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Gedichte 2
 

Bange Schwüle
Stille
Gewitterdrohen
Das Gewitter
Am Fuße des Triestinerkogels
An der Fahrstraße
Staub
Unter den Eichen im Johanniswalde
Dem Donati gegenüber
Janina
Am Tümpel
 
Morgenrot und Abendrot
Heute
Der Mond am Tage
Schlußmotto
Abschied

 

Bange Schwüle

Ist es heute
Nicht zu heiß, zu schwül?
Mein Gefühl
Wird der Sorge ganz zur Beute,
Daß zur Erde
Heut Gewitter kommen werde,
Ob mit Regen,
Flur und Feld zum Segen,
Oder Eis
Der sie zu verderben weiß. —
Trüb und trüber
Wird's. Ach, wär' der Tag vorüber!

Stille

Die Luft ist schwül, die Luft ist schwer,
Die Wolken ziehen drohend her,
Die Bäume stehen erwartungsvoll,
Was für ein Unheil kommen soll.
Die Welt ist still, die Welt ist stumm,
Und Bangen herrscht ringsum.

Doch sieh! die Wolken bleiben nicht,
Die Luft wird wieder klar und licht,
Die Bäume rings auf Berg und Tal
Erglühen sanft im Abendstrahl,
Die Welt ist still, die Welt ist stumm,
Und Ruhe herrscht ringsum.

Der Furcht sowie der Sorge los
Leg' ich die Hände in den Schoß
Und seh' mit dankbar heitrem Sinn
Auf all den Reiz der Gegend hin.
Die Welt ist still, die Welt ist stumm,
Und Friede herrscht ringsum.

Gewitterdrohen

Still, unheimlich still! Die Welt erwartet,
Was nun kommen wird, ob Sturm, ob Regen;
Sturm, der Damm und Wälder bricht, Landregen,
Der den weiten Grund zum See verwandelt.
Schwarze Wolken hängen schwer am Himmel,
Gleichsam ihm voraus in Trauer hüllend;
Bange Vögel flattern auf dem Boden
Eilig fliehend, fast wie Unglücksboten.
Still, unheimlich still. Nur manchmal rührt sich
Leis ein Blatt, ein Zweig, und lispelt zaghaft:
"Schone! Schone mich und diese Gegend!"
Und es beugen sich des Grases Häupter,
Wie mit frommem Flehen oft die Menschen
Am Altare knie'n, um Gnade seufzend,
Und die Käfer an den Halmen halten
Fester sich daran, wie Rettung hoffend.

Zitternd blickt der Landmann auf die Felder,
Auf die reich mit Frucht beladnen Bäume,
Auf das Strohdach seiner lieben Hütte,
Auf den stein'gen Bach in seinem Garten,
Und er schaut in ahnungsvollem Geiste
Schon Zerstörung, Wildnis und Verarmung.
Doch die Stunde geht vorüber, ferne,
Hinter andern Bergen hat das Schicksal
Dieses Tages sich erfüllt. Die Sorge
Für sich selber weicht dem weichen Mitleid
Mit den Andern, und nur Dank, nicht Freude
Wirft sich heute betend in die Kissen.

Denn, nur für den Augenblick erlöset,
Denkt der Schläfer nun bei sich: "Heut jenem,
Morgen mir!" — Unheimlich still! und wartet
Was dann kommen wird, ob Sturm, ob Regen,
Ob, was heute gnädig ihn verschonte,
Morgen grausam ihn vielleicht zermalme,
Ob das Heut nur eine Prophezeiung
War für morgen, ob das Unheil morgen
Auch nur drohen und nicht kommen werde.

Ach, des Menschen Los ist stetes Bangen,
Stetes Schweben zwischen Angst und Hoffnung,
Und Bestand hat nichts als nur der Wechsel.

Das Gewitter

Es ziehen Schatten über das Tal,
Sind Schatten, Schatten von Wolken nur,
Doch scheiden sie bald den Sonnenstrahl
Von Berg und Gefild, von Wald und Flur.

Es werden ihrer mehr und mehr,
Bald ist der ganze Himmel grau,
Die Gegend wird wie freudenleer,
Wie tot das Gebirge und die Au.

