weiter
 

Flieht der Jugend wundervolles Walten,
Zeigt das Leben ernstere Gestalten.

 

II.
Bilder und Träume 1

 

Die Wolken
Der Künstler
Ausgleichung
Innen und Außen
Eisenbahnlied
An einen Schmetterling
Gegensätze
Gebunden
In der Nacht
Verjüngung
Reisebilder
Seestücke
Trost im Winter
Frühwinter
Des Sängers Jahreszeiten
 
Zwei Sterne
Greisenwort
Enttäuschung
Nach einem Gewitter
Der Genesende
Letztes Grün
Nach Horaz

 

Die Wolken

Neue Wölklein, die in blauer Ferne kaum mein Auge sah,
Wie sie plötzlich wachsen, stehn nun mächtig als Gebirge da.
Und kaum hat mein Blick sich abwärts von den Wolken weggewandt,
Von den Lüften in die Tale, von den Höhen auf das Land,
Seh ich rings von Grau bedecket das azurne Äthermeer
Von den wandernden Gebirgen, von den Wolken weit umher.
Blitze streuen Tod und Leben auf die durstige Erde aus; —
Alles schweigt; die Wolken reißen, jede wandert nun nach Haus.
Und beim ersten Blick der Sonne dacht ich tief in meiner Brust,
So wie mit den Wolken ist es mit dem Schmerz und mit der Lust.


Der Künstler

Heilige Natur,
Du Allerschafferin,
Gib mir nur einen
Einzigen Odem
Von deinem unendlichen Geist,
Du ewige Urkraft!
Es sei jedes meiner Werke
Ein warmes, frommes Dankgebet
Für alle Gaben,
Die du mir gegönnt.

Was hebt die Seele
Des Menschen empor
In den Äther der Welten
Aus der drückenden Drangsal
Der Selbsterhaltung?
Ist es nicht dein Geschenk,
Die Kunst, die Hohe,
Die herrliche Tochter der Schönheit,
Die Unwandelbare,
Die uns Sterbliche
Durch azurne Lüfte
Zur Gottheit empor hebt?

Ewige Mutter!
Ich danke dir
Für den einzigen Odem,
Den du
Mir gabst.

Dieser Odem
Beseelt mein Leben
Mit der Schöne Licht
Und mit der Wahrheit
Unendlichem Glanz;
Er verlieh mir
Die Gabe des Schaffens.

In jedem Blatt,
In jedem Halm,
In der Eiche
Gewaltigem Bau,
In der Gletscher
Kristallnem Gipfel,
In deiner blau
Gewölbten Kuppel
Seh und fühl ich
Nur deinen Geist;
Und dies beseligende,
Fühlende Schauen
Umschlingt mein ganzes
Irdisches Sein
Mit einem immer
Währenden Frühling;
Allgütige Mutter
Ich danke dir!

Ausgleichung

Es ist die Sonn im Scheiden
Und endet ihren Lauf,
Sie geht zu Tagesfreuden
Jetzt andern Augen auf.

Uns taucht sie ernst hinunter,
Umhüllt von rotem Flor,
Und drüben steigt sie munter
Mit neuem Glanz empor.

Als Feuerball im Frieden
Geht östlich auf der Mond,
Indes er dort geschieden,
Jenseits dem Horizont.

Die blanken Sterne schweben
Am Erdenrand empor,
Indes ihr leuchtend Leben
Fern jenseits sich verlor.

Und andre Sterne eilen
Im West der Sonne nach,
Nicht können hier sie weilen,
Ihr Glanz werd andern wach.

Das Kommen und das Scheiden
Im weiten Erdenrund,
Die Schmerzen und die Freuden
Umschlingt geheimer Bund.

Und während hier in Kummer
Ein Herz, ein armes, bricht,
Begrüßt, erwacht vom Schlummer,
Ein neuer Mensch das Licht.

Innen und Außen

Freuden, Leiden, Wonnen,
So das Aug einst sah,
Scheinen unserm Herzen
Oft auf ewig nah.

