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Motto:

Und wenn kein Menschenohr
Auch meinem Sange lauscht,
So hört mich doch der Geist,
Der mir das Herz berauscht.
                 
   Nikolaus Lenau
 

Gedichte 1
 

Ich weiß nicht, was mich traurig macht
Die Feder in der Luft
Fruchtlos
Vor einem Baume
Das benagte Blatt
Das Blatt im Sturme
Vor einem Strauch
Der kahle Baum
Die große Stunde
Ein Sommertag
Ehre des Sommers

 
Der Stern am Tage
In der Seufzerallee
In trüben Gedanken
Augustlied
Die Wolke

 

Ich weiß nicht, was mich traurig macht

Es hat geregnet über Nacht,
Die Sonne glänzt in alter Pracht,
Die ganze Erde jubelt, lacht —
Ich weiß nicht, was mich traurig macht.

Soll's eine düstre Ahnung sein,
Und blickt bei diesem Sonnenschein
Vielleicht ein künft'ger Gram herein?
Ich weiß nicht, was mich traurig macht.

Ist's jene Wehmut nur vielleicht,
Die uns im schönsten Glück beschleicht,
Weil alles einen Schluß erreicht?
Ich weiß nicht, was mich traurig macht.

Trägt mich vielleicht mit raschem Schwung
In Zeiten die Erinnerung,
Wo ich zwar dumm war, aber jung?
Ich weiß nicht, was mich traurig macht.

Ist's Stimmung, die wie Wind verweht,
Klang' oder Hoffnung, daß vergeht,
Was ward, was wird, und was besteht?
Ich weiß nicht, was mich traurig macht.

Die Sonne glänzt in alter Pracht,
Die ganze Erde jubelt, lacht — —
Ich wein' wie eine Regennacht:
Ich weiß nicht, was mich traurig macht.

Die Feder in der Luft

In der Höhe schwebt und schaukelt
Eine Feder, zart und weiß,
Gibt dem leisen Hauch der Lüfte,
Gibt dem Ungefähr sich preis.

Sage mir, mein liebes Fläumchen,
Willst du auf die Reise gehn,
Dir im heiterm Weiterwandeln
Diese schöne Welt besehn?

Lockt dich all das Blühn und Duften
Rings umher auf Berg und Rain,
Freust du dich am Kreiseltanze
In der Sonne hellem Schein?

Kommst du aus dem Nest geflogen,
Wo ein zärtlich Vogelpaar
Sich verborgner Liebe freute
Und im Stillen glücklich war?

Stammst du gar aus einem Kampfe,
Wo der Gegner ward besiegt,
So, daß dankend nun die Kunde
Im Triumph zum Himmel fliegt.

Aber wie? Du sinkest nieder,
Du erhältst im Flug dich kaum,
Und schon fängt mit offnen Armen
Dich der nächste grüne Baum.

Wirst du ihm vielleicht erzählen,
Was mit dir zuvor geschehn,
Wird der Ast, der dich empfangen,
Dich vernehmen, dich verstehn?

Gleichst du doch dem edlen Worte
Aus des Dichters tiefster Brust,
Das hinausgeht in die Weite,
Seines Loses nicht bewußt.

Fruchtlos

Tausendtausendmal seh' ich das Gleiche,
Wie auf der kleinen Erde
Alles begonnen werde,
Wenig den Zweck erreiche.

Tausend Wolken, die sich zerstreuen,
Ohne durch ihren Segen,
Mild erquickenden Regen,
Acker und Flur zu erfreuen.

Tausend Seufzer, die sich entschwingen,
Ohne dem jammernden Herzen
Auch nur für Einen der Schmerzen
Trost und Hilfe zu bringen.

Tausend Wege, die sich verlieren,
Ohne den ratlos Gehenden,
Immer noch Suchenden, Spähenden
Je zum Ziele zu führen.

Tausend Blüten, die schon verderben,
Ohne von ihren Zweigen
Früchte herunter zu neigen,
Ehe sie welken und sterben.

