weiter
 

II.
Persönliches, Epigrammatisches

 

An meine Lina
An dieselbe
Meinem Bruder
Dem Freunde Deßauer
Sei mir gegrüßt!
In Grillparzer's Album
An Felix Mendelsohn
An die Dichter
Die Gleichen

An die Freunde
Die beiden Quellen
Der Schwan
An eine Rezensentin
Einem scheidenden Freunde
In ein Album
Lebenslauf der Hoffnung
Vergänglichkeit
Leidenschaften
Die Hoffnung
Ruhm und Neid

 
Wahrheit und Lüge
Die geistreichen Frauen
An die Spröden
Vater und Mutter
Mohs's Härteskala
Die Null

 

An meine Lina

Widmung der "deutschen Komödianten".

Du, deren ganzes, kurzes, reiches Leben
Sich treu und liebend um das meine rankte,
Um es mit tausend Blüten zu umweben;
Du, der ich alle meine Lieder dankte,
Nimm dieses auch! Es war sein stilles Werden
Dein letzter Wunsch, Dein letztes Glück auf Erden!
So lieg' es wie ein Kranz aus grünen Zweigen
Aus Deinem frühen Grab. Der Rest ist Schweigen.

An dieselbe

So lang des Himmels Gnade
Vereint uns läßt, geliebtes Herz,
Was gäb' es, was uns schade?
Und wär' es selbst der tiefste Schmerz.

Wir haben es empfunden,
Wie schwer die Hand des Schicksals schlägt.
Und lächelten der Wunden,
Weil sie die treue Hand gepflegt.

Der Schmerz selbst ward uns teuer,
Weil sich in ihm die Treu' verklärt.
So wirft man Gold in's Feuer,
Damit es sich als echt bewährt.

Nun schlägt das Herz gelassen,
Ob's jubeln oder leiden soll!
Nur Eins kann es nicht fassen,
Wie es vom Andern scheiden soll?

O wundervolle Sage
Von Baucis und von Philemon!
O Tod an einem Tage,
Du bist der schönste Gotteslohn!

Meinem Bruder
Bei seiner Rückkehr aus Süd-Afrika.

Wohl las ich oft von fernen Regionen,
Da wo die duftige Banane reift;
Wo in den Lüften and're Sterne thronen,
Der heiße Südwind dumpf die Wüste streift;
Wo wilde, krausgelockte Menschen wohnen,
Der braune Kaffer durch die Heide schweift;
Doch ferne lagen mir die fremden Räume,
Erblaßte Bilder meiner Kinderträume.

Und was ich las — Du hast es selbst gesehen:
Du irrtest unter fremden Sternen her,
Du standest auf des Tafelberges Höhen
Und sahst hinab in's weite blaue Meer;
Du sahst den Leu'n stolz durch die Wüste gehen,
Und schrecktest ihn mit blitzendem Gewehr;
Und wie Vaillant, der forschende Franzose,
Durchzogst die Steppe Du, die grenzenlose.

Doch einst, die Sonne sank in gold'nem Prangen,
Da zog nach Norden hin ein stiller Kahn:
Da faßte Dich ein heimliches Verlangen,
Der Jugend Bilder sahst Du wieder nah'n,
Und Tränen fühltest Du auf Deinen Wangen,
Und eine leise Stimme sprach Dich an;
Ist noch so reizend um Dich die Natur,
Ein Vaterland gibt's, eine Heimat nur.

Sie alle, die Dich kennen, die Dich lieben,
Dein Vater harret auf dem Kontinent;
Voll Sehnsucht harrt die treue Mutter drüben,
Die Dich mit Stolz bei ihren Söhnen nennt,
Und die Geschwister harren alle sieben,
Neun Herzen, deren jedes liebend brennt;
Und was Du auch gelitten und getragen,
Es wird an liebewarmen Busen schlagen.

Er kommt, er kehrt zurück, der teure Bruder,
Schon durch die Wogen schwimmt der stolze Kahn;
Die Liebe und die Treue steh'n am Ruder,
Die Hoffnung schwellt die weißen Segel an.
Und drüber waltet noch ein Gott, ein guter,
Und führt zum Vaterhaus die sich're Bahn,
Das ist ein Port, wo noch kein Schiff gestrandet
Triumph, Triumph, mein Bruder ist gelandet!

Dem Freunde Deßauer

Eh noch der Welt die Wahrheit sich verkündet,
Als sie dem Reich der Schönheit noch verfallen,
Da waren alle Musen treu verbündet,
Und wer der einen diente, diente allen.

