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Gedichte 2
 

Auto da Fé
Meine Wahlfarben
Der Brautabend
An gewisse Leute
Charade
An einen jungen Freund
Die Einsame
Die Wunderblume
Die Himmelssprache
Schillers-Leyer
Der schwerste Kampf
Narren- und Männermut
Sängers-Wort
Der Nachtwandler
Der Frevler
Des Menschen Lebensbäume
Des alten Sängers Haus
 

Auto da Fé
1817 zu Wien

Seht das Feuer! — so uns freundlich dienet,
Gastlich auf dem Herde flackert,
Fromm gezügelt in des Winters Strenge
Den erstarrten Gliedern neues Leben schenkt —
Für des Menschen Wohl erschuf es die Natur,
Und es braucht der Mensch die Friedensflamme,
Zum Ermorden seiner Brüder. —
Feuer das vom Himmel fällt,
Tötet im Berühren —
Aber grausam zögernd läßt der Mensch,
An des Menschen zartem Körper,
Kurze Flammen teuflisch nagen.

Meine Wahlfarben
Im Küstenlande 1818

Drei liebliche Farben ergötzen den Blick,
Und bilden im Bunde das menschliche Glück. —
Vor allen ich preise das freundliche Blau,
Was prangend umwölbet den himmlischen Bau. —
Dann lacht mir der Rose sanft glühendes Rot,
Womit uns Cupido den Liebesgruß bot. —
Und drittens erwähl' ich das trauliche Grün,
Es wecket im Herzen den hoffenden Sinn.

Der Brautabend
Alessandria in Piemont 1822

Stunden des Glückes! ich schwelge in euch!
Heut' noch umfang' ich des Herzens Erwählte;
Ha! schon erwart' ich mit heißen Verlangen
Sie aus den Händen der schmückenden Mädchen,
Blicke verstohlen zur Türe hinein
Doch man erspäht mich, und — schließet sie zu:
"Schließt nur ihr neidischen Mädchen sie ein!
Morgen! ach Morgen! schmück' ich sie allein.

Endlich nun öffnet sich leise die Türe —
Zauber verbreitend, so tritt sie heraus;
Rauscht mir entgegen im Seidengewande,
Tragend den Brautkranz im glänzenden Haar,
Dessen Gewinde sich türmend erheben,
Schwarz wie der Mohn aus dem rosigen Kelch. —
Blendend entsteiget dem schönsten der Nacken,
Schwanengleich, herrlich, der zarteste Hals;
Wiegt mit gebührendem Stolze ein Haupt,
Das sich mit himmlischen Reizen geschmückt.
Blumen umdüften den Busen so süß,
Der in der Fülle der üppigsten Kraft,
Schwellend und wogend das Gitter bedroht. —
Schlank wie die Lilie erhebt sich der Leib,
Aber ihr trotzend — der hohen Gestalt,
Traget der kleinste, der zierlichste Fuß,
Schwebend des Körpers gemessene Last.
"Himmel und Erde! ich ruf' es euch zu:
All' diese Reize, ich nenne sie mein!

Brechet nun auf ihr freundlichen Gäste!
Formet den Zug, wie die Sitte es heischt;
Ist's doch im Leben der süßeste Gang,
Wallen zur Kirche zwei liebende Herzen.

Rollet ihr Wagen nur lustig im Gleise!
Streckt euch ihr Rosse mit blitzenden Hufen!
Aber vor allem, ihr zögernden Stunden,
Kürzet nur heut' die geregelte Zeit."

Haltet! — schon öffnet die Kirche sich uns,
Tretet ihr Freunde und Zeugen herein!

Heilige Stille erfüllt die Kapelle;
Feierlich hat sie der Küster geschmückt.
Hoch auf den Stufen, mit Myrthen bekränzt,
Brennen so helle die Kerzen der Liebe;
Duftender Weihrauch umweht den Altar,
Glockengeläute verkündet das Fest.

Jetzo sich nahet der würdige Priester,
Freundlichen Blicks, mit dem heiligen Buch;
Schnell ich nun fasse die Hand der Geliebten,
Schüchtern mir folgt das errötende Kind.

Weise und ernst ist die Rede des Alten —
Tränen entlockt er der lieblichen Braut;
Rührung ergreifet die Freunde und Gäste —
Mich aber stimmt er zum heiligen Schwur,
Redlich und stark sie zu führen durch's Leben;
Treu zu bewahren das köstliche Gut.

