' ich Säbel und Gewehr,
Und unter dem Tornister schwer
Schwitzt mein hochadlig Mark.

Wenn's meinetwegen Krieg noch wär',
Da hätt' es keine Not,
Da holt' ich selbst mir meine Ehr'
Und ließ mich schießen tot.
In einem Bette liegt alsdann
Der Bastard und der Edelmann.
Und Keiner sieht den Fleck mir an,
Bin ich vom Blute rot.

Doch so wird nur Soldat's gespielt,
Das Fähnlein exerziert
Und der Herr Graf der kommandiert,
Das Fähnlein präsentiert.
Wenn ich ihm präsentieren könnt'
All' seine Sünden ohne End',
Nie hätte sich, beim Element!
Das Fähnlein so gaudiert!

Mir juckt der Finger am Gewehr,
Ich weiß schon was ich tu,
Kommt er mir einmal in die Quer
So schieß ich blind d'rauf zu!
Dann hab ich Lust, dann bin ich frei,
Dann ists doch mit dem Schuft vorbei,
Und schießt man mir das Hirn entzwei,
So hab' ich endlich Ruh.

O hätte meine Mutter mich
An einem Baum erhenkt,
O hätte meine Mutter mich
In einem See ertränkt.
Verachtet sein ist mein Gewinn!
Kann ich dafür, daß ich es bin?
Man kommt zu allen Sünden hin,
Wenn man das so bedenkt!

Der Rheinstrom

Ich bin aus dem Schoße der Gletscher gestürzt,
Mich haben die Düfte der Alpen gewürzt,
Die Wolken des Himmels, sie säugten mich stark,
Die Sonne der Freiheit, sie gab mir das Mark.

Und wenn ich im Sturz durch die Täler geschnaubt,
Da beugten die zackigen Berge das Haupt,
Und zwang ich durch Klippen und Klüfte den Lauf,
Da setzten die Felsen die Krone mir auf.

Wie braust' ich von dannen, wie schäumt' ich vor Lust,
Wie schwellte so stolz mir die Jugend die Brust,
Wie war ich so glücklich, so heiter, so hell! —
O Tage der Kindheit, wie flieht ihr so schnell!

Die Felsen verschwanden; die Berge so grün,
Sie schienen mich lockend an's Ufer zu zieh'n,
Sie streckten die Arme zu mir in die Flut,
Sie riefen: o weile, hier weilt sich's so gut!

Hier winkten mir Hügel mit Eichen belaubt,
Dort schlang man mir purpurne Reben um's Haupt,
Dort grüßten mich Burgen aus duftigem Wald,
Sie riefen: o weile, was fliehst Du so bald?

Ihr Hügel so saftig, ihr Schlößlein so fein,
O ladet den wilden Gesellen nicht ein.
Mich treibt ja von dannen der ewige Quell:
O Tage der Liebe, wie flieht ihr so schnell!

Allmählig verschwanden die Hügel; am Strand
Einförmig hin dehnte sich fruchtbares Land,
Und Städte und Dörfer, sie schauten mich an;
Bedächtig, gemächlich hin zog ich die Bahn.

Da faßten sie mich mit gewaltiger Hand
Und schlugen den Nacken, in eisernes Band,
Und griffen mir gierig in's innerste Herz,
Und haschten nach Perlen und Körnern von Erz.

Die Schultern so trotzig, die Stirne so hoch,
Ich mußte sie beugen in's steinerne Joch;
Das Herz, von dem Odem der Freiheit geschwellt,
Es rang mit den Lasten der schachernden Welt.

Doch, ob auch die Krone dem Haupte entrafft,
Noch fühlt' ich im Herzen die schaffende Kraft;
Das Kleine zerbrach ich mit steigender Flut;
Dem Großen gehorcht' ich mit schweigendem Mut.

Zuweilen auch grüßte ein Schlößlein, ein Dom,
Ein waldiger Hügel den wandernden Strom,
Wie Bilder der Kindheit im Traume geseh'n;
O holde Erinn'rung, wie bist du so schön!

Da fühlt' ich mich langsam erschlafft und verdorrt,
Und keuchend und schleichend nur schleppt' ich mich fort;
Nur graues Gestrüppe bekränzte den Strand,
Ein Arm nach dem andern zerrann in dem Sand.