Tausend und tausend Ameisenhaufen,
Alle rührig und kräftig,
Fleißig und immer geschäftig,
Aber was kann solch ein Laufen?

Tausend Menschen im Kampfe des Lebens,
Ohne von ihren Gaben
Nutzen und Ehre zu haben,
Streben und wirken — vergebens!

Vor einem Baume

Aus vielen Wurzeln
Ein einziger Stamm,
Aus Einem Stamme
Viel' Äste und Zweige,
Auf diesen allen
Viel' Blätter und Blüten
Und später, gereift
An mächtiger Sonne,
Von ihnen allen
Verstreut auf guten,
Empfänglichen Boden
Der fruchtbare Same
Wie eine Wohltat
Von milden verschwendrisch
Austeilenden Händen —
Ein Bild der Zeiten,
Ein Bild der Welt.

So war es immer,
So ist es noch,
Und wir, wir selber
Mit unsern Gedanken,
Mit unsern Reden,
Mit unsern Entwürfen,
Was sind denn wir?
Auch Bäume, wie die.

Wir wurzen alle
Tief im Vergangnen,
Und strecken die Arme
Hinaus in's Leben,
Und richten die Augen
Empor in die Zukunft,
Und überlassen
Dem glücklichen Zufall
Das Schicksal derer,
Die nach uns kommen.

Mög' ihres freundlich
Wie unseres sein,
Und möchten alle,
Die uns ihr Leben,
Ihr Wirken danken,
Es nie vergessen,
Daß wir den Segen,
Den wir empfangen,
Auf sie vererbten,
Getreue Enkel
Von tüchtigen Ahnen,
Und Ahnen selber
Von tüchtigen Enkeln.
Wie viel des Segens,
Das wissen nicht wir,
Das werden auch sie
Nie wissen, niemals.

Zuweilen nur,
In guter Stunde,
Wird sie's, wie uns,
Auch überkommen
Mit heiligem Schauer,
Und sinnend werden
Den Baum sie fragen:

"Nicht wahr, du gedeihst
Auf altem Boden,
In den ein Vorfahr
Den Samen gestreut,
Und den mit Liebe
Die Sonne beschien.
Du bist vergänglich,
Wie wir es sind,
Doch was du wirst,
Nachdem du gewesen,
Wird späteren Tagen
Vom Heut erzählen,
Vom Gestern erzählen
Und Ehegestern.

Ja, selbst, wenn Bedarf
Wenn Blitz, wenn Bosheit
Dich fällt vor der Zeit
Natürlichen Endes —
Du lebst im Gedächtnis,
Du lebst im Gedicht;
Und einst wird ein Wald
Von dir berichten,
Der Sage zu geben
Ein lebendes Zeugnis
Von deiner Bedeutung,
Von deiner Kraft.

Das benagte Blatt

Hier flattert in der Lüfte Hauch
Ein grünes Blatt am Heckenstrauch.
Es ist von Raupen arg benagt,
Auch Käfern hat es wohlbehagt
Und wem sein Stoff noch sonst gefiel.
Nun hängt es nur mehr halb am Stiel,
Als ob's wie die zerstoßne Fahne
Des Regiments an Kämpfe mahne,
An Siege wie an Niederlagen
In blut- und ruhmbedeckten Tagen.
Es spricht von schönem Frühlingshoffen,
Vom Hagel spricht es, der's getroffen,
Und so wie gestern spricht es heut,
Daß alles wechselnd sich erneut.

Wie eine Fahne, die, zerfetzt,
Die Truppen in Begeistrung setzt,
Zu neuem Kampf die Adern schwellt,
So ruft das Blatt, selbst arg entstellt,
Dem Dichter, der da wandert, zu:
"Wie der Soldat, Poet, sei du.
Was deiner Fahne mag begegnen,
So lang du lebst, sollst du sie segnen
Und stets mit liebendem Vertrauen
Auf sie als deinen Führer schauen.

