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Die Geschichte von dem Gespenst im Gasthof zum schwarzen Bären
(Abschreckungs-Ballade für Gastwirt - Präparanden)
 


Ihr kennt doch das alte, verregnete Haus
Mit dem Schilde zum schwarzen Bären?
Das Untier, es streckt seinen Kopf hinaus,
Um zwei Gassen vom Eck' aus zu lehren
Die nützliche Kunde für Jedermann,
Daß man essen und trinken und schlafen hier kann.

Nach zweien Parteien redlich geteilt
Sind die vornehm bekralleten Hände;
In den Rumpf des Ungetüms eingekeilt
Ist der rechte Winkel der Wände.
Das Haupt, sich bewußt Diplomaten-Geschlechts,
Es beharrt in der Mitte von Links und Rechts.

An den Hof des Gebäudes erstrecket sich weit
Der so freundliche Gasthof-Garten,
Drin schattige Bäume zur Sommerszeit
Auf die Durstigen, Hungrigen warten,
Drin schallet beim lustigen Gläserklang
An den Abenden heiterer Menschen Gesang.

An der äußersten Grenze des Gartens da steht,
Von vermoderten Bäumen umgattert,
Ein finstres Gemäuer, von Schauder umweht,
In der Dämmrung von Eulen umflattert.
Seit Alters ist bei Allen im Land
Dies Gebäu als die Teufelsküche bekannt.

Mag der Abend ein noch so verlockender sein,
Unter Scherzen und fröhlichem Singen
Den Lampen erleuchteten heitern Verein
Der Geselligkeit Zauber umschlingen —
Bevor zwölf Uhr die Glocke schlägt,
Ist der Garten von Gästen wie ausgefegt.

Wohl um Mitternacht, wohl um Mitternacht,
Da beginnt ein Gespuk in den Mauern;
Es poltert darinnen, es siedet, es kracht —
Man vernimmt es mit Beben und Schauern.
Die Bäume durchschwirret ein Lampengeflirr —
Es erzittert ein rasselndes Eisengeklirr.

Wenn du herzhaft bist — und gerade kein Wirt —
Du erbebst nicht, siehst du Gespenster,
So nah' dem Gebäude dich unbeirrt,
Blick hinein ins erstorbene Fenster;
Erzähl' uns dann, was du gehört und gesehn,
Was drinnen für schreckliche Dinge geschehn.

Eine eiserne Falltür hebt sich empor,
In den Angeln knarrend und pfeifend.
Aus dem Loch, dem gähnenden, klettert hervor,
Mit den Händen tappend und greifend,
Das Schenken-Gespenst, das zum Wandern verdammt,
Auf dem Haupte die grünliche Mütze von Samt.

Ein gewaltiger Ring, der von Schlüsseln so schwer,
Ein verrosteter, muß sich bewegen,
Tanzt mit der Latern, der zerbrochnen, umher,
Dem Begründer des Hauses entgegen.
Die Tanzenden gönnen nicht eher sich Rast,
Bis der Wirt die Gefährten des Lasters erfaßt.

Der Vergifter des Kellers, der Sündige, geht
Mit des Reuigen zitterndem Schritte.
Ein eichener Stuhl, der ein Schwankender steht,
Nimmt ihn auf in die staubige Mitte.
Es ächzen und winseln und seufzen so laut
Die gewundenen Beine, vor Alters erbaut.

Es klagt das Gespenst mit der Mütze vom Samt:
"Was mußt' ich Getränke verderben!
Drum bin nach dem Tod ich zum Wandern verdammt,
Keine Ruhe fand ich im Sterben.
Und kein Ur-Enkel erbarmet sich mein,
Daß ich Müder kann rasten, ein Schlummernder sein.

Wann wird doch das Haus zum Bären ein Mann
Wohl besitzen, verwalten und lenken,
Der selber so weit sich bewältigen kann,
Bloß echte Getränke zu schenken?
Ein Trunk nur, ein reiner, von Bier oder Wein
Hier im Haus - und vom Fluch ist erlöst mein Gebein!"

Drauf siehst du den Geist mit der Mütze von Samt
Aus dem eichenen Stuhl' sich erheben,
Um gräulich annoch zu üben das Amt,
Dem er treulich gewidmet sein Leben,
Um nie bis zu seiner Erlösung zu ruhn
Und allnächtig das einstens Verübte zu tun.

Es beginnt der Gespenst-Dilettant der Chemie
Die Geräte sich vorzubereiten,
Zu treiben die Kunst der Teufels -Magie,
Wie in lange verschollenen Zeiten,
Als noch in den Durstes-Retorten der Welt
Sein Gebrau sich verwandelt in klingendes Geld.

Eine gelbliche Flasche, sie hüpfet im Nu
Von des Zimmers verrauchtem Getäfel
Und wispert und fispert die Worte dazu:
"Ich enthalte den nötigen Schwefel!" —
Und Schachteln und Büchsen, sie kommen geschwirrt,
Um zu dienen wie einst - dem gespenstischen Wirt.

Es brodelt ein Alkohol heuchelnder Trank
An der Berzelius'ischen Heize.
Manch Durstiger wurde dereinstens so krank
Durch die magenerschütternde Beize,
Die auch heut sich erfreut am wilden Gefecht,
Das zu kämpfen sie hofft mit dem Sonnengeflecht.

Wenn die Wein-Surrogat-Bereitung vorbei,
Vor dem Gift schon erzittern die Fässer,
Da kommt das edle Bier an die Reih,
Zu verkosten des Brunnens Gewässer;
Wenn das Märzen getauft, dann wird es verdammt,
Zu erdulden der Spritze luftiges Amt.

Und das liebliche Tausendgüldenkraut
Und die Genziana, die reine,
Mit Tannenzapfen zusammengebraut,
Sie suchen in holdem Vereine
Dem Gaumen sowohl wie dem forschenden Blick
Zu verhüllen des Biers sündflutig Geschick.

Und so mischet und kochet und chemisiert
Für seine gewaltigen Sünden
Allnächtig noch stets der gespenstische Wirt
Aus leicht begreiflichen Gründen:
Denn noch nahm sich kein Schenke zum Bären die Zeit,
Daß den Ahn von der Qual er hätte befreit.

Wohl mögen vielleicht noch mit Mützen von Samt
In Germanien Andere leben,
Die oft in des Kellers behaglichem Amt
Der Chemie sich, der schwarzen, ergeben.
Ob ihrer Verbrechen am Bier und am Wein
Müssen einstens Gespenster sie, wandelnde, sein.