Nein! Nicht wie tot! Noch lebt die Luft
Und schüttelt gewaltsam Ast um Ast.
Sie bringt aus der Ferne des Regens Duft,
Sie schweigt und drückt wie eine Last.

Dann plötzlich rafft sie sich wieder auf,
Sie ahnt, sie fühlt, sie weiß was kommt,
Abwenden will sie des Unheils Lauf,
Und brauset und zischt — ach, wenn's nur frommt!

Zu spät! Zu spät! Schon verliert sie die Kraft,
Das gelbe Gespenst des Gewitters naht;
Schon hat es die Steine zusammengerafft,
Und schleudert sie raschelnd auf den Pfad.

Schon reißt an den Wipfeln der rasende Sturm,
Es ist, als zerriß' er sich selber die Brust
Und heulte vor Schmerzen um Dächer und Turm
Und griff nach ihnen, des Tuns nicht bewußt.

Ich aber, ich seh' es mit tränendem Blick
Und heiß erfleh' ich in stillem Gebet:
"O gehe mit Schonung vorbei, Geschick,
Laß morgen auch stehen, was heute noch steht."

Weh' mir! Es entladet ein Wetterschlag
Sich furchtbar vor mir in den Boden hinein,
Es dröhnt um mich wie am jüngsten Tag,
Es zuckt vor dem Aug' mir mit flammendem Schein

"Verderben! Vernichtung!" So schreibt der Blitz
Mit feurigen Fingern sein herzlos Gebot,
Es deutet auf Hütte und Herrensitz,
Und selbst der Mensch wird von ihm bedroht.

Auf riesigem Rosse mit dröhnendem Huf
Sprengt Knappe Donner entlang das Land.
"Erzittere! Bebe!" So schallt sein Ruf,
"Es naht die Zerstörung, es naht schon der Brand."

Was reifende Frucht auf Acker und Baum,
Was Friede in Hütten, was Prunk im Schloß,
Vergeht, verschwindet wie manch ein Traum,
Der über Nacht in ein Nichts zerfloß.

So künden die beiden ihr schrecklich Gebot,
Sie wandeln die Hoffnung in Kummer und Harm,
Sie bringen Verzweiflung und trostlose Not,
Und Reich wie Arm seufzt: "Gott erbarm'!"

Am Fuße des Triestinerkogels

Seid mir gegrüßt, ihr dichtbelaubten Bäume.
Sei mir willkommen kleiner Murmelbach
Zu Zeugen bitt' ich euch für meine Träume,
Euch sag' ich, was die Muse zu mir sprach.

O wie mein Sinn euch faltergleich umgaukelt,
Wenn tausendfältig hier das Sonnenlicht,
Mein Bächlein, sich auf deinen Wellen schaukelt,
Ihr Buchen dort durch eure Zweige bricht.

Ich sauge hochbeglückt in vollen Zügen
Den tiefen Frieden dieses Pfades ein;
Nie wird mich falsche Ruhe hier betrügen,
Es wird mir immer traut und heilig sein.

An der Fahrstraße

Wer merkt es wohl auf dieser Straße,
Daß grün einst war das Laub,
Und rot und weiß die Heckenrose:
Sie alle deckt der Staub.

Er lagert auf den Blättern allen,
Ein dichter, grauer Flor,
Und nur zuweilen hebt ein Windstoß
Ein Stück davon empor.

Der Fuhrmann aber wandert achtlos
Den Weg am Hag vorbei,
Und ahnt wohl kaum daß Duft und Schönheit
Auch hier verborgen sei.

So ist's! Was immer sich dem Leben,
Der Welt vor Augen stellt,
Muß frei und unverhüllt sich zeigen,
Damit es ihr gefällt.

Staub

Wie doch der Staub
Zu meinen Füßen
So hoch aufwirbelt
Zum Licht der Sonne,
Und es verdunkelt,
Verhüllt, verschlingt!
Dem Staube zuletzt
Wird alles zum Teil.

Die duftigsten Blumen,
Die herrlichsten Blüten,
Die zierlichsten Blätter,
Die heilendsten Kräuter
So wie die giftigsten,
Die stolzesten Bäume,
Das kleinste Gesträuch —
Staub werden sie alle,
Auf tausend Arten,
Nach mancher Verwandlung,
Staub nichts als Staub.

