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Quelle:

Sportmärchen, andere Prosa und Verse
Ödön von Horváth

© Suhrkamp Taschenbuch Verlag
Erste Auflage 1988

Glück

Diese Verse Horváths sind vermutlich das erste bisher aufgefundene
Zeugnis seiner schriftstellerischen Tätigkeit; im "Poesiealbum" der
16jährigen Gustl Emhardt steht es zwischen Eintragungen anderer Freunde
mit Datum 5. 5. 1918 und 16. 3. 1920.


         Dir: Gustl Emhardt

Und der Frühling kommt ins Land —
Nebeneinand
Hand in Hand
Liegen wir:
Ich mit Dir,
Wie in einem Traum,
Unter blühendem Baum
Umhüllt von der Nacht
Und milder Blumenpracht.

Kann nicht mehr reden,
Kann nur verstehen
Ohne zu fragen
Ohne zu wagen
Zu sagen: —
Fühle ich Dich:
Mich!
In meiner Hand meine Hand —
Und der Frühling ist im Land —

Wenn ich schreibe:
Schreibe ich Dir.
Wenn ich schreite:
Schreit ich zu Dir.
Wenn ich denke:
Denk ich an Dich.
Wenn ich küsse:
Küsse ich Dich.

Über der Welt
Der Abend
So liebesehnenlabend.
Auf den Bergen
Das Rot.
In meiner Seele
Der Tod.

Ich lag
Auf einer Wiese
Wie in einer Wiege
Und dachte nicht —
Und sah nicht
Wie am Himmel
Die Wolken
Über das wogende Meer
Mit Donner und Blitz
Rollten.
Wie Schiffe versanken,
Wie Menschen ertranken —

Nur Dich
Sah ich:
Deine Beine,
Dein Haar,
Deiner Augen
Paar. —

Und glücklich
War ich.

Und kühler wird der Sonne Schein,
Länger die Schatten:
Dunkle Wolken ziehen
Über fahle Matten. —
Bald – Bald –
Unheimlich kalt
Rauscht der alte Wald. —

Alle Gassen
Sind verlassen
Alle Menschen schlafen.
Einsam bin ich —
So ganz allein —
Kann mir niemand raten —?

Wohin soll ich mich wenden?
Wohin soll ich gehen?
Kann ich etwas ändern
An dem, was geschehen?
Kann ich anders sein
Als ich?! — —

Kannst Du lieben
Mich? —

Ich hab meinen Vater ermordet.
Meine Mutter hängte ich auf.
Denn: Dich will ich nur lieben!!
Du sei meine Braut! —

Doch: – wenn Du mich nicht lieben kannst
So kauf mir einen Strick.
Ich bind ihn dann an einen Baum
Und häng mich auf damit. —

Du
Dieses Gedicht ist ebenfalls für Gustl Emhardt geschrieben.

Wenn ich schreibe
Schreibe ich Dir.
Wenn ich schreite
Schreit ich zu Dir.
Wenn ich denke
Denk ich an Dich.
— und wenn ich Dich küsse
Küßt Du mich nicht.

Litanei der frommen spanisch Feuer Leut

Jene Seuche, die Ende 1500 aus der neuen Welt nach Europa schlich,
nannte das Volk
"spanisch Feuer" — weil sie als Erster ein
spanischer Matrose in die Frauenhäuser pflanzte.


Herr, hie fleht vermaledeites Kraut
Mit Fraß und Krebs gar wohl vertraut
Der Eiter knospet aus der Haut
Von Geschwür und Geschwulst überblaut —
Herr, hie flehen Verbannte heut.
Herr, hörst Du uns spanisch Feuer Leut?

Nie schien uns der Tag zu grell
Wir soffen immer im Bordell
Und griffen den Weibern ins Gestell
Doch die Sonnen schwanden gar schnell —
Und Niemand, der uns betreut.
Herr, hörst Du uns spanisch Feuer Leut?

Herr, was wir auch immer begannen —
Siehe, wir sind ja nur mehr Schrammen
Die immererblühend sich selber verdammen.
Herr, erlöse uns Menscher und Mannen
Jeder von uns bereut.
Herr! Höre uns spanisch Feuer Leut!

Dienstbotenlied

Ich bin nur ein armer Dienstbot
Und schufte den ganzen Tag.
Doch dunkelts, dann steh ich am Fenster
Nachdem ich gegessen hab.

Und denk über Giebel und Dächer —
Bin doch noch hübsch und jung
Da ruft mich auch schon die Herrin
Die boshaft ist und dumm.

Mein Herr das ist ein Hauptmann
Mit Schmissen und Seitengewehr
Und geht er über die Straße
So grüßt ihn das Militär.

So grüßt ihn mein Geliebter —
Vielleicht zur selbigen Stund
In der ich Schelte kriege
Und bin doch ein fleißiger Hund!

Und abends in das Bette
Sink ich wie ein Sack.
Doch träum ich um die Wette
Mit Herr und Herrin und Pack!

Die Flitterwochen

Mein Liebchen das heißt Lizulein
Und ich bin groß und sie ist klein.
Halt ich abends ihre Hand
Singt sie vom Morgenland.
Und erbebt sie unter meinem Kuß
Dann sagt sie nie: "ich muß
jetzt fort — oh, lasse mich!"
Sondern nur: "Ich liebe Dich!"
Oh, Götter! wie bin ich doch zufrieden
Oben, mitten und hienieden!
So steht dies in der "Lilie" —
Zeitschrift für Haus und Familie.

Lieder zum Schlagzeug

               I.

Bambum!!
Stepptepptepptepp
Ein Tepp durchsteppt die Welt.
Ohne Hirn. Ohne Geld.
Stepptepptepptepp
Stepptepptepptepp
Sieh — ohne Melodie
Zappelen die Knie!
Kikiriki!!
Bambum!!!
Pst!
— — — —

eine Seele steppt ins All
sie sucht ein Ideall
Pst —
: — stepptepptepp — stepptep — tep — —

                                     II.

Noch stand auf meiner Stirne nie sexueller Schweiß
Mir Blüte von Arkansas mir wurd noch niemals heiß.
Ja sexueller Schweiß —
sexsexsexsexsex
uelluelluelluell
Well
Noch hat mich nie betastet weder Mann noch Weib
Noch leb ich unbelastet in reiner Kitschigkeit.
Noch heit.

A-erotisches Barmädchen

Rings von den Stirnen tröpfelt vornehmlich sexueller Schweiß
Denn es ist nicht nur heiß
Sondern — Gott weiß!
Man trinkt Whisky, Kognak und Sekt
Allmählich wird alles bedreckt
Ria rülpst, Schulze kotzt
Draußen wird Lu vom Kellner gefotzt
Während Anette, das arme Vieh
Beißt ihrem Kavalier ins Knie.
Dies ist zwar nicht fein
Doch manchmal muß man schon unkeusch sein
Oder zumindest so tun
Als wär man ein läufiges Huhn
Als wär man von jedem Krüppel betört
Als hätt man noch nie was von Lues gehört — — —
Kusch! Ich werde nicht sentimental.

[Und die Leute werden sagen]

Und die Leute werden sagen
In fernen blauen Tagen
Wird es einmal recht
Was falsch ist und was echt

Was falsch ist, wird verkommen
Obwohl es heut regiert.
Was echt ist, das soll kommen —
Obwohl es heut krepiert.