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Pannasch Anton

Erinnerungen an Italien
Vermischte Gedichte

Wien 1826
Im Verlage von J.G. Heubner

Gedichte 1
 

Aufschwung
Krieg dem Unrecht
Sängers-Bahn
Alles für's Recht
Erste Begrüßung des Meeres
Italia
Ruhm für Liebe
Ruhe
An meine Mutter
Die Verjüngung
Elternglück
Was mich noch hält
Mein Pilgerstab
Lebenswechsel
So wünsch' ich sie

Aufschwung
zu Linz 1816

Wenn ich nach steiler Höh' des Tages mich ergehe,
Wenn von der Sonne Glut um Milderung ich flehe,
Und allgewaltig mich ergreift ihr Strahlenrund,
Da pocht das schwache Herz, sehnt sich nach Talesgrund;
Doch kräftig rafft alsbald der stärk're Geist sich auf,
Wie! ruft er höhnend aus, dich schreckt der steile Lauf!?
Da mißt das Auge stolz die schwindelnd hohe Bahn,
Und stürmend drängt es mich den Riesenberg hinan.

Krieg dem Unrecht
Wien 1819

Als ich ein Bube noch war,
Schwur ich dem Unrecht schon ewigen Haß;
Wie auch die Rauflust im Blute mit saß,
Immer nur half ich der rechtlichen Schar,
Immer nur lag ich dem Unrecht im Haar.

Was ich als Bube getan,
Übt ich als Jüngling mit flammender Lust;
Treulich bewahrt' ich das Recht in der Brust,
Stellte dem Schurken mich kühn in die Bahn,
Bot als Verfechter der Wahrheit mich an.

Schützt' ich als Jüngling das Recht,
Werd' ich's noch kräftiger schützen als Mann!
Steht's doch dem Sänger, dem Streiter wohl an,
Daß er der Macht sich nicht beuge als Knecht.
Immer nur sing' ich, und steh' ich für's Recht.

Sängers-Bahn
Währing nächst Wien 1817

Hinaus! hinaus!
In's weite Haus,
Will Dichters Sinn;
Es zieht mich hin,
Wo weder Wand
Noch Eisenband
Das Ziel mir setzt;
Wo mich ergötzt
Des Himmels Blau,
Und Feld und Au
In holder Pracht
Mir freundlich lacht,
Hinaus! hinaus!
In's weite Haus.

Drum frank und frei
Der Sänger sei;
Ihn drücke nicht
Des Sklaven Pflicht,
Wenn er empor
Zum Himmelstor
Sich mutig schwingt.
Die Zither klingt
Verdoppelt gut,
Wenn leichtes Blut
Von Kraft geführt,
Die Saiten rührt
Drum frank und frei
Der Sänger sei.

Alles für's Recht
Mailand 1823

Fürchte Gott, und tue Recht!

Nimmer fürcht' ich meinen Gott!
Tue Recht, des Rechtes wegen. —
Als ich noch ein Kind gewesen,
Ehrt' ich ohne Furcht den Vater;
Was ich tat, geschah aus Liebe.
Und wie ich's mit ihm gehalten,
Halt' ich's nun mit meinem Gott.

Gib dem Armen, Gott zu lieb

Gotteswegen tu' ich's nicht!
Seine Not geht mir zu Herzen;
Helf' ihm, weil er auch ein Mensch,
Und mein armer Bruder ist.

Erste Begrüßung des Meeres
Vom Berge Optschina
zu Triest 1818

Erde! entfleug, hier endet dein Reich;
Wogende Braut! dir sag' ich mich zu. —
Starrende Luft mich schwindelnd ergreift,
Fesselt den Blick, und fesselt das Herz.
Ha! wie mich lockt der Brandung Getos!
Ihr kräuselnden Wellen, verlangt ihr nach mir?
Duldet euch nur, gleich bin ich bei euch.
Labe mich noch an der spiegelnden Bahn.
Urbild der Kraft! ich staune dich an.

Vom Berg hinab!
Hinaus in die schäumende Flut;
Und ging's in's Grab,
Was kümmert's den männlichen Mut.

Schon tanzt der Kahn;
Schnell wird er in's Weite getragen;
Und keck heran
Die stürmenden Wogen sich wagen.

