Resultate
I.
Symptome
Wer Wein sich wünscht bloß im Gemeinsam,
Der ist ein Freund der Fröhlichkeit;
Jedoch, wer Wein will immer einsam,
Der trachtet traun! nach Trunkenheit.
II.
Klimatik
In warmen Ländern liebt man,
Doch mäßig nur, den Wein;
In unserm lieben Deutschland,
Da nippt man Bier und Wein;
Im rohen, rauhen Norden,
Liebt sehr man Branntewein.
III.
Nautik
Teilweise sucht Mancher im Keller drein
Die Nautik sehr zu studieren:
Am Heimweg seht Ihr ihn zierlich fein
Die Gassen durchlavieren.
IV.
Sarometrik
Rebensaft ist dir kein Labsal,
Wenn du ihn nur kennst als Prasser
Wie willst du den Wein verstehen,
Weißt du nicht zu schätzen — Wasser?
Trinkspruch
Das was der Vater Tacitus
Von unsern Ahnen kündet,
Was ich nicht nennen will, das muß
Wohl sein durchaus begründet.
Ich hoff, daß Jeder mich versteh',
Vom Tacito drum tacite!
Wem ich noch mehr erklären muß,
Der lese selbst den Tacitus.
Der Tacitus, er sagt es klar,
Was den Germanen eigen;
Doch davon, was voreinstens war,
Laßt mich, Ihr Brüder, schweigen;
Daß das noch ist, des sind wir froh
Drum tacite! vom Tacito! —
Wem ich noch mehr erklären muß,
Der lese selbst den Tacitus.
Spruchweisen
I.
Verfehlter Wunsch
Sehr gütig war's vom Firnewein,
Möcht' er vor uns fürsorglich sein,
Den Gaum dann gar nicht mehr zu laben,
Wann wir bereits genüglich haben.
II.
Verschiedene Richtung
Ein' sonderbare Siechheit hat
Fürwahr, oh Freund, dein Magen:
Ihm kann, wenn er sich fühlet satt,
Kein' Speise mehr behagen;
Doch frischem Bier und altem Wein
Sagt niemals er ein mürrisch Nein.
III.
Rettung im Kampf
Da pflegt gar Mancher schwankend zu sein,
Heut' am Bier sich zu laben oder am Wein,
Diesen gordischen Knäu'l wie ein Kind zu zerhauen,
An beiden Getränken sich heut' zu erbauen.
IV.
Billigkeit
Mit deinen Gästen magst du, Rechner, dich
Für das Entsagen immer dich entscheiden.
An fremdem Tisch mög' dann dein Magen sich
Wohl für sein häuslich Durst- und Hungerleiden
Belohnen und an Speis und Trank sich redlich weiden.
Sei aber heimlich du auch stets bereit,
In deiner Brust so tugendlich bescheiden,
Zu preisen dich ob deiner Sparsamkeit,
Zu zeihen als verschwenderisch unsre Zeit.
Der Trinker als Reimer
Nicht an der Nase sieht man's an,
Ob einer Reime schmieden kann.
Blüht auch der Wein mir im Gesicht,
Hab' ich verlernt das Reimen nicht
Mir ist gerade das der Reim,
Was für den Tischler ist der — Leim.
Mahnt Einer mich an Schulden,
Sag' ich: "Gedulden — dulden!" —
Wenn blaß ich werd' im Angesicht,
Ich eine Weil' getrunken nicht;
Der Gaumen mir wie Feuer brennt,
Mein Auge trocken Niemand kennt,
Da kommt ein Reim auf mein Gebot,
Der rettet mich aus meiner Not:
Die Zunge wimmert: "Dürsten!" —
Laut ruft der Retter: "Bürsten!" —
Und wenn ich dann im Keller bin.
Manch Tröpflein Wein im Magen drin,
Da überkommt mich Fröhlichkeit,
Ich singe: "Jetzt ist meine Zeit!" —
Wenn mir die Welt sich doppelt zeigt,
Mein Haupt sich schwer empfindsam neigt,
Dann muß ich auf das Trinken
Als Reim zu Boden sinken.
Anschauungen
I.
Mitleid
Wer Überfluß hat, sei's an Geld oder Wein,
Und der es nicht liebt, mitteilsam zu sein,
Den bedaur' ich noch mehr als die Ärmsten der Welt,
Die weder Wein besitzen noch Geld.
II.
Zarte Häuslichkeit
Du edler Rechner, nur Fröhlichkeit
Gibst in der Kneipe du aus,
Sparst üble Laune dir jederzeit
Für Weib und Kind zu Haus.
III.
Nachgiebigkeit
Der Wein, er kann nicht gehen,
Der Arme hat kein Bein.
Soll dich sein Geist durchwehen,
Mußt du ein Weiser sein,
Daher nachgeben fein.
Der Arme kann nicht gehen,
Der Wein, er hat kein Bein.
Soll dich sein Geist durchwehen,
Mußt du nachgiebig sein:
Geh' selber du zum Wein
Lied eines Armen
Ich armer Mensch bin von Natur
Ein oft recht durstig Kreatur —
Drum tu' ich gerne bürsten.
