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Erwacht aus euern dunkeln Träumen,
Schon ist ein heller Frühlingstag!
Im grünen Grase unter Bäumen
Erblüh', was immer blühen mag.
 


Drittes Sträußchen
 

Ermunterung
Tanzende Mädchen
Am Wolfgang-See
Der letzte Strahl
Lerchensang
Am Fluße
Die Spinne

 
Im Eichenwalde
Auf der Ruine Karlstein
Abendsegen
 

Ermunterung


Frisch auf, mein Herz! die Welt ist offen,
Tritt ein, und schau sie freundlich an!
Erwarte freudig, was man hoffen,
Und mutig, was man fürchten kann!

Treu suche stets das Edle, Reine,
Doch wähn' es leicht zu finden nie:
Was gälten wohl die Edelsteine,
Wenn müh'los zu erlangen sie?

Laß' Dich das Suchen nicht gereuen,
Und grabe in den Schacht hinein;
Dann wirst Du dich der Mühe freuen,
Wirst finden Gold und Edelstein.

Doch eh' sie guten Schliff erleiden,
Sind trüb auch Edelsteine meist;
D'rum lerne früh zu unterscheiden
Welch' Ausseh'n edlen Kern verheißt!

Dann schleif' getrost mit gutem Willen, —
Doch laß Dir's nicht zur Kränkung sein,
Sollt' sich der Stein nicht gleich enthüllen:
Vielleicht trägst Du die Schuld allein?

Und sollt' er nicht, wie Du erwartet,
Voll schönstem Glanz und Farben sein,
Ist er im Grund nur gut geartet,
So füg' zufrieden Dich darein.

Nicht Alles lebt im selben Kreise,
Nicht alles geht die selbe Bahn;
Ist's auch nicht ganz nach Deiner Weise,
Erkenne Gutes freundlich an.

Und solltest Bitt'res auch erleben,
So glaub' an's Schöne, fest und treu,
Und daß das Schönste, uns gegeben,
Denn doch die Menschenseele sei!

Frisch auf, mein Herz! die Welt ist offen,
Tritt ein, und schau sie freundlich an!
Erwarte freudig, was man hoffen,
Und mutig, was man fürchten kann!

Tanzende Mädchen

Schlinget, ihr Schwestern, den munteren Reigen
Fröhlichen Herzens, mit sorglosem Sinn,
Schwebet, als hättet ihr Flügel zu eigen,
Schwebet gleich wehenden Lüften dahin!

Lachender Jugend und blühenden Lebens
Freut euch, denn schwindet's, so kehrt's nicht zurück;
Quält euch mit Grillen nicht töricht vergebens,
Unschuld und Tugend nur, Freiheit ist Glück.

Freiheit des Herzens, auf goldenen Schwingen
Trägst du mich jubelnd und stolz durch die Welt!
Ruhe im Innern und Lust am Geringen,
Liebe zum Höchsten ist's, was mich beseelt!

— Lächelt, wie Blumen dem Frühling entgegen,
Flieget den Klängen, den heiteren nach!
Kindliche Herzen krönt himmlischer Segen,
Liebliche Schwestern! nur Freude sei wach!

Am Wolfgang-See

Als ich von lichten Himmelshöhen
Entsunken in dies stille Tal,
So strahlt dein ewig blauer Spiegel
Verklärt in's schöne, weite All.

O, birgst du nicht ein Stückchen Himmel
In deinen Tiefen wunderbar,
Daß du die klare blaue Farbe
So treu bewahrest immerdar?

Mich faßt es an wie leises Sehnen
Zu tauchen dir im tiefsten Grund,
Als würd' mir dort ein neues Leben,
— Würd' mir ein Stückchen Himmel kund.

Wie lieblich lispeln deine Wellen
Als klänge nach ein fernes Lied,
Als wollten leise sie erzählen,
Wie einst dies Blau vom Himmel schied.

Wer könnte sonst dies ew'ge Lächeln,
Den holden Zauber dir verleih'n,
Wenn es nicht ist vom sel'gen Himmel
Der hoh'n Verklärung Widerschein?

Und rings um dich, da lauscht die Erde
Den leisen, holden Tönen nach,
Und hebt sich hoch in Bergesspitzen
Dich tief zu schauen allgemach,

Und senkt sich dann in grünen Hängen
Zu schmiegen sich als Ufer an;
Sie nimmt, um schön dich einzurahmen
So wunderholde Formen an.

