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Durch der Leidenschaften Drang
Hilft uns Jugend und Gesang.

 

I.
Lieder und Jugendklänge 1

 

Waldlied
Sieger Frühling
Ihr Bild
Erwachen
Bündnis
Der Glückliche
Aufgebot
Spätwinter
Herbstgefühl
Vor ihrem Fenster
Am Morgen
An die Geliebte
An Henriette

 
Auf der Jagd
Trennung
Erscheinung
Schöner Traum
Der Schiffer 1
Morgenständchen

 
Zwiespalt
Die alte Weise
Der Schiffer 2
Zurück
Wunsch
Neues Leben

 

Waldlied

Leisen Schrittes kommt die Nacht
Durch des Waldes Räume,
Überhüllt mit Dämmrungsflor
Geisterhaft die Bäume.

Ringsum schläft der Vögel Lied;
Über Stein und Kiesel
Brauset, rauschet lautren Tons
Nun des Bachs Geriesel.

Und die Einsamkeit durchzieht
Fernes banges Klingen,
Das die Trauer und der Schmerz
Wehmutvoll durchdringen.

Von der Dorfkapelle her
Tönet das Geläute,
Kündet, daß ein Bruderherz
Sei des Todes Beute.

Hat sich auch der Glocke Klang
Nach und nach verloren,
Klinget doch das trübe Lied
Noch mir in den Ohren.

Alles schweigt, kein Laut ist wach
In dem dunklen Haine;
Und mir ist, als wär ich nun
Auf der Welt alleine.

Sieger Frühling

Es hat der Lenz den Winter,
Den alten Feind bekriegt;
Der Jüngling hat im Kampfe
Den Veteran besiegt.

Er hat im Siegesrausche
Sein lockig Haupt geschmückt,
Darauf den Kranz aus Blumen
Und Blüten sich gedrückt.

Im freudgen Jugendtaumel
Verlor er seinen Kranz;
Nun pranget rings voll Blumen
Die Erd im Sonnenglanz.

Ihr Bild

Immer seh vor meinen Augen
Ich dein holdes Bildnis schweben;
Dieses Bild, es ist mein Schutzgeist
Und mein Führer durch das Leben.
Meines Trübsinns dunklen Schluchten,
Seinen schwarzen Finsternissen,
Diesen unwirtbaren Wüsten,
Hat dein Bildnis mich entrissen.

In das Kanaan der Freude,
Ferne jeder öden Wildnis,
In den ewgen Frühlingsgarten
Hat mich eingeführt dein Bildnis.
Teure, gleich ich denn nicht jenem
Armen, lang gequälten Volke,
Das so viel des Gram's erduldet? —
Und dein Bild ist meine Wolke.

Erwachen

Mein Herz als eine Puppe lag
Voll Hoffen und voll Bangen,
Ganz ausgeschlossen von dem Tag,
Vom Winterschlaf umfangen.

Es war so ärmlich, so gering
Der Puppe Sein auf Erden,
Doch hoffte sie noch Schmetterling
Im nahen Lenz zu werden.

Die Frühlingssonne kam herbei,
Erschuf Gesang und Düfte;
Sie läßt den frohen Gaukler frei,
Der zieht hinaus die Lüfte.

Er fliegt, den Mai in seiner Brust,
Durch Täler und durch Wälder,
Berauscht von hoher Lebenslust,
Durch bunte Blumenfelder.

Der Schmetterling. befreit vom Schmerz,
Voll Freudedrang, voll Wonne, —
Geliebtes Kind, er ist mein Herz,
Du meine Frühlingssonne.

Bündnis

Seit ich dich, o Teure, fand,
Seit erfüllt mein Hoffen,
Steht des Paradieses Land
Meinen Augen offen.

Seit ich meine Seele dir
Habe fest verbunden,
Seh ich hell besonnt vor mir
Meiner Zukunft Stunden.

Seit ich dich mir hab erwählt,
Herrlichste der Blüten,
Fühl ich meine Hand gestählt,
Allem Trotz zu bieten.

Uns beschützt des Himmels Dom
Und der Liebe Walten,
Da im wilden Lebensstrom
Wir einander halten.

Der Glückliche

Ich weiß einen glücklichen Zecher,
Ein fröhlicher Sinn ist sein;
Er trinkt aus Rubinenbecher
Einen glühenden, frischen Wein.

