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Es will ein warmer Frühlingsschein
Gar mächtig in den Wald hinein
Bis zu den Glöckchen dringen.
Ob seine Wärme sie versengt,
Ob ihnen neues Leben schenkt —
Sie wissen's nicht — sie klingen!
 


Viertes Sträußchen
 

Caroline
Gruß
Erkennen
Meiner Rose
Memnon und Mammon
Leb wohl!

Caroline

Des Weibes Urteil ist seine Liebe

                               I.

So lang der Jugend lichter Frühlingsschimmer
Wie Morgentau auf unser'm Leben liegt,
So lang der Jungfräulichkeit Lilienkrone
Mit holder Klarheit uns're Stirne schmückt,

So lang mein Herz in sehnsuchtsvollem Drange
Der ganzen Schöpfung warm entgegenschlägt,
Und süß erstaunt ob ihren reichen Wundern,
Empfänglichkeit in seinen Tiefen hegt,

Daß es begeistert ist von allem Edlen,
Daß es der Blumen zarte Schönheit rührt,
Laß mich auch dich, du schön're Blume, preisen,
An der das Leben mich vorüberführt.

Laß, Mädchen, um dein sinnend Herz dir winden
Die kleinen Blüten, die mein Herz dir weiht;
In später'n Tagen sei's ein Angedenken
Der träumerischen, holden Jugendzeit!

                          II.

Wie eine halberblühte junge Rose,
Die tauberührt, von süßem Duft erfüllt,
Noch zögert, ganz den Zauber zu erschließen,
Den scheu sich halb im reinen Kelch verhüllt,

Mit zücht'gem Blick, gesenkt die dunklen Wimpern,
Natürlichkeit mit Anmut hold gesellt,
Bescheiden, aber fest in Gang und Haltung,
Mit edlem Ernst, so tratst du vor die Welt.

Auf deinem unschuldsvollem Rosenantlitz
Lag hohen Strebens Weihe ausgeprägt;
Wie Sehnsucht sprach's aus deinen dunklen Augen,
Wie Sehnsucht, die die Seele höher trägt.

Und überwältigend in ihrer Schönheit,
Wie mächt'ger Glockenton, so tief und klar,
Mit ihrem edlen, jugendfrischen Klange,
Ertöne deine Stimme wunderbar.

                              III.

Du standest frei! und deiner Laufbahn Mühen,
Du trugst sie still, gestützt auf dich allein.
Nicht fremde Hilfe nahmst du, dich zu heben,
Dich hob dein echt Verdienst nur, stolz und rein!

Mit ernstem Fleiß, mit hoher Kraft des Willens,
Mit Eifer schrittst du vorwärts auf der Bahn;
Du strebtest rasch, mit kühnen Adlerschwingen
Begeistert auf, zur hohen Kunst hinan.

Nie eitlem Glanze galt dein edles Streben:
Dem wahrhaft Schönem nur, das immer währt;
Die Priesterin der Kunst bist du geblieben,
Der wahren Kunst, die hold die Welt verklärt.

So bist du nun in holder Jugendblüte
Vollendet in der Kunst, und reich geschmückt;
Es liegt in deinen kindlich reinen Zügen
Der Ernst des reifen Denkens ausgedrückt.

                             IV.

Du übst die Kunst, doch bist du nie gekünstelt,
Von jeder Art Gefallsucht bist du weit;
In Allem liegt ein ungesuchter Adel,
Den Wahrheit nur, Natürlichkeit verleiht.

Und spielst du niemals außer deinen Rollen,
Spielst um so trefflicher du diese nur,
Denn eben weil du wahr bist und natürlich,
Gestaltest du auch Wahrheit und Natur.

Nicht deshalb bloß! Dir ist noch mehr gegeben:
Ein Genius, so selten und so reich!
Was ist wohl an Beredsamkeit und Leben,
An Macht des Ausdruck's, deinen Zügen gleich?

Mit ganzer Seele fassest du die Rollen,
Mit klarem Denken, richtigem Gefühl;
Mit edlem Maß, nach eig'ner Art zu schaffen,
Das ist dein schönes, nie verfehltes Ziel.

                              V.

Nicht Schönes nur und Großes zu gestalten
Das immer anspricht, war dir stets beschert,
Im höchsten Glanz zu zeigen die Begabung:
Im Kleinen hast du glänzend sie bewährt.