Was uns tief erschüttert,
Ob es Schmerz, ob Lust,
Bleibt für alle Tage
Gegenwart der Brust.

Was uns nicht ergriffen
Auch in jüngster Zeit,
Stürzt bald in die Flammen
Der Vergessenheit.

Was uns nicht durchdrungen,
Dem kein Puls gebebt,
Sei es erst geschehen,
Das hat nie gelebt.

Herz, die Uhr des Innern,
Zählet nimmerdar
Unsre Lebensstunden
Nach dem Sonnenjahr.

Eisenbahnlied

Es tönt der Riesenpfeife Ton
Mit grellem, wildem Hallen,
Fast dünkt es mir wie Spott und Hohn
Dem Pferdepeitschenknallen.

Und Dampfgewölke speiend schnaubt
Die große, bunte Schlange,
Hält in die Luft das schwarze Haupt,
Eilt fort im Sturmschrittgange.

In rascher Flucht eilt sie vorbei
An bleichen Friedhofsmauern,
Es sagt ihr Adlerflug, es sei
Für sie kein Schmerz kein Trauern.

Sie eilt an der Vergangenheit
Vorbei, die Todesscheue;
Es fliegt am Grab der alten Zeit
Vorüber stolz die Reue.

An einen Schmetterling

O Schmetterling, wie kurz dein Leben ist,
Welch eine kleine, aber selige Frist;
Nicht wissend, was die Zeit ist, und durch Düfte
Berauscht, durchwanderst fröhlich du die Lüfte.

Dich kümmert nicht, was morgen kommen mag,
Dir ist genug, daß sonnig heut der Tag;
Und leichten Sinns durchziehst du meinen Garten,
Weißt nicht, daß Tod und Scheiden deiner warten.

Und morgen wird die Blume deine Gruft,
Ein dürres Blütenblatt trägt dich die Luft;
Und so wie du ein froher Frühlingsfalter
Ist unsers Erdenlebens schönstes Alter.

Gegensätze

Als ich noch in dem Lenz der Jugend lebte,
Als mich der Glanz der Lebenslust umschwebte,
Da war mein Dasein ein harmonisch Bild,
Es stand vor meinem Auge heiter mild.

Ich sah im Bild nur freundliche Gestalten,
Ich fühlte nur ein segenvolles Walten;
Mein wahres Leben war ein schöner Traum,
Doch was ich wirklich träumte, wußt ich kaum.

In meinem Schlaf nur fühlt ich mich umfangen
Von schwarzen Bildern, wie von bösen Schlangen;
In jener Zeit empfand mein junges Herz
Nur, wenn im Schlaf es träumte, einen Schmerz.

Vergessen hatt ich gleich, wenn ich erwachte,
Das böse Bildnis, das die Nacht mir brachte;
Mein Schlaf, er war von keiner Sonn erhellt,
Er war die Schattenseite meiner Welt.

Doch meiner Jugend Tage sind entschwunden,
Verweht wie Blüten meine schönsten Stunden;
Nun steht das Sein vor meinem Angesicht
Wie Einer, der in fremder Sprache spricht.

Ich schließ mich in den Traum, in meine Klause,
Denn in der Welt bin nirgends ich zu Hause;
Zu träumen mein ich, wenn mein Auge wacht,
Zu leben glaub ich in dem Schlaf der Nacht.

Gebunden

Ihr Kinder der Ozeanswogen,
Euch hieß es, zu wandern aus,
Ihr Wolken habt euch betrogen,
Ihr seid in die Lüfte hinaus,
In die blauen Höhen gezogen
Und kehrt als Regen nach Haus.

Gleich Wolken ziehen und schwanken
Mit himmelan strebendem Blick
Des Menschen höchste Gedanken,
Gebannt vom ernsten Geschick
In enge verhüllte Schranken,
Und sinken zur Erde zurück.

In der Nacht

Blick in die Naht hinaus, des Himmels dunkler Schild,
Mit Sternen reich besät, so klar, so rein und mild,
Umspannet weit umher, als deines Lebens Zelt
Am Horizonte rings die Grenze deiner Welt.