"Und fällt sie diesem aus der Hand,
Weil im die Kraft, das Leben schwand,
Ein andrer nimmt sie wieder auf
Und wagt mit ihr den Siegeslauf.
Und sänk' auch er dahin, wohlan,
Er hat doch seine Pflicht getan.
Tu' du die deine unverzagt,
Und stürbest du auch unbeklagt,
Wie viele auf dem Schlachtfeld sterben,
Dein Beispiel wird den Mut vererben.
Du selbst magst immer unterliegen,
Doch deine Fahne, die wird siegen."

So sprach das Blatt zu meinem Wahn,
Ich aber sah es sinnend an,
Bis meine Seele, die verhüllte,
Von neuem Zuversicht erfüllte,
Ihr vom Gesicht den Schleier hob,
Den dicht der Zweifel um sie wob,
Und ihr den mächt'gen Zauberstab
Des Selbstvertrauens wieder gab.

Mit frischem Mut, mit frischer Kraft,
Sei nun gerungen und geschafft,
Ob ich nun siege oder falle;
Ich bin Soldat wie eben Alle,
Die mit dem Weg der Dichtkunst gehen.
Mag nun, was will, mit mir geschehen,
Es gibt für mich nur Ein Gebot:
"Gleich sei dir Leben oder Tod,
Du mußt mit vollem Ruhme siegen,
Wo nicht, mit Ehren unterliegen."

Das Blatt im Sturme

"Aus des Friedens holdem Schoß,
Sprich, o Blatt, wer riß dich los?"
Also ruft auf allen Wegen
Reger Anteil ihm entgegen,
Das bald auf der Straße liegt,
Bald hin durch die Lüfte fliegt.

Doch es schweigt, es zittert, bebt,
Je nachdem der Wind es hebt.
Keine Antwort braucht die Frage,
Schon sein Flug ist eine Klage,
Die kein Stürmen mehr verschlingt,
Das den ganzen Wald durchdringt.

Und die Sonne schaut ihn Ruh
Diesem dem wirren Treiben zu,
Sieht, wie an so vielen Stellen
Blätter sich zum Blatt gesellen,
Sieht, wie mit dem grünen Laub
Hoch aufwirbeln Schmutz und Staub.

Endlich, wenn der Sturm sich legt,
Hat er gründlich ausgefegt,
Und mit schöner Wärme wieder
Strahlt der Sonne Glanz hernieder;
Lächelnd aber spricht das Blatt:
"Ja, Geduld setzt alles matt."

Vor einem Strauch

Wie sehr ist doch seit vorigem Jahr
Am Wege der Strauch emporgeschossen!
Und ich, ich frage mich: "Ist's wahr,
Daß kaum ein Jahr seitdem verflossen?"

Schon hat in der Wärme, im Sonnenlicht
Der Strauch die Baumform angenommen
Und ich, ich bin noch immer nicht
Zu meiner rechten Entwicklung gekommen.

Ich steh' noch, wo ich damals stand,
So dumm und so gescheit wie gestern,
Vor's Antlitz legt mir nur Scham die Hand,
Ich hör' mich ringsum gottlos verlästern.

"Baum", frag ich, "gilt es, tauschen wir?"
Doch er entgegnet: ""Ich bin schon fertig.
Dir blüht ein schöners Los, als mir,
Ich bin nur mehr des Fällens gewärtig.

Ich bin nichts weiter, als brauchbares Holz,
Du kannst noch wachsen, du kannst noch streben.
Das ist dein Glück, das ist dein Stolz
Du kannst noch erreichen, noch hoffen, noch leben.""

Der kahle Baum

             Wanderer

Sprich, mein Baum, warum so kahl?
Haben Raupen dich zerfressen,
Oder hätte dieses Mal
Dich der Lenz vergessen?

                 Baum

Muß auch ich voll Schatten sein,
Wenn mich andre des entheben,
Und dir gegen Sonnenschein
Schirm die Nachbarn geben?

Ob an mir die Raupe fraß
In der besten aller Welten,
Ob der Frühling mich vergaß,
Wird dir gleich doch gelten.