Markstein des Blicks! wo find' ich dich nun?
Sah ich doch nie solch' endlosen Raum!
Wie ich auch späh', erspäh' ich kein Ziel,
Wasser und Luft sind gattlich vereint. —
Fährmann! sag' an, welch' leuchtender Punkt
Nahet sich dort aus neblichtem Grau?
Schon hat er sich zum Schwane geformt;
Sieh! nun gewinnt's der Säule Gestalt,
Schwimmet einher mit Windes Gewalt.

Ein Schiff läuft ein,
Es eilet mit glücklicher Hast;
Und jener Schein
Sich borget von Segel und Mast.

Gesegnet Heut'!
Gar glänzend die Sonne ersteiget;
Was schifft, sich freut,
Da günstiger Wind sich auch zeiget.

Sei mir gegrüßt, du Wiege Neptuns!
Hoher Koloß auf wogendem Grund.
Lang' schon sich freut mein sehnendes Herz,
Dich zu erschau'n, des Ozeans Stolz.
Weil mir gefällt ein wagender Geist,
Zieht's mich zu dir, du schwankendes Haus.
Kühner ward nie ein Bau noch erdacht!
Sieht kaum das Aug' dich segeln dahin,
Schwellt gleich die Brust der mutige Sinn.

Doch kenn' ich noch
Ein Schifflein, verweg'ner im Lauf;
Das steuert hoch,
Und achtet, ob's stürmet, nicht auf:

Ein junges Blut,
Das keck durch die Welt sich will schwingen;
Und nimmer ruht,
Bis endlich die Well'n es verschlingen.

Schweigend und ernst, wie Großes sich fühlt,
Naht's nun heran, vollendend die Bahn;
Dreimal erneu't aus ehernem Schlund,
Schallt von der Burg ein donnernder Gruß.
Leben gewinnt das tote Gestad';
Alles, was hofft, im Hafen sich reg't
Eilet zum Strand mit forschendem Blick;
Glücklich, wer noch dem Anker vertraut!
Weh' aber dem! der frevelhaft baut.

Nicht jede Fahrt
So freudig und glücklich sich schließt!
Gar grauser Art,
Das Ende vom Leben oft ist:

Den Menschen rafft
Der Sitten Verschlimm'rung ins Grab;
Und Leidenschaft
Reißt mächt'ger als Wirbel hinab.

Seht, wie vom Maste die Flagge schon weht!
Herrlich zu schau'n! wie kündet sie sich?
Trägt sie im Schild den spanischen Leu'n? —
Zeigt sich der Briten farbiges Feld? —
Ist es der Franken Lilien Gebild? —
Oder der Mond auf blutigem Grund? —
Sterne sind es!! sie blicken so hell!
Washington heißt das stolze Gebäu'!
Wo es erbaut, dort leben sie frei. —

Im Sklavenjoch
Kann nimmer das Große gedeih'n;
Der Aar muß hoch
In Lüften der Freiheit sich freu'n:

Doch seine Bahn
Gab jedem Gestirn die Natur;
Ein toller Wahn
Sucht Freiheit auf grenzloser Spur.

Nun ist es da! das Segeltuch fällt;
Lastend versinkt der Anker in's Meer.
Freunde, Glück auf! nun seid ihr zur Stell';
Trotzet ihr gleich der brandenden Flut,
Achtet nicht Sturm, und höhnet den Riff,
Besser ist doch das wirtbare Land;
Seht wie euch winkt dies stattliche Haus!
Lieblich erbaut auf grünender Flur;
Hier müßt ihr weil'n! hier lacht euch Natur.

Was tobt ihr hin?
Was soll's in der brausenden Welt?
Bescheidner Sinn
Zu Haus sich am besten gefällt.

Baut still euch an!
Ruft göttlicher Wille uns zu;
Des Glückes Bahn,
Ist Freundschaft, ist Liebe und Ruh'.

Italia
Wien 1825

Noch oft schau' ich im Geist nach dir zurück,
Und freue mich der schön verlebten Zeit.
Ein Gartenland, stehst du vor meinem Blick,
Von Ceres selbst zum Paradies geweiht.
Ach! wer dich nie in deiner Pracht gesehen,
Der muß, dem Blinden gleich, von dannen gehen.