Jetzt wohnen sie in engbegrenzten Hallen,
Und wem die Dichtkunst ihre Fackel zündet,
Der fragt nicht wie der Leier Töne schallen,
Nicht wie dem Marmor sich das Bild entwindet.

Nur einer kleinen Schar von Auserwählten
Blieb das Vermächtnis jener goldnen Zeiten
Und das Verständnis; alles Schönbeseelten,

Ob es aus Marmor spricht, aus Wort und Saiten,
Doch ihre Zahl wird seltner stets und kleiner;
Du, einz'ger Freund, bist von den Selt'nen Einer!

Sei mir gegrüßt!
Meinem Freunde Gustav Walter.

Wir saßen in vertrautem Kreise,
Verknüpft nur durch der Musen Band,
Von Mund zu Munde ging die Weise,
Der Becher ging von Hand zu Hand.
Da floß aus Deiner goldnen Kehle
Frisch, wie der Waldquell sich ergießt,
Aus voller Brust, aus voller Seele,
Das Zauberlied: "S e i  m i r  g e g r ü ß t."*

*von Franz Schubert

Und trunken von der Töne Fluten
Lauscht' ich halb träumend, halb bewußt,
Mir war's, als pulsten neue Gluten
In meiner gramerstarrten Brust.
Mir war's, als riefe mir das Leben,
Das vor mir lag so öd' und wüst,
Das ich schon zaghaft ausgegeben,
Auf's Neue zu: S e i  m i r  g e g r ü ß t.

Es war nicht nur der Ton der Kehle,
Was süßberauschend mir erklang,
Es war ein Hauch von Deiner Seele,
Der schmeichelnd in die meine drang,
Ein Zauber, den nicht Worte nennen,
Der aus dem tiefsten Herzen fließt
Und in sympathischem Erkennen
Zu meinem sprach: S e i  m i r  g e g r ü ß t.

Und wie Dein Lied mich angezogen,
Zog mich Dein mildes Wesen an;
Es war kein Wahn, der mich betrogen,
Du warst mir herzlich zugetan!
Durch Deine Freundschaft, Deine echte,
Ward mir manch' herbes Leid versüßt,
Ein Lichtstrahl zog durch meine Nächte,
Wenn Du mir sprachst: S e i  m i r  g e g r ü ß t.

Und einen Wunsch noch möcht' ich hegen
Und Dir ihn anvertrauen still:
Wenn sie mich in die Grube legen,
Früh oder spät, wie Gott es will,
Wenn sich um meine müden Glieder
Der Schoß der Erde heilend schließt,
Dann sing' Du eins mir Deiner Lieder!
Sing' mir das Lied: S e i  m i r  g e g r ü ß t.

Und hast Du nichts für mich empfunden,
So lang' ich lebend Dich umgab,
So sagst Du wohl in spätem Stunden:
Ein Freundesherz umschließt dies Grab!
Und wenn des Glückes reichste Fülle
Sich auf Dein teures Haupt ergießt,
So flüst're ich Dir im Herzen stille
Wie Geisterhauch: S e i  m i r  g e g r ü ß t!

In Grillparzer's Album

Dein Name war's, den meine Mutter rief,
Wenn sie mir Deutschlands große Dichter nannte,
Es waren Deine Worte innig tief,
Die sie getreu, wie ihre Bibel kannte.
So saß ich oft, das Aug' auf sie gewandt,
Und lauschte ahnungsvoll auf Deine Lieder;
Ich liebte Dich, noch eh' ich Dich verstand,
Und als ich Dich verstand — liebt' ich Dich wieder.

Da sah ich Deine Sappho. Groß und hehr
Erschienst Du mir, vom Delph'schen Gott beseelet;
Mir war's, als ob ich selbst dein Phaon wär',
Wie er von seiner Jugendzeit erzählet;
Wie er im Traum die Herrliche oft schaute,
So sah ich Dich, und Sappho trat hinzu,
Und reichte Dir die sieggekrönte Laute,
Und sprach zu Dir: Geliebter, singe Du!

Ja, singe Du! Laß deine Leier tönen,
Führ' uns zurück die deutsche Poesie.
Sie schlummert nur; kleinmütige Toren wähnen,
Sie sei uns tot — d'rum Sänger, wecke sie!
Ja sie bedarf jetzt wieder neuer Schwingen,
Um aus dem Staub zu steigen, jung und rein.
Wir träumen all', das müßtest Du vollbringen,
O laß doch unsern Traum ein Leben sein!