"Mädchen! nun ist die Minute gekommen,
Die uns entscheidend auf immer verbindet.
Wörtchen! so kurz, aber doch so bedeutend,
Heiliges Ja, sei mit Gott jetzt gesprochen!
Schrecklich fürwahr! ist das knüpfende Band,
Wandelt die Liebe zum Hasse sich um;
Aber beseligend wirket die Weihe,
Blühet im Hause die Palme des Friedens.

Sprache des Glückes, wie drück' ich dich aus?
Laßt mich es rufen: ich nenne sie mein!
Ja, hat's verlangend getönt aus der Brust,
Ja, hat's gelispelt von zärtlichen Lippen.
Seht, wie sie blinken die goldenen Reife!
Wahrlich! sie einen, doch fesseln sie nicht.

Kommt nun, ihr Gäste! uns winket die Freude;
Laßt euch nicht nöten zum Becher der Lust;
Schmauset und trinket und tanzet die Nacht."
Treffliche Tafel! was bietest du dar?
Hat sich das Füllhorn der Ceres geöffnet? —
Zierlich und lockend, mit würzigen Hauch;
Laden die Früchte, und ladet der Nektar. —

Schicklich gepaaret im farbigen Glanz,
Haben die Gäste gebildet den Kranz.
Sinnreiche Sprüche, und Verse und Bilder,
Neckischen Inhalts, und vielfacher Deutung,
Wandern herum unter Lachen und Scherzen. —

Aber jetzt stürmet in rauschenden Tönen,
Dreimal ein fröhliches Hoch! durch den Saal,
Dreimal erbrauset Musik und Gesang,
Und es bewegt sich die lustige Menge.

Feurig eröffnet die Reihen das Paar,
Wirbelt und walzet in flüchtigen Kreisen;
Selig umarmend, und selig sich schwingend. —
Buntes Gewühl ist in kurzem zu schauen,
Spiele und Tänze beleben die Gäste,
Aber — — — — — — — doch stille! — nicht weiter. —

Was ich versprochen, das hab' ich geleistet,
Hab' euch den bräutlichen Abend besungen.
Wehe dem Dichter, der mehr sich erdreistet;
Der nicht im Liede die Sinne bezwungen.

An gewisse Leute
Alessandria in Piemont 1822

Glaubt ihr, ich dichte weil ich will? —
Ihr irr't! — ich dichte weil ich muß. —
Ja! — Verse, streng geregelt und gereimt,
Die schreibt man weil man will, und schreibt so ein Gedicht;
Doch Dichten liegt im Schreiben nicht — man träumt;
Und wer kann sagen: — Träumen will ich nicht? —

Charade
Linz 1816

                           Erste Silbe

Vielseitig werde ich im Sprachgebrauch verwendet,
Doch zeig' ich immerdar der Sache Ursprung an.
Nur zart beginnt mein Sein, stark wachse ich heran;
Und jene Deutung wird erst meiner Kraft gespendet.

                           Zweite Silbe

Vom erstbenannten Teil mach' ich das Ganze aus.
Groß ist der Brüder Schar, die Gattung doch verschieden.
Als unentbehrlich bin dem Menschen ich beschieden,
Zur Zierde stellt man mich oft in ein eig'nes Haus.

                           Beide

Im fürstlichen Gemach' pflanz' ich mich kräftig fort;
Denn stattlich prange ich in hohen Bildern dort.
Nicht selten sprosse ich aus grauem Altertum,
Und mit des Alters Grau vergrößert sich mein Ruhm,
Mein Leben danke ich dem Stolz' der mich geboren;
Der für die Nachwelt selbst mich eitel hat erkoren.
In meinem Totenreich' lebt die Vergangenheit,
Und der Vernichtung trotz nährt sorgsam mich die Zeit. —

Lösung? :o(

An einen jungen Freund
der sich der Dichtkunst widmete
Wien 1820

Selbst schwach, ein armer Jünger nur der Kunst,
Erkenn' ich bloß des Meisters sich're Bahn;
Und preise, dem sie ward die Himmelsgunst,
Denn er gehört den Auserwählten an.

Doch willst Du wissen, ob dies selt'ne Glück,
Bei Deinem Werden Dir der Herr verlieh'n,
So prüfe mit des Geistes ernstem Blick,
Die Bilder die aus Deinem Inner'n zieh'n.

Vereinen sich im schönen Farbenspiel,
Doch klar — Verstand und Herz, und Phantasie,
Dann zweifle nicht, denn Du erreichst das Ziel;
Doch fehlt Dir eins — wird Dir die Krone nie.

