weiter

Quelle:

Lyrisches und Episches

Betty Paoli
Gedichtesammlung

Pesth. 1855
Verlag von Gustav Heckenast

Most wretched hearts
Are cradled into poetry bei wrong:
They learn in suffering what they teach in song.
                                                     
 Shelley


Gedichte

 

Was bleibt
Eine Mahnung
Ein Liebeswerk
Eine Frage
Frauenglück
An den Kaiser
Die stillen Tage
Einer edlen Frau
Einem jungen Mädchen
Unsere Sprache
Ein österreichisches Lied
Maria Trost
Ohne Hehl
Ein Schicksalsschluß
Wandlungen
Zwei Bitten
Richtige Deutung
Der Räuber
An Rose von B.
Nachts
Bei Schelling's Tod
Einem Freunde
An Victorine W.
Kosakisches Wiegenlied


Was bleibt


Leid und Wonne sind nur Namen,
Die das Herz, wie bald! vergißt,
Und die Welt ist bloß der Rahmen,
Der das Menschenbild umschließt!

Ein's nur bleibt dir treu im Leben
Wenn so Schmerz wie Lust zerrann:
Was die Welt dir nicht gegeben
Und dir auch nicht nehmen kann!

Eine Mahnung

Vom dunkeln Fichtenwald umbraust
Lehnt die Ruine an dem Hügel;
Der Zahn der Zeit, des Sturmes Flügel
Sie haben tüchtig hier gehaust.
Rot glüht des Abendhimmels Feuer
Durch das gespaltne Dach herein,
Von dem geborstenen Gemäuer
Löst sich zerbröckelnd Stein um Stein.

Des Epheus grün Geflechte schlingt
Sich um die Pfeiler und Balkone
Ein Siegeszeichen, das, zum Hohne,
Natur, die ewig junge, schwingt!
Sie, die aus unerschöpfter Fülle
Stets neues kräft'ges Leben treibt,
Indes zu Schutt und zu Gerölle
Das Werk der Menschenhand zerstäubt.

Und stille sinnend sitz ich dort
So manchen sommerlichen Abend
Am Glück der Einsamkeit mich labend
Gestört von keinem Menschenwort,
Verkehrend nur mit den Gedanken
Die, wenn der Dämon in mir spricht
Durch die bewegte Seele schwanken
Jetzt dunkel und jetzt wieder licht! —

So saß ich gestern erst, allein
Wie immer, in den öden Hallen
Und ließ an mir vorüberwallen
Phantast'scher Bilder bunte Reihn.
Ich fühlte sie mich überkommen,
Mich überwält'gen je und je;
Mein Herz war schwer und war beklommen
Von einem rätselhaften Weh.

Gedenken mußt ich schwermutvoll,
In meines Geistes wachem Träumen,
Der Zeiten, wo in diesen Räumen
Der rasche Strom des Lebens schwoll!
Der längst zu Staub zerfallnen Herzen,
Die bang und freudig hier gepocht.
Von Wonnen bald und bald von Schmerzen
Von Lust und Jammer unterjocht!

Was schmeichelnd und was ungelind
Sich wechselnd in ihr Sein verwoben,
Ihr Lieben, Hassen ist zerstoben,
Dahingegangen in den Wind!
Wonach sie heißverlangend stritten
Bis zu den letzten Kampf und Hauch,
Was sie genossen, was sie litten
Entschwunden ist's, verweht wie Rauch!

Wie Rauch? Da sah ich an der Wand
An des Kamines spitzem Bogen
Die dunkle Spur, die hier gezogen
Des Herdes halbverglühter Brand.
Ich fuhr empor, von Grau'n durchschauert
Erschüttert sah ich Glück und Leid
Der Menschenseele überdauert
Vom Sinnbild der Vergänglichkeit!

Ihr Toten! rief ich, tief und fest
Nun schlummernd in den Grabeshallen,
Seht hier von eurem Erdenwallen
Den letzten, einz'gen Erdenrest!
Der Rauch, der eure Hallen schwärzte
Er zeigt sich noch der Enkel Blick, —
Von dem, was euch beglückte, schmerzte,
Blieb keine, keine Spur zurück!