Die lieblichsten Sänger
Der Flur, wie des Waldes
Die Lerche, der Fink,
Und auch die andern
Segler der Lüfte,
Die wandernde Schwalbe,
Der raubende Geier,
Und selbst der Adler,
Der König der Lüfte —
Staub werden sie alle,
Auf tausend Arten,
Nach mancher Verwandlung,
Staub nichts als Staub.

Der Schrecken der Wüste
Der grimmige Tiger;
Der Feind der Herden
Der schreckliche Wolf;
Der treueste Freund
Des Menschen, der Hund,
Und er sogar,
Der Herr der Erde,
Der stete Bekämpfer
Der Elemente,
Der stete Bezwinger
Der Zeit und des Raumes,
Der edelste Geist,
Das mutigste Herz,
Der Ruhm des Jahrhunderts
Und oft sein Fluch —
Auch er unterliegt
Dem schauderhaften
Uralten Gesetz;
Staub wird auch er,
Staub werden sie alle
Auf tausend Arten,
Nach mancher Verwandlung,
Staub nichts als Staub.

Und hoheitsvoll,
Erleuchtend und wärmend,
So wie vor tausend
Und tausend Jahren,
Blickt auf den Untergang
Alles Bestehenden
Auch heut noch die Sonne
Und wird noch blicken
Nach abermals tausend
Und tausend Jahren,
Das Tote belebend
Zu neuem Leben,
Zu neuem Werden,
Zu neuem Vergehn.

Ich möchte wissen,
Was dann der Staub
Sein wird, den ich jetzt
Mit Füßen trete,
Und was ich selber,
Dem jetzt die Sonne
Das Haupt mit Schimmer,
Mit goldnem kränzt.
Denn an die Vernichtung,
Von welcher nur Toren
Und Feige faseln,
Glaub' ich nicht.
Ich glaub' an die Macht
Der ewigen Sonne,
Die nichts zerstört,
Nur neu gestaltet,
Was  ist, was war
Und wieder wird sein.

Und wäre auch sie,
Die heut ich bewundre
Voll Dank und Freude,
Voll Demut und Stolz,
Wäre auch sie
Nicht ewig, würde
Auch sie vergehen,
Die strahlende Sonne,
Die über mir
So herrlich wandelt —
Dann steht über ihr
Wohl eine noch schönere,
Noch reinere, höhere,
Die diesem Verlöschen
Und diesem Verwandeln,
So schöpferisch zusieht,
Wie die heutige Sonne
Der heutigen Welt.
Und diese vergehende
Wäre die beste,
Die etwa sein kann?
So wenig als
Der jetzige Mensch
Die Krone der Schöpfung.

Wir Staubgebornen,
Dem Staube Verfall'nen,
Wir sind ja blind,
Und wir sehen nicht die,
So zwischen uns
Und der Sonne wandeln.
Wir sind ja taub
Und hören sie nicht,
Die uns umschweben.
Die uns begeistern,
Abschrecken, leiten:
Wir fühlen sie nur,
Und nennen sie Stimmen
Der Andacht, der Rührung,
Der Furcht, der Pflicht,
Der Liebe, des Hasses,
Des Ruhms und der Ehre,
Und öfter noch Stimmen
Der mächtigen Mahnung
Aus Zeiten der Kindheit,
Wo wir noch lernten
Vom lehrenden Beispiel,
Vom küssenden Munde,
Vom strafenden Blicke
Geliebter Eltern.

Jetzt eben fühl' ich
Wieder so deutlich
Im warmem Anhauch
Erregter Lüfte
Den Geist der Mutter.
Mir ist, als flüstre
Der Seele sie zu,
Was ich soll,
Als gebe sie mir
Zum guten Beginnen
Den richtigen Rat,
Zum glücklichen Ende
Den wirksamen Segen.

Und wer noch sonst
Ihr freundlich beisteht,
Mir freundlich beisteht,
Ich weiß es nicht.
Aber der Staub
Zu meinen Füßen,
Der hoch aufwirbelt
Im Lichte der Sonne,
Ist auch eine Stimme
Aus der Vergangenheit,
Und spricht von der Zukunft
Zur Gegenwart.
Wer aus ihm spricht,
Ich seh' ihn nicht,
Ich hör' ihn nicht,
Und dennoch, und dennoch
Versteh' ich ihn,
Verstehe sein Mahnen
Und seinen Trost.

