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Gesammelte Gedichte
Salomon Hermann Mosenthal

Wien 1866
Druck und Verlag von Carl Gerold's Sohn

I.
Lyrisches

 

Glück im Leid
Trost
Abendlied der Waise
Frühe Tränen
Die Verlassene
Hirtenlied
Andenken
Abschied
Ein froher Augenblick
Tränen
Nachhall
Entsagung
Beim Abschied
Glut der Liebe
Lebensglück
Schüchterne Liebe
Im Garten
Orakel
Meine Liebe
Maiennacht

 
Liebesbotschaft
Frühlingslockung
Seifenblasen
Trauerweiden
Memnon
An die Phantasie

 

Glück im Leid


Wem Gott ein treues Herz gegeben,
Das seine Leiden mit ihm trägt,
Der klage nicht, was auch das Leben
An Ungemach ihm auferlegt.
Denn jeder Schmerz läßt sich verwinden
Und jede tiefste Wunde heilt;
Du mußt nur eine Seele finden,
Die Deine Schmerzen mit Dir teilt.

O wolle nie ein Herz beneiden,
Weil es im Glücke schwelgt — allein;
Das ist kein Glück, das ist ein Leiden,
Mit seinen Wonnen einsam sein.
Der beste Trost ist Dir geblieben,
Wenn Dich die Hand des Schicksals trifft:
Die Trän' im Auge Deiner Lieben
Nimmt seinem Pfeil das herbste Gift!

Trost

Mußt Du ein teures Wesen missen,
Das Dir in tiefster Seele lieb,
So zähle nie was Dir entrissen,
Zähl' lieber was Dir übrig blieb.
Dann wird Dein Herz mit stillem Zagen
Den Schatz umklammern, der noch dein,
Und statt den Himmel anzuklagen,
Wirst Du ihm selig dankbar sein!

Abendlied der Waise

Sein Haupt war müde, sein Haupt war schwer!
Er starb; mein Vater ist nicht mehr.
Da trugen die schwarzen Männer ihn fort
Und trugen ihn hin zu kühlem Ort
Und trugen ihn hin zum Ort der Ruh';
Und drüber tat sich die Erde zu.

Nun steh' ich da so ganz allein,
Wie gerne möcht' ich bei ihm sein!
Ach, guter Gott, so groß, so weit,
Nimm mir doch ab mein Herzeleid;
Häng's lieber einem Bösen an,
Ich hab' Dir ja nichts zu Leid' getan.

Gute Nacht, lieber Gott, Du einz'ger Mann,
Dem ich "gute Nacht" noch sagen kann;
Sonst hab' ich's meinem Vater gesagt,
Sonst hab' ich's meiner Mutter gesagt,
Jetzt, da ich's keinem mehr sagen kann,
Nimm Du's, o bester Vater, an:
                                           Gute Nacht!

Frühe Tränen
Meinem Bruder

Selig, wer in seiner Jugend
     Nicht auf lauter Rosen lag,
Selig, dessen erster Frühling
     Nicht ein einz'ger Frühlingstag;
Selig, wen die heil'ge Sorge
     Säugte an der Mutterbrust!
Ach, so reich macht uns das Leiden,
     Und so arm läßt uns die Lust.

Rede nicht von trüber Jugend,
     Sprich nicht von entbehrtem Glück,
Blicke nicht mit feuchtem Auge
     In die schwüle Zeit zurück.
Hätten wir denn fühlen lernen
     Ohne uns'rer Kindheit Schmerz?
Hätten wir denn schätzen lernen
     Unsern Reichtum — unser Herz?

Hätten wir denn tragen lernen,
     Beten lernen in der Not,
Hoffen lernen, glauben lernen,
     Lieben lernen bis zum Tod?
D'rum laß uns mit Rosen krönen
     Uns'rer Kindheit frühes Grab:
Selig, wem die Hand von oben
     Früh die heil'gen Tränen gab.

Die Verlassene
An den Schlaf

O Schlummer, walle erdenwärts,
Der Du mein Engel bist!
Beruhige dies kranke Herz,
Und schläfre ein den herben Schmerz,
Bis wieder Morgen ist.

Wenn's Morgen ist, dann blutest Du,
Du armes Herze mein!
Doch Abends heilst Du wieder zu,
Der Abend bringt Dir Trost und Ruh',
'S wird ja bald Abend sein!

Seit zwanzig Jahren brachtest Du
Mir Friede, Trost und Ruh'.
Was ich ersehnt, entschwand für mich,
Was ich geliebt, verkannte mich,
Nur einzig treu bliebst Du.

Wenn ich im stillen Kämmerlein
Mich einsam ausgeweint,
Dann kamest Du, und sahst mir zu,
Und küßtest mir die Augen zu,
Du lieber, einz'ger Freund!

Du sprachst: O weine, armes Herz,
Hier sind wir ja allein!
Hier sieht Dich nichts, als Gott und ich,
Und Gott und ich, wir kennen Dich
Und lieben Dich — schlaf ein!

An meiner Brust, in meinem Arm
Sollst Du geborgen sein!
Der Unschuld weiße Rose liegt
An Deinem Busen angeschmiegt,
Und duftet süß — schlaf ein!

Und sieh, mein Bruder lächelt schon,
Wird balde bei Dir sein;
Der bringt dem Herzen ew'ge Ruh',
Der heilt die Wunden ewig zu
Und flüstert sanft: Schlaf ein!

Hirtenlied

Leise zieht die Abendröte
Um den blauen See;
Nun verstumme meine Flöte,
Nun Ade — Ade!