             Wanderer

Sei nicht keck und tu' nicht stolz,
Solche Schuld wär' ungeheuer,
Du bist nur ein dürres Holz
Und gehörst in's Feuer.

             Baum

Nein, ich bin noch nicht verdorrt,
Und noch geb' ich keine Kohlen,
Denn sobald der Winter fort,
Kann ich mich erholen.

Ich bin matt, und nur erschlafft
Und es will kein Laub mir sprießen,
Doch gestärkt wird neue Kraft
Neu in Blüten schießen.

Die große Stunde

Sie kommt, sie kommt!
Ich höre sie rauschen.
Mit brausendem Flügelschlag
So kommt sie genaht
Und erfaßt mich und hebt mich
Und trägt mich.
Die Wolken hinüber
Zur Sonne hinan,
Die alte, die liebe,
Die lange verlorne,
Die neubelebte,
Gewaltige Kraft.

Die ganze Welt,
Wie scheint sie mir klein,
Wie armselig
In diesem Augenblick!
So klein, wie ein Wipfel
Des niedrigsten Strauches.

Wie dünkt ihr mir jetzt
So kleinlich, ihr Menschen,
Mit all eurem Treiben,
Mit all eurem Eifer,
Mit all eurem Fleiß!
Gleich Seidenraupen
Auf nährendem Zweige
Des Maulbeerbaumes
Erscheint ihr mir alle;
Ihr klettert und kriecht
Und leistet nur mühsam
Das bißchen Arbeit,
Das euch nicht glücklich,
Das euch nur reich macht,
Und öfter auch das nicht.

Ich aber, ich lebe
Im Reich der Gedanken,
Und jeder Gedanke
Ist lieblich und schön
Wie eine Blume,
Daran sich das Auge
Des Gärtners erfreut, —
Ist reich wie ein Kornfeld
An reifenden Ähren.

Ich Glücklicher, schwelge
Im Reich der Gefühle,
Und was ich empfinde,
Ist warm wie die Liebe,
Ist rein wie die Unschuld,
Und heilig wie beide.

Mich drängt mein Herz,
Mich drängt mein Sinnen,
Die edelsten, besten,
Tun's würdigsten Taten
Vollbringen zu sehen,
Und selber zu leisten,
Wenn ich's vermag.

Die herrlichsten Träume
Von Wirken und Schaffen
Mit vollem Gelingen
Berausche die Seele.
Sie blickt herunter
Zur kleinen Erde,
Auf welcher die Menschen,
— Die armen Menschlein! —
Sich endlos plagen,
Und stellt sich mit Wonne
Die Freude vor,
Wenn all' die Sterblichen,
Diese Seidenwürmer
Aus entzücktem Staunen
In der Lust der Bewundrung
Für eine Weile
Ihr Spinnen vergäßen
Und nicht bloß dem Nutzen
Dienend gehorchten,
Sondern dem Guten,
Dem Edlen, dem Großen
Hingebend sich weihten,
Dem einzigen Schönen,
Das wahrhaft beglückt.

Ein Sommertag

Weltvergessen, menschenferne
Schreit' ich durch die Auen hin,
Über mir die warme Sonne
Und in mir vergnügten Sinn.

Nichts bedrängt mich, und nichts quält mich,
Nicht Vergangnes, Künft'ges nicht,
Alles strahlt und alles schimmert,
Wie verklärt von heitrem Licht.

Keine Wolke steht am Himmel,
Heiter ist er, so wich ich,
Und ein jeder meiner Blicke
Findet eine Lust für sich.

Vöglein singen in den Zweigen,
Nur von meinem Ohr belauscht,
Durch die Blätter säuseln Lüfte
Und des Flusses Welle rauscht.

Und ich hör' auch leise Stimmen,
Gleich als riefe mir das Glück,
Und ein freudig Echo tönet
Ihm aus meiner Brust zurück.

Köstliches Gefühl des Daseins,
Dem sich nichts vergleichen mag,
Als du selbst, du heller, warmer,
Wunderbarer Sommertag.