Die Einsame
Wien 1824

Blumen nur und fromme Lieder,
Machen meiner Tage Glück.
Und in Träumen kehrt es wieder,
Wenn sich schließt mein müder Blick.
Blumen nur und frommer Sang,
Stillen meines Herzens Drang.

Ruhig, wie auf Blütenzweigen
Sich der leichte Vogel schwingt;
Und gelockt durch Waldes Schweigen
Zu den blauen Lüften singt —
So auch sing' ich still mein Lied,
Wenn's mich zu den Sternen zieht.

All mein Hoffen all mein Sehnen,
Liegt im süßen Saitenlaut;
Die geheimsten meiner Tränen,
Sind der Harfe anvertraut. —
Und sonst teilt kein liebend Herz,
Meine Freuden, meinen Schmerz.

Die Wunderblume
Wien 1824

Ein Blümchen sproßt auf stiller Bahn;
Das schönste, das ich kenne!
Und weil das Blümchen singen kann,
Die Wunderblum' ich's nenne. —
Doch wie es auch verschwiegen blüht,
Es ruft und lockt ihr süßes Lied.

Und wer dem süßen Zauberlaut
Sich einmal hat ergeben;
Wer sie begeistert angeschaut,
Muß geistig sich erheben:
Denn sie ist nur des Himmels Braut,
Wird keinem irdisch angetraut.

Und muß ich auch für diese Welt,
Des Lebens Reiz entsagen,
So hab' ich doch sie frei erwählt,
Will nimmer weiter klagen.
Nur flieh' o Blume! flieh' mich nicht,
Laß' klar mich schau'n dein Angesicht.

Die Himmelssprache
Mödling nächst Wien, im August 1824

Eine Sprache gibt's im Leben,
Die dem Himmel angehört;
und die Töne, sie entschweben,
Wie der Geist, der heimwärts kehrt.

Hört ihr's in den Saiten rauschen?
Fühlt ihr wie's zum Herzen dringt?
Selig macht dies heil'ge Lauschen,
Wenn der süße Ton verklingt.

Aus der Kindheit jüngsten Tagen,
Folgt mir des Gesanges Lust;
Lieder stillten meine Klagen,
Und ich schlief an Mutter Brust.

Kindlich liebt' ich die Gesänge,
Kindlich lieb ich noch das Lied;
Doch nicht eitle leere Klänge,
Nein! im Liede herrsch' Gemüt.

Eine Sprache gibt's im Leben,
Die dem Himmel angehört;
Und die Töne, sie entschweben,
Wie der Geist, der heimwärts kehrt.

Schillers Leyer
Wien 1824

Seht doch jenes Sternenheer
Dort am Himmelsbogen!
Nimmer wird die Straße leer,
Magisch kommt's gezogen.

Mitten im Gewimmel steht
Mars, der wilde Krieger;
Und der Wagen, den ihr seht,
Trägt ihn oft als Sieger.

Aber wie er immer grollt,
Mit empörtem Herzen,
Frauen sind ihm dennoch hold,
Lieben Kriegerherzen.

Juno, Venus, seht sie dort!
Leicht sind sie zu kennen;
Weil sie liebend, fort und fort,
Gar so feurig brennen.

Doch mein liebstes Sternenbild
Bleibt die Himmelsleyer;
Ach, sie blinkt so hell und mild,
Mit gedämpftem Feuer. —

Laßt uns, deutsche Brüder, sie
Schillers Leyer nennen;
Seines Sanges Harmonie
Himmlisch anerkennen!

Früh beschloß er seinen Lauf,
Ging als Stern zu Sternen;
Ach! wie lockt es mich hinauf,
Zu den lichten Fernen.

Nun, will's Gott, so sehen wir
Schiller einstens wieder;
Und zum Lohn erfleh ich mir
Seine Himmelslieder.

Der schwerste Kampf
Mödling nächst Wien, im August 1824

Wer nennet uns den schwersten Kampf,
Der uns're Herzen bricht? —
— Ich nenn' ihn euch! — es ist der Kampf,
Der Liebe und der Pflicht.

Ein frostig Bild, im Eisgewand,
So starrt die Pflicht uns an. —
Die Liebe ist ein Feuerbrand,
Und lodert himmelan.

Des Feuers Kraft, zerschmilzt das Bild
Im starren Eisgewand;
Doch wie es sinkt, und wie es quillt,
Erkaltet auch der Brand. —

Dies ist des Lebens schwerster Kampf,
Der uns're Herzen bricht. —
's gibt keinen härtern, als den Kampf
Der Liebe und der Pflicht.

Narren- und Männermut
Mailand 1823

"Hast du Mut, so werfe dich
Jenem wilden Stier entgegen!
Wag'st du's nicht, so lasse mich,
Ich erleg' ihn mit dem Degen." —
""Freund! wozu dies tolle Spiel?
Männer haben beß'res Ziel.""

Aber pfeilschnell ist er fort,
Schwingt sich auf des Stieres Rücken;
Und fürwahr, er lös't sein Wort,
Streckt das Tier vor tausend Blicken:
Denn es ist des Glückes Art,
Daß mit Narrenmut sich's paart.

Jetzt, auf offnem Markt, verlacht
Und verhöhnt er die Gesetze,
Wo das Aug' der Ordnung wacht. —
""Sag'! was soll dies leer Geschwätze?
Poltern ist nicht Männerpflicht,
Dein Weg ist der Meine nicht.""

Und an Stromes Blütenstrand,
Treffen sich die Beiden wieder.
Waghals geht an Liebchens Hand,
Singt vom Roland tolle Lieder.
Und des Mädchens Blumenkranz,
Wirft er in den Wogentanz.

Liebchen grollt mit ihm dafür. —
"Närrchen! sieh! gibst du zur Stelle,
Drei recht süße Küsse mir,
Hol' ich's Kränzchen aus der Welle." —
""Freund! hier ist der schlimmste Ort,
Reißt dich gleich zum Strudel fort.""

Doch schon stürzt vom Felsenhang,
Sich der Rasende mit Lachen
In des Stromes Wogendrang;
und so sicher, wie im Nachen,
Spielt er sich im Flutenglanz,
Rudert munter nach dem Kranz.

Glücklich hat er ihn erfaßt —
Aber von den stärksten Wogen,
Dahin wo der Strudel ras't,
Fühlt er plötzlich sich gezogen;
Kann nicht länger widersteh'n,
Muß im Strome untergeh'n.

Jetzo gilt's kein Kränzchen mehr;
Nein! es gilt ein Menschenleben —
Und als Mann bewährt sich der,
Der die Warnung ihm gegeben:
Stürzt sich in die Fluten kühn,
Schwimmt, und faßt, und rettet ihn.

Und gepflegt am sichern Strand,
Kehrt der Jüngling neu in's Leben.
Schwach und mit erstarrter Hand,
Sieht man ihn den Kranz erheben.
"Nimm ihn Freund! ich kränze dich;
Sei mein Lehrer, führe mich."

Sängers Wort
Wien 1824

Mein Sohn! mein Sohn! nicht länger mehr
Ertrag' ich deinen Schmerz.
Sag' an! was ist's, was drückt so schwer
Dein jugendliches Herz? —
Dein Blick hat einst so hell gestrahlt,
Die Wange war so frisch gemalt,
Und nun, ach! seh' ich dich erblassen,
Und einsam stehst du und verlassen.

Wohl Mutter, bin ich krank und matt,
Dir sagt es mein Gesicht;
Doch wähne mich nicht Freudensatt,
Verlassen bin ich nicht.
Du weißt ja doch, zu jeder Zeit,
Ruht meine Harfe mir zur Seit';
Entquillen ihr auch alle Schmerzen,
Die ich verspür' in meinem Herzen —

Denn leugnen, Mutter, kann ich nicht,
Daß ich so manche Nacht,
Im Sängertraum, beim Mondenlicht,
Gar wehmutsvoll durchwacht.
Doch geh' ich diese süße Qual,
Für keine Lust im Freudensaal;
Denn glücklich kann ich mich nur fühlen,
Wenn Schauer mir das Herz durchwühlen.

Ach Sohn! dies ist ein tötend Spiel!
Laß ab davon, laß ab!
Wie sehr mir auch dein Sang gefiel,
Er zieht dich in das Grab.
Und stirbst du, dann — o glaube mir —
Dann folgt die alte Mutter dir.
Drum — soll mich nicht die Angst zernagen,
Mußt du der Harfe, Sohn, entsagen.

Ach Mutter! was begehrst du da?
Weißt nicht, was sie mir ist!
Ach, denke doch wie dir geschah,
Wenn du mich lang' vermißt!
Und gleiche Sehnsucht, gleichen Drang,
Zieht mich zum süßen Saitenklang.
Es stürben alle meine Freuden,
Wenn von der Harf' ich müßte scheiden.