Wie schön ist nicht dein hohes Wappenbild!
Man sieht dich wie Minerva schützend stehen;
Und vier Gekrönte deckt dein ehern Schild.
Sie alle sind im reichsten Glanz zu sehen,
Jungfrauen gleich, die majestätisch thronen,
Mit bunten Gürteln und mit Mauerkronen.

Als ich die Erste von den Vieren sah,
Die sinnreich, auf den Pflug sich stützend lehnt*
Da stand dem achten Wunderwerk ** ich nah',
Wonach ich mich so lange hatt' gesehnt. —
Noch seh' ich mich vom Marmorglanz geblendet,
Dem Riesenbau mit Staunen zugewendet.

* Mailand
** Der Dom

Und als zur zweiten Jungfrau ich gekommen,
Sah ich den Flügelstab in ihrer Hand;
Belad'ne Schiffe kamen angeschwommen,
Und sie — sie war die Herrliche* genannt. —
Mit Recht! rief ich: solch' Hoheit sah ich nie!
Und rastlos schwelgte meine Phantasie.

Drauf eilte ich zur dritten Jungfrau hin;
Die stand beschützend vor dem Bild der Kunst.** —
Wonach sich jemals sehnet Herz und Sinn,
Gespendet wird es durch der Jungfrau Gunst.
Ach! rief ich aus, hier laßt uns Hütten bauen,
Denn alles Schöne ist hier reich zu schauen.

Und als ich endlich kam zur Königin,
Die mit dem Dreizack waltet überm Meer,***
Da stand ich schwindelnd, mit berauschtem Sinn;
Ein Wunderreich umschloß mich rings umher,
Paladio's Feenschlösser sprangen auf;
Ich staunte — schwieg — und schloß der Reise Lauf.

*
Die Stadt Genua hat den Beinamen: die Herrliche
**
Florenz
***
Venedig

Ruhm für Liebe
Wien 1819

Es zieht der Held zum Kampf hinaus,
Wie auch sein Liebchen fleh't,
Was soll ich hier im Friedenshaus,
Vom Liebeshauch umweht?

Des Ruhmes Kranz ist mein Gewinn,
Lockt mich in's Schlachtgewühl';
Drum weiche meinem Heldensinn,
Der Liebe zart' Gefühl.

Wer sich dem Schlachtengott geweih't,
Dem lacht kein Rosenlicht;
Im stolzen Lorbeerhain gedeih't
Die stille Myrthe nicht.

Ruhe
Wien 1824

Treibt auf nächtlich wildem Meere,
Sich der Schiffer rastlos fort,
Lockt's ihn daß er heimwärts kehre,
Zu der Schiffe sicherm Port:
Denn die Ruh' ist's die ihm winkt,
Wenn die Sonn' in's Meer versinkt.

Kämpft und ringt im blut'gen Streite
Sich der Krieger wundenvoll,
Wünscht er daß die Sonne scheide,
Wenn er selbst nicht scheiden soll;
Denn die Ruh' ist's, die ihm lacht,
Wenn geschlagen ist die Schlacht.

Sproß in eines Mädchens Herzen
Nie der Liebe Seligkeit,
O, dann heilen ihre Schmerzen
Nur in stiller Einsamkeit.
Ruhe nur beglückt allein,
Ruhe gibt der Leichenstein. —

An meine Mutter
Wien 1824

Von allen Liedern die ich je gesungen,
Von allen Bildern die ich je erdacht,
Ist kein's wie dies, an Herzlichkeit gelungen;
Drum sei es auch Dir, Guten, dargebracht.

Wohl hab' ich oft nach eitlem Lob gerungen;
Wer widersteht des süßen Beifalls Macht?
Doch diesmal hab' ich höher mich geschwungen,
Der Sänger ward vom Danke angefacht-

Du siehst Dich hier, in diesem Bilde wieder;
Die bleiche Mutter bei dem bleichen Knaben.
Der Flut entrissen, starrten meine Glieder —
Du wolltest mich mit Deinen Küssen laben,
Und Deine Tränen fielen auf mich nieder: —
Sie weckten mich, und weckten — diese Lieder.