Ehre des Sommers

Ehre will ich nur dem Sommer gern erweisen,
Nicht dem Lenz, den immer die Poeten preisen,
Nicht dem Winter, wo sich See und Fluß beeisen,
Nicht dem Herbste, wo die Schwalben südwärts reisen.

Denn der Sommer ist der Höhepunkt des Lebens,
So des vollen Jahres wie des Menschenstrebens,
Und im wärmsten Hauche seines Sonnenwebens
Weissagt Reife und Erfolg er, nie vergebens.

Wie auch immer Zahl und Wert der Früchte seien,
Ihnen gibt der Sommer einzig das Gedeihen,
Und der Lorbeer, den wir einst dem Greis verleihen,
Muß zum Kranze schon das Mannesalter weihen.

Der Stern am Tage

Der Himmel ist so rein,
Die Lüfte sind so klar,
Der hellste Sonnenschein
Umfließt mich wunderbar.

Es schwebt mein Blick umher,
Es schwingt sich hoch empor,
Dringt höher mehr und mehr,
Sieht schärfer, als zuvor,

Der Sonne dort nicht fern
Glänzt mild in ihrem Licht
Ein kleiner Wandelstern,
Der mir zum Herzen spricht:

"Was dir der Tag auch beut,
Eins wirst du nicht mehr: jung!
Genieße drum das Heut
Auch die Erinnerung."

In der Seufzerallee

Ein Damm, der hier zwei feuchte Wiesen trennt —
Ein Baumgang drauf, der, wenn die Sonne brennt,
Die Häupter aller Wandernden beschützt
Und zwischen seinen dünngereihten Stämmen
Dem goldnen Licht den Eingang nicht versagt —
Manch' eine Ruhebank, die dem Müden nützt,
Wenn sich sein Fuß nur ungern weiter wagt
Und Schweiß und Schwäche ihm die Brust beklemmen —
Ein köstlich Dunkel, das nur halb ein Dunkel,
Weil es erhellt durch sonnig Lichtgefunkel —
Ein friedlich stiller und einsamer Pfad,
Dem meist nur Zwiegespräch der Liebe naht,
Den der Poet auf seiner scheuen Flucht
Vor weihelosem Volk mit Eifer sucht,
Und den die alle, die den Spott nur kennen,
Halb gut, halb bös, Allee der Seufzer nennen:
Das ist der Raum, in dessen Schattenkühle
Ich wie in einem Gotteshaus mich fühle.

Da bin der lauten Welt ich ganz entrückt
Vom Hauch der Andacht wunderbar beglückt.
Fromm werd' ich hier in jenem höchsten Sinne,
Bei dem in uns die Dankbarkeit sich regt;
Denn Alle, die uns Spätern zum Gewinne
Den Keim zu dieser Wohltat eingelegt,
Die der Genuß, in dem wir schwelgen heute,
Schon in der Ahnung dazumal erfreute,
Sie alle schweben, wie der edle Mann,
Der diesen Damm und diesen Gang ersann,
Sie alle schweben mir im Geiste vor,
Ein endlos langer, unzählbarer Reigen.
Sanft rauschend flüstert mir der Blätter Chor
Die heil'gen Namen zu von allen Zweigen,
Und leises Seufzen dann bei jedem fällt
Zugleich mit ihnen klagend in mein Ohr,
Ein Seufzen ob des Undanks dieser Welt,
Die nur erwirbt und schwelgerisch genießt,
Vom Lobe des Besitzes überfließt,
Ihn zu vermehren, zu verschönern strebt,
Dessen jedoch, durch den sie ihn erworben,
Kaum jemals mehr gedenkt, wenn er gestorben —
Dankt sie doch dem selbst selten, der noch lebt!

In trüben Gedanken

In trüben Gedanken ging ich aus —
Wer hat nicht manchmal trübe Gedanken?
Im Gefühl, daß Geist und Seele kranken,
Verließ ich mürrisch und einsam das Haus.

Da nahte die Luft mir so lieblich und lind,
So klar und heiter, so überaus wonnig,
Und lächelte mir in's Gesicht so sonnig,
Fast wie voll Jubel ein tändelndes Kind.