Der letzte Strahl

Die Sonne sinkt in Abendruh,
Und Dämm'rung deckt die Erde zu;
Der letzte Strahl am Kirchturm fällt,
Und wundervoll das Kreuz erhellt.

Wie viele Strahlen gehen wohl
Aus diesem Kreuze gnadenvoll?
Wohl dem, der's von der Erde sieht,
Wo Alles sich im Dunkel müht.

Nun ist die Sonne längst hinab,
Die Welt ist finster, wie das Grab;
Des Himmels Rand ist hell allein
Vom Abendrot und Widerschein.

Und dieser helle Widerschein,
Prägt treulich sich dem Kreuze ein,
Und siegreich durch die Schatten bricht
Auch jetzt sein mild verklärtes Licht.

Was kann im Tod dir Trost verleih'n?
Das Kreuz nur kann's, das Kreuz allein;
So halte denn im Leben fest
Was dich im Tode nicht verläßt.

Lerchensang

O Lerche, liebe Lerche
Hoch in der blauen Luft,
Des' Kehlchen so melodisch
Mir wie vom Himmel ruft,

Was ist's, das dich so selig,
So wunderbar erregt,
Daß es so holde Töne
In deiner Brust erweckt?

Erfreut dich so der helle,
Der gold'ne Sonnenschein,
Der wunderblaue Himmel,
Der maiengrüne Rain?

Erquickt dich so die klare,
Die frische Morgenluft,
Der bunte Schmuck der Wiesen,
Der Blumen süßer Duft?

Erscheint von jener Höhe
So schön die Erde dir,
Daß du dich innig freuest
Zu leben hier auf ihr?

O Lerche, liebe Lerche,
Was immer dich erfreut,
Wie lieblich ist's vergolten!
Wie freut man sich erneut,

Wenn deine klaren Töne,
Dein lebensfroher Sang
Weit hallet durch die Lüfte
Mit wunderholdem Klang.

Was immer dich erfreuet,
Ich teile es mit dir,
Und vieles and're Schöne
Noch blühet und lächelt mir.

Wie sollte ich erst dankbar
Und Freude atmend fein,
Und mich am schönen Leben
Viel tausendfach erfreu'n.

Am Fluße

Drückt mich ein Leid
Zu mancher Zeit,
Steig' ich zum Fluße nieder,
Und schaue still
Der Wellen Spiel
Bis Ruh' mir kehret wieder.

Die Klag' verrinnt
Ganz leis und lind
Allmählich in den Wellen,
Die rasche Flut
Bringt neuen Mut
Den Sinn mir zu erhellen.

"Jedwedes Leid
Verweht die Zeit",
So flüstert's, wenn ich weine;
"Mit leichter'm Sinn
Gleit d'rüber hin
Wie Wellen über Steine!"

Und hebt die Brust
Mir heit're Lust,
Zum Fluße komm' ich wieder,
Und schau' bewegt
Und froh erregt
In's munt're Wasser nieder.

Ich möchte schnell
Mit jeder Well'
Die heit're Freude teilen
Im Sonnenglanz,
Im lust'gen Tanz
So frisch von hinnen eilen.

Du klare Flut
Voll frischem Mut,
Vernimm mein leises Danken!
So eile hin,
Und jedem Sinn
Bring' heitere Gedanken!

Die Spinne

Gar viele Seiten hat ein Ding,
Sei's groß, sei's klein auch, und gering;
Zum Beispiel, eine Spinne zart,
Wie sieht sie Jedes and'rer Art!

Der Lehrer ruft den Zögling her:
O sieh dies Tierchen! sage, wer
Wohl dächte, wenn er's blicket an,
Wie es Gewebe machen kann?

In diesem Leibe, sichtbar kaum,
Wo hat der Saft zum Spinnen Raum?
Wer lehrte diese Füße zart
Zu weben künstlerische Art?

Ja, die Natur ist wunderbar
Bis auf die kleine Spinne gar!
— Und Lehrer, Zögling sind erbaut,
Weil eine Spinne sie geschaut.

"Wie fürcht' ich dieses ekle Tier!
Hinweg, o schnell hinweg von hier!"
Und dem Gesicht der Dame fein
Prägt mächtig sich der Schrecken ein.

"Ein Spinnlein!" sagt das Mädchen hold;
"Die Spinne Glück bedeuten sollt',
So sei gegrüßt, du kleines Tier,
Welch frohe Botschaft bringst du mir?

Durch mich soll dir kein Leid gescheh'n,
Ich will auch dich nur glücklich seh'n;
Doch geh' zum Fenster, geh' hinaus,
Spinn' nimmermehr im dunklen Haus!

Im grünen Walde spinn' dich ein,
Wo durch das Laub der Sonnenschein
Auf dein Gewebe zitternd fällt,
Mit zarten Farben es erhellt.

Dann spinn' am wilden Rosenstrauch;
Den zücht'gen Schleier webe auch
Um duft'ge Rosen, neu erblüht,
Damit kein Wurm ihr Herz bezieht!"

— "Schon wieder eine Spinn' im Haus!"
Entrüstet ruft's die Hausfrau aus.
"Ist wohl dies Ding nur auf der Welt
Damit sich's in den Weg uns stellt?

"Man fegt und reinigt immerfort,
Doch kriecht und läuft an jedem Ort
Dies unausstehliche Insekt:
Gleich hat's sein widrig Netz gelegt."

"Ein Spinnchen!" ruft ein munt'res Kind;
"Wie rasch, wie flink doch Spinnen sind!"
Was tut's wozu sie auf der Welt?
Sie läuft — das ist's, was ihm gefällt.

Im Eichenwalde

O Waldesdunkel lieb und traut,
In das ihr freundlich niederschaut,
Ihr schönen alten Eichen!
Wie fühle ich geborgen mich
So heimisch und so wonniglich
In deinen grünen Reichen!

Wie freundlich mild das Sonnenlicht
Durch all' die grünen Blätter bricht
Und zittert auf den Zweigen,
Die sehnsuchtsvoll sich himmelan
Erstrecken, und zur Erde dann
Sich liebreich wieder neigen!

Hoch atm' ich auf, es dehnt die Brust
Sich weit in freier Waldeslust
Voll Einsamkeit und Leben,
Voll Alter und Erinnerung,
Voll neuer Triebe, zart und jung,
D'rauf munt're Vöglein schweben.

Viel Jahre sind es, daß ihr steht,
Und himmelan und erdwärts seht,
Ihr schönen alten Eichen!
Habt viel entsteh'n und viel vergeh'n,
Viel keimen, blüh'n und leben seh'n,
Viel schwinden und verbleichen!

Und immer fester, immer treu
Hat euer Stamm mit Wurzeln neu
Die Erde stets umfangen,
Und immer höher strebt hinan
Die Krone sehnlich himmelan,
D'ran neue Blätter hangen!

Ja, frohes Hoffnungsgrün erneut
Euch wieder stets die Frühlingszeit
Trotz euern langen Träumen;
Vergangenheit, Erinnerung
Läßt euch den Sinn doch immer jung,
Euch alten, mächt'gen Bäumen!

Ich fühle mich als wie ein Kind,
Dem neu des Dasein's Wechsel sind,
So hoch von euch umgeben.
— Und doch, wenn ihr in voller Macht
Noch steht in schöner Frühlingspracht,
Werd' längst ich nicht mehr leben!

Auf der Ruine Karlstein in Reichenhall

Ich stehe auf den Felsenhöh'n,
Die Waldluft weht so kühl,
Es weckt die Gegend zauberschön
Ein wonniglich Gefühl.

Es sinnt in tiefem Waldesgrün
Die alte Burg vor mir,
Der Waldbach rauscht, die Blumen blüh'n,
— Ich sinne still mit ihr.

Mir ist, als schläng ein Schleier sich
Um die gebräunte Wand,
Als hülle er sie feierlich
In's frühere Gewand.

Und wie's vor Zeiten war gebaut,
So steht vor mir das Haus;
Vom Erkerfenster spinnend schaut
Ein Mägdlein hold heraus.

Ein Lichtstrahl auf den Rocken fällt,
Und auf ihr blondes Haar;
Die Hand das Garn geschäftig hält,
Das Auge blickt so klar.

Du Mägdlein aus der Ritterzeit!
Den Gruß nimm einer Maid
Die jetzo sich des Lebens freut,
In die Vergangenheit!

O sag', war auch dein Herz geschwellt
Von froher Jugendlust,
Wenn's Frühling war rings in der Welt,
Und Frühling in der Brust?

Wie ist so klar die Himmelsluft,
Der Wald, wie stolz er steht!
Hat dich des Waldes kühler Duft
So selig auch umweht?