Ich bin der glückliche Zecher,
Ein fröhlicher Sinn ist mein:
Mein Herz, es ist der Becher,
Deine Liebe darin der Wein.

Aufgebot

Jetzt nennt der Frühling sein die Welt,
Ihm jauchzen alle Lieder;
Der Nebel düsteres Gezelt,
Er reißt es mächtig nieder.

Es floh das fahle trübe Grau
Vor seinem lauten Werde;
Schon schaut der Himmel freundlich blau
Hernieder auf die Erde.

Sein unsichtbarer Segen quoll
Weithin nach allen Wegen;
Gießbäche stürzen freudevoll
Laut brausend ihm entgegen.

Der Schnee, der heimlich sich verbarg
In Klüften und in Schlüften;
Er stirbt in seinem eignen Sarg
An lauen, milden Lüften.

Heraus vom Kerker kommt zu Tag!
Um auf das Knie zu sinken,
Am Veilchenhauch, am Lerchenschlag
Verjüngung euch zu trinken.

Spätwinter

Da der Frühling nun beginnet,
Flieht die letzte kalte Nacht;
Da das Bächlein wieder rinnet,
Lebt aufs Neu der Blüten Pracht.

Plötzlich seh ich Wolken wallen
Ähnlich einem finstern Aar
Durch die Lüfte; Flocken fallen
Wie ein weißes Lockenhaar.

Und die Wiesen und die Wälder
Und die Täler und den Hain,
Und die ersten Blumenfelder
Hüllt der weiße Schleier ein.

Hat im frühen Tod der Keime
Mir mein Glück sich offenbart? —
Auf dem Frühling meiner Träume
Liegt der Schnee der Gegenwart.

Herbstgefühl

Sommerfäden seh ich tragen
Von der Luft im Sonnenschein,
Und mit herbstlichem Behagen
Tret' ich in den Lindenhain.

Wohin soll ich mich bewegen?
Ei, wo ist mein alt Geheg?
Gelber, dürrer Blätterregen
Hat verhüllt mir jeden Weg.

Abwärts wandr ich von den Höhen
Ohne Richtung, ohne Pfad;
Tiefer tauchen schon und gehen
Meine Fuß' im Blätterbad.

Völlig sink ich nun und steige
Immer tiefer nur hinein;
Durch des Waldes lichte Zweige
Grüßet mich der Sonnenschein.

Blätter, haltet mich umschlungen,
Wie der Traum Vergangenheit!
Herbstlich, wie Erinnerungen
An der Liebe Frühlingszeit.

Vor ihrem Fenster

Voll von Wünschen und Gedanken
Steh ich nun vor ihrem Haus;
Doch der Fenstervorhang schließet
All mein Schauen neidig aus;
Doch verbirgt er nicht den Schatten
Von der lieblichen Gestalt,
Wie sie zwischen Licht und Wächter
Drinnen auf und nieder wallt.

Und bald wird der Schatten größer
Wird bald größer immerdar;
Wird bisweilen immer kleiner
Und verschwindet endlich gar.
Schattenbildnis der Geliebten
Auf des Vorhangs grünem Schild,
Dich betracht ich gar so gerne;
Bist ja meiner Hoffnung Bild.

Am Morgen

Die Dämmrung schleicht mit leisem Gange,
Schon regt das Leben sich im Tal;
Die Lerche sucht beim ersten Sange
Der Morgensonne ersten Strahl.
Die Träume halten alle Feier,
Sie fliehn und legen sich zur Ruh;
Es stieg die Nacht als blauer Schleier
Und deckt die müden Sterne zu.

An die Geliebte

Lieblich rauscht der Quell in der stillen Nachtzeit,
Weilt das Bild des Monds auf dem Bache zitternd;
Im Taglärm doch hörst du sein Rauschen nicht mehr,
Aber es schweigt nicht.

Und du meinst, mein Herz, es vergesse deiner
Dann, wenn sein Pulsschlag vom Tumult des Tagwerks
Übertönt ist laut und verschlungen gänzlich?
Denk an den Quell du!

An Henriette

Alle die Weisen meinen,
Dunkler Schatten und Licht
Können sich nimmer vereinen;
Liebchen, ich glaub' es nicht.

Nimmer kann sich vereinen
Nacht mit des Tages Licht? —
Alle, die dieses meinen,
Kennen dein Auge nicht.

Auf der Jagd

Sie wecken mich auf aus meinem Traum,
Sie laden mich ein zur Jagd;
Doch die Morgendämmerung hat noch kaum
Die nächtigen Nebel verjagt.

Den freundlichen Antrag nehm ich an
Um nicht zu sagen "nein";
Wir gehn hinaus, bergunter. bergan
In den düsteren herbstlichen Hain.

Und sie füllen jeder ins Mordgewehr
Das schwarze Pulver hinein;
Mich freut ihr Jubeln und Schrein nicht sehr,
Wie ein Geist steh ich allein.

Sie jagen jeder der Freude nach
Und lassen mich einsam zurück
In des Waldes ödem, verlaßnem Gemach
Mit mir und meinem Glück.

In den Waldbach schau ich, der braust so wild
Er ist mit den Ufern in Streit;
Geliebte, plötzlich kommt dein Bild
In meine Einsamkeit.

Wir gehn mitsammen Hand in Hand;
Der Himmel hat sich erhellt,
Und der Frühling beherrscht das ganze Land
Uns glücklichsten Kindern der Welt.

Wir wandeln und gehn in der Flur umher,
Wir besteigen mitsammen die Höhn;
O Erde, du bist ein Freudenmeer!
O Leben, wie bist du so schön!

Vorüber rauscht der geträumte Mai,
Herbst ist es wieder im Land; —
Sie kehren zurück, die Jagd ist vorbei,
Herbst ist es wieder im Land.

Wir haben einander herzlich begrüßt,
Gehn plaudernd bergunter, bergan,
Erst nach dem Taumel der Freude schließt
Man wieder ans Leben sich an.

Trennung

Ich muß mich trennen nun von dir,
Muß einsam ziehen fort;
Beim letzten Sehen gönnst du mir
Kein freundlich Abschiedswort?

Du wendest ab dein Angesicht,
Läßt ohne Gruß mich gehn?
Nach solchem Scheiden folget nicht
Ein freudig Wiedersehn.

Mein schöner Traum wie eitler Hauch
Verflieht vor meinem Blick;
Doch ach, das Herz erfreut sich auch
An dem geträumten Glück.

Erscheinung

Es steht vor meinem Blick ein Bild,
Ich seh darin dein künftig Sein;
Noch ist dein Auge freundlich mild.
Doch du, ein altes Mütterlein;
Du eilst vor Ungeduld, vor Lust
Ins Haus, drin die Urenkel sind.
Und drückst sie all an deine Brust,
Wirst wohl vor Freude selbst zum Kind.

Und Tränen der Begeisterung
Entrollen dir vor Seligkeit,
Es strahlt dein Auge freudig jung,
Wie in verfloßner Jugendzeit.
Wie wär mein Himmel rein Azur
An unsichtbaren Sternen reich,
Käm einst ein solcher Winter nur,
Geliebte, mir und dir zugleich.

Schöner Traum

Heut Nacht hat mir der Schlummer
Ein trübes Bild gebracht;
Ich lag am Pfühl, durchrieselt
Von Fiebers Winternacht.

Du standest bei dem Bette,
Du treues, gutes Herz,
Und pflegtest mich, den Kranken,
Sanft lindernd meinen Schmerz.

Hast mich so zart gepfleget
Mit weiblich milder Hand,
Daß ich darob vor Freude
Mein Leiden kaum empfand.

Da hab ich in Gedanken
Zu dir empor geblickt:
"Wie doch die Lieb' am meisten
Dem Tode nah entzückt!"

Verschwunden war der Schlummer,
Ich wußt es selber kaum;
Ich dachte: Diese Bilder,
Sie sind kein leerer Traum.

Der Schiffer 1

Das dunkle Meer, es schlummert,
Das dunkle Meer, es ruht;
Und drunten tief am Grunde,
Da schläft die wilde Flut.

Mit sachtem Ruderschlage
In meinem kleinen Kahn
Durchkreuz ich leis die Wasser
Auf glatter Spiegelbahn.

Und ringsum ist verschwunden
Den Blicken alles Land,
Die Küste ist versunken
An Horizontes Rand.

Die Sterne glänzen über
Und unter mir daher;
Mir ist, als schifft ich jetzo
Umher im Weltenmeer.

Und zwischen beiden Welten
Dehnt sich die See hinaus;
Mir ist als schifft ich jetzo
Ins Heimatland nach Haus.

Morgenständchen

Wach auf, mein Kind!
Dem Morgenwind
Ist schon die Nacht entwichen.
Im Lüftemeer
Der Sterne Heer
Vorm Sonnenglanz verblichen.

Verlaß das Haus,
Und tritt heraus
Zu deinem Vielgetreuen,
Damit sein Glück
An deinem Blick
Sich wieder mög erneuen.

Natur ist schön,
Auf Bergeshöhn
Und in des Tales Auen;
Doch göttlich spricht
Ihr Angesicht,
Wenn sie zwei Herzen schauen.

Zwiespalt

Wenn du weinst ob kleiner Schmerzen,
Glaubt mein leichter froher Sinn,
Daß ich Armer deinem Herzen
Endlich wirklich nahe bin.

Wenn die Berge sanft und leise
Bläulich grauer Duft umschleicht,
Glauben wir das Ziel der Reise,
Das Gebirge, bald erreicht.

Und doch wünsch ich, Stern der Sterne,
Jede Träne fort von dir,
Will dich lieber heiter — ferne,
Als dich weinend — nahe mir.

Die alte Weise

Was tönet für ein Wundersang?
Was hör' ich für ein Lied,
Das meine Seele wehmutbang
So zaubervoll durchzieht?

Der Jugend schönes Märchenland
Umgaukelt meinen Blick;
Was ich an Glück im Leben fand,
Es kehret mir zurück.

Der Trauer trüber Nebel wich
Von Firmamentes Blau;
Und Lenz und Blüten zeigen sich,
Wohin ich immer schau.

Der Frohsinn flattert um mich her
Als bunter Schmetterling,
Die Luft, sie ist der Freude Meer,
Das mich gelind umfing.

Ich kenne dich, du Zaubersang,
Du holde Harmonie,
Bist meiner ersten Liebe lang
Entschwundne Melodie.

Der Schiffer 2

Wenn ein Sturm den armen Schiffer
Auf dem weiten Meer ereilet,
Tröstet sich die bange Seele,
Daß der Sturm nicht ewig weilet.

Ich auch schiff und wank und rudre
In des Lebens kleinem Kahne,
Da bestürmen mich der Liebe
Furchtbar brausende Orkane.

Und mein Schiff, bald flieht es aufwärts
Zu des Glaubens blauen Lüften,
Und bald taucht es hinunter
Zu des Zweifels dunklen Grüften.

Toset fort, ihr bösen Stürme,
Rast nur, wütet fort und heulet,
Damit tröst ich meine Seele,
Daß ihr doch nicht ewig weilet.

Zurück

Tauchest du wieder, du bleiches Bild,
Aus der Vergangenheit Wogen?
Kommst mit Blicken so freundlich mild
Schmeichelnd zu mir gezogen?
Zeigst mir das Aug, das mich entzückt,
Das mir Alles genommen,
Hältst noch die Rose, die ich gepflückt,
Die du von mir bekommen?

Weg ist der Blume Farb und Duft,
Drück in der Hand sie zu Staube,
Streu ihn hinaus in die herbstliche Luft,
Lustigem Winde zum Raube.
Halt dein Aug in der Sonne Licht,
Daß es ermatt und erblinde,
Daß es den Weg zu mir dann nicht
Aus der Vergangenheit finde!

Wunsch

Oftmals, wenn ein dein Erinnern
Blaset in das Schmerzenshorn,
Fühl ich tief in meinem Innern
Wach den alten, blutgen Zorn.

Doch der Zorn. er zieht vorüber,
Der in mir so wild gehaust,
Wie ein kalter Wind, der über
Winterliche Wälder braust.

Sanfte, milde Geister schweben
Über mir, ich denk an dich,
Wünsche, daß dein ganzes Leben
Glücklich sei — auch ohne mich.

Neues Leben

So oft denk ich zurück
An alte Stunden,
Die mir in Schmerz und Glück
Schon lang entschwunden.
In die Vergangenheit
Schau ich hernieder —
Und Qual und Seligkeit,
Sie werden Lieder.