Will sie niemals wiedersehen
Sie mein Glück, mein Weh;
In die Fremde will ich gehen,
Nun Ade — Ade!

Mit der Herde will ich wallen
Fern auf jene Höh',
Wo die Klüfte widerhallen
Mein Ade — Ade!

Wenn mein Haupt sich zu ihr neiget,
Wenn ich Liebe fleh',
Sie versteht mich nicht, sie schweiget.
Nun Ade – Ade!

In die Fremde will ich tragen
Meines Herzens Weh';
Will ihr nichts zum Abschied sagen,
Als Ade — Ade!

Andenken

Ich denk an Dich! Orion lächelt milde
Herab auf mich.
Dein Auge strahlet mir aus seinem Bilde
Wie es beim Abschied war, das lieberfüllte.
Ich denk' an Dich!

Ich denk' an Dich! Ein Abendlüftchen fächelt
So sanft um mich.
Dein Atem ist's, ich fühle Deine Nähe,
Du bist mir nah', auch wenn ich Dich nicht sehe.
Ich denk' an Dich!

Nun gute Nacht! Dein holdes Bild umschwebe
Im Traume mich.
Blick' zum Orion aus, dem stillen Zeugen,
Ich bin bei Dir, wenn auch die Worte schweigen —
Ich denk' an Dich!

Abschied

Ich, warum hält dies Herz so fest,
Und reißt sich ab so bang zerschellt?
Ist denn die Scholle, die es läßt,
Die kleine Scholle eine Welt?

Ja freilich ist sie eine Welt,
Und wär' sie noch so klein zur Stund';
Ein einzig Herz, das lieb mich hält,
Ist größer als das Erdenrund.

Da draußen in der Welt so weit,
Der Welt so groß ist's so beengt;
Da sehnt sich's nach der Einsamkeit,
Wo sich das Herz zum Herzen drängt.

Denn wo das Herz zum Herzen paßt,
Da ist's nicht für die Welt zu klein;
Und weil's die Erde in sich faßt,
So muß es ja im Himmel sein.

Ein froher Augenblick

O dehne Dich, mein Herz! füll' meine ganze Brust,
Vergiß Dein altes Leid, faß' deine neue Lust!
Ein Sonnenblick erweckt ja tausend grüne Keime,
Ein Frühlingstag verscheucht ja alle Winterträume,
Ein Himmelsstrahl belebt den Bach zu neuem Lauf,
Ein froher Augenblick wiegt tausend Sorgen auf!

Tränen

Frage nicht nach meinen Tränen,
Glaube meinem treuen Sinn;
Ob ich lächle, ob ich weine,
Glaub' mir, daß ich glücklich bin.

Ach, ich möcht' die Welt umschlingen,
Allen bieten Lust und Glück,
Ach, den Tod — ich möcht' ihn schlürfen
In mein Herz aus Deinem Blick.

Und wenn dieses stille Sehnen
Aufgelöst an Deiner Brust —
Ach, dann fließen meine Tränen —
Halb vor Schmerzen, halb vor Lust.

Diesen Zoll der reinen Liebe,
Nimm, Geliebte, nimm ihn hin,
Ob ich lächle, ob ich weine,
Glaub' mir, daß ich glücklich bin.

Nachhall

Ich sah Dich einmal und ich seh' Dich immer,
Denn tief im Herzen barg ich mir Dein Bild.
Du sprachst mir einmal und es flieht mich nimmer
Der süße Ton, der meine Seele füllt.

Es ist Dein Auge, wenn vom Himmel helle
Ein funkelnd Sternlein einsam mit mir spricht.
Es ist Dein Ton, wenn sanft die Silberwelle
Melodisch plaudert mit dem Mondenlicht.

Ich muß die Welt, ich muß mich selbst vergessen
Und Alles, was mich sonst begeisternd trieb;
Du nahmst mir Alles, was ich einst besessen.
Und nur Dein Bild und meine Liebe blieb.

Entsagung

Ich will vor Deinem Fenster steh'n,
Vielleicht erblick' ich Deinen Schatten,
Ich will Dich nur von weitem seh'n
Hingleiten aus den grünen Matten.
Wie man nach einem Sterne blickt
Und nicht verlangt, daß er uns sehe:
So grüß' ich Dich, so lieb' ich Dich,
So glücklich macht mich Deine Nähe.

Ich will nur Deines Atems Weh'n
Einsaugen wie den Duft der Rose;
Kein hartes Wort berühre je
Der Liebe heilige Mimose.
Und will die übervolle Brust
In Blick' und Worte sich ergießen,
Dann will ich meiner Liebe Lust
Still in ein heimlich Lied verschließen. —

Nie will ich von dem süßen Glück
Den Schleier der Entsagung heben,
Ich hab' genug an Deinem Blick,
Genug für dieses kurze Leben.
Vielleicht wächst einst aus meiner Brust
Die Lieb' als Ros' aus meinem Grabe,
Du pflück'st sie dann wohl unbewußt,
Und ahnst, was ich empfunden habe.

Beim Abschied

Lebe wohl! Ich sag' es heiter,
Und mein Aug' ist ohne Tränen.
Könnt' ich fern von mir Dich wähnen,
Weil mein Auge Dich nicht sieht?
Ach, das wäre karge Liebe,
Die nur lebt' in engen Räumen:
Ich bin Dein — in Deinen Träumen,
Du bist mein — in meinem Lied.