Vergänglich ist Alles
Und Alles ewig!

Unter den Eichen im Johanniswalde

Der du hier weinst
Unter den Eichen,
Dichter, du scheinst
Diesen zu gleichen.

Blätter mit Zeichen
Seltsam beschrieben,
Gibst du den Winden
Launenhaft preis.

Werden die lieben
Freunde finden,
Daß der getreue,
Trauliche Kreis
Ihrer sich freue?

Wird vielleicht Hohn
Ihnen zum Lohn,
Wenn im Gedränge
Flatternder Menge
Ähnlicher Art
Einst sie der strenge
Dichter gewahrt?

Was all dein Leben
Gänzlich erfüllt hat,
Was all dein Streben
Ehrlich erfüllt hat,
Wird es im Staube
Stürmen zum Raube,
Werden im Laden
Schwielige Finger
All' diese Dinger
Zierlich verdrehen,
Um unter Lachen
Etwa zu machen
Tüten für Faden,
Wolle, Kaffee,
Zucker und Tee?

Werden die fernen
Zeiten je lernen,
Dich zu erkennen,
Dich zu verstehen,
Trotz der Befangenheit
Gern dich zu nennen,
Dich, den sie nie
Wirken gesehen,
Und dein Gedicht,
Welches für sie
Dann der Vergangenheit
Sprache nur spricht.

Wird nicht vielleicht,
Was dein Jahrhundert
Müßig bewundert,
Wenn es das zweite
Glücklich erreicht,
Später verdammt,
Fast nur im Streite,
Der sich entflammt,
Aber zuletzt
Unausgesetzt,
Wenn die erneute
Welt es zerstreute
Und zu der Dichtung
Voller Vernichtung
Schonungslos schreitet,
Ja, sie noch leitet.

Traurig Verhängnis
Dichtrischer Glut!
Wie aus Gefängnis,
Schreibt oft ein Dichter,
Zitternd vor Wut,
An seine Richter,
Schreibt sie mit Blut,
Schickt dann die Blätter,
Hoffend an Retter,
Läßt voller Mut
Sie von Bedrängnis
Flehentlichreden,
Schickt sie an jeden,
Der noch ein Herz
Hat für den Schmerz,
Blätter, ganz klar,
Rührend und wahr,
Die von bestand'ner
Not und Gefahr
Fühlenden Seelen
Treulich erzählen,
Die von vorhand'ner
Grausamer Schlechtigkeit
Böse Geschichten
Zürnend berichten,
Und auf Gerechtigkeit
Niemals verzichten.

Ach, und von denen,
Die sie dann finden,
Sehnt sich nicht Einer
Nachzuempfinden,
Müht sich wohl Keiner,
Nach den besungenen
Wonnen und Tränen
Nach den verklungenen
Jubeln und Klagen
Auch nur fragen.

Diese Bekenntnisse,
Diese Geständnisse
Fremder Naturen,
Zeiten und Welten
Werden als Spuren
Einzig nur gelten,
Daß auch in Tagen,
Welche durch Sagen
Trüber und trüber
Schimmern herüber,
Herzen geschlagen,
Augen geweint,
Lippen und Hände
Treu sich vereint,
Lust ohne Ende
Wangen gerötet,
Leid ohne Wende
Langsam getötet,
Daß jedes Herz
Freude wie Schmerz,
Zweifel wie Hoffen,
Fluch so wie Segen,
Reichlich getroffen.

Aber es strebt
Niemand, zu wissen,
Wer sie erlebt,
Wer sie beflissen,
Freundlichen Seelen
Das zu erzählen
Rührend und wahr,
Was manches Jahr
Menschen beglückte,
Seelen berückte.
Gleichgültig schreiten
Sie durch die Zeiten,
Wie hier im Staub
Über das Land.

Und in Vergessenheit
Sinkt die Vermessenheit,
Künftigem Leben
Nachricht zu geben.
Alles vergeht,
Alles verweht,
Und in solch Denken
Sich zu versenken,
Fürchterlich schaurig,
Fürchterlich traurig!

Dem Donati gegenüber

Meinem Sitze gegenüber
Seh' ich den Donatiberg.
Ohne Tempel ist sein Gipfel,
Und die Sonne, deren Feier
Dort einmal begangen wurde,
Blickt in ihrer ew'gen Schönheit
Glanzvoll nun auf dunkeln Wald.