Doch weil mein Magen mancher Frist
Mitunter wohl baß hungrig ist,
Lab' ich mich auch an Würsten.
Ich armer Mensch hab' es nicht gern,
Wenn liebe, holde Weiblein fern
Von meinem Auge weilen.
Nicht freut sich drob mein Schau-Begehr,
Wenn schöne Mägdlein gare sehr
Vor mir von dannen eilen.
Ich armer Mensch, ich lieb' es auch
Traun! nach der Goten Urgebrauch
Mitunter laut zu singen,
Um meinen angebornen Drang
Nach Wein, nach Weib doch im Gesang
Zu zeiten loszubringen.
Stegreif-Betrachtungen
I.
Vorsicht
Wer redlich den eigenen Magen betreut,
Wird denkend dafür auch sorgen,
Daß nie er bringe dem fröhlichen Heut'
Als Opfer ein fröhliches Morgen.
II.
Kleider –Eitelkeit
Wer Rang- und Standes-Plunder
Und derlei Trödel-Wunder
Beim Wein fest halten kann,
Der ist trotz Hochmut - Scheine,
Auf sich beschränkt alleine —
Ein sehr bescheidner Mann.
III.
Ähnlichkeit
Wein wirkt zwiefach wie die Eitelkeit:
Kraft kann er gar wohl uns geben;
Und doch wird durch ihn oft mit der Zeit
Zerrüttet so manches Leben.
Zwei Sprüchlein vom Wein
I.
Was ist wohl beim Menschen so wie beim Wein
Des Gehaltes höchste Blüte?
Was liebt man bei Beiden im Grund allein?
Nichts weiter als ihre Güte.
II.
Tabakrauch und Lachen und Wein,
Sie berauschen schon Jedes für sich allein.
Der muß denn ein tüchtiger Recke sein,
Der sich hält vor den Dreien in ihrem Verein!
Lebens-Blätter des
Altmeisters
I.
Zur Einprägung
Vor wenigem Wein beliebt der Durst
Demütig, ersterbend sich zu verbeugen.
Der viele Wein pflegt auf eigener Faust
Einen neuen frischen Durst zu erzeugen.
Drum beschließe denn du, oh Freund! deinen Tag,
Daß der Durst in den Träumen nicht quälen dich mag.
II.
Zur Nachahmung
Wein ist die Milch der Alten:
Da pflegt denn Mancher vor kindlicher Lust
Am Glas, an der süßen Mutterbrust,
Sich liebend fest zu halten
Und ist nur immer zu trinken bemüht.
Oh! du liebevolles Kindergemüt!
III.
Zur Aufklärung
Wie! du glaubst dich an Frohsinn, an Lust und an Scherz
Zu erfreuen, das ist vergebens:
Oh Betörter! du irrst dich, du hast ja kein Herz
Für den Ernst des menschlichen Lebens.
IV.
Zur Genügsamkeit
Da sitzen sie oft an geräuchertem Ort
Und erquicken am Wein sich, am alten;
Kein Einziger spricht das kleinste Wort.
Morgen hörst du von Allen, daß sie alldort
Sich überaus gut unterhalten.
V.
Zur Wurmstichigkeit
Was drückt dir doch die Seele dein,
Da du mir ganz allein beim Wein
Vermagst ein froher Mensch zu sein?
VI.
Zur Becherkunde
Das schönste Antlitz reizt das Auge nicht,
Draus keine Seele dir entgegenspricht.
Es mahnt ein solcher Anblick uns gar sehr
An ein geschliffen Trinkglas — welches leer.
VII.
Zur Anstaunung
Bewundert mit mir den jungen Mann,
Der eine Kunst so, wie kein Anderer kann,
Die Kunst, im Kopfe zu hungern.
Wenn die Zeit ihm seines Erwerbes verrann,
Weiß trefflich er im Kaffeehaus sodann
Seinen übrigen Tag zu verlungern.
VIII.
Zur Selbstkritik
Mich faßt des Mitleids stille Wehmut,
Wenn Wer vor'm Glas wie vor Gericht
In völlig unbewußter Demut
Von seiner langen Weile spricht.
IX.
Zum Heuchlergeschäft
Da Wein und Bier
Zuwider dir,
Und beide dir sind ein Graus,
Verschweig'st du als schlaues Klügelein!
Dies vor der Welt so wie zu Haus,
Du Vorwärts-Strebling, gar sinnig und fein,
Gibst dein Wassertrinken als Tugend aus!
X.
Zur Sphragistik
Wär' ein Sichrer nicht worden ein deutscher Poet,
Er verlegte sich annoch zur Stunde
An Rheinwein-Flaschen, von Geistern durchweht,
Auf germanische Siegelkunde.
XI.
Vergeblich
Der beste Gesang und der herrlichste Wein
Können fröhlich machen noch keinen Verein,
Wecken dort den Geist der Geselligkeit nicht,
Wo der Gast nur stets auf Kommando spricht,
Wo immer nur Das wird in Worte gebracht,
Was der Hauswirt selber gemeint und gedacht,
Wo die vornehm gefirniste Lebensart
Als Wohldienerei sich offenbart.
XII.
Vergeßlichkeit
Was so Mancher mit Mühe dereinst erlernt,
Als er schwankend sich von der Mutter entfernt,
Die so wichtige Lebenslehre,
Die Kunst, zu stützen den Punkt der Schwere,
Die er doch schon lange so gründlich besessen,
Die fällt ihm später bisweilen beim Wein
In sehr nötigen Fällen gerade nicht ein,
Er hat sie gänzlich vergessen.
XIII.
Undank
Du solltest, Wirt, aus tiefster Brust
Dankbar den Durst, als Gönner, segnen.
Doch ist es deine höchste Lust,
Ihm stets als Todfeind zu begegnen.
Am Schlusse des Jahres
So ist nun Herr Sylvester denn auch
Zu uns gekommen nach altem Brauch.
Ganz leise fragt selber bei Jedem sich an,
Was er das Jahr gewirkt und getan.
Und sothane Interrogazion
Macht er in höflichem Flüsterton;
Doch ist sie Manchem, der wacker bebaucht,
Der im Innern des Halses brav beschlaucht,
Gut ißt und trinkt, viel schlaft und raucht,
Im Genuße sich wälzend, ein Grunzender schwimmt
Und drüber nichts Weiteres unternimmt,
Im höchsten Grad' unangenehm.
Dies Fragen wird ganz überhört von dem,
Der, wenn sein Gewissen murrt, im Nu
Schließt seine bedeutsamen Ohren zu,
Der nie seinen Blick erhebt, nie senkt
Und über sich selber schon gar Nichts denkt.
Herr Sylvester niemalen warten tut,
Ob ein Befragter es findet für gut
Und eine Antwort zu sagen geruht.
Nachdem er im Kreis die Fragen gestellt,
Er mit dem Flüstern inne hält,
Geht in das Zentrum, erhebt die Hand
Und sieht behäbig im Gemach sich um,
Wie ein Professor, der für sich fand
Endlich ein Auditorium.
Nach einer Pause beginnt er dann:
"Gegrüßet sei mir Jedermann.
Ihr trinkt Bier, Wein, Tee mit Rum,
Vergnügt Euch am Alkohol-Begehr
Und tut dies Alles nur mir zur Ehr! —
Wie freut mich dies gar inniglich,
Daß ihr so sehr Euch opfert für mich.
Ich les' in Jedwedes Angesicht,
Was zu sich selber anitzt er spricht.
So Mancher heute befriedigt sagt,
Den lange Weile so stetig plagt:
Die Flucht der Zeit gepriesen sei,
Ein Jahr ist endlich wieder vorbei.
Ein Anderer, erquickt am Lebensmahl
Lispelt: Liebes Jahr, komm noch einmal!
Ein Dritter sitzt fern im Winkel allein,
Hüllt vornehm in seine Titel sich ein.
Zwölf Monde war seine Weisheit versteckt;
Heut hat sie ihm Etwas ausgeheckt.
Mit stolz geworfenen Stirnefalten
Wird später er diese Rede halten:
Das alte Jahr ist abgetan,
Nun fängt sich grad ein neues an. —
Wird so seinen Geist er huldvoll zeigen,
Da müßt Ihr Euch bewundernd verneigen.
Ihr müßt ihn ja nicht durch Kälte betrüben,
Sonst könnt' er gemeine Rache üben:
Denn nichts Unversöhnlichers gibt es im Leben,
Als Dummheit, der eine Macht gegeben. —
Aber dort seh ich Einen, aus seinem Gesicht
Echt menschliches Fühlen und Denken spricht.
Sein Anblick schon erfreut mich sehr;
O gäb' es nur solche Gesellen mehr.
Wenn auch gebleicht ihm manches Haar,
Blieb dankbar dem Leben er immerdar.
Er lispelt: Ich danke dir, altes Jahr!
Scharf hast du manchmal mich angeblickt,
Du hast mich aber dennoch erquickt.
Du hast gebracht mir für mein Herz
So manche Kümmernis, manchen Schmerz,
Doch immer mir wieder die wunde Brust
Geheilt mit mancher kleinen Lust.
Nicht rechnen will ich dein Ungemach,
Denn selten kommt was Besseres nach.
Dein Bild, o Jahr, ich heb' es mir auf,
Will es treu bewahren im Lebenslauf,
Könnt' ich dereinstens vergessen dein,
Würd' ich ein Undankbarer sein! —
Hätt' Jeder von Euch Allen doch auch
Wie dieser zu fühlen den Gebrauch!
Wenn so das Leben Jedweder nähme
Und so zu denken sich doch bequeme,
Da gäb' es an diesem Abschiedstag
Manch weit noch fröhlicheres Gelag.
Doch nun lebt wohl, Gesellen mein!
Heiter mag Euer Leben sein.
Der, welcher nächstens kommt zu Euch,
Der ist mein Sohn; sieht sehr mir gleich.
Auch der wird bei Euch sich fragen an,
Was Ihr das Jahr über habt getan.
Nun schlägt es zwölf, ich muß nun gehn,
Lebt wohl! Auf Nimmerwiedersehn!" —
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