Sonst wenn ich das Aug' geöffnet,
Sah ich licht Dich vor mir stehen;
Will ich jetzt Dein Bildnis sehen,
Schließ' ich nur die Augen zu.
Will ich Deine Stimme hören,
Lausch' ich, taub für fremdes Scherzen,
Nur der Stimme hier im Herzen,
Und im Herzen flüsterst Du.

Wie zwei klare Nachbarsterne
Unzerreißbar, eins beim andern
Durch den klaren Äther wandern,
So mein Herz mit Deinem zieht.
Wenn die dunklen Abendwolken
Auch den einen Stern verdunkeln,
Wird er darum minder funkeln,
Weil der andre ihn nicht sieht?

Sprich, o Teil von meiner Seele,
Kann ich meine Seele teilen?
D'rum, willst Du von hinnen eilen,
Zieht mein ganzes Sein mit Dir.
Und ich werde einsam weilen,
Wie ein Traumbild, wie ein Schatten,
Bis Du heimkehrst, zu erstatten
Meine bess're Hälfte mir.

Glut der Liebe

Wie schön bist Du! Ich fühl' mein Herz erbeben,
Seh' ich Dein himmlisch schönes Angesicht!
Ich wage nicht das Auge zu erheben,
Aus Furcht, daß es von meiner Liebe spricht.
Und dennoch hängt es sich voll bangen Kummers
An jede Spur, die Deine Füße geh'n,
O sag' mir, süße Diebin meines Schlummers,
O warum bist Du so bezaubernd schön?

Wie schön bist Du! Ich saug' in tiefen Zügen
Das Himmelslicht aus Deinen Augen ein;
Der Falter darf sich auf der Blume wiegen,
Laß mich in Deinem Atem glücklich sein!
Wohl fühl' ich es, ich kann nicht mehr gesunden,
Und dennoch dürft' ich nach den süßen Weh'n;
O sag' mir, Quelle meiner Todeswunden,
O warum bist Du so bezaubernd schön?

Wie schön Du bist! Ich möchte niedersinken,
Ich fühle mich vor Dir so klein, so nichts!
Doch wie! Du lächelst noch, Du läßt mich trinken
Den Tau des klaren himmlischen Gesichts?
O wende Dich von mir mit diesen Blicken
So schmelzend süß, nicht Deines Atems Weh'n!
Giftspenderin, Dein Hauch wird mich ersticken,
O warum bist Du so bezaubernd schön?

Fort! Fort aus dieses Labyrinthes Engen,
Worin Dein holder Zauber mich verstrickt,
Fort, fort, Du wirst mir ja das Herz versengen!
O hätt' ich nie in dieses Aug' geblickt!
Und doch — ob auch mein Fuß sich von Dir reißet,
Gebannt bleib' ich im Zauberkreise steh'n —
Die Fliege stirbt im Licht, das sie umkreiset.
O warum bist Du so bezaubernd schön?

Lebensglück

Ach, wie süß ist's doch, sich geliebt zu seh'n,
Ach, wie schön, wie himmlisch ist die Welt!
Wie die Sonne strahlt an des Berges Höh'n,
Wie die Blumen duften all' im Feld!
Wie die Drossel schlägt, wie die Lerche ruft!
Wie die Wolken grüßen aus den Höh'n!
Ringsum Lieb' und Licht, ringsum Blütenduft,
Ach, wie schön ist doch die Welt, wie schön!

Und was macht den Schmerz denn so schnell vergeh'n?
Und was füllt das Herz mit Lust und Glück?
Ach, ein einz'ges Herz macht die Welt so schön,
Ach, ein einz'ger froher Augenblick!
Richtig, flüchtig ist aller Erdenschmerz,
Nur die Freuden sind so wahr, so schön!
Ach, wie glücklich ist doch ein Menschenherz,
Ach, wie schön ist doch die Welt, wie schön!

Trag', o trage Brust, all' die süße Lust,
Und zerbrich nicht unter Deinem Glück!
Oder ja, zerbrich! Engel führe mich
In die dunkle Heimat jetzt zurück.
Daß nicht Erdenlust mir den Blütenduft
Meines kurzen Glückes mag verweh'n,
Daß aus meiner Gruft noch mein Echo ruft:
Ach, wie schön ist doch die Welt! wie schön!

Schüchterne Liebe

Die Liebe ist ein weißes Rosenblatt,
Das Dir entgegenträgt des Windes Wehen.
Schlürf' Dich von fern an seinen Düften satt,
Berührst Du es, so wird sein Schmelz vergehen!

Die Liebe ist ein Ton der Nachtigall,
Die leise flötet unter dunklen Eichen,
O lausche fern dem wundervollen Schall,
Trittst Du ihr nah, so wird sie Dir entweichen.

Die Liebe ist dem zarten Falter gleich,
Der selig Dich umschwärmt in lust'gen Ringen,
Versenk' die Blicke in sein Farbenreich,
Doch faß' ihn nicht, sonst lähmst Du seine Schwingen.

Die tiefste Liebe, sie verhüllt sich gern,
Der Perle in der Muschelbrust vergleichbar,
Die höchste Liebe gleicht dem Abendstern,
Er lächelt mild und ist uns unerreichbar!

Im Garten

Akazienblüten schwanken
Duftend auf Dich herab:
Das sind die stillen Gedanken,
Die ich Dir gesendet hab'.

Der dunkelfarb'ge Flieder
Beugt rauschend sich an Dein Ohr:
Er singt Dir meine Lieder
Und meine Grüße vor.

Ein Schmetterling, ein weißer,
Setzt sich auf Deine Hand:
Es ist ein Kuß, ein heißer,
Den ich zu Dir gesandt!

Ein Sternlein flimmert trübe
Tief unten am Horizont:
Es ist die stumme Liebe,
Die mir im Herzen wohnt!

Orakel

Ich habe alle Orakel gefragt,
Ob Du mich liebest noch?
Sie haben alle "Nein" gesagt.
Ich aber glaub' es doch.

Den Falter, der mich umflattert hat,
Bat ich, er möcht' Dich grüßen;
Da fiel der Arme flügelmatt
Nieder zu meinen Füßen.

Ich bat am Himmel ein Sternlein hell,
Daß es Dir entgegenfunkle:
Da kam eine schwarze Wolke schnell
Und hüllt' es ein in's Dunkle.

Ich drückt' einen Kuß auf ein Rosenblatt
Und gab es für Dich dem Winde;
Ein Täublein pickte es auf und hat
Es getragen zum Nachbarkinde.

Was wissen von Liebe Wind und Stern
Und Schmetterling und Tauben?
Mir sagt mein Herz: Du hast mich gern!
Und selig will ich's glauben!

Meine Liebe

Meine Liebe gleicht der Sonne nicht,
Die flammend auf- und untergeht,
Sie gleicht dem stillen Nordstern,
Der fest am Himmel steht.

Meine Liebe ist kein Rosenstrauch,
Der flüchtig tausend Blüten treibt;
Sie gleicht dem grünen Epheu,
Es blüht nicht, doch es bleibt.

Meine Liebe gleicht dem Strome nicht,
Der durch den Tau der Wolken schwillt,
Sie ist ein Born, ein tiefer,
Der aus sich selber quillt.

Meine Liebe ist nicht Altarbrand,
Der glühend seine Opfer zehrt,
Sie ist die ew'ge Lampe,
Die still den Dom verklärt.

Meine Liebe ist nicht Jubelglanz,
Der strahlend aus dem Auge blickt,
Sie ist die heil'ge Wonne,
Die vor sich selbst erschrickt.

Maiennacht

Einsam saß ich mit dem Liebchen mein
In der stillen, klaren Maiennacht,
Und wir tauschten unsre Seelen ein
In der stillen, klaren Maiennacht.
Und die Engel sah'n mit stillem Neid
All' herab auf unsre Seligkeit,
Und wir tauschten nicht mit ihrer Pracht
In der stillen, klaren Maiennacht.

Und sie sprach: Wenn ich nun ferne bin
In der stillen, klaren Maiennacht,
Send' ich meine Seele zu Dir hin
In der stillen, klaren Maiennacht.
Schlägt die Tanne Dir an's Fensterlein,
Flieg' ich heimlich in Dein Kämmerlein,
Küß' das Haupt Dir und die Lippen sacht
In der stillen, klaren Maiennacht.

Siehst Du wie die Stern' am Himmel steh'n
In der stillen, klaren Maiennacht?
Wie sie liebend mit einander geh'n
In der stillen, klaren Maiennacht?
So zieh'n treue Seelen durch die Welt
Und sie halten, wenn der Leib zerfällt,
Als zwei Sternlein hoch am Himmel Wacht
In der stillen, klaren Maiennacht!

Liebesbotschaft

Allwo ich geh' und wo ich bin
Hab' ich ein kleines Vöglein,
Das fliegt beständig her und hin
Und bringt Dir meine Grüße,
Du Liebliche, Du Süße!
Wie heißt das kleine Vögelein?
Das Vöglein heißt: I c h  d e n k e  D e i n!

Und drückt mich Sorg' und Kummer schwer,
Und will ich traurig werden,
So ruf' ich schnell das Vöglein her;
Und hör' ich seine Lieder,
So bin ich selig wieder!
Wie heißt das holde Vögelein?
Das Vöglein heißt: I c h  d e n k e  D e i n.

Und wenn dies Herz einst nicht mehr schlägt
Und man den Leib, den müden,
In seine stille Grube legt,
Dann fliegt aus duft'gem Flieder
Ein Vöglein zu Dir nieder.
Wie heißt das treue Vögelein?
Das Vöglein heißt: I c h  d e n k e  D e i n.

Frühlingslockung

Frühling weckt die Erde wieder
Aus der sanften Winterruh'.
Legtest Dich so müde nieder,
Ach so gern noch schliefest Du!

Sollst auf's neue Blüten tragen,
Die der Herbst Dir töten muß,
Und Du fühlst des Herzens Zagen,
Kennst des Lenzes falschen Kuß.

Doch bei seines Blickes Werben,
Wie die Brust sich auch verschloß,
Ringt zum Leben und zum Sterben
Blüte sich um Blüte los!

Herz, was soll die Mahnung taugen,
Die von Herbst und Welken spricht?
Ach, ein Blick aus Lenzes Augen
Und Du läß'st das Blühen nicht.

Seifenblasen

                    1.
Seifenblasen wirft das Kind
In die Luft zu buntem Tanze,
Jauchzt und jubelt ihrem Glanze;
Stirbt die eine rasch im Wind,
Glänzt die neue in der Sonne,
Und so dauern Spiel und Wonne,
Bis die letzte auch zerrinnt.

Lächelst Du dem kind'schen Scherz?
Nun so sieh, was Dir geblieben,
Was Dein Hoffen, was Dein Lieben,
Was der Trost für Deinen Schmerz?
Seifenblasen! flücht'ger Schimmer!
Und Du liebst und hoffst doch immer!
Ach wie kindisch ist das Herz!

                    2.
Ob auch die stolze Sonne meint,
Sie achte nicht der Blume Blühen,
Die wendet dennoch mit Erglühen
Das Haupt hin, wo die Sonne scheint,
Und wenn sie schied, in stiller Nacht,
Grüßt sie sie noch mit leisen Düften
Und sagt es den verschwieg'nen Lüften:
Ihr dank' ich meiner Blüte Pracht!

Und wendest Du Dich auch von mir
Stolz wie die Sonne von den Blüten,
So kannst Du es doch nicht verhüten,
Daß sich mein Wesen neigt zu Dir.
Und daß ich tausend, tausend Mal
Den stillen Lüsten es erzähle:
Die duft'ge Blüte meiner Seele
Verdank' ich Deinem Sonnenstrahl!

                    3.
Im Winter trifft ein Sonnengruß
Den dürren Strauch im Walde.
Der glaubt, es sei ein Frühlingskuß,
Dem man mit Blüten danken muß —
Verweht, ach, sind sie balde!

So traf Dein Auge, holdes Kind,
Mit flücht'gem Strahl das meine.
In Blüten schoß mein Herz geschwind,
Die nun verweht im Froste sind.
Ich denke Dein und weine!

                    4.
Warum muß ich die Seele auch
Den flatterhaften Lüften geben?
Warum des Herzens duft'ges Leben?
Sprach herbstentlaubt der Rosenstrauch.
Nein, fühllos, kalt, wie Tulpen steh'n,
So will ich blüh'n im Lenzesweh'n.
— Es weht der Lenz, es blüht der Strauch
Und atmet dennoch Rosenhauch.

                    5.
Rosen, Rosen in dem Tal
Küßt der Falter ohne Wahl,
Und sie lassen seine Lippen
Ruhig ihren Honig nippen.

Aber eine küßt sein Mund
In des Kelches Tiefe wund.
Weiter, weiter fliegt der Lose;
Und ihn segnend — stirbt die Rose.

                    6.
Ein Herz, das liebend Dir ergeben,
O kränk' es nie mit einem Hauch,
Vergibt es tausendmal Dir auch,
So triffst Du doch sein tiefstes Leben!

Um so viel tiefer es empfunden,
Was Du ihm je an Liebe zollst,
Um so viel tiefer, wenn Du grollst,
Wirst Du es kränken und verwunden.

                    7.
Und würden tausend Meilen
Von Dir, mein Herz, mich trennen,
Du solltest doch zuweilen
Ein Wort der Lieb' mir gönnen!

In Deinem tiefsten Innern
Wirst Du es einst ermessen:
Wie wohl tut das Erinnern,
Wie weh tut das Vergessen.

                            8.
Mein Schicksal ward von Gottes Hand geschrieben
Mit klaren Zügen in Dein Angesicht,
Darinnen steht: Du sollst mich ewig lieben!
Und wer entgeht dem göttlichen Gericht?
Vergebens, daß ich klügelnd mich betrüge,
Daß ich mich sträube gegen dies Gebot;
Ich seh' in Deine himmlisch klaren Züge —
Und lieben muß ich Dich bis in den Tod!

                     9.
Ach wie lang, wie lang ist's her,
Daß ich Dich geseh'n nicht mehr?
So lang, daß ich tausend Mal
Dein gedacht in Lust und Qual,
So lang, daß ein Rosenbeet
D'rüber ward vom Sturm verweht!
So lang, daß der Sternenring
D'rüber um den Erdball ging!
So lang, daß ich unterdessen
Die Unendlichkeit durchmessen
Und die Ewigkeit empfunden:
Ganze vier und zwanzig Stunden!

                    10.
Das Auge, das die Liebe kennt
Mit all' den Schmerzen, die sie schicket,
Fühlt nicht die Träne, die da brennt,
Nur die da lindert und erquicket.

Denn Liebeslust und Liebesleid
Sind so verschwistert und verbunden,
Daß Du im Schmerz die Seligkeit,
Im höchsten Glück das Weh empfunden.

Was sie um Liebes Leids ertrug,
Wird licht in Deiner Seele glänzen,
Und Wunden, die die Liebe schlug,
Sind Rosen, die das Herz bekränzen.

                    11.
Das Glück gleicht dem Planeten nicht,
Dem Du bezeichnen kannst den Lauf,
Es taucht mit seinem Zauberlicht
Ein Meteor am Himmel auf.

Wie eine Blüte von dem Baum
Dem Schläfer fällt auf's Angesicht,
So trifft das Glück Dich wie im Traum,
Du hast es und begreifst es nicht.

Wie ich Dich fand — ich weiß es kaum,
Und fühl es doch, daß ich Dich fand;
Die Blüte ist's vom Wunderbaum,
Das Meteor am Himmelsrand.

                    12.
Einen Augenblick sich finden,
Und sich dann auf ewig meiden,
Heißt das lieben? heißt das leiden?
Ist das Wonne? ist das Qual?

Einmal liebend Dich umwinden,
Einmal seelenvoll Dich küssen,
— Heißt es dann auch scheiden müssen:
Wonne ist's viel tausendmal!

Nach der Trennung

Auf den "Flügeln des Gesanges"
Kann ich Dich hinweg nicht tragen,
Aber meines Herzens Grüße
Kann ich Dir, Geliebte, sagen,
Und ein "Lebewohl" ein banges,
Und ein "Denke mein!" ein leises,
Und ein "Schütz Dich Gott!" ein heißes,
Send' ich Dir, Geliebte, zu.

Durch die meilenweiten Bahnen,
Die mein Flügelroß durchflogen,
Wie ein Stern dem Schiffer leuchtet,
Ist Dein Bild mit mir gezogen,
Und ein leises, süßes Ahnen
Milderte der Trennung Schmerzen,
Flüsterte in meinem Herzen:
Meiner auch gedachtest Du!

Fragst Du, wie mit Blitzesschnelle
Sich mein Herz in Deins gefunden?
Nun so miß den Strahl der Sonne,
Wenn er sich dem Nichts entwunden;
Miß die sprudelnd heiße Quelle,
Die emporspringt aus der Erde.
Sieh, die Liebe spricht ihr: Werde!
Und das Wunder ist vollbracht.

Und aus ihre goldnen Flügel,
Die den Raum, die Zeit besiegen,
Lad' ich meine Liebesgrüße,
Daß sie schleunig zu Dir fliegen.
Einen Kuß daraus als Siegel!
Fliege, fliege ohne Säumen,
Bring sie ihr in ihren Träumen,
Holde Botin: Gute Nacht!

                    13.
Den eine holde Hand zu holdem Munde trägt,
Gesegnet soll der Bissen sein!
Das ein geliebtes Haupt zu sanfter Ruhe hegt,
Gesegnet soll das Kissen sein!
Daß Dir ein treues Herz in heißer Liebe schlägt,
Gesegnet soll das Wissen sein!
Daß Lippe glühend sich auf süße Lippe legt,
Gesegnet soll das Küssen sein!
Es soll, daß es der Liebe Himmelsflamme pflegt,
Gesegnet das Gewissen sein!

                    14.
Dürft' ich mit Deinem Herzen schmollen,
Weil es nicht heiß wie meines glüht?
So müßt ich ja der Rose grollen,
Weil sie nicht wie die Nelke blüht.

Die Liebe darf den Tausch verlangen,
Doch mäkeln darf sie nicht daran:
Für Alles Alles zu empfangen,
Ist alles, was sie fordern kann!

                    15.
Kränk' mich nur immerhin, geliebtes Leben,
Mit Wonne nehm' ich Deine Kränkung an.
Ich habe ja so wenig Dir zu geben,
Wie süß ist's, daß ich Dir vergeben kann!

Und niemals bist Du holder mir erschienen,
Als wenn Du mich betrübt in raschem Wahn
Und schmeichelnd zu mir sprachst mit trauten Mienen:
Verzeihe mir! ich hab' Dir weh getan!

                    I6.
Wie ist das Herz erfindungsreich,
Wenn es ihm gilt, sein Lieb zu finden.
Doch nichts ist ihm an Listen gleich,
Will es der Fessel sich entwinden,
Ein Hauch genügt, ein leiser Wahn,
Zum Recht wird, was es gern getan,
So flattert es in's freie Land,
Ein Vöglein aus des Pflegers Hand.

Was mühst Du Dich nach Gründen auch?
Mein holdes Kind, sei ohne Sorgen.
Blüht heute nicht der Rosenstrauch,
Und kahl, entblättert steht er morgen?
Genug, daß Deiner Blüten Pracht
Auch mich gelabt, auch mir gelacht,
Und wenn nun heut Dein Dorn mich sticht,
Mein holdes Kind, ich zürne nicht!

                             17.
Wenn Deine Blicke lieblos mir begegnen
Und sich mein Herz verschließt in bangem Schweigen,
Das nichts vermag als lieben Dich und segnen,
Dann möcht' ich Dir mein tiefstes Inn'res zeigen.

Und möchte Dir den herben Schmerz ersparen,
Daß Du, wenn ich im Grab einst ruhen werde,
Zu spät aus diesen Liedern wirst erfahren,
Wie Du mein Alles warst aus dieser Erde!

                           18.
Du liebst mich nicht. Welch törichtes Beginnen,
Ein Herz zu zwingen, daß es wieder liebt!
Das nimmt man nicht, das sich nicht selber gibt.
Nimm Du nur meins, mehr will ich nicht gewinnen.
Ist Eros nicht ein Gott für sich allein?
Muß er verbunden mit Anteros sein?

Das Götterglück, das seligste Entzücken,
Das blitzesgleich durch Zweier Herzen glüht,
Die Wunderblume, die nur einmal blüht,
Sie läßt sich nicht vom Strauch wie Rosen pflücken.
Genüg' es, daß mein Herz, durch Dich bewegt,
In sich der Liebe duft'ge Rose trägt!

Zieh' immerhin und laß mich unbeachtet,
Wie Kinder spielend unter Blumen geh'n
Und nicht den Stern ob ihrem Haupte seh'n,
Der unverwandt und liebend sie betrachtet.
Einst, wenn es dunkelt, hebst vielleicht Du gerne
Das Haupt empor zu Deinem treuen Sterne!

                    19.
Ich muß mir Deine Neigung rauben;
Genüg' es, daß ich sie genieße,
Darf ich doch an das Eine glauben,
Daß ich Dich in die Arme schließe.
Das wär' zu viel des Glücks auf Erden,
So glühend heiß geliebt zu werden,
Ist mir doch Glücks genug geblieben:
Ich darf Dich heiß und glühend lieben.

Du fragst, was ich von Dir verlange?
In's traute Antlitz Dir zu blicken,
Das Herz, das liebevolle, bange,
An Deine warme Brust zu drücken,
Der Stimme Zauberklang zu lauschen,
An Deinem Kuß mich zu berauschen,
Dem Blick, dem milden, zu begegnen
Und tausendmal Dich still zu segnen!