Die Silbersterne drehn im schwarzen Lüftemeer
Auf vorgebahntem Kreis sich um den Pol umher.
Die Sterne weit dem Pol, dort in dem fernen Süd,
Kaum daß ihr Glanz erscheint, so ist er auch verglüht.

Die dort im Ost am Weg der Sonne auferstehn,
Lang leuchten sie dem Aug, bis sie zu Grabe gehn.
Doch die dem Pole nah, nie schwindet dir ihr Glanz,
Sie leuchten durch die Nacht ein ewiger Blütenkranz.

Sprich, ist dein Erdensein nicht eine dunkle Nacht,
Nach der zum Licht dein Aug am Morgen erst erwacht?
Dein Herz, es ist der Pol, der stets beharrend steht
Um den sich Freud und Qual in flüchtigem Tanze dreht.

Die fern dem Pol sind Lust und Schmerz des Augenblicks.
Die zwischen Süd und Nord sind Sterne deines Glücks.
Der Sternenkranz, der stets um deinen Pol sich dreht,
Ist der dich nicht verläßt, mit dir zu Grabe geht.

Blick in die Nacht hinaus, eh deine Nacht vorbei,
Sieh, daß am Morgen reich dein Pol an Sternen sei,
Bedenk es stets: Es ist des Himmels weiter Schild
Von deinem Erdensein ein treues Ebenbild.

Verjüngung

Ein Weib, das schon der Herbst umfangen
Ins dürre Blätterbad getaucht,
Von deren eingestürzten Wangen
Den Reiz des Lenzes weggehaucht,
Fühlt sich in ihren Kindern wieder,
Die nun der Lebensmai umschlingt,
Vom hellen Klang der Jugendlieder
In ihrem Innern sich verjüngt.

Und mich auch hat der Herbst der Jahre
Mit leisem, schnellem Tritt erreicht,
Hat mir die Locken meiner Haare
Wie Laub am altem Baum gebleicht.
Oft hält der alte Frühling wieder
Mein Herz, wie einstens, mir umringt;
Ertönen meiner Jugend Lieder,
Fühl ich von Neuem mich verjüngt.

Reisebilder

I. Auf der Eisenbahn

Eilig treibt der Dampf die Wagen;
Flüchtig flieht, was kaum ich sah;
Felder, Wandrer, Hütten jagen
Wild vorbei, kaum daß sie da.
Was mir nah, ich seh es fliehen
Schnell gleich einem Feuerstern;
Aber mit mir seh ich ziehen
Vorwärts alles, was mir fern.

Irr ich, was vorüberbrausend,
Daß die Gegenwart es sei,
Doch Vergangenheit, die hausend
Fern in Bergen, bleibt mir treu.
Wie so meine Blicke eilen
Über Wandrer, Fuß und Hain,
Zwischen Fliehen, zwischen Wellen
Fühl ich nun, ein Greis zu sein.

II. Hochebene

Durch Felsgeklüft, an steiler Klippen Hang
Führt mich der Weg dem jähen Grund entlang.
Schmal ist der Pfad: aus jedem Schritte droht
Wie geisterhaft entgegen mir der Tod.
Und nah um mich der Königsadler schreit,
Schmückt mir mit grellem Lied die Einsamkeit,
Fliegt in die Luft hinaus, bis ihn versteckt
Der Himmel, der ihn, einen Punkt, bedeckt.

Mich führt der Weg die Felsenstadt hinaus,
Da breitet eine Ebene sich aus.
Es künden Bäume, Wiesen und Schalmei,
Daß Frühling auch hoch überm Tale sei.
Gebirgsgesang ertönt im Sonnenschein,
Der Herden Glocken tönen hell darein;
Von Bergen nicht bedeckt, hält weit umspannt
Das Firmament das gletscherreiche Land.

So, nicht beengt vom Fels, freut sich mein Blick,
Als rief er in die Heimat mich zurück.
Und neu ertönt der Hirten Lustgesang;
Wie hebt mein Aug unsicher freudig bang,
Wie ruht mein Herz bei all dem Jubel aus,
Als fühl es in der Fremde sich zu Haus.
O blauer, dunkler Himmel weitend breit,
Und unter dir der Menschen Seligkeit!