Und dieser Bach, der tief und voll
Im Felsenbette rauscht,
Wie klingt er so geheimnisvoll!
Hast du ihn auch belauscht?

Wie herrlich ist dies grüne Tal,
Die Gegend weit und breit!
O schau die Welt im Sonnenstrahl,
O spinne nicht allzeit! —

Dein Rädchen schnurrt behaglich fort,
Du sprichst: Was fällt dir ein!
Ich seh' das Tal, die Berge dort
Ja stets, Jahr aus, Jahr ein!

Der Waldbach rauscht den ganzen Tag,
Nicht neu ist, was er spricht;
Wie viel das Land ich schauen mag,
Verändert es sich nicht. —

Natürlich bist du so gesinnt!
Ich dachte nicht daran.
Ich bin ein munt'res Wanderkind,
Und schau' die Welt mir an.

Ich streife über Wald und Feld
Mit leichtem, flücht'gem Fuß,
Und was mich freut, was mir gefällt,
Dem biet' ich einen Gruß.

Wie lieblich ist die Reiselust
Mit ihrem frischen Mut!
Wie hebt begeistert sich die Brust,
Wie wallt so frei das Blut!

Dem Wandern sei ein Hoch gebracht
Auf diesem Felsen hier!
Es töne durch die Luft mit Macht,
Durch's stille Waldrevier! —

Du schüttelst, meine Spinnerin,
Bedenklich da dein Haupt;
Du meinst, ich hätte Knabensinn,
Das wäre nicht erlaubt!

O nimmermehr, du liebes Kind!
Ich bin ein Mädchen auch;
Ich bin gar still und sanft gesinnt
Nach deutscher Mädchen Brauch,

Und liebe treu die stille Welt
Des traulichen "Daheim."
Für echtes Glück der Frauenwelt
Im Hause liegt der Keim!

D'rum sei der Lenz, wo jedes Blatt
An's gold'ne Licht sich drängt,
Wo Herz und Geist, so ruhesatt,
Im Raum sich fühlt beengt —

D'rum sei der Lenz, dem Drang "hinaus
In's Freie" stets geweiht,
Und emsig dann im trauten Haus
Vergeh' die and're Zeit!

Abendsegen

Der tiefste Friede ist ergossen
Ringsum auf Berg und Tal und Rain,
Das ganze Land ist lichtumflossen,
Verklärt im Abendsonnenschein.

Als legten mild des Vaters Hände
Zum Segen auf die Schöpfung sich,
Daß jeder Kampf in Frieden ende —
So ist es still und feierlich.

Versenkt in ehrfurchtsvolles Schauen
Steh' ich am Bergesabhang still;
Der heil'ge Zauber mich erbauen
Auch mir in's Inn're dringen will.

O süßer, heil'ger Gottesfrieden,
Kehr' ganz in meine Seele ein!
Dem du auf immer wärst beschieden,
Wie müßt' er gut und glücklich sein!

Doch ach! es gleicht das Menschenleben
Den wild empörten Wogen oft;
Wem ist so starkes Herz gegeben
Das nimmer wankt, das immer hofft?

Wie ist der Himmel jetzt so helle!
Er strahlt, als wollt' er öffnen sich;
O könnt' ich jetzt, von dieser Stelle
In jene Welten schwingen mich!

O Vater! wär' mir schon beschieden
Dein Licht zu schau'n in Ewigkeit;
Umgeben ganz von sel'gem Frieden,
Von Sünde, Streit und Kummer weit!

Daß ewig höchste Lust mir bliebe
Nur dich zu fühlen, dich zu schau'n;
Daß heil'ger glühe meine Liebe,
Daß nimmer wanke mein Vertrau'n!

— Ein Lüftchen streifet meine Wangen,
Die Erde bindet meinen Fuß:
Noch fühle ich mich erdumfangen,
Und weiß, daß ich's noch bleiben muß!

— Noch ist das Wesen oft ergeben
Der Form, die Seele nicht befreit,
Noch muß ich kämpfen, ringen, streben,
Kann nie mich freuen ohne Leid!

— Noch einen Blick in Himmelsweiten,
Und dann zurück in's stille Tal!
Doch möge freundlich mich geleiten
Gleich einem hellen Sonnenstrahl,

Der auf den wirren Lebenswegen
Mir treulich leuchtet immerdar —
Des innern Lebens bester Segen,
Der Seelenfrieden tief und klar!