Und fragst Du mich, was dieses Liedchen meinet?
Warum es Dir aus fremder Brust erklang?
Je nun! Wenn eine Frühlingssonne scheinet,
Singt jeder Vogel seinen Lobgesang.
Drum wolle nicht mit diesen Versen rechten,
Die sich bescheiden an die andern reih'n;
Laß sie im Kranz, den Deine Freunde flechten,
Ein anspruchsloses Veilchen sein.

An Felix Mendelsohn
Glosse

"Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig' aus in der alten Pracht."
                                   Tieck.


Mendelsohn! Um Deine Seele
Spielen Elfen, leichtbeschwingt,
An dem Rain, wo Philomele
Klagend ihre Weisen singt,
Duft'ger Abendtau befeuchtet
Blauer Wunderblumen Pracht,
Die verschwieg'ne Welt beleuchtet
Mondbeglänzte Zaubernacht.

Aus dem Traum erwacht sie wieder
Die gebannte Poesie,
Lehrt Dich ihrer Lieblingslieder
Halbverklung'ne Melodie,
Öffnet dämmerhelle Räume,
Der Romantik ganze Welt,
Eine reiche Welt der Träume,
Die den Sinn gefangen hält.

Ird'sche Leidenschaften dringen
Nicht zu Dir mit wilder Macht,
Melusinen hörst Du singen,
Lausch'st dem Traum der Sommernacht,
Mozart thront, der ewig klare,
Auf der Erde Grund gestellt;
Dir gehört die wandelbare,
Wundervolle Märchenwelt!

Aus der Zukunft trüber Welle
Schöpfen wollt Ihr die Musik?
Kehrt, o kehrt zur reinen Quelle
Der Vergangenheit zurück!
Holdes Zauberreich der Töne,
Dich zerstört nicht stürmische Macht!
Steig' uns auf in neuer Schöne!
Steig' auf in der alten Pracht!

An die Dichter
(Glosse, als Trinkspruch beim Schillerfest 1859.)

Jubelt, Brüder, schwelgt in Wonnen,
Schiller's Geist hat sie geweiht.
Jener Irrwahn ist zerronnen:
Poesie sei tiefstes Leid,
Nicht in Weltschmerz trüb versunken
Steht die Muse starr und stumm,
Dich empfing sie wonnetrunken,
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter ans Elysium.

So verhieß es uns der Meister:
Als die Erde war verteilt,
Gab uns Gott das Reich der Geister;
Siegreich und erobernd eilt
Der Gedanke durch die Zonen,
Jedes Herz, in das er fällt,
Zu befruchten, zu belohnen,
Seid umschlungen Millionen,
Diesen Kuß der ganzen Welt.

Du, der durch des Lebens Mühen
Wallte mit verklärtem Haupt,
Der mit heiligem Erglühen
An ein Ideal geglaubt,
Das ob Raum und Zeiten thronet,
Sieh, wie heut die Poesie
Ihren Auserkor'nen lohnet:
Was den großen Ring bewohnet,
Huldiget der Sympathie!

Und wir füllen die Pokale
Und wir rufen frohdurchbebt:
Dieses Glas dem Ideale,
Das das Ird'sche überlebt!
Dies zu wahren, dies zu schützen,
Ist's was Schiller's Ruf uns heißt:
Brüder fliegt von Euern Sitzen,
Dieses Glas dem guten Geist!

Die Gleichen
(Vorgetragen am Schillerabend 1862 in der
Künstlergesellschaft "Grüne Insel" in Wien,
die den Enkel des Unsterblichen als ihren
Gast begrüßte.)


Zwei Berge stehen im deutschen Land,
Zwei majestätische Zeichen,
Wie Königsbrüder bei einand,
Sie heißen: die beiden Gleichen.

Bedeckt mit ewiger Tannen Grün,
Mit hundertjährigen Eichen,
Im Morgenrote, im Abendglüh'n
Erglänzen die beiden Gleichen.

Zwei Dichter ragen im deutschen Land,
Dem Blick kaum zu erreichen,
Wie Königshäupter bei einand,
Wer kennt nicht die Ohnegleichen!

Und wer von ihnen der Höchste sei,
Wer müsse dem andern weichen?
Der leere Streit ist längst vorbei,
Uns sind sie die "beiden Gleichen".

Wie Meister Rietschel sie erfand,
Die ehernen Ruhmeszeichen;
Es blühen in der Beiden Hand
Die Lorbeerzweige, die gleichen.

Versunken sind wohl hundert Jahr
Mit Thronen und mit Reichen;
Sie herrschen noch unwandelbar
Von Gottes Gnaden die Gleichen!

Und wie der Jubel uns durchdringt,
So lodern Feuerzeichen
So weit die deutsche Zunge klingt,
In allen Herzen die gleichen.

Willkommen, Dichterenkel Du
Und laß die Hand Dir reichen!
Die grüne Insel ruft Dir zu:
Es leben hoch die Gleichen!

An die Freunde
Neujahrswunsch 1860. (Ministerium Thierry )

Man schmähe nicht die bösen Tage,
Weil mancher schöne Traum zerstört;
Sie haben Eins von hohem Wert,
Sie sind die feinste Freundschaftswaage.

Empfindlich zeigen sie uns an
Ein jedes stille Liebeszeichen,
Ein jedes stumme Händereichen,
Das uns'rer Seele wohlgetan.

Sie wägen treu bis auf den Gran
Der Menge seelenloses Schweigen,
Die niedre Perfidie der Feigen,
Die mit erlog'nem Mitleid nah'n.

Ich hab's erprobt in dieser Zeit,
Im jähen Wechsellauf der Stunden:
Euch Allen, die mit mir empfunden,
Sei dieses Dankes Gruß geweiht.

Und wenn er heute ernster klingt,
Als diese heitern Räume wollen,
So dürft ihr nicht dem Sänger grollen,
Nur dem, was ihn zu klagen zwingt.

Euch schreckt wie mich die grimme Schere,
Womit die unbarmherz'ge Hand
Den Faden, den die Dichtkunst spannt,
Zerschneidet ohne Schutz und Wehre.

Ein Trost nur bleibt, der Wolken Schar
Kann nie die ew'ge Sonne schwärzen.
So wünsch' ich uns aus vollstem Herzen
Ein geistigfreies neues Jahr!

Die beiden Quellen
An Grillparzer

War einst ein Brunnen klar und tief,
Der unter moos'gem Steine schlief;
Ein Bächlein floß entlang mit munterm Rieseln
Und koste plätschernd mit den Kieseln.

"Seht," sprach es "nur den reichen Alten an,
Wie er mit seinen Schätzen geizen kann;
Ich weiß, er trägt erquickend Naß in sich
Und spendet Andern doch so kümmerlich;

Da bin ich ein ganz and'rer Knabe,
Ich geb' zum Besten, was ich habe."
Der Quell vernahm was jener rief,
Und sprach mit seiner Stimme klar und tief:

"Was einst vom Himmel in mein Herz getaut,
Es ist mir heilig anvertraut,
Ich darf es nicht an Jedermann verschenken,
Wer an mir schöpft, den will ich tränken."

Der Schwan
An Jenny Lind

Sanft hob der Schwan sein schwellendes Gefieder
Und furchte still entzückt die blaue Flut.
Da gab Apoll ihm seine süßen Lieder,
Er sang sie selig in die Abendglut.

Und als er fühlte, daß sein Lied sein Tod,
Rief er die Nachtigall im duft'gen Flieder:
Nimm Du zum Erbteil, was ein Gott mir bot,
Und zieh' ich fort, tön' Du mein Echo wieder!

Und hör' ich träumend jene Töne an,
So zieht die Ahnung still durch meine Seele:
Du bist, Bellini, der verklärte Schwan,
Und Jenny Lind ist Deine Philomele.

An eine Rezensentin

Die Poesie in unserm Vaterlande
Verläuft wie unser deutscher Rhein im Sande.
Die Kritik kommt mit Schaufel und mit Hacke,
Zu zeigen, wie sein Inhalt Schlamm und Schlacke.
Die Freundschaft aber mit geduld'ger Hand,
Sie wäscht die Körnlein Goldes aus dem Sand.

Einem scheidenden Freunde
(Mit Zigarren)

Blas' in die Luft den duft'gen Rauch
Und laß ihn flüchtig drin verhauchen,
Dann sollen meine Grüße auch
Von fern in's weite Luftmeer tauchen.

Und spricht der Rauch: So ist die Welt,
Ein rasches flüchtiges Zerstieben!
So sagt mein Gruß: Doch Eines hält;
Die Freundschaft, die sich treu geblieben!

In ein Album

Schließ das Aug' und harre still,
Was der Herr Dir senden will.
Viel gewinnt, wer wenig heischt,
Viel gehofft — ist viel getäuscht,
Viel gestrebt — ist viel gestritten,
Viel geliebt — ist viel gelitten.

Lebenslauf der Hoffnung

Die Hoffnung wird als Kind geboren,
Ein Flügelkleid beschwingt den Leib;
Sie wächst und altert mit den Horen,
Und Kleid und Namen geh'n verloren,
Erwartung heißt das ernste Weib.

Und ruhig harrt sie Tag' und Jahre
Verstummt, den Blick in sich gewandt.
Allmählig bleichen ihre Haare,
Als Greisin sinkt sie auf die Bahre,
Entsagung wird sie nun genannt.

Vergänglichkeit

O klage nicht, daß Deine Freuden
Die Stunde rasch hinweggespült;
Derselbe Strom ist's, der Dein Leiden
Mit seiner flücht'gen Welle kühlt.
Was Dir geraubt, was Dir gegeben,
Bedeckt die heil'ge Flut der Zeit.
Der größte Gram im Menschenleben
Ist auch sein Trost: Vergänglichkeit.

Leidenschaften

Leidenschaften, schäumende Pferde,
Angespannt an den rollenden Wagen;
Wenn sie entmeistert sich überschlagen,
Zerren sie Dich durch Staub und Erde,
Aber lenkest Du fest die Zügel,
Wird ihre Kraft Dir selbst zum Flügel
Und je wilder sie reißen und schlagen,
Um so herrlicher rollt Dein Wagen!

Die Hoffnung

Die Hoffnung ist kein Baum mit grünen Blättern,
Die Hoffnung ist ein üpp'ger Blütenbaum,
Das Leben faßt ihn an mit Sturm und Wettern,
Verwehte Blüten decken rings den Raum;
Nur hie und da, verschont von Sturm und Regen,
Reist eine still der Wirklichkeit entgegen.

Ruhm und Neid

Es ist der Ruhm ein purpurnes Gewand,
Das königlich Dir Brust und Nacken deckt;
Allein des Neides und der Mißgunst Hand
Hat tückisch spitze Nadeln dreingesteckt:
Du fühlst zuerst den scharfen Nadelstich,
Und erst gefaßt, freust Du des Purpurs Dich.

Wahrheit und Lüge

Die Wahrheit hält den Spiegel in der Hand.
Das sah die Schwester Lüge und erfand
Ein ideales Bild — in gleichem Rahmen.
Die Wahrheit zeigt den Spiegel aller Welt
Und fragt sie: Kennt ihr meinen Namen?
— Du bist die Lüge, denn Dein Bild entstellt!
Und wer bin ich, fragt schmeichlerisch die Lüge?
— Du bist die Wahrheit! das sind meine Züge!

Die geistreichen Frauen

Einst wogen die geistreichen Frauen
Zusammen ihren Wert.
Eine ganze volle Schale
Sie ward damit beschwert.

Da kam ein schlichtes Mädchen
Und legte ihr Herz darauf;
Und sieh, die eine Gabe
Wog all' die andern auf.

An die Spröden

Haben die Rosen sich einst verschworen:
Sie wären nicht zum Pflücken geboren,
Sie wollten blühen in rechtem Behagen
Und wollten dauern und Früchte tragen.
Und kam nun Einer, um sie zu brechen,
Täten sie ihm in die Finger stechen,
Sie blieben ruhig im grünen Haus —
— Da wurden stach'lige Hag'butten d'raus.

Vater und Mutter

Das Kind, wie's auch den Vater liebt,
Trägt heil'ger die Mutter im Herzen:
Der Vater hat es in Lust erzeugt,
Die Mutter gebar's in Schmerzen.

Mohs's Härteskala

Es hat der Mensch der Ecken viel,
Und viele Ecken hat das Leben;
Streift er nun an im Weltgewühl,
Nimmt er die Ecken nicht dem Leben,
Doch seine Ecken schleift er eben.

Die Null

Stand einst die Null an ihrem Platz,
Da war sie wohl ein rechter Schatz:
"Nein, sprach sie, ich will oben hin,
Damit ich auch was Rechtes bin."

Nun blies sie sich gewaltig auf,
Schob sich von Stell' zu Stell' hinauf;
Jetzt stand sie oben und freut' sich sehr:
— Da galt sie aber gar nichts mehr.