Nur das Auge meines Geistes,
Meiner regen Phantasie
Sieht die Priester, sieht die Waller,
Sieht die fromme Schar der Beter,
Die dort hingewandert sind,
Um dem reinsten Licht zu dienen,
Und ihm dem höchsten Gott.

Die verehrend hier sich warfen
Auf die Stufen des Altares,
Und die Wärme anzubeten
Und in ihr die Liebe Gottes,
Jene reinste, höchste Liebe,
Die in jeder Wohltat liegt
Und das Herrlichste der Erde,
Jede Hoffnung blühen macht,
Und die Keime allen Werdens
Langsam und oft spät, doch sicher
Zu Gedeih'n und Reife bringt.

Ja, das reinste Licht ist Wahrheit,
Wärme ist die höchste Liebe,
Und die Heiden taten recht,
In dem schönsten Bilde Gottes —
In der Sonne — sie zu ehren,
In der Wahrheit die Erkenntnis,
In der Wärme das Empfinden,
Denn Gott ist die reinste Wahrheit
Und er ist die reinste Liebe.

Und so dachten schon die Perser,
Was wir Christen fühlend glauben,
Und sie machten sich ein Bild
Von dem Wesen, das sie ahnten,
Aber niemals wandeln sahen,
Denn die Wahrheit hält sich ferne
Vom Verkehre mit den Menschen,
Und die Wärme flieht von dannen,
Wo die schnöde Selbstsucht herrscht.

Wahrheit ist wie Menschenliebe
Nur ein Traum; und wie ein Baum
Nur das Stück von einem Walde,
Ist der Mensch, der wissendste
Wie der rührend liebevollste,
Auch nur einzig ein Stück Gottes!
Und es spiegelt dieses Stück
Immer ganz die Gottheit wieder,
Die sich teilweise ihm gezeigt
Ihre reine, warme Schönheit.

So gedenk' der vergang'nen
Und der gegenwärt'gen Zeit;
So empfind' ich stets beim Anblick
Des aufstrebenden Donati.

Janina

Ich bin der Zwerg, der Janina
Ich weiß nicht mehr, warum's geschah,
Daß mein Geschick mich her verbannte
Und dann nach mir den Berg benannte,
Ob mir zum Hohn, ob mir zur Ehr',
Genug, es ist schon lange her.

Hier muß ich meines Amtes walten
Und meines Zaubers Macht entfalten
Mit voller Kraft, selbst wenn Poeten
In meine trauten Räume treten,
In mancher Nacht, an manchen Tagen
Um Rat und Beistand mich zu fragen.
Die salb' ich dann mit Dämmerschein
Und Hippokrenetropfen ein.

Die Wege alle kreuz und quer
Geh' ich gar fleißig hin und her.
Stets schaff' ich fröhlich irgendwas,
Bald flecht' ich Blumen in das Gras,
Bald hauch' ich wunderbare Düfte
Als Blume selber in die Lüfte;
Bald unterbrech' ich diese Stille
Durch liebliches Gezirp als Grille.
Als bunter Falter flieg' ich hin,
Bis ich bei einer Rose bin;
Als Blindschleich' wall' ich wie das Glück
Mit dem und dem manch gutes Stück.
Als Heupferd durch das Gras zu hüpfen,
Als Amsel durch's Gebüsch zu schlüpfen,
Als Tau den goldnen Glanz der Sonne
Zu spiegeln, das ist meine Wonne.
Als Schnecke streck' ich aus dem Haus
Nach Waldesluft die Fühler aus,
Als Raupe kriech' ich durch den Staub,
Als Fröschlein spring' ich aus dem Laub,
Als Eidechs blick ich oft dich an
Und hab' dir's heimlich angetan.
Unsichtbar dann am schönsten Ort,
Bald steh' ich hier, bald steh' ich dort
Und such' in andachtsvollem Schweigen
Dir meine Gegenwart zu zeigen.

So in Gestalten mancherlei
Verüb' ich meine Zauberei.

Bald heb' ich meine Hand empor —
Du siehst sie nicht — zu deinem Ohr,
Damit es hör' den Wald entlang
Den fernen, schönen Glockenklang,
Der von Tersische die Gemeine
Beruft zum betenden Vereine.