Die Verjüngung
Wien 1819

Mit leiser Hand, will ich der Leyer Saiten rühren;
Die Klänge sollen mich in's Land der Kindheit führen,
In jene holde Zeit, wo Sorge nicht und Not
Am kleinen Herzen nagt: wo helles Rosenrot
Den Horizont umsäumt, und sich der Lebenskahn
Gemütlich schaukelt auf der sturmbefreiten Bahn.
Da braucht's der Segel nicht; das kleine Schiffchen lenkt
Der Mutter zarte Hand, und kommt die Nacht, dann senkt
Des Schlafes Anker sich in's Meer der Träume nieder,
Der kleine Engel sieht die goldnen Früchte wieder,
Die wachend ihn beglückt. — Du wonnevolle Zelt!
In der das junge Herz, vom Himmelsglanz erfreut,
Ein Götterleben glaubt, kehrst nimmer du zurück?
Sucht stets vergebens dich des Menschen reifer Blick?
Sie kehret uns zurück! ein Stern erhellt die Nacht,
Die Venus blinkt, Glück auf! wem diese Sonne lacht. —
Die reine Liebe ist's, die Himmelskränze windet;
Wo Hymen am Altar die heil'ge Fackel zündet,
Verjüngt das Leben sich, und frische Blüten keimen:
Ja! nur im Kinde, kann man seine Kindheit träumen.

Elternglück
Alessandria in Piemont 1822

Nennt mir ein Glück, das dem Elternglück gleicht!
Wahrlich! es ist mir kein gleiches bekannt;
Himmlischen Reiz hat das Leben erreicht,
Hat man sich selber im Kinde erkannt.

Seht hier ein treues, ein liebendes Paar
Munter umhüpft sie ein lockiger Knab;
Sittsam und fromm, mit gescheiteltem Haar,
Nur sich der Mutter das Mädchen ergab.

Froh und zufrieden am flammenden Herd,
Einet sie alle das häusliche Glück;
Dankend die Augen zum Himmel gekehrt,
Preisen sie Gott für das stille Geschick.

Wie es  auch wettert in stürmischer Nacht,
Schützend bewahrt sie das kräftige Haus;
Vater erzählet, und Alles hat Acht:
's Märchen klingt besser, als Donner und Braus.

Reift dann der Knabe zum Jüngling heran,
Führt ihn der Vater hinaus in die Welt;
Zeigt ihm die Klippen auf wogender Bahn,
Lehrt ihn den Drachen bekämpfen als Held.

Wenn sich die Knospe zur Rose geschwellt,
Sorget die Mutter mit zartem Gefühl,
Daß sich ihr Röschen im Schmucke erhält;
Daß sie nicht sinkt in des Sturmes Gewühl.

Feurig geweckt durch der Liebe Gewalt,
Hat sich der Jüngling sein Liebchen erwählt, —
Züchtig verhüllt ist der Jungfrau Gestalt,
Aber ihr Herz hat sich stille vermählt.

Freudig vereinen, mit segnender Hand,
Vater und Mutter das doppelte Paar;
Denken des Tages, der sie einst verband,
Denken der Stund' die die glücklichste war.

Selig entflieht nun die selige Zeit;
Aber noch ehe entschwunden ein Jahr,
Haben sich Enkel zum Bunde gereiht,
Süß wie die Mutter, die selbe gebar.

Nennt mir ein Glück, das dem Elternglück gleicht!
Wahrlich! es ist mir kein gleiches bekannt;
Himmlischen Reiz hat das Leben erreicht,
Hat man sich selber im Kinde erkannt.

Was mich noch hält
1818. im November, Küstenland

Sieh da! das Laub fällt ab,
Es zieht ein Jahr zu Grab;
Und mit dem Jahr flieht meine Blütenzeit,
Die selten mich mit süßer Frucht erfreu't!

Der schönen Träume viel',
Erreichten nicht ihr Ziel;
Wonach ich rang, war's Freude — Liebe — Ruhm —
Nicht ein's ward mir zum frohen Eigentum.

Der Freude gold'ne Spur,
Ich fand sie zwar — doch nur
Um ewig ihr ein Lebewohl zu sagen;
Denn nimmer will's auf meinen Wegen tagen.

Es wob der Liebe Hand,
Mir einst ein zartes Band;
Doch kaum füllt meine Brust die Himmelswonne,
Flieht treulos meines Lebens einz'ge Sonne.