Entsagend deiner jugendlichen Schönheit,
Hast du sie oft gehüllt in Wintersnacht,
Hast anspruchslos in's Kleine dich gefunden:
Bedeutend ward's durch deines Spieles Macht.

Und Eines noch! ein köstlich Kleinod gibt es,
Das selten ist, doch allgemein erfreut,
Das wie den großen, auch den kleinen Dingen
Geschmack und Sinn und Leben erst verleiht.

Die Laune ist's, das Kind des freien Geistes,
Der liebenswürd'ge Schalk, der flügelleicht
Dir übers Antlitz, durch die Sprache gleitest,
Mit seinem Reiz bis in das Kleinste reicht.

                              VI.

Weil du nicht teilst der Modekinder Schwächen,
Weil du nicht so, wie deines Gleichen bist,
Weil ernst, geordnet deine Lebensweise,
Und stets untadelhaft dein Wandel ist,

Weil nicht in Übermut und Leichtsinn schwindet,
In Lust, gehaltlos, deine Jugendzeit,
Weil du dein Leben statt den Scheingenüssen,
Der Sammlung und dem Fleiße hast geweiht,

Weil sich Verstand und Herz die Waage halten,
Kein trügerisch Gefühl dich übermannt,
Weil weise Mäßigung dein Tun beherrschet,
So wirst du kalt, so wirst du stolz genannt!

Wie schmerzt es mich, o Liebling meiner Seele,
Wenn solches Urteil über dich man spricht!
Wie ruft es mächtig mir aus Herzenstiefen:
Ich kenne besser sie, so ist sie nicht!

                              VII.

Ein tief Gefühl hat mich zu dir gezogen,
Seit ich mit Aug' und Seele dich erkannt;
Nicht kann ich's ganz versteh'n! es ist, als schlänge
Dich an mein Herz ein seltsam Seelenband.

Was ist für mich in deinen dunklen Augen
Für ein Magnet, der mich gefesselt hält,
Das meine Seele sich versenken möchte
In diese neue, rätselhafte Welt?

Wie seltsam ist der Seelen Wechselwirkung!
Was feurig mir für dich im Herzen spricht,
Wie sich mein Geist so gern mit dir beschäftigt,
Wie du auf mich gewirkt — du ahnst es nicht!

O Mädchen, wunderbar sind wir geschaffen!
Wie sollen wir versteh'n die ganze Welt,
Wenn uns wie Rätsel unergründlich bleiben
Gefühle, die das eig'ne Herz enthält?

                              VIII.

Vermag ich auch mein Herz nicht zu ergründen,
Sein Fühlen ist und bleibt ja dennoch mein;
Nicht kann's der Seele Spiegel mir beflecken,
Ist's doch wie lichter Sternenglanz, so rein.

Nicht frägt die Blume, die sich still entfaltet,
Warum es ihr beschieden ist zu blüh'n;
Nicht weiß der Vogel, der sich wiegt am Zweige,
Warum er singt im stillen Waldesgrün.

So will auch ich nicht erst die Vorsehung fragen,
Weshalb sie eben diese Blüte streut
Auf meinen Pfad, daß ich in's Herz sie fasse,
Weil sie die lichte Jugend mir erfreut.

O Jungfrau hold! nichts kann dich mir entfremden,
Führt auch dein Weg so ferne, ach! von mir;
Es schwebt mein Geist stets über deinem Haupte,
Er schauet dich, und freut sich still an dir.

Gruß

"Sucht ein Weiser nah' und ferne
Menschen einst mit der Laterne,
Wie dann selt'ner noch als Gold
Menschen, uns geneigt und hold?
D'rum, wenn Freundschaft, Liebe spricht:
Freundin! Liebchen! schlaf du nicht!"

— So sangest du mit holdem Munde,
Und alle lauschten in der Runde,
Darunter eine junge Maid;
Wie hat es innig sich gefreut!

Ich bin ein Veilchen tief im Moose,
— O hörst du es, du schöne Rose,
Voll wunderbarem Glanz und Duft,
Wenn es zu dir in Liebe ruft?

Dies schüchterne, dies leise Klingen,
Vermag's zu deinem Ohr zu dringen?
O schöne Rose, schläfst du nicht,
Wenn warm zu dir ein Blümchen spricht?

Ich bin ein Veilchen, still verborgen,
Vermag an meines Lebens Morgen
Nur milden, schlichten Veilchenduft
Zu strömen in die Frühlingsluft.

Er findet dich auf seinen Wegen,
Und strömet innig dir entgegen.
Ob ungefühlt, ob ungeseh'n —
Sein Schicksal ist's, um dich zu weh'n!

Erkennen

Du heller Stern mit wunderbaren Strahlen,
Kennst du die Schrift noch einer Mädchenhand,
Die dir in lang entschwund'nen Frühlingstagen
Aus vollem Herzen einen Gruß gesandt?

Wer weiß, ob du das Blättchen aufgelesen,
Das schüchtern ich auf deinen Pfad gestreut?
Ob dir wohl in Erinnerung geblieben
Ein schlichter Gruß, von fremder Hand geweiht?

Dich innig und begeistert zu verehren
Vermeint ich immer, nie von dir gekannt,
Denn jemals dir im Leben zu begegnen,
Nicht habe ich's erwartet, nicht geahnt.

Doch anders hat's zu meiner großen Freude
Ein freundliches Geschick für mich gefügt:
Die Hand, die jene Zeilen dir gesendet,
Sie hat unlängst die deinige gedrückt!

Und kennst du mich? noch nicht! so möcht' ich sagen:
Du sahst ja bloß ein schlichtes Angesicht,
Das höchst befangen dir entgegenblickte,
Und schwieg: denn siehe, reden konnt' ich nicht.

Daß mir die Sprache die Erregung raubte,
Die ich durch deine Gegenwart empfand,
Daß es nicht Worte gab, um auszudrücken
Dir was ich fühlte — hast du nicht geahnt.

Und hättest du beim allzufrühen Scheiden
Nicht selber nochmals freundlich mein gedacht,
Es hätte diese lang ersehnte Stunde
Mich, ach! noch gar nicht näher dir gebracht.

Wie töricht ist's! und doch kann ich's nicht ändern;
Und denke ich, dich wieder bald zu seh'n,
Und dann, geblendet ganz und hingerissen,
Kaum atmend, wieder so vor dir zu steh'n,

So weiß ich kaum, ob wohl von den Gefühlen
Die bang und freudig dann bestürmen mich,
Ein and'res wird, als nur das mindest schöne, —
— Befangenheit — sich zeigen äußerlich.

Ich weiß es nicht! — doch komm', o komme wieder!
War's denn ein Traum nur, daß ich dich geseh'n,
Ein flücht'ger Traum, zu schön um anzudauern?
O komm, o laß' ihn wirklich fortbesteh'n!

Meiner Rose

Wenn längst in der lieblichen Maienzeit
Die Knospen sich alle erschlossen,
Wenn rings von dem duftigen Blütenkleid
Die Erde ist freundlich umflossen,

So bringet der Frühling sein schönstes Bild,
Sein holdestes Kind ohne Gleichen —
Die Rose in's Lenzgefild,
Die Königin in seinen Reichen.

Es hat seinen Zauber in ihr vereint
Der Frühling, und all' seine Wonne,
Um dann, wenn sein herrlichstes Bild erscheint,
Zu schwinden im Strahle der Sonne.

Auch du kamst in freundlicher Rosenzeit,
Wenn rot deine Schwesterlein glühten,
Es hat dich zum dauernden Bild geweiht
Der Schöpfer der flüchtigen Blüten.

So oft dein Geburtstag im Lenz erscheint,
Auch sie ihre Knospen erschließen,
Sie feiern mit deinem ihr Fest vereint,
Und glühen, dich freudig zu grüßen.

Sie schwellen und blühen jetzt nah' und weit,
Und wo du auch seist, dich zu finden,
Und rosiges Leben und frohe Zeit
Der holdesten Schwester künden.

Die ich dich nicht sehen, nicht grüßen kann,
Dich, ach! muß so lange vermissen —
Ich sehe die blühenden Rosen an,
In ihnen dich still zu begrüßen.

Dein Bild, das mir tief in der Seele steht,
Es strahlt mir aus ihnen entgegen,
Und während mein Herze dein Fest begeht,
Seh' ich mich von dir rings umgeben.

Und weiß ich auch nicht, ob dem treuen Sinn
Du wohl magst Erinnerung schenken,
Und wenn ich von dir auch vergessen bin —
Werd' treulich ich deiner gedenken.

Memnon und Mammon

Es stehet ein Steinbild im seltsamen Land
Das unsere Väter Ägypten genannt,
Von dem eine Sage uns Enkeln erzählt
Ein liebliches Wunder, das dieses enthält.

Wenn irgend ein junges und reines Gemüt
Am frühesten Morgen vorüber dort zieht,
Wenn still sich dort findet zu einsamer Zeit
Ein fühlendes Herz, das kein Weltsinn entweiht,

Wenn lauschend sich neigt mit empfänglichem Sinn
Ein gläubiges Ohr zu dem Steinbilde hin —
Vernimmt er gar wunderbar holden Gesang,
Der nicht zu vergleichen ist irdischem Klang.

Es führt eines Tages auch mich Träumerei
Am Steinbild Ägyptens im Frührot vorbei;
Ich hörte den wunderbar seltsamen Klang,
Und lauschte ihm gläubig, und lauschte ihm lang.

Wie tönte der Klang in der Stille so rein!
Wie drang er so voll in die Seele mir ein!
Wie nahm ich ihn auf mit so liebendem Sinn!
Wie ging ich so froh, so begeistert dahin!

Wie lange er tönte — ich wußte es kaum;
Ich wandelte sinnend, in freundlichem Traum,
Dem Nachklange lauschend, mir tief in der Brust,
Und war mir wie still eines Glückes bewußt.

Indes wuchs der Tag, es ward laut mehr und mehr,
Es gingen die Leute geschäftig umher;
Sie sahen mein träumerisch lächelnd Gesicht
Und stutzten — denn ach! sie verstanden mich nicht.

Da tönte ein rauher, weitschallender Klang,
Der hallte gewaltig die Gegend entlang;
Es horchten die Leute, sie kannten ihn all',
Es war ja des Mammon's erztönender Schall.

Wie ward jeder andere Laut übertönt!
Wie klang er so stolz, und zu herrschen gewöhnt!
Und ach! mir verstummte der holde Gesang —
Dies irdische Lärmen, es störte den Klang.

Und ich? von dem Schalle so jählings erschreckt,
Aus lieblichen Träumen so plötzlich erweckt —
Wie ward mir zu Mute! wie war ich erstarrt!
Wie schien mir das Klingen des Mammon's so hart!

Die Anderen waren dem Klange vertraut;
Sie freuten sich noch, daß er schalle so laut,
Sie wünschten mir Glück, daß ich endlich erwacht
Aus Träumen, die niemals mir Vorteil gebracht.

Nicht Vorteil! ist dieser das menschliche Glück?
Flieht's nicht vor Berechnung, ein Schatten, zurück?
Sie schalten mich schwärmerisch, blind und betört,
— Sie haben ja Memmnon nicht klingen gehört!

Leb wohl!

O holde Braut! laß zu den Kranz von Myrthen
Der feierlich das edle Haupt dir schmückt,
Ein Epheublatt mich aus der Ferne fügen,
In tiefem Waldesgrün für dich gepflückt.

Den Stimmen, die dir wünschen Glück, sich einen,
Dem Glanze ferne, der dich jetzt umgibt,
Folgt meine Seele deinen Lebenswegen
Mit jenem Sinn, der still und innig liebt.

Zum letzten Mal als Jungfrau dich begrüßend,
Wie ist das Herz mir, ach! so übervoll!
Ich fühle tief mit dir des Tages Weihe:
Sei glücklich! sei gesegnet! lebe wohl!

Leb wohl! — wie unter dieses Wortes Schwere
Mein Jugendtraum so jäh zusammenbricht —
Wie tief mein Herz dein Scheiden, ach! betrauert,
Ob du es weißt und fühlst — ich frage nicht.

Ruht auch auf mir dein Blick, der off'ne, klare,
Seh' ich auch in dein strahlend Angesicht —
Was du dem träumerischen Sinn gewesen,
Der in dir lebte — weist du dennoch nicht.

Leb wohl! Wenn deines künstlerischen Wirkens
— Vom wahren, edlen Genius angeweht —
Wenn deiner herrlichen, so kurzen Laufbahn
Erinnerung nunmehr in dir ersteht,

Wenn du des Ruhmes, der Begeist'rung denkest,
Die krönten dich in erster Jugendzeit —
Vergiß ein Herz nicht, das du tief ergriffen,
Das rückhaltlos und ganz sich dir geweiht.

Das Leben eilt — es will dich nicht mehr gönnen
Der Sphäre, der du lebtest liebevoll —
Mein Stern! mein Stolz! du Traumbild meiner Jugend!
O meine holde Rose, lebe wohl!