Bald rühr' ich an dein Augenlid,
Damit der Blick hinüberzieht,
Weit, über selbst die höchsten Wipfel
Nach des Donatis Bergesgipfel,
Wo, in Vergangenheit gesenkt,
Der Geist der alten Heiden denkt,
Die dort als ihres Glaubens Stempel
Der Sonne bauten einst den Tempel,
Dem Himmelsfeuer, dessen Pracht
Die ganze Erde selig macht.

Bald trag' ich dich mit leisem Flügel
Im Geiste über Tal und Hügel,
Und weise dir in Forst und Flur
Die ganze Schönheit der Natur,
Und wo im breiten Rebengarten
Die Trauben reich der Reife warten.

Bald weh' ich dir im Wiesenplan
Beim Abendwest Erquickung an,
Bald brech' ich dir aus weichem Moos
Die rote, duft'ge Erdbeer los,
Bald weis' ich dir am Bergeshang
Den Pfad zu Tal im Schattengang.

Mit keiner Wohltat mag ich geizen,
An Schätzen bin ich reich, an Reizen,
Und wer davon nur haben will,
Dem halt' ich ganz freiwillig still,
Und geb' aus meinem Vorrat her,
Was immer ihm gefällig wär'.
Und wenn er müd' auf eine Bank
Im Hain zum Mittagsschlummer sank,
Dann überschütt' ich ihn mit Träumen
So holder Art, daß an den Bäumen
Bucheckern wie Lorbeeren glänzen
Und ihm das Haupt mit Ruhm bekränzen,
Daß aus dem Waldgrund das Cyclamen
Laut spricht ein priesterliches Amen,
Wenn ihm die Holde, die er liebt,
Ihr oft geträumtes Küßchen gibt.

So schreit' ich unsichtbarer Zwerg
Hinan, hinab, hinum den Berg,
Und muß mich, stets verwandelt, freuen,
Genüsse um mich her zu streuen.
Nie sieht ein Wandrer mein Gesicht,
Bei Nacht nicht, noch bei Tageslicht.
Er darf die schönsten Steige steigen,
Ich darf mich nie und nirgends zeigen
So wie ich bin, ich kleiner Mann,
Nur was ich habe, was ich kann,
Und soll ich ihn nicht gänzlich meiden
So muß ich mich mit dem bescheiden,
Daß er den Aufenthalt hier liebe
Und gern, wie ich, hier wohnen bliebe.

Er komme zu mir her, und oben
Beim Echo wird er laut mich loben,
Und auf die Brust wird er sich schlagen
Mit rührungsfeuchtem Blick, und sagen:
"Mein Gott, auf diesen grünen Höh'n
Herrscht mehr als Anmut, es ist schön.
Gesegnet Auge, das euch sah,
Ihr Zauber dieses Janina!"

Das hört mit frohem Stolz der Zwerg,
Er schmückt noch schöner seinen Berg,
Und hauchet wie in Sonntagsruh'
Die Antwort dem Besucher zu:
""Ja wohl! Das Auge ist gesegnet,
Das meinem Zauber hier begegnet;
Dem Herzen wird wohl Frieden werden,
Ein Himmelsfriede schon auf Erden,
Das sie erkennt, wenn es sie findet,
Nicht nur erkennt, nein, auch empfindet.
Die Zauber lassen ihn vergessen,
Was ihm an Schmerz ward zugemessen;
Sie werden in der Seligkeiten
Zahllose freundlich zubereiten,
Bis ihm der Quell, der unten fließt,
Mit Heilung auch das Heil erschließt.""

Am Tümpel

Da steh' ich wieder an der Pfütze
Und frage mich, wozu sie nütze.
Nun fällt der hellste Sonnenschein
Gar blendend in den Sumpf hinein.

Selbst auf des Tümpels Wasserspiegel
Erglänzt der Schönheit göttlich Siegel;
Rein schimmert es, und strahlenreich,
Als läg' es auf dem klarsten Teich.

So mag's in jedem dunklen Leben
Stets eine gute Stunde geben,
Wo seine innerste Natur
Sich hingibt an das Edle nur.

Denn was die noch so schwarze Seele
Im tiefsten Abgrund auch verhehle:
Des ew'gen Lichtes heil'gem Glanz
Entfremdet keiner je sich ganz.

Morgenrot und Abendrot

Eins ist es, das mich täglich hoch erfreut,
Daß jeder Tag des Morgens Rosen streut
Und sie des Abends wiederum erneut,
Und tut er's nicht, so war's nur eben heut.
      Die Hoffnung erscheint, die Hoffnung vergeht,
      Doch wird sie nur selten, nur flüchtig verweht.
Nach kurzer Zeit beglückt die Sonne wieder
Und strahlt mit altem Glanz auf uns hernieder.

Wenn noch so leuchtend sie am Himmel stand
Und doch in trübes Grau gesteckt sich fand,
Bald schmückt sie sich mit himmlischem Gewand
Und winkt uns freundlich mit der goldnen Hand.
      Die Sonne versinkt mit all ihrer Pracht
      Und schickt uns die Sterne in kommender Nacht.
Die glänzen wie ein feierlich Versprechen,
Des Dunkels und der Trauer Nacht zu brechen.

Und wenn die Sterne selbst nicht kommen her,
Als wären sie ertränkt im finstern Meer:
Es tut uns leid, doch kränkt's nicht allzusehr,
Wir hoffen auf des Morgens Wiederkehr.
      Wir wissen es ja, daß nach Gottes Beschluß
      Die Sonne doch täglich erscheinen muß.
Und wie die Hoffnung so durch alle Jahre
Nur Trübung, doch Vernichtung nie erfahre.

So komm' denn, liebes Abendrosenrot,
Du kündest mir des hellern Tages Tod
Und manchmal den von mancher Angst und Not,
Die flüchtig uns das strenge Dasein bot.
      Du lullst unsre Sorgen in tröstenden Schlaf,
      Bis alle der Tag in Vergessenheit traf.
Denn der ist heiter dann zu unsrem Frommen
Mit frischen Rosen herrlich angekommen.

Heute

Wie prangen die Gärten noch heute so bunt
Wie grünen noch schattig der Strauch und der Baum,
Wie hüllt sich noch ringsumher der Duft
In heiterster Schönheit der ganze Raum!

Jedoch die Luft, ich weiß nicht woher,
Hat plötzlich in letztvergangener Nacht
All diesem Reiz, in dem ich geschwelgt,
Das Todesurteil herübergebracht.

Das Laub vergilbt, das Laub fällt ab,
Es ist noch Sommer und scheint schon Herbst.
Du, rohe Gewalt der fliehenden Zeit,
Wie hass' ich dich! Du entstellst und entfärbst.

O sage mir nicht den elenden Trost:
"Nimm jedes Verhängnis, wie es ist,
Und denke dir stets bei jedem Verlust,
Wie reich du doch immer für jetzt noch bist."

Sag' nicht zu mir: "All, was du verlierst
Das hält dein Gedächtnis im Traume zurück,
Erinnerung ist ja wie Hoffnung ein Traum,
Und Traum ist des Menschen eigenstes Glück."

Sag' nicht zu mir: "Der nächste Lenz
Bringt neue Blätter für Wald und Flur,
Bis dahin freu' der Erwartung dich.
Er kommt! Gewiß! Erleb' ihn nur."

Sag' nicht zu mir: "Erlebst du ihn nicht,
Wohl! Hoffen ist auch ein Genuß,
Vielleicht sogar ein schönerer noch
Als der, von dem man sich trennen muß."

Sag' nichts zu mir. Ich setze mich her
Und blick' auf die Gegend mit bangem Sinn.
Mir ist sie lieb, und ich frage mich still,
Ob ich auch den Freunden so teuer bin.

Ob sie auch von mir, wie ich von hier,
Schwer Abschied nehmen beim Weitergehn,
Und zittern, was alles geschehen mag,
Bis wir uns das nächste Mal wiedersehn.

Und ob auch sie dereinst sich an mich,
Wenn ich von ihnen für immer fern,
So dankbar erinnern, wie ich an sie,
Und eben so treu, und eben so gern?

Sag' nichts zu mir, du vergilbtes Blatt,
Auch du, du fallendes, sage mir nichts,
Noch will ich mich freuen, noch küssen mein Haupt
Die wärmenden Strahlen des Sonnenlichts.