III. Aussicht

So hab ich endlich dich erreicht,
Du lang erstrebte Felsenplatte;
Rein ist die Luft, der Nebel weicht,
Den ich im Tal gefürchtet hatte.

Hinblick ich auf das Feld so weiß,
Durch das mein Fuß mühselig wallte,
Wo menschenfeindlich Schnee und Eis
Sich meinem Schritt entgegen ballte.

Um mich gewahr ich weit umher
Die Welt von dunklem Blau umzogen.
Bergreihn, am Fuße groß und hehr,
Erscheinen hier als tausend Wogen.

Ich seh des Menschen Lebensbild
Vor meinem innern Aug erbleichen.
Umgeben von des Himmels Schild
Kann meine Stimm kein Ohr erreichen.

Mich schaudert, denk ich mir im Traum,
Daß unsern Stern noch wild umspület
Der rohen Massen wilder Schaum,
Vom Elementenstreit durchwühlet.

Und Ströme ziehn, umhüllt von Dampf
Rings, sprühend Glut als riesige Brander;
Es kämpfen den Titanenkampf
Die Urgebilde mit einander.

Aus ist der große Kampf, es liegt
Das Chaos, leichte Wellen weckend;
Die Streiter, siegend und besiegt,
Sie ruhn, den Kern der Erde deckend.

Und Blitze sind das einzige Licht,
Das noch nicht Dunstgewölk erfüllte.
Stumm, leblos wär der Raum, wenn nicht
Der Donner durch die Nebel brüllte.

Die Dämpf, o Erde, fliehn von dir,
Dich hält das Firmament umzogen,
Und als Gebirge fliehn vor mir
Der Urwelt starr gewordne Wogen.

Seestücke

I. Sonnenuntergang

Von Wolken umwallt, voll glühendem Schein
Tauchst wieder du Sonn' in die Fluten hinein.
Als Demantgeflimmer zieht über das Meer
Dein Scheidegruß zu den Ufern daher.

Die Gegend verstummt, das Scheiden ist aus;
Die Träume, sie ziehn durch der Schlummernden Haus.
Die Freud und das Lied und das Leben es schweigt
Nun sich der Tag zu Grabe geneigt.

Wo du Sonne verweilst auf dem Weltenrund,
Da wacht das Auge, da singt der Mund,
Als wander' in deinem Strahlenmeer
Luft, Leben und Lied um den Erdkreis her.

II. Abfahrt

Fröhlich zieht das Schiff nach Haus
Auf den Wellenbahnen;
Und wie heimwehkrank — voraus
Wehn der Wimpel Fahnen.
Mög euch doch des Meeres Luft
Nach dem Ziele bringen,
Möge nicht die weite Gruft
Euch am Weg verschlingen.

Denket nicht, daß das Geschick
Tausende begraben,
So die Wellen eurem Blick
Mild verhüllet haben.
Traurig wärt ihr immerdar,
Freud und Sang vorüber,
Wär es jeder Zeit euch klar
Wo ihr schiffet drüber.

Stets zu denken düster bang,
Überm Grab zu weilen.
Nie zu fühlen mondenlang
Ein Vorübereilen,
Über einem Leichenheer
Immerdar zu schweben
Auf dem uferlosen Meer —
Wer ertrüg das Leben?

Sieh das Schiff, es weilt am Rand
Von der Wellenwildnis;
Noch gewahr ichs — plötzlich schwand
Mir sein fernes Bildnis.
Wenn es auf der Welt mir doch
Wer zu sagen wüßte:
Sehn des Schiffs Bewohner noch
Ihrer Heimat Küste?

III. Windstille

Die Segel hangen schlaff und müd herab
So wie ein Blick, der nah sich fühlt dem Grab.
Bewegung scheint der ganzen Welt genommen;
Rings nirgends Land, und doch kein Weiterkommen!

Ob dieser grausen Still erglänzet klar
Die Königin des Tages immerdar;
Und in der Nacht erzittern hell die Sterne,
Sehn unser Bangen nicht aus weiter Ferne.