Du irrst! du irrst! mein lieber Sohn!
Für dich ist es Gewinn.
Ja, folgst du mir, wird dir zum Lohn
Ein frischer Lebenssinn. —
Sei länger nicht dein eigner Feind!
Die Mutter ist's, die um dich weint;
Und ihren Willen sollst du ehren —
Die Harfe, Sohn, ist mein Begehren!

So nimm sie denn! doch frage nicht
Wie mir's die Seel' bewegt.
Ich weih' mich dir, und meiner Pflicht;
Wie's auch im Herzen schlägt. —
Leb' wohl! leb' wohl! mein Freudenquell!
Nach Schlaf und Tod wird's wieder hell.
Und soll ein reiner Sang gelingen,
Muß sich der Sänger aufwärts schwingen.

Nun frisch hinein im Lebensbraus!
Der frohen Welt geweih't! —
So wandert er von Haus zu Haus,
Daß sich die Mutter freut.
Doch wie er auch nach Freude jagt,
Im Innern, ach! da zehrt und nagt
Ein Hungerwurm an seinem Leben,
Dem kann er keine Nahrung geben. —

Wer treibt sich dort im Ringeltanz
So sinnenlos und wild?
Die Augen starr, und ohne Glanz,
Ein wahres Leichenbild! —
Ach Sohn! ach Sohn! laß' ab vom Tanz',
Du flechtest dir den Totenkranz.
Zur innern Ruhe sollst du's bringen,
Den Friedensfeind in dir bezwingen. —

Und als der neue Tag erwacht,
Ruft er der Mutter zu:
Ich habe deinen Rat bedacht,
Sieh' hier ein Bild der Ruh'. —
Ich sauge aus dem Gläserhaus,*
Des kleinen Sängers Luft heraus;
Und bald, gib' Acht! werd' ich's erzwingen,
Das Vöglein soll mir nimmer singen.

Drauf ward der letzte Zug vollbracht;
Und schon ist es getan. —
Das Vöglein sank in seine Nacht,
Flog nimmer himmelan. —
Der Sänger aber wankte fort,
Zu seinem stillen Ruheort.
Dort sank er auf sein Lager nieder,
Und hielt sein Wort — sang niemals wieder.

*
Luftpumpe

Der Nachtwandler
Wien 1824

Wie leuchtet der Vollmond so klar und so rein,
Als nächtliche Sonne, zur Stube hinein.
Da hebt sich der Vater mit bleichem Gesicht,
Und schauet mit Sehnsucht in's lockende Licht.

O Mütterchen! sieh doch den Vater, wie wild!
Er starret vor sich wie ein steinernes Bild.
Mich frostet's, als wehte ein eisiger Wind;
Ach schone dein krankes, dein sterbendes Kind!

Es neigt sich der Träumer zur Tiefe hinab,
Als seh' er sein Kindlein im offenen Grab.
Und jetzo, zum leuchtenden Monde gewandt,
Erhebt er das Kind mit der zitternden Hand.

O laß mich mein Vater! und decke mich zu;
Ich brauche der Wärme, ich brauche der Ruh!
Ach Mutter! erwache! und bleibe bei mir;
Lieb Mutter! lieb Mutter! er trägt mich von dir!

Die Mutter erwachet aus quälendem Traum,
Und sieht sich allein, im verlassenen Raum.
Da stürzt sie hinaus, aus dem öden Gebäu',
Und folget mit Jammer des Kindes Geschrei.

Mein Väterchen! bleib' doch! wo trägst du mich hin?
So hoch über Felsen! mir schwindelt der Sinn.
Ach bringe mich schnell in mein Bettchen zurück,
Ich sterbe, ich sterbe, schon bricht mir der Blick.

Der träumende Vater, der sinnet und schweigt,
Und immer noch höher und höher er steigt;
Schon blinkt die Kapelle von felsiger Spitz,
Im Mondenlicht glänzet der Göttlichen Sitz.

Ach Vater! wie wird mir vor Augen so klar!
Vom Kirchlein dort oben, ich nehm' es gewahr,
Da winkt mir ein Knabe — o laß mich doch aus!
Es trägt mich ein Lüftchen zum himmlischen Haus.

Und höher und höher der Träumende klimmt;
Tief unten sein Häuschen im Nebelmeer schwimmt,
Zur Seite da gähnen die Schlünde ihn an.,
Er schwebet, ein Schatten, auf schneidiger Bahn.