Der Mond am Tage

Als eben ich zum Himmel seh',
Erblick' ich dort den Mond als
D,
Den jüngst ich schaute noch als
C.
O Mond, wie bist du so wandelbar,
Ein Gaukler ganz und gar.

Du siehst so blaß verdrießlich aus,
Als hättest du kein Geld zu Haus,
Als wäre dir die Welt ein Graus,
Begreiflich ist's; du leuchtest ja nicht
Mit deinem eignen Licht.

Ich weiß nicht, ob ich irrig bin,
Mir schwant in meinem Ahnungssinn,
Du ziehst nur, weil du mußt, dahin.
Du fühlst dich ja im reinen Azur
Bei Tag als Zweiten nur.

Sehnsüchtig harrest du der Nacht,
Hat doch, so lang die Sonne lacht,
Gar Niemand, Niemand deiner Acht.
Das gilt erst, wenn die Finsternis kommt
Die deinem Glanze frommt.

Dann ziehst du durch des Himmels Blau,
Noch stolzer als die reichste Frau,
Noch eitler als der schönste Pfau,
Und meinst, es falle Niemandem ein,
Dein Glanz sei Widerschein.

Der Sonne Licht, das du empfingst,
Der Sonne Licht ist's, das du bringst,
Der Sonne Lob ist's, das du singst.
Du ahmst nur nach und brüstest dich dann
Wie der, der selber was kann.

Und wenn du, wie du häufig liebst,
Dich zwischen Erd' und Sonne schiebst,
Anmaßend, wie du immer bliebst
Dann bist du nicht vorhanden für mich,
Denn nirgends seh' ich dich.

Kaum denk' ich dann zu solcher Frist,
Daß du noch wo am Leben bist,
Und lachen muß ich deiner List,
Womit du wieder neu dich erhellst
Und mir vor Augen stellst.

Bald rechts bald links der Sichel Bug,
Verwendest Mühe du genug,
Zu glänzen auf dem Wanderzug,
Und sind gleichwohl die Strahlen geborgt,
Für Prunk ist doch gesorgt.

Zwar Schimmer, den's bei dir nicht freut,
Der sich bei dir zu bleiben scheut,
Doch, wenn geflohen, bald erneut,
Und wenn er manch ein Herz dann besticht —
Er tut's mit fremdem Licht.

Du bist wie immer, so auch jetzt,
Ein Stümper, der vom Wahn gehetzt,
Den größten Dichter übersetzt
Und oft im Wort, niemals im Geist,
Sich wirklich treu beweist.

Du gleichst auch wohl so manchem Mann,
Der Red' und Tun nur ändern kann,
Wie ihm sein Vorbild es ersann,
Und der trotzdem für die horchende Welt
Das ganze Bild entstellt.

Schlußmotto

An einem Tage gefunden beim Wandern
Und aufgeschrieben daheim am andern
So zaubern diese Worte vielleicht mein Glück
Vor eure Seele hin und in meine zurück.

Abschied

Warmer Wehmut bin ich voll,
Da von hier ich scheiden soll,
Und ich weih' in diesem Raume
Jedem Strauch und jedem Baume
Meiner Blicke Liebeszoll.

Ach, wie schön erscheinen mir
Wiesensamt und Waldrevier,
Schöner fast beim Weitergehen,
Als beim Kommen ich gesehen
Dieser Grüne heitre Zier.

Morgen glänzt der Sonnenstrahl
Über euch noch viele Mal!
Morgen wird sein fröhlich Glänzen
Auch mein Haupt mit Licht bekränzen,
Aber nicht in diesem Tal.

Nicht von diesen Hügeln mehr
Schaut mein Auge ringsumher,
Und an manchen künftgen Tagen
Werd' ich tief im Innern klagen:
"Wenn nur dort ich wieder wär'."

Dort wo ich selig war
Und befriedigt ganz und gar,
Dort — doch wozu erzählen
Daß ich brauchte nur zu wählen
Aus der größten Freuden Schar.

Undankbar und ungerecht,
Übler Laune böser Knecht
Werd' ich traurig mit Verlangen
Am vergangnen Glücke hangen,
Wie ein alterndes Geschlecht.

Jugendliche Frohnatur
Wandelt stets des Hoffens Spur;
Greisentum sitzt voll Verdrusses,
Von dem Tische des Genusses
Träumend in Erinnrung nur.