So matt geht unter Puls, so schlapp und schwer;
Komm Sturm und jag als Wild uns vor dir her,
Heiß unsre mürben Herzen schneller schlagen,
Solch eine Ruh ist länger nicht zu tragen.

Und wenn dann fiebrisch geht der Pulse Schlag,
Und unsre Brust wird zum Gewittertag,
Wirf dann an Felsen uns auf wilden Wellen,
Dran kämpfend unser Leben mag zerschellen!

IV. Gleichnis

Die prächtige Fregatte flieht vom Strande,
Sie schaukelt fort so fröhlich und behend;
Fühllos verläßt sie ihrer Heimat Lande,
Fühlt selig sich im neuen Element.

Sie geht und eilt nach unbekannter Weite
Mit leisen Tritten auf dem Meer dahin,
Und beugt und wiegt sich lieblich nach der Seite
Anmutig leicht wie eine Tänzerin.

Da kommt vom Land ein Vogel hergeflogen
Und setzt sich ganz zu oberst auf den Mast;
Er freut sich singend, daß er fortgezogen
Wird von des Schiffes flüchtiger Windeshast.

Das Schiff es wandert frohen Sinnes weiter
So wie durchkreuzend ein bekanntes Land,
Der Vogel scheint sein treuester Begleiter,
Singt fröhlich auf des Mastes höchstem Rand.

Urplötzlich kommt ein Sturm herangezogen,
Der bald das Schiff in Grund zu bohren meint,
Du Vogel bist zur nächsten Klipp entflogen,
Du falscher Sänger und du falscher Freund!

V. Schiffbruch

Vorm Hafen ging ein großes Schiff zu Grunde,
Wie Leichenhügel tanzen hin und her,
Als ob die See ein weiter Friedhof wär,
Die Wellenberge über schwarzem Schlunde.
Und die noch atmen in der ganzen Runde,
Die armen halten bleich, verzweiflungsschwer
Mit letzter Kraft an Tonnen sich, die leer,
Von sich zu drängen ihre letzte Stunde.
Dort hat das Wasser einen hingestreckt,
Der klammert sich am Fels mit wunder Hand.
Mit ihrer Drachenzunge holt und leckt
Die Well ihn von der Klipp aus Gier nach Blut
Und reißt ihn von der Lebensküste Rand
Hinunter in des Todes dunkle Flut.

VI. Bild

Der Tod berührt auf manchem Schiff,
Das fern vom jedem Land
Zuweilen einen Menschenleib
Mit seiner Eiseshand.

Die Leich', in Tücher eingehüllt,
Beschwert mit manchem Stein,
Man senket schweigend sie hinab,
Dann hüllt das Meer sie ein.

So senken wir auch einen Wunsch,
Umhüllt in Todesnacht,
Mit tränenschwerem, feuchtem Blick
Wohl in des Meeres Schacht.

Und einen nach dem andern Wunsch
Nimmt auf die dunkle See;
Wenn einer schwindet, steigt in uns
Die wilde Flut, das Weh.

Und wenn die letzten Wünsche wir
Verschwinden, sinken sehn,
Möcht auch zu ihren Wünschen all
Die Seele schlafen gehn.

Trost im Winter

Die Vögel, sie ziehn schon über den See,
Bald kommt der Winter mit seinem Schnee,
Mit seinen geselligen Tagen.
Laßt draußen toben Frost und Eis,
Laßt bilden uns einen geselligen Kreis,
Von vergangenen Freuden uns sagen.

Meine Jugend, mein Lenz vorbei, vorbei!
Vorüber des Lebens köstlicher Mai!
Noch hör ich ihn leise verklingen.
Bald bleicht der Winter die Locken mir weiß,
Dann Freunde, laßt mich in fröhlichem Kreis
Von vergangenen Freuden euch singen.

Frühwinter

Noch standet, als mein Aug euch gestern sah,
Ihr Bäume grün und vollbeblättert da,
Noch strecktet in des Herbstes Nebelhaus
Belaubt Gezweig ihr in die Luft hinaus.

Und heut, eh noch der Wind euch hat entlaubt,
Umhüllt Gelock euch von des Winters Haupt;
Doch zwischen des Geflockes Silberhaar
Werd ich des Frühlings altes Kleid gewahr.

Und aus der Wolken grauem, trübem Schoß,
Stürmt neuer Schnee auf euch ihr Bäume los,
Hält an den Blättern sich als schwere Last,
Darunter bricht lautstöhnend manch ein Ast.

Ihr Bäume, bald müßt ihr zu Grunde gehn,
Da euch so früh des Winters Stürm umwehn,
Euch hat berührt des Alters schwere Hand,
Eh noch das Grün der Jugend euch entschwand.

Des Sängers Jahreszeiten

Sei auch ein Frühling mild und labend,
Der Sänger schafft in seiner Brust
Sich traulich einen Winterabend
Voll von geselliger heitrer Lust.

Und singen in des Hains Gestrippe
Im Sommer Vögel ohne Zahl,
So sieht die Bäum er als Gerippe
Die Wiesen sind ihm herbstlich fahl.

Und kommt darauf mit rauhen Winden
Der Herbst, der Sensenmann, herbei,
Wird doch der Sänger Blumen finden,
Und meint, ihm brachte sie der Mai.

Und sitzt er, Träumen hingegeben,
Des Winters heim im Kämmerlein,
So malt er sich ein frisches Leben,
Nun muß für ihn es Frühling sein.

Er schafft sich selber Blumenkränze
Nach seiner Laune, seiner Lust;
Im Winter sieht er Maientänze,
Lenz ist es meist in seiner Brust.

Mögt drum den Sänger nimmer schelten,
Wenn euer Sein ihm unbekannt;
Denn seine Seele geht so selten
Mit eurem Leben Hand in Hand.

Zwei Sterne

Es wandeln über der Erde Nacht
In dunkler, weiter Ferne,
Voll himmlischem Glanz, voll Licht und Pracht,
Zwei Sonnen, zwei ewige Sterne.

Es steigen vom Erdengewühl hervor
Viele Blick auf der Lüfte Wogen
Und kommen voll Sehnsucht zu euch empor
Ihr göttlichen Sterne gezogen.

An euch kann sich in der Erde Nacht
Das Auge der Menschen erheben;
Frühling und Jugend, ihr Sterne voll Pracht,
Aus euch quillt — alles Leben.

Greisenwort

Es hält der bleiche Winter mich
Mit seinem Arm umfangen
Und Silberlocken ringeln sich
Herab auf meine Wangen.

Erinnerungen an den Traum
Der Jugend, die vergangen,
Seh ich an meinem Lebensbaum
Wie Apfelblüten hangen.

Die Lieder meiner Jugendzeit,
Sie sind mir nicht vergangen;
Sie halten mich voll Lieblichkeit
Wie Flötenklang umfangen.

Enttäuschung

Sei willkommen mir, süßes Leben,
Reicher Quell du von jeder Lust;
Alles hast du mir, Alles gegeben,
Was ich heiß erstrebt in der Brust.

Daß mich die Flocke des Alters umschwebe,
War nur ein trübes Bild der Nacht;
Sei mir gegrüßt meine Jugend, ich lebe
Noch im Lenz, ich bin erwacht.

Was ich ersehnt, wonach ich gerungen,
Nenn ich nun mein, auf ewig mein;
Freuden halten mein Herz umschlungen
So wie die Wellen das Felsgestein.

Plötzlich ist Alles vorbeigezogen,
Frühling, Jugend und Traum und Glück;
Weh, mein Aug, es wurde betrogen,
Sieh, der Winter kehret zurück.

Zeigtest mir alte, vermorschte Zeiten,
Als ich noch frühlingskräftig und jung,
Ferne Freuden und Seligkeiten,
Fata Morgana, Erinnerung!

Nach einem Gewitter

Der Donner verklang an der Berge Höhn
Wie der ausgeklungenen Glocke Getön.

Nicht leuchten mehr Blitz aus dem Dunkel hervor,
Die irrenden Lichter im Wolkenmoor.

Die schwarzen Nebel enteilen so sacht
Wie schweigend fliehende Vögel der Nacht.

Die Luft ist ruhig, der Nachtwind schweigt,
Vor dem sich ächzend die Bäume geneigt.

Der Frost, der geweilt auf Feld und Au,
Entfloh, und die Luft ist wieder lau.

Und fast bedünkt es mich nun, als sei
Mit den Stürmen gezogen ein Winter vorbei.

Mein Auge sucht, wie im März ein Kind,
Wo die ersten Blumen des Frühlings sind.

Mein suchender Blick, er findet sie nicht,
Da kein Strahl die dunklen Räume durchbricht.

Da heb ich vom Boden das Haupt empor,
Da leuchtet entwölkt der Himmel hervor;

Da prangen die Stern in entzückender Pracht,
Die Silberblüten im Garten der Nacht.

Der Genesende

Die Sonne mit den Strahlen lau und helle,
Sie lockt mich aus der Krankheit trübem Haus.
Zu einer Brücke wird mir meine Schwelle
Von meiner Kammer in den Lenz hinaus:
Ich ziehe freudig von der düstern Stelle,
Ich fühle, daß nun all mein Kummer aus.
Die Frühlingslüfte wehn, wie Well auf Welle,
Und tragen mich ins Meer des Dufts hinaus.

Und freudig pocht mein Herz, doch ängstlich bange,
Ob wirklich aufgetan die Kerkerwand;
Fast halb gestorben glaubt ich mich so lange;
Nun reichst du Leben wieder mir die Hand.
Vergessen sei beim Wiedersehensdrange,
Was ich, als du mir ferne schienst, empfand.

Letztes Grün

Zu ihrem Schlummer neigt sich die Natur;
Als düstre Vögel ziehen durch die Flur,
Herkommend von dem einsam stillen Weiher
Die Nebel sacht wie matt gewordne Geier.

Und Silberflocken fallen ohne Rast
In der Natur verödetem Palast,
Aus dem hinweg die Sänger all die frohen
Mit ihren Liedern nach dem Süd entflohen.

Der Garten einem wilden Schlachtfeld gleicht,
Die Blumen liegen da vom Tod gebleicht,
Die von der Nebel giftigen Hauch erstarben
Mit ihren Reizen all und ihren Farben.

Doch aus den Blumenleichen ragt hervor
Ein Gras, das hebt sein Haupt nach grün empor.
Du beugtest lebensfrisch dich nicht dem Winde,
Sei mir willkommen, letztes Angebinde.

So bleibt aus unsrer Jugend schönstem Glück
Im Winter wohl manch grüner Halm zurück,
Der ruft uns auch gleich einem Zauberstabe
Den hingeschwundnen Frühling aus dem Grabe.

Nach Horaz

Wer unschuldig lebt und von Frevel rein ist,
Fuskus, nicht bedarf er der Mauren Spieß und
Bogen, so auch nicht eines Köchers, schwer von
                  Giftigen Pfeilen;

Führt sein Weg ihn durch das Gebraus der Syrien
Oder zum unwirtlichen Kaukasus hin,
Oder ans Gestad zu dem sagenvollen
                  Flusse Hydaspes.

Sieh! mich floh ein Wolf im Sabinerhaine,
Mich, der wehrlos, der ich befreit von Sorgen
Über mein Gebiet mich verloren, meine
                  Lalage singend.

Solches Untier hat nicht das kriegerische
Daunien ernährt in den Eichenwäldern,
Und auch Judas Erd nicht erzeugt, der Löwen
                  Glühende Heimat.

Setze hin mich, wo in erstarrtem Boden
Sich kein Baum erquickt an der Sonne Strahlen,
Dorthin, wo im Dunst des Gewölks der Himmel
                  Trüb auf der Welt ruht;

Setze dort mich hin, wo zu nah die Sonne.
Dorthin, wo die Erd es versagt zu wohnen:
Lieben werd ich Lalagen, süß im Lächeln,
                  Süß in der Sprache.