O heilige Mutter, wo nehm' ich ihn wahr!
Dort oben, da nistet auf Felsen der Aar,
Zerstücket ist lange die fährliche Bahn,
Ein Wunder nur trägt ihn zur Jungfrau hinan.

Du Mann meines Lebens! o eile herab!
Es reißt mit dem Kind dich zur Tiefe hinab.
O Jesus, Maria! im mondhellen Glanz,
Auf schwindelnder Spitze, da steht er — mein Franz!!

Sie ruft, und es dringet der Schrei durch die Nacht
Hinauf zu den Höhen — der Träumer erwacht —
— Tief unten da schlafen sie wieder zu drei;
Sie blieben im Leben, im Tode sich treu.

Der Frevler
Wien 1824

Was stürzt mit frechem Lachen
Sich jener Mann in's Meer? —
Wer rudert dort im Nachen
So ängstlich und so schwer?

Der Mann hat Gott vergessen,
Vertraut nur sich allein,
Und dünkt sich so vermessen,
Ein freier Geist zu sein.

Die Jungfrau auf den Wogen,
Die, fromm und gottgesinnt,
Zur Hülfe kommt gezogen,
Ist frechen Mannes Kind.

"Herr! laß es nicht geschehen,
Daß ihn die Tiefe faßt;
Laß ihn nicht untergehen
In seiner Sündenlast!"

Und schon kann sie erreichen
Den halb versunknen Mann;
Die hohen Wellen weichen,
Er schwingt sich rasch hinan.

""Glück auf! zum neuen Leben
Hab' ich mich aufgerafft;
Will Gott den Tod mir geben,
Versuch er seine Kraft.""

"Mein Vater, hörst du's weitern?
Komm mit mir in das Haus!"
""Ho Närrchen! laß es schmettern,
Ich lach' ob seinem Braus!""

"Gott! geh' nicht mit dem Spötter
In's schreckliche Gericht;
Laß ihn in deinem Wetter
Erkennen seine Pflicht."

Da schmettert's schrecklich nieder,
Hart vor dem Frevler hin.
Es beben seine Glieder,
Es starrt sein frecher Sinn.

Doch bald hatt' er vergessen
Des Himmels Warnungswort;
Und setzet wild vermessen
Sein Frevlerleben fort.

""Sieh!"" ruft er, ""Ätnas Feuer,
Wie stolz es sich erhebt!
Der Meister ist mir teuer,
Der dort im Innern lebt.

Hinauf! ich will ihn preisen,
Den mächt'gen Feuergott;
Und will mich ihm verheißen,
Im Leben und im Tod."" —

"Mein Vater! bleib! verlasse
Nicht deinen gnäd'gen Gott!"
""Ei daß ich nicht erblasse,
Sonst trifft wohl mich dein Spott.""

Er klimmt mit frechem Lachen
Den Feuerberg hinan.
Jetzt flammt's mit wildem Krachen,
Doch er verfolgt die Bahn.

Ihn faßt des Sturmes Wehen,
Treibt ihn zum Schlunde hin —
Willst du den Meister sehen? —
Nun! labe deinen Sinn.

Da fällt ein Feuerregen,
Und ringsum bebt der Grund. —
— Dem Kind ward Gottes Segen,
Doch ihn verschlang der Schlund.

Des Menschen Lebensbäume
Wien 1816

Zwei Bäumchen sproßen an der Wiege auf
Und wachsen mit des Menschen Lebenslauf:
Die hohe Pappel ist der Baum der Freude,
Zur Wiege neigt sich tief die Trauerweide.
Und wie die Tränenäste niederhangen,
Sieht man das Kind nach ihren Blättern langen.
So drückt der Mensch zuerst das Leid an's Herz,
Das Glück ist fern, und immer nah' — der Schmerz.

Des alten Sängers Haus
Wien 1839

Fragt Ihr nach dem Grab, das Ihr dort seht,
Wo das neugepflanzte Kreuzchen steht?
Wißt! es ist des alten Sängers Haus,
Wählte sich's zur ewigen Ruhe aus.
Kräftig rang sein langgequältes Herz,
Bis es endlich ward besiegt vom Schmerz.
Aber wie das Schicksal auch ihm grollte,
Er blieb Mann, der nur das Rechte wollte,
Der da stand, für was er einmal stand,
Ob er auch von Allen ward verkannt,
Nimmer sang sein Mund ein Schmeichellied,
Treu blieb er der Wahrheit, bis er schied!