O könnt' ich mich stürzen, wie einstens als Knab',
Mit offenen Armen in's flutende Grab!
Jetzt schleich' ich gebrochen, versiegend daher,
Und namenlos sterb' ich im endlosen Meer.

Der Bursch und sein Liebchen

Es zieht ein Bursch aus der Fremde nach Haus,
Da schleicht er sich Nachts zu Liebchens Haus;
Er hält die Laute unter dem Arm:
"Du ruhest, mein Mädchen, ohn' Sorgen und Harm,
Ich will Dich grüßen mit Leierklang,
Ich will Dich wecken mit Liebessang."

Und droben im Stübchen eng und klein
Da liegt sein Mädchen in Fieberpein,
Die Mutter lauscht an der Wange so heiß:
Da klingen Töne, so leis, so leis,
Da tönt durch die Stille ein süßes Lied,
Wie der Schwan, der sterbend zur Heimat zieht.

"Horch, horch — o Mutter! das ist sein Ton!
Das ist seine Stimme — ich kenne sie schon:
Er ruft mich — er lockt mich — er winket mir —
Ich komme, ich eile, ich fliege zu Dir!"
Mein Kind! die Straße ist öd' und leer,
Er ist ja ferne, Du träumst nur schwer.

"Und hörst Du nicht, Mutter, die Melodien,
Die Sprache der Lieb' ohne Worte?
Und hörst Du's nicht wogen und schwellen und zieh'n
In schmelzendem süßen Akkorde?
Wie fühl' ich so leicht mich, wie fühl' ich mich wohl,
Von himmlischen Schwingen gehoben,
Leb' wohl, meine Mutter, leb' ewig wohl!
Ich zieh' mit dem Liede nach oben" — —

Noch harret der Jüngling an Liebchens Haus,
Er hat sie in Schlummer gesungen.
Und droben löschte die Lampe aus,
Und die Saiten sind ihm gesprungen.

Der Ilsenstein

Auf dem hohen Ilsensteine
Steht ein Jüngling bleich und schön,
Träumend hat er von der Höhe
In das tiefe Tal geseh'n;

Wo die holde Ilse rauschet
In des Mondes Silberglanz,
Hat der Jüngling still gelauschet
Und Entzücken faßt ihn ganz.

Sieht wie in den Silberfluten
Eine gold'ne Leier blinkt,
Welle mit den Saiten spielet
Und die holde Ilse singt:

"Komm herab vom hohen Steine,
Holder Jüngling! komm herab!
Komm herab, ich bin die Deine,
Holder Jüngling, komm herab!

Will Dich sanft und ruhig betten,
Leise weht mein Lied Dir zu,
Will mit Perlen Dich bekränzen
Und mit Blumen, schön wie Du.

Meine Krone sei die Deine,
Die ich Keinem je noch gab.
Komm herab vom hohen Steine,
Holder Jüngling! komm herab!" —

Alles still; die Töne gleiten
Leise mit der Silberflut;
Da erfaßt ihn süßes Beben,
Da erstickt ihn süße Glut.

Eine Krone sieht er blinken,
Zweier Arme tiefe Glut,
Und zwei Augen sieht er winken —
Und er stürzt sich in die Flut.

Der Meistersänger

Der Meister Ehrenfriede stand
In Ehr' und Fried' im ganzen Land;
Ein Weber war er nur, ein schlichter,
Doch war er nebenbei auch Dichter
Und sang sein Lied bei Tag und Nacht.
Was wohl zum Dichter ihn gemacht?

Er hat geseh'n ein Mägdlein fein,
So minniglich, so himmelsrein,
So hold und sittsam wie ein Engel,
So schlicht und recht und sonder Mängel;
Seitdem hat er bei Tag und Nacht,
An's holde Mägdlein nur gedacht;
Dacht' nicht an's Weben, nicht an's Linnen,
Dacht' nur an's süße Glück der Minnen.
Und mußte 's Schifflein grad herüber,
Gedankenvoll schob er's hinüber,
's gab Fehler in die Kreuz und Quer,
's geriet kein Stückchen Linnen mehr.

Und wie er einmal sich wieder satt
Gesehnet und geseufzet hat,
Da ließ er schnell den Webstuhl fassen,
Tät in die Eck' ihn stellen lassen,
Ließ all' seine Gesellen laufen
Und tät sich eine Laute kaufen
Und sang der Minne Leid und Lust
Und sang aus voller Dichterbrust.

"O wüßtest Du, wie man muß lieben,
Du würdest also mich nicht betrüben,
Ein liebend Herze nicht zweifeln kann!"
So sing seiner Lieder das schönste an.

Hat er's gesagt einem Zweiten und Dritten?
Tät Einer ihn um die Abschrift bitten?
Genug, bald war im ganzen Land
Der Sänger Ehrenfried bekannt,
Und wie man sonst gelobt sein Linnen,
So lobte man jetzt sein Dichten und Sinnen.
Gab ihm Geschenke an Silber und Gold,
Und Alle waren dem Sänger hold —
Nur die allein nicht, für die alleine
Gesungen waren die Lieder seine.
Wo nur der Meister sich sehen lassen,
Sang man seine Lieder auf Märkten und Gassen,
Es war bald kein Kind in der ganzen Stadt,
Das ihn nicht gekannt und gegrüßet hat.
Man nannt' ihn den Meister Weber nicht länger,
Man nannt' ihn nur immer den Meister-Sänger;
Doch trotz der Ehre und trotz der Lieb'
Der Meister-Sänger blieb immer trüb.

So schlich er einmal gedankenschwer
Des Abends mit seiner Laute her.
War's Zufall, oder was hat ihn getrieben?
Er stand an dem Fenster seiner Lieben,
Er drückte sich fester an ihre Tür,
All' seine Gedanken sie flogen zu ihr.

"O wüßtest Du, wie man muß lieben,
Du würdest länger mich nicht betrüben,
Ein liebend Herze nicht zweifeln kann!"
So sang er, es kamen ihm Tränen an.

Da naht sich dem Hause schnell und wild,
In langem Mantel ein Mannesbild;
Der Meister sieht ihn — es glüht sein Gesicht,
Es pocht sein Herze — er fühlt es nicht —
Er hält die Laute als wie ein Schwert:
"Will sehen doch, was der Mann begehrt!"
Der Ritter steht stille und singt und singt,
Ein Mägdlein ihm schnell entgegen springt;
Der Meister sieht sie —er hat sie erkannt:
Da fällt die Laute ihm aus der Hand,
An die Mauer drückt er sein glühend Gesicht,
Hoch pocht sein Herze, er fühlt es nicht.

Und der Ritter darauf: "Liebe Buhle mein,
Wirst Du auch treu mir ergeben sein?"
Und das Mägdlein mit heißer stürmischer Hast
Mit dem Arm den Nacken des Ritters umfaßt:
"O wüßtest Du, wie man muß lieben,
Du könntest länger mich nicht betrüben,
Ein liebend Herze nicht zweifeln kann!
Dein bin ich auf ewig, geliebter Mann!"

Ein schönes Liedchen; doch der's gedichtet,
Der steht an der Mauer, stumm, vernichtet;
Das Lied, das er selbst für sie geklagt,
Das hat sie ihrem Buhlen gesagt!
Da schlich er sich heim. Was Niemand geschaut,
Hat die Träne dem Kissen anvertraut.
Am Morgen, wie er gestanden auf,
Ließ er die Gesellen rufen herauf,
Die wußten nicht, was er begann zu sinnen;
Er sang noch einmal das Lied von der Minnen,
Dann wandt' er sich zu den Gesellen daneben:
"Kommt Freunde! Wir wollen Linnen weben."

Der Deserteur
Nach einem altdeutschen Volksliede

Zu Straßburg auf der langen Brück',
Da stand ich eines Tags,
Nach Süden wandt' ich meinen Blick,
In grauem Nebel lag's.

Da dacht' ich mir: dahinter liegt
In wunderbarem Reiz
Mit seinen Alpen, seinen Höh'n
Dein Heimatland — die Schweiz.

Und wie ich's dacht' und wie ich's sann,
Da zog ein Knab' vorbei,
Der blies in's traute Alpenhorn
Der Heimat Melodei.

Da ward mir's kalt, da ward mir's warm,
Rasch sprang ich in die Flut,
Hinaus den Rhein mit starkem Arm
Schwamm ich mit frischem Mut.

Hätt' mich nicht der Sergeant geseh'n,
Da hätt' es keine Not.
Jetzt haben sie mich eingebracht
Und schießen heut' mich tot.

O liebe Herren, glaubt mir dies,
Mich zog ein süßer Ton:
Der Knabe, der das Alphorn blies,
Der trägt die Schuld davon.

Nun führt hinaus mich vor das Tor
Und meßt die fünfzehn Schritt'
Und schießet wacker —doch zuvor
Gewährt mir eine Bitt':

Blas't mir das Alphorn noch einmal
In wunderbarem Reiz,
Und dann grüßt mir viel tausend Mal
Mein Heimatland, die Schweiz.

Die Genesis des Bieres

Gott Bacchus kam auf seiner Tour
Von Ungarn an den Rhein,
Sein Fuß berührt die Erde nur,
So sproßt schon grüner Wein.
In Franken hielt er lange Rast,
In Böhmen war er flücht'ger Gast,
Ließ auch die Blicke gleiten
Nach Schlesien — vom Weiten.

Der Wein erfreut des Menschen Herz
Nach ältester Erfahrung,
D'rum neidete man anderwärts
Die süße geist'ge Nahrung.
Und heimlich stahl man sich ein Reis
Und pflanzt' es ein mit großem Fleiß
Und freute sich im Glauben
An saft'ge, süße Trauben.

Doch wo des Gottes Spur gebricht,
Da fehlen die Gedanken!
Die Blätter schoßen wohl an's Licht
Mit hohen grünen Ranken,
Auch Früchte gab's in Trauben fest;
Doch ach, als man sie ausgepreßt,
Da gab's nur bitt're Tropfen:
Es war statt Wein nur Hopfen.

Da schimpfte man auf Erd' und Land
Und nannte sie parteilich.
Die gute Mutter Ceres fand
Dies freilich ganz verzeihlich
Und sog aus ihrer Brüste Kraft
Ein Tröpflein süßen Gerstensaft,
Um aus den bittern Hopfen
Die milde Kraft zu pfropfen.

Und so entstand zum Heil der Welt
Des Bieres edle Mischung,
Von guten Göttern selbst bestellt,
Der Menschheit zur Erfrischung.
D'rum Mensch, bedenke was Du braust,
Daß, wenn Du Reb' und Hopfen schaust,
Die irdischen Gedanken
Sich mit zum Himmel ranken.

St. Kilian
Fränkische Legende

Der Moses war ein Gottesmann,
Schlug mit dem Stab an Felsen an,
Da sprudelte baß aus dem Stein
Ein helles, klares Wässerlein,
D'raus trank sich neuen Mut und Kraft
Die ganze edle Judenschaft.

Aus Ireland St. Kilian
Wohl größ're Wunder hat getan.
Der zog gen Franken an den Main
Bis an den Berg, benamset Stein,
Und sprach: Soll ich hier rasten nun,
So mög' der Herr Mirakel tun.

Und schlug mit seinem Stab den Stein,
Der gab statt Wassers würz'gen Wein,
Den männiglich als Wunder preist
Und ihn noch heut den Steinwein heißt,
D'raus trinkt sich frischen Mut und Kraft
Die fränkische Studentenschaft.

Kanarienvögel
Eine Frühlingsphantasie (1860)

Ein warmer Sonnenstrahl. Es dringt herein
Wie eine Ahnung naher Frühlingswonne.
Da trag' ich mein Kanarienvögelein
Zum offnen Fenster hin, daß es sich sonne.

Sieh! durch die Lüfte flattert frank und frei
Ein Kamerad mit goldigem Gefieder
Und fliegt herbei; es grüßen sich die Zwei,
Und wechselweise schmettern ihre Lieder.

"Grüß Gott!" —Grüß Gott, Herr Vetter, ruh' Dich aus. —
Ein Augenblickchen. — Ei woher so eilig?" —
Woher? "In einem Fluge von zu Haus!"
Von der Kanarieninsel? — "Freilich, freilich!"

Du Glücklicher! Du kennst das schöne Land,
Dem unsre goldnen Ahnen einst entsprungen?
Mir ist's vom Hörensagen nur bekannt,
Was zwitschernd mir die Mutter vorgesungen! —

"Du Ärmster! Wer Madeira nicht geseh'n,
Der weiß nichts von dem Paradies zu sagen!
Und heuer ist es bei uns doppelt schön,
Denn horch, ein Wunder hat sich zugetragen!

Ein Elfenkind ist bei uns eingekehrt,
Die Feenkaiserin aus weiter Ferne,
Von gold'nem Schimmer ist ihr Haupt verklärt,
Die Augen leuchten wie zwei milde Sterne.

Aus Rosenblättern ist das Wangenpaar,
Der Nacken von Orangenschnee gewoben,
Und majestätisch wallt das gold'ne Haar,
Wie einer Kaiserkrone Kelch nach Oben.

Und wo die Holde wandelt, schmettern wir
Begeisterte Fanfaren durch die Lüfte,
Und wo die Holde atmet, bieten ihr
Die Blumen heilsam süße Balsamdüfte!

Jüngst wallte sie am stillen Meeresstrand,
So leicht, als trügen Flügel ihre Füße,
Nach Osten war ihr blaues Aug' gewandt,
Und um die Lippen spielten Sehnsuchtsgrüße.

Sie sprach: Ihr Wolken, die nach Osten zieh'n,
Wohin ich sehnend Herz und Blicke lenke,
O grüßt, o grüßet mir mein trautes Wien
Und sagt ihm, daß ich liebend sein gedenke.

Die Wolken aber zogen kalt und grau
Am Himmel fort, die mürrischen Gesellen!
Da rief ich schnell: Sei ruhig, holde Frau,
Ich will Dir Deinen Gruß getreu bestellen.

Die Flügel spannt' ich aus und flog im Sturm
Und war in Wien beim nächsten Morgenstrahle
Und von der Zinne vom St. Stephansturm
Rief ich's hinab: Sie grüßt Euch tausendmale!

Gelabt, gestärkt von meiner Heimatlust
Fühlt sie die jungen Pulse frischer schlagen,
Und in der Schönheit Schmelz, der Jugend Duft
Erblüht sie, wie in ihren schönsten Tagen.

Drum rasch, ihr Bäume, kleidet Euch in Grün,
Ihr Vögel, sinnt auf Eure schönsten Lieder!
Fühlt Ihr den jungen Strahl der Sonne glüh'n?
Der Lenz ist nah, der Lenz bringt sie Euch wieder!"

Zeus und der Mensch
Neujahrsnacht 1863

Allvater Zeus! Was Deine Hand mir gab,
Ist Eines nur — und Alles. Sieh', ich trete
Zu Deines Tempels Schwelle hin und bete:
Erhalte mir das Eine, was ich hab'.
Sieh', Jener fleht Dich an um lyd'sches Gold,
Du neigst das Haupt, es strömt Dein gold'ner Regen,
Wie er zu Füßen Danaes gerollt.
Sieh', Jener hebt die Leier Dir entgegen,
Du blickst ihn an mit Deines Auges Glanz,
Und in Olympia wird ihm der Kranz.
Sieh', Jener fleht Dich um den Ruhm der Ahnen,
Du neigst ihm die ambros'sche Rechte zu,
Und die Quadriga fliegt auf Siegesbahnen!
So sei auch mir geneigt Allvater Du!

Mir ward aus Deiner Huld ein Weib gegeben,
Das meines Daseins ganzen Inhalt füllt.
In holdem Gleichmaß quillt uns nun das Leben,
Und Wunsch und Sehnsucht sind darin gestillt.
Und wie im Kreislauf auch die Stunden kommen,
Froh tragen uns're Seelen Lust und Leid,
Denn Leid, das Lieb' der Liebe abgenommen,
Wird durch den Wechseltausch zur Seligkeit,
D'rum fleh' ich, send' aus Deinem Vaterschoß,
Was es auch sei, ich will es freudig tragen,
Nur laß' ihr Herz an meinem Herzen schlagen,
Und überirdisch, selig ist mein Los!

Er spricht's. Zeus hebt das Haupt, das lockenreiche,
Und spricht zu Phoebus: Triff!
Ein Griff —
Und in des Menschen Arm liegt eine Leiche!