Und darf ich's von dem Stern begehren,
Daß er mir glänzt aus blauen Lüften,
Und kann's die Rose mir gewähren,
Daß sie mich labt mit ihren Düften,
Die auch nicht fühlen und erwidern,
Was mich durchströmt an Lieb' und Liedern:
Willst Du's, mein Liebling, mir versagen,
Dich liebend in der Brust zu tragen?

                              20.
So fühlst Du nichts für mich? So bringt kein Hauch
Den Kelch der duft'gen Blüte in Bewegung?
Empfindest Du bei meinem Anblick auch
Nicht eine süße, ahnungsvolle Regung?
So bin ich Dir nicht mehr als alle sie,
Die teilnahmslos und lieblos Dich umrauschen?
So hast Du keinen Funken Sympathie,
Ihn gegen meine Liebesglut zu tauschen?

Du lächelst mir — so lächelst Du auch ihnen;
Dein Auge blickt mich wie sie Alle, an,
Auch nicht ein stiller Zug in Deinen Mienen,
Den ich mein holdes Vorrecht nennen kann!
Es schwillt mein Herz in unfaßbarer Wonne,
Es fragt mein Aug', was Deines mir gewährt?
Du blickst mich leuchtend an — so wie die Sonne,
Die Jedem scheint und Keinem angehört!

Und denk' ich, daß mein ganzes reiches Leben,
Um Dich als seinen Schwerpunkt kreist und schwingt,
Daß all' mein Sinnen, Denken und Bestreben
Sich festanklammernd an Dein Wesen schlingt,
Und daß Dein Herz so ganz gefühllos bliebe
Für Alles, was mich peinigt und erquickt,
Und daß ich mit dem Kranze meiner Liebe
Ein unempfindlich Bild von Stein geschmückt —

Sei's! Durch der Liebe schöpferischen Funken
Wird selbst der kalte Marmor lebenswarm,
Und Galathea stürzt sich liebestrunken
Pygmalion, dem Sel'gen, in den Arm,
So faß' ich Dich mit glühendem Erbeben,
Mit allen Flammen, die mein Herz durchloh'n!
Vielleicht erwacht mein Götterbild zum Leben,
Und selig werd' ich wie Pygmalion.

                    21.
Es sagt sich leicht: ich kann entsagen,
Doch ach, wie schwer ist das getan!
Das heißt nicht, den Verlust ertragen,
Wo man nicht mehr besitzen kann;
Das heißt auch aus dem tiefsten Herzen
Die leise Sehnsucht auszumerzen,
Die stumme Träne aus den Blicken,
Den stillen Seufzer zu ersticken,
Sein höchstes Glück wie einen Wahn,
Wie einen Götzen zu zerschlagen:
Es sagt sich leicht: ich kann entsagen,
Doch ach, wie schwer ist das getan.

Ich weiß es, daß ich Dich verloren,
Doch Dir entsagen kann ich nicht.
Was einst mein Herz Dir zugeschworen,
Muß es Dir halten, bis es bricht.
Verdientest Du der Liebe Sehnen,
Verdienst Du auch der Trennung Tränen,
Verdienst des Herzens blut'ge Wunden,
Das Heimweh nach vergang'nen Stunden,
Die sterbend noch das Dämmerlicht
Verstohl'ner Hoffnung mir geboren!
Ich weiß es, daß ich Dich verloren,
Doch Dir entsagen kann ich nicht.

                    22.
Herz, Du trauerst, weil das Licht
Deiner Liebe Dir verglühte?
Liebe ist des Lebens Blüte,
Und die Blüten dauern nicht!

                    23.
Herz, was soll Dein banges Schlagen,
Unterliegst Du Deiner Qual?
Alles was Du jetzt ertragen,
Trugst Du nicht zum ersten Mal.

Und in Kurzem, armer Schwärmer,
Stellt das Gleichgewicht sich her:
Um ein Hoffen bist Du ärmer,
Um ein Wissen hast Du mehr.

Trauerweiden

                    1.
Das ist nun Alles, was ich habe,
Das ist nun meine ganze Welt!
Das Plätzchen neben ihrem Grabe,
Das ist's, was mich gefangen hält.

Ich möchte flieh'n in alle Fernen,
Wo mich kein Auge glücklich sah,
Dort möcht' ich mich vergessen lernen,
Im Geiste blieb ich doch ihr nah.

Allein wenn ich die Weide sehe,
Die ich gepflanzt an trautem Ort,
So bannt es mich in ihre Nähe,
Und nun und nimmer kann ich fort.

Es flüstert wie mit ihrer Stimme,
Es fächelt wie mit ihrem Gruß.
Die Weide, ach, die bitterschlimme,
Ist Schuld, daß ich hier weilen muß.

Nein, Du hast recht, du gute Weide,
Dies einz'ge Plätzchen ist noch mein.
O blühe, blühe für uns beide!
Was blühte noch für mich allein?

                    2.
Was bin ich, seit ich Dich verlor,
Du Engel, den mir Gott erkor?
Gleich einer Muschel an dem Strand,
Aus deren Schoß die Perle schwand.

Ein Blumenstock, der in dem Beet
Entblößt von seiner Blüte steht,
Ein Maienbusch, vom Sturm entlaubt,
Ein Rahmen, dem das Bild geraubt.

Der Leier ohne Saiten gleich,
Ein König ohne Königreich,
Ein Ton, der in der Lust zerrann,
Ein Herz, das nicht mehr lieben kann!