Da grüßten mich die Gräser so frisch,
Die Blätter nickten von Sträuchern und Bäumen,
Sie lachten mich an in den schimmernden Räumen
Wie holde Mädchen, verführerisch.

Es sandten die Blumen mir Düfte zu
Im Verein mit der Lüfte Kosen und Fächeln,
Und wiegten die Häupter mit süßem Lächeln,
Und brachten auch meinen Gram in Ruh'.

Willkommen rief mir der Sonnenschein
Und winkte mir mit den glänzenden Händen,
Schien Licht und Wärme nur mir zu spenden
Und hüllte mich in Heiterkeit ein.

Nun kam die Geliebte, mit weicher Hand
Die feuchte Wange mir trocken zu streicheln;
Ach, wie sie zu lächeln, wie sie zu schmeicheln,
Und mich auch lächeln zu machen verstand!

In trüben Gedanken ging ich aus —
Wer hat nicht manchmal trübe Gedanken?
Im Gefühl, daß selbst die trübsten versanken,
Genesen, kam ich wieder nach Haus.

Augustlied

Lilien blühen,
Rosen glühen,
Durch die leisen Lüfte
Wehen süße Düfte,
Und der klarste Sonnenschein
Schimmert in die Welt hinein.

Lustig lacht er,
Lustig macht er
Jedes Laub und jedes Gras,
Strahlend helle
Jeder Stelle
Wie Smaragd und Chrysopras.

Funkelnd schön und heiter,
Nur den Frohsinn zum Begleiter,
Ist der goldne Sommertag,
Dem sich nichts vergleichen mag,
Nichts als einzig Eines:
Ein Pokal voll edlen Weines.

Ja, wie Wein
Wirkt der Sonnenschein,
Dringt durch die Glieder,
Macht die Wangen blühen,
Macht die Augen glühen,
Macht die schönsten Lieder
So entstehen wie gelingen,
Und befiehlt uns immer wieder,
Sie zu singen
In die weite Welt hinein,
Macht uns scherzen,
Macht und springen,
Nimmt vom Herzen
Qual und Pein.

Wir vergessen
Unterdessen
Alles Grämen, alles Härmen
Und wir schwärmen
Nun im Strahl der Sonne
Nur von Glück und Wonne.

Wenn des Lichtes goldne Wellen
Unsrer Seele Grund erhellen,
Wird im Zauber dieses Lichts
Schmerz und Angst zu nichts,
Und bei seinem Schimmer
Fühlen wir uns nimmer
Für die Welt verloren,
Fühlen wir uns immer
Frisch und neugeboren,
Und die Seele
Schlürft mit durst'ger Kehle
Diesen Heiltrank: Sonnenschein,
Neugenesend in sich ein!

Die Wolke

Reiner hat die Natur kein Blatt gemalt
Im Vergißmeinnichte,
Als das Blau des Sonnenhimmels strahlt
Heut im Sonnenlichte.

Schade nur, daß doch ein Wölkchen keck
All' die Schönheit störet.
Ist's denn ein so häßlich grauer Fleck,
Was dahin gehöret?

Stünde Mond nicht besser oder Stern,
Als die dunst'ge Masse,
Die vielleicht sogar noch droht von fern,
Daß sie regen lasse?

Die vielleicht den Blitz verbirgt, der schlägt,
Und des Donners Rollen,
Oder Hagel für die Früchte trägt,
Die noch reifen wollen?

Ach, und wär's! Schlag' ein, o Blitz schlag' ein,
Donner, mach' uns zittern;
Himmelsblau, du wirst doch wieder rein
Nach den Ungewittern.

Jeder Sturm und sei er noch so wild,
Muß die Waffen strecken,
Kein Gewölk darf deiner Reinheit Schild
Ewiglich beflecken.

Hoffen wir! Es wird dein Prachtazur
Stets der prächt'ge bleiben,
Und die Welt wird deine Wolke nur
In's Vergeßbuch schreiben.