Durch seinen Strahlenglanz,
Lockt mich des Ruhmes Kranz;
Mit Jünglingsmut hatt' ich mich ihm geweiht,
Ich warb um ihn -— da starb der Taten Zeit.

Was mich allein noch hält
In dieser öden Welt,
Das ist der Dichtung heiteres Gebiet;
Stirbt alles mir — ich lebe noch im Lied. —

Mein Pilgerstab
Im Küstenlande 1818

Mein Pilgerstab ist Poesie —
Wie lieb' ich diesen Stab!
Er weicht von meiner Seite nie;
''s ist meine schönste Hab'.

Seht ihr in mir gleich nur ein Kind,
Auf seinem Steckenpferd;
Marschall- und Bischofstäbe, sind
Mir lange nicht so wert! —

Sie schmücket Gold und Diamant;
Mein Stab bedarf dies nicht;
Ein Strahl ist er, der Sonn' entwandt,
Flammt durch sein eig'nes Licht.

Der Fürsten Szepter langet weit,
Doch weiter pilg're ich;
Mein Flügelstab — von Gott geweiht —
Trägt zu den Sternen mich.

Lebenswechsel
Wien 1820

Alles wechselt hier im Leben,
Kommt und flieht, so wie die Zeit;
In dem Glück das sich ergeben,
Liegt das Unglück schon bereit.

Seht! ein Schiff, das reich beladen,
Schifft am Morgen stolz einher;
Doch die Stürme sich entladen,
Und am Abend ist's nicht mehr. —

So wie hier das Mißgeschicke
Sich mit Blitzeseile naht,
Weicht es wieder schnell dem Glücke,
Und es reift die Freudensaat.

Tausende geweiht dem Tode,
Fallen in der blut'gen Schlacht;
Plötzlich kommt der Siegesbote,
Und ein süßer Friede lacht.

Darum soll der Mensch bescheiden,
Sich der Himmelsgunst erfreu'n;
Gerne lindern fremde Leiden,
Und sein Glück dem Unglück weih'n.

Weh, dem Schwelger in der Freude!
Denn es frißt der hag're Schmerz,
Gleich dem hungervollen Neide,
Jedes übermüt'ge Herz.

So wünsch' ich sie
Wien 1820

Oft fragt' ich mich in jenen heil'gen Stunden,
Die ich beglückt der Einsamkeit geweiht;
Und die vor allen mir so froh entschwunden,
Daß ich der schönen Zeit sie angereiht,
In der ich noch als Knab' die leichten Flügel schwang:
"Wonach läßt sich des Menschen Glück bemessen?
Wie kühlet sich des Herzens heißer Drang?
Und was läßt uns're Mängel uns vergessen?"

Da lispelt' einst, gleich sanften Harfentönen,
Mein Genius die Worte mir entgegen:
"Suchst du den Geist des Wahren und des Schönen,
So blick' in dich, in dir muß er sich regen!
Der Liebe Hauch, der durch die Schöpfung weht,
Ist es allein, der Glück und Freude sät.
Es muß dein Herz sich rein zum reinen Herzen wenden,
Und nur der Tugend darf es liebend sich verpfänden." —

Da rief ich aus: "Weh' mir! so ist mein Glück
Für diese Welt dahin — denn leugnen kann ich's nicht,
Daß ich ein Sünder bin, der seinen Blick
Nicht schuldlos mehr erhebt zum Himmelslicht.
Es warf mein heißes Blut
Mich in die Sündenflut;
Und trotz des bessern Geistes Streben,
Kann ich mich nimmer aus dem Strudel heben."

Doch willst du, Gott! des Sünders dich erbarmen,
So lasse mich an eines Engels Brust erwarmen;
Send' mir die reine Rettungshand,
Die aus dem Strom mich trägt an's sich're Tugendland. —
Und einsam schritt ich fort auf stillen Wegen,
Verloren in ein farbiges Gedankenspiel.
Da lacht mir plötzlich eine Blumenflur entgegen;
Zu Ende war die Bahn — ich stand am Ziel.

Und wie ich so die Blumen überschaue,
Da hüpften freudiger die Pulse mir;
Und aus dem Innern scholl es auf: — Vertraue,
Des reinen Geistes Sinnbild sprosset hier.
Mein Auge schweift nun forschend ringsumher;
Und wählt die schönsten sich aus Flora's Kinderschar —
Ein Veilchen ward vor allem ich gewahr;
Es rief mich sanft — ach! viel zu sanft! ich hört' es bald nicht mehr. —

Ganz nah' dabei, im prächt'gen Farbenkleide,
Hob eine Tulpe keck ihr Haupt empor;
Doch als ich näher trat, verstummte meine Freude —
Der Eigendünkel sah aus jedem Blatt hervor. —
"Erwähle mich, der Blumen Königin!"
So rief mit lächerlichem Stolz die Rose aus; —
Ich kam — und fand sie tief in einem Dornenstrauß —
Da gab ich mich der Eitlen nicht dahin.

Und frisch und munter blickt mich eine Nelke an;
Es locket mich ihr feuersprühendes Gewand.
"Ich will, sprach lüstern sie, "geleiten dich auf deiner Bahn."
Und schnell ward sie gepflückt von meiner heißen Hand;
Da tönet es mir zu: — "Willst du dein Glück verschwenden?
Es muß dein Herz sich rein, zum reinen Herzen wenden;
Und nur der Tugend darf es liebend sich verpfänden." —
Sogleich entfiel die Nelke meinen Händen.

Nun irrt mein Blick in weite Ferne hin —
Und einen Knaben seh' ich, hold und mild;
Fast dünkt es mich, es sei das Engelsbild,
Das mich befreien soll von meinem schuld'gen Sinn. —
Er stand an einem schlanken Lilienstamme,
Und küßte dessen königliches Haupt;
Dann winkt er mir, und schnell verlosch die Flamme,
Die wild in mir getobt, der Seele Ruhe mir geraubt.

Und als die Himmelsblume ich erreicht,
Entschwand der Knab', und freudiges Entzücken
Durchströmte mich. Mir ward so wohl, so leicht!
Ja, tönt's in mir — nur sie kann dich beglücken.
Und schon versuchte meine Hand zu pflücken sie,
Als ich erwachte aus den Träumen meiner Phantasie.
Entschwunden war die Blumenflur,
Und von der Lilie fand ich keine Spur.

Ach! rief ich aus — wo ist das Mädchen dieser Lilie gleich?
So schön! und doch so einfach, ohne Siegerblick. —
Zwar gibt es viele, die an edlen Gaben reich,
Doch alle fast beherrscht der eitle Augenblick.
Ein sanft Gemisch, von Milde und von Kraft,
Ist jene selt'ne Himmelsgab',
Durch die der Mensch sich Glück und Ruhe schafft;
Es ist des Lebens bester Pilgerstab.

Drum gib sie mir, mein Gott! so wie in meinem Geist sie lebt: —
Ein Herz, das jauchzt, wenn mir des Glückes Sonne strahlt,
Und wenn es um mich stürmt, sich kühn mit mir erhebt.
In deren Angesicht mein Schmerz, mein Glück sich malt. —
Aus ihrer Seele sei Empfindelei und Stolz verbannt.
Sie wünsche nicht auf ihres Mannes Stirn den Lorbeerkranz,
In seiner Vaterpflicht erkenne sie den höchsten Glanz;
Und ihres Körpers schönster Schmuck — sei eine Palme in der Hand.

Doch wie ich so das sanfte Weib im Friedenskleid'
Gedacht, so gibt es wieder eine and're Zeit,
Wo sie mit Spartersinn sich stark und groß muß zeigen;
Es ist die Zeit, wo es des Vaterlandes Rechte gilt —
Da sei ihr edler Geist durch keine Furcht zu beugen;
Sie schärfe selbst mein Schwert, und wenn mein Blut entquillt,
Wenn ich gleich Winkelried gefallen,
Dann soll kein Klageruf aus ihrem Busen schallen.

So hab' ich sie gedacht, so möcht' ich sie;
Doch ob dies Ideal zu finden ist im Leben,
Ob es ein unerreichbar Bild der Phantasie,
Ich wag' es nicht, die Antwort mir zu geben.
Doch fände ich dies Wesen höh'rer Art,
Was Kraft und Milde so im schönen Bunde paart,
Ich wär' es nicht, dem eigne Würde sie verlieh;
Ich kann nur wünschen sie — doch sie verdienen — nie.