                    3.
Dahin ist Streben und Beginnen,
Mein einzig Ziel — ein friedlich Grab.
Ich habe aufgehört zu spinnen,
Ich hasple nur den Faden ab.

Gleichmäßig fließt das Garn vom Rocken,
In seine Kerbe greift der Zahn,
Und kommt einmal das Rad in's Stocken,
So ist die Arbeit abgetan!

                    4.
An die untergehende Sonne.

Die Du aus feurigen Cherubsflügeln
Flatterst über den dunkelnden Hügeln,
Sonne, Mutter des Lebens und Lichts,
Laß mich mit Dir versinken, verschweben,
Denn von dem Lichte und von dem Leben
Ließ mir Dein himmlischer Schöpfer nichts!

Wo in des Lebens unendlichem Strome,
Ausgelöst in die ew'gen Atome,
Die verklärte Geliebte kreist,
Dahin führe die schmachtende Seele,
Daß sie wieder sich ihr vermähle
In dem unsterblichen göttlichen Geist.

Wohl was die Erde so himmlisch geboren,
Wird nicht vernichtet und ist nicht verloren,
Wenn es die Erde auch wieder begehrt.
Aus der Asche, in die es versunken,
Sprüht es in tausend leuchtenden Funken,
Strahlt es zu tausend Sternen verklärt.

Aber ich, dem das liebliche Ganze
Strahlte in seinem beglückenden Glanze,
Hebe vergebens den schmachtenden Blick,
Hebe die sehnenden Arme vergebens,
Denn die Quelle des Lichts und des Lebens
Wallet vorwärts — und nie zurück!

                    5.
Wer im Ozean gestrandet,
Wer sein treues Boot verlor,
Ringt sich, ob er nimmer landet,
Stets mit neuer Kraft empor;
Hascht sich Balken, hascht sich Trümmer,
Greift nach jedem morschen Ast,
Raubt die nächste Flut ihn immer,
Wird ein neuer doch erfaßt,
Und der Schwimmer kämpft und ringt
Bis die Flut ihn ganz verschlingt.

Und so bin auch ich versunken
Aus der Liebe Rettungsboot,
Und im öden Meer ertrunken,
Ring' ich einsam mit dem Tod.
Und doch hasch' ich Balken, Trümmer,
Die die nächste Welle raubt.
Ruhm und Freundschaft — Wahn und Schimmer!
Doch die Seele hofft und glaubt,
Und das Herz begehrt und strebt,
Bis die Flut es ganz begräbt.

                    6.
In dem Labyrinth der Schmerzen
Sind zwei Wege nur erlaubt:
Beug' Dich mit gebroch'nem Herzen
Oder hebe kühn das Haupt!

Sarg' mit dem verlornen Glücke
Auch die letzte Hoffnung ein,
Oder sag' mit stolzem Blicke:
Mein Geschick bin ich allein.

Und bei jedem Streich der Rute
Blick' den Schergen an beherzt,
Zeig' ihm, daß die Wunde blute,
Aber nicht, daß sie Dich schmerzt!

Zwar der Kampf wird lange währen
Und dann wird Dein Herz ein Stein,
Und dann wird die Brust Dir ehern,
Starr' und öd' die Seele sein.

Doch ob öd' auch und verwittert,
Ungebrochen stehst Du da,
Von dem Sonnenstrahl umzittert,
Der die Säule Memnons sah.

                    7.
So schwer ist doch kein Herz beladen,
So ganz ist doch kein Herz verarmt,
Daß sich nicht Gott noch sein erbarmt,
Es mit der Liebe zu begnaden.

Und kann das Glück ihm nichts mehr geben,
So kann es doch sein ganzes Sein
Beglückend einem andern weih'n —
Auch das heißt: In der Liebe leben!

Memnon

Ein Bild von Stein steht einsam, starr und stumm,
Es lagern Nacht und Wüste ringsherum.

Da steigt die Sonn' empor im Flammenschein,
Es trifft ihr Strahl das stumme Bild von Stein.

Das saugt den Blick, der lodernd es durchdringt,
Und es erschauert, zittert, klingt und singt.

Die Sonne sinkt, der letzte Ton verhallt,
Und wieder steht das Bildnis stumm und kalt.

Du, Aug' der Liebe, bist der Sonnenschein,
Und Du, mein Herz, der öde Memnonstein!

An die Phantasie

Du nur bleibe mir, Du holde,
Zauberische Phantasie!
Bleibe Du mir und vergolde
Was die Wirklichkeit mir lieh!
Laß die bunten Flügel schwirren,
Rufe Deiner Träume Schwarm,
Täusche mich und laß mich irren!
Ach, die Wahrheit ist so arm.

Wenn der Liebe Himmelsgabe,
Wenn die Freundschaft mir geraubt,
Laß mich wähnen, daß ich's habe,
Denn das Herz hat, was es glaubt.
Ob die unbarmherz'ge Stunde
Auch den gold'nen Schleier hebt:
Ach, Gewinn ist die Sekunde,
Die im süßen Wahn gelebt.

Schließt Euch, Augen, forscht nicht bange,
Taucht in meiner Seele Blut,
Schöpft vom heißen Liebesdrange,
Strömt sie aus die heil'ge Flut!
Ist der Glanz, der Euch entzücket.
Auch nur Glanz von Eurem Licht;
Wer sich selbst die Welt nicht schmücket,
Ach, dem schmückt die Welt sich nicht!