O Gott! mein Gott! ist diese Welt
Des Menschen Grab wie seine Wiege?
Ist sie, aus kühner Fahrt zum Siege,
Nur deiner Kämpfer wandelnd Zelt?
Vermengt uns mit dem Staub der Erden
Ein unerbittliches Geschick?
Bleibt, weil wir ganz zum Lichte werden,
Kein Schatten hier von uns zurück?

Noch lange saß ich, wie gebannt,
Wie einer Geisterantwort harrend,
Mit unverwandtem Auge starrend
Auf jene Streifen an der Wand.
Dann schied ich, doch noch an der Pforte
Blickt' ich nach ihnen um; mir war's
Als läse ich die droh'nden Worte
Vom Gastmahl König Belsazar's!

Ein Liebeswerk

Es lebt der Mensch nicht bloß vom Brot,
Und nicht nach Brot nur geht sein Trachten!
Auch seinem Geist tut Nahrung not,
Soll er nicht kümmerlich verschmachten.
Verschmachten, oder in der Gier,
Entlodernd ewigem Bedürfen,
Mit ekler Kost sich sätt'gen hier,
Und dort von würz'gem Gifte schlürfen.

Entzündet sind der Fackeln zwei:
Die eine strahlt in milder Klarheit,
An dunklen Irrwahns Kluft vorbei
Zeigt sie den Weg zu Recht und Wahrheit
Die and're lockt den Menschengeist
Nach trügerischem Ziel zu streben,
Bis ihn der Schwindel erdwärts reißt
Und Todesschauer ihn umweben. —

Nur allzuwohl ist euch bewußt,
Wie oft die zweite ward geschwungen!
Ihr kennt das Gift, das in die Brust
Des Volks verheerend eingedrungen.
Wie tief, wie breit die Wunde klafft,
Wir schauten es in bösen Tagen,
Darum verdoppelt eure Kraft,
Hier gilt's zu heilen, nicht zu klagen!

Zu solchem Liebeswerk vereint
Sind, die sich hier zusammenfanden;
Daß unser Streben treu gemeint,
Nicht leugnet's wer es je verstanden.
Wer uns verhüllter Zwecke zeiht,
Die eitle Selbstsucht sich erwählet,
Wie ferne ist er, o wie weit
Vom wahren Sinn, der uns beseelet.

Wir wollen nichts, als stark und fest
Dem wilden Strom des Unheils wehren,
Daß länger nicht geheime Pest
Am Mark des Volkes möge zehren!
Wir wollen nichts, als seinem Geist
Einprägen neu der Wahrheit Zeichen,
Ihm statt des Gifts, das lockend gleißt,
Gesunde, kräft'ge Nahrung reichen.

Was unserm Volke frommen mag,
Das wollen wir es kennen lehren:
Die Wunder, welche Tag für Tag
In steter Ordnung wiederkehren,
Die ewigen Gesetze, die
Natur in ihrem Gange leiten,
Des Weltalls heil'ge Harmonie
Mit kernig schlichtem Wort ihm deuten!

Erschließen ihm das Heiligtum,
Das ernste, hohe der Geschichte,
Wo Österreichs Ehre, Preis und Ruhm
Erglänzt in ungetrübtem Lichte,
Ihm zeigen, wie so Lust als Schmerz
Die Fürsten stets mit ihm getragen,
Und wie so treu des Volkes Herz
Für seine Herrscher stets geschlagen.

Dann folgt wohl hin und wieder auch
Ein schlichtes Bild des Alltagslebens,
Dartuend wie ein Segenshauch
Schwebt über aller Müh' des Strebens,
Wie Fleiß und Ordnung, rege Kraft,
Verständ'ger Sinn, getreues Walten,
Dem Niedern oft ein Schicksal schafft,
Das die Geburt ihm vorenthalten. —

Was unser Ziel — ihr wißt es jetzt,
O helfet, helft uns, es erringen!
Was einzelner sich widersetzt,
Das muß vereinter Kraft gelingen!
O steht uns bei mit Wort und Tat!
Wirkt auf dem Feld, das wir bebauen,
Bis üppig schwellend steht die Saat,
Die hoffend wir dem Grund vertrauen.

Erst wenn ihr eurer Brüder Not
Des Geistes, wie des Leib's bedenket,
Und nicht nur ihrem Hunger Brot,
Auch ihrem Geiste Nahrung schenket,
Wenn euch die Liebesbotschaft kund,
Die uns zu solchem Werk verpflichtet,
Dann ist der Samariterbund,
Der heilig echte, aufgerichtet.

Eine Frage

Schutz sucht' ich vor dem Sonnenbrand
In einer schatt'gen Laube,
An deren dunkelgrüner Wand
Die Beere reift und Traube.
Des Westes leiser Hauch ließ sacht
Die Blätter sich bewegen;
Es war ein Ort, so recht gemacht
Erwünschter Ruh zu pflegen.

Dort ließ ich auf die Rasenbank
Der Zuflucht froh, mich nieder;
Balsamisch frische Kühlung sank
Auf meine heißen Glieder.
So sanft das Licht, so rein die Luft,
So schwellend weich die Moose!
Es hauchte wundersüßen Duft
In meiner Hand die Rose.

Die Rose, die am Gartendamm
In holder Schönheit nickte,
Bis sie von ihrem grünen Stamm
Die Freundin für mich pflückte!
Die ich, da ihre Hand sie brach,
Nicht achtend Dornesspeere,
Treu zu bewahren ihr versprach,
Als ob's ein Kleinod wäre. —

Des Tages dumpfe Schwüle wich,
Es dehnten sich die Schatten
Und, wie sie wuchsen, überschlich
Mich wonniges Ermatten.
Erinn'rung und Besinnung schwand
Es schwamm mein Haupt wie trunken
Und, meine Rose in der Hand,
Bin ich in Schlaf gesunken.

Wie lang ich also schlummernd lag,
Nicht weiß ich es zu sagen,
Es weckte mich vom nahen Hag
Der Nachtigallen Schlagen.
Die späte Abendstunde rief
Mich aus den grünen Hallen;
Da merkt' ich, daß, indes ich schlief
Die Rose mir entfallen.

Wohl sucht ich bei des Mondes Glanz
Sie lang noch unverdrossen.
Umsonst! es war als sei sie ganz
Im eignen Duft zerflossen.
Wie viel der Müh' ich dran gewandt,
Sie war nicht zu erspähen,
Und ohne jenes werte Pfand
Mußt ich nach Hause gehen.

Hinschritt ich durch das Laubrevier
Beim Sternenlicht, dem schwanken;
Es regten in der Seele mir
Sich allerlei Gedanken.
Der Schlaf in dem mein Röslein ich
Verlor, zu flücht'gem Kummer,
Ein mahnend Sinnbild dünkt er mich
Von einem künft'gen Schlummer.

Wenn einst, für einen höhern Raum
Geläutert und gereifet,
Des Lebens wechselvollen Traum
Die Seele abgestreifet
Gesprengt ihr letztes Fesselband
Ihr Schwanenlied gesungen
Und zu dem Licht, das sie geahnt,
Sich siegreich aufgeschwungen:

Ob da nicht die Erinn'rung auch
An die versunk'nen Tage,
An Frost und Glut und Lenzeshauch,
An ird'sche Lust und Plage,
An alles Glück, das sie empfand,
Das Weh, das sie erlitten,
Wie jetzt die Rose meiner Hand,
Dem müden Geist entglitten?

Frauenglück

Es gibt ein Glück, vom Weibe nur empfunden
In Liebe sich so gänzlich zu versenken,
Daß für sein Handeln, Dulden, Fühlen, Denken
Fortan der Schwer - und Ruhepunkt gefunden;

Dem Manne, dem es innig sich verbunden
Der besten Güter reichstes Maß zu schenken
Und drauf den Zweck des Daseins zu beschränken
An allen Orten und zu allen Stunden.

Solch treue Liebessorge kann sich zeigen
In mancherlei verschiedenen Gestalten,
In Tat und Wort, ja selbst in mildem Schweigen.

Doch heilig ist sie stets und hoch zu halten,
Mag als Maria sie dem Geist sich neigen,
Als Martha im Bereich des Hauses walten.

An den Kaiser
Zur Erinnerung an den 18. Februar 1853

Die frevelnd auf dich eingedrungen,
Die blutbefleckte Mörderhand.
Sie hat nur fester noch geschlungen
Der alten Treue heil'ges Band.

Denn was als dunkle unbewußte
Empfindung unsre Brust erfüllt,
Ward von dem drohenden Verluste
Dem eignen Geiste erst enthüllt.

Und klar, wie nie in frühern Stunden,
Erkannten wir zu dieser Frist,
Daß unser Los an dich gebunden
Daß dein Geschick das unsre ist!

Daß du der Stamm, um den die Ranke
Jedweder Hoffnung froh sich schlingt,
Daß du der leuchtende Gedanke,
Der unser Aller Sein bedingt! —

So, wenn aus dunklem Wolkenkranze
Der grelle Blitz herniederloht,
Umkleidet er mit reicherm Glanze
Was er uns zu entreißen droht!

Der Hauch des Herrn hieß ihn zerstieben,
Den Blitz, der dich nur leicht versehrt,
Allein der Glanz ist dir geblieben
Womit sein Schimmer dich verklärt!

Licht seh ich ihn dein Haupt umwallen!
Ein Pfand, verliehen vom Geschick,
Spricht er zu deinen Völkern allen:
"Mit euch ist Cäsar und sein Glück!"

Die stillen Tage

Eine milde Stimme ruft
Uns zur Herbstesfeier.
Über Berg und Strom und Kluft
Ruht ein gold'ner Schleier;
Durch den Äther blau und klar,
Kreisend hin und wieder
Singt der Wandervögel Schar
Frohe Abschiedslieder.

Herbstnatur! dir tief verwandt
Ist mein inn'res Leben,
Dem für Glut, die ihm entschwand,
Klarheit ward gegeben,
Das für wilde Leidenschaft,
Die es einst durchrauschte,
Heit're Fülle, ruh'ge Kraft
Stille Wärme tauschte!

Über dem, was mir zuvor
Schmerz schien und Verhöhnung
Liegt nunmehr der goldne Flor
Innerster Versöhnung!
Und die Lieder meiner Brust
Streben nach den Zonen
Wo in ungetrübter Lust
Ew'ge Lenze wohnen!

Einer edlen Frau

Als Priesterin wirkst du, als echte,
Im werten Samariterbund:
Was hilfreich spendet deine Rechte
Nicht wird es deiner Linken kund.

Der Menge Lob pflegst du zu fliehen,
Und, wenn bewältigt du ein Weh',
Dem brünst'gen Dank dich zu entziehen
Wie eine scheue, flücht'ge Fee.

Beharre nur bei deinem Schweigen!
Ob Niemand deinen Namen kennt.
Ward doch ein and'rer dir zu eigen,
Der dich, dein Sein und Tun benennt!

Die du gerettet aus Gefahren
Erlöst von bitt'rer Sorge Schmerz,
Sie nennen dich bereits seit Jahren
Mit frommem Danke: Engelherz.

Einem jungen Mädchen
An Emilie R.

Ich liebe dich, wie man ein Bildnis liebt,
Das, von der Kunst geheimnisvollem Wesen
Verschönert, unsre Züge wiedergibt,
Nicht wie wir sind, nein! wie wir einst gewesen.

Du bist mir wert, wie die Erinnerung
Dem Geiste teuer bleibt an jene Zeiten
Wo unser junges Herz voll Kraft und Schwung
Der Güter höchste dachte zu erstreiten.

O wenn mein Auge sinnend auf dir ruht,
Du von der Hoffnung Morgenschein Umhauchte!
Ist mir's, als ob aus dunkler Meeresflut
Noch einmal meine eigne Jugend tauchte! —

Und denk ich dann von welcher Nattern Stich
Dein Herz die blut'ge Spur dereinst wird tragen,
Bis du, der ich in meiner Blüte glich,
Mir gleichen wirst in meinen jetz'gen Tagen:

Da senkt, umflort, zu Boden sich mein Blick
Und Ahnung will mich wehmutvoll durchschauern,
Ich sei bestimmt, entschwundner Jugend Glück
In dir ein zweites Mal noch zu betrauern.

Unsere Sprache

Deutsche Sprache! Zaubergarten
Du, mit Blumen aller Arten
Reich und wundersam bekränzt!
Schacht, in dessen dunkeln Gängen
Gold und Eisen sich vermengen
Und der Lichtkarfunkel glänzt!

Meer aus dessen Wogenfülle
Ohne Schleier, ohne Hülle
Sich die reinste Schönheit hebt!
Luft aus klaren Ätherhöhen
Die mit ihrem frischen Wehen
Wie des Morgens Hauch belebt!

Tief ist deine Macht begründet,
Einz'ges Band, das uns verbindet
Und so fest zusammenhält,
Daß von Deutschlands Ruhm und Leide
Jenseits der Atlantis Scheide
Deutsche Herzen noch geschwellt!

Ein österreichisches Lied

Gott erhalte unsern Kaiser,
Schütze sein geliebtes Haupt,
Das der Glanz der Lorbeerreiser,
Das des Friedens Kranz umlaubt!
Schütz' ihn, der im Rat ein Weiser,
Und ein Held ist im Gefecht!
Gott erhalte unsern Kaiser,
Segne ihn und sein Geschlecht!

Wo sein Geist beglückend waltet
Werde froh das Ziel erstrebt!
Wo sich sein Panier entfaltet,
Sei es stets vom Sieg umschwebt,
Bis sein Aar, ein Weltumkreiser,
Jede Unbill kühn gerächt!
Gott erhalte unsern Kaiser,
Segne ihn und sein Geschlecht!

Wenn am mühevollen Tage,
Wenn in schlummerloser Nacht,
Er mit höherem Herzensschlage
Für das Wohl der Seinen wacht,
Dann durchström' ein Hauch, ein leiser,
Herr! aus dir ihn, heilig, acht!
Gott erhalte unsern Kaiser,
Segne ihn und sein Geschlecht!

Östreichs Völker! Treubeseelet
Stützt das Werk an dem er schafft!
Seiner lautern Kraft vermählet
Eure eigne, beste Kraft!
Folget ihm, dem edlen Weiser,
Auf der Bahn von Ehr' und Recht!
Gott erhalte unsern Kaiser,
Segne ihn und sein Geschlecht!

Maria Trost
in Steiermark

Maria Trost! Es ist ein süßer Name,
Den sie dem schlichten Gotteshaus gegeben;
Vorhalle scheint's von einem bessern Leben,
So traute Zuflucht bietet es dem Grame!

Auf steiler Höhe, in der Waldeslichtung
Seh' ich's empor gleich einem Leuchtturm ragen,
Als wollt' es Herzen, die der Sturm verschlagen,
Zum sichern Hafen zeigen Weg und Richtung.

Und Mancher pilgert aus dem Talesgrunde
Zum Kirchlein, drüber schwebt geheimer Segen;
Dort hofft er seine Lasten abzulegen
Und zu genesen von jedweder Wunde.

Indes er diese Hoffnung faßt und nähret,
Ob ihr auch die Erfüllung nicht beschieden,
Fühlt er von einem wundersamen Frieden
Sein Innerstes durchdrungen und verkläret.

Zu doppelt schönem Fest ist er geladen:
Es darf sein Geist die Luft der Heimat saugen,
Und, schmerzversöhnend blickt ihm in die Augen
Natur, die milde Mutter aller Gnaden!

Und dieser Trost, mit Worten nicht zu sagen,
Der euch nicht mehr als blinden Irrwahns Schemen,
Er lehrt ihn seine Bürden auf sich nehmen,
Und seine Wunden lehrt er ihn ertragen.

Ohne Hehl

Aus der Ferne sendest du
Heiter Kunden an die Deinen,
Nicht zu trüben ihre Ruh'
Willst du froh und glücklich scheinen.

Aber Schmerzensworte hast
Heimlich'du an mich geschrieben;
Solltest du, so scheint es fast,
Weniger als sie mich lieben?

Wenn in nächt'ger Einsamkeit
Mich die Sorg' um dich durchschauert,
Geht dir minder nah mein Leid
Als es dich des ihren dauert?

Nein! dich treibt ein bessrer Grund
Weiche Schonung zu verschmähen,
Wie dein Herz erschöpft und wund
Rückhaltslos mir zu gestehen.

Nein! wenn du das Schweigen brichst
Daß ich wisse, was dich quäle,
Ist es, weil du zu mir sprichst
Wie zu deiner eignen Seele!

Weil so eng verbunden wir,
Daß du selbst nicht im Gedanken
Duldest zwischen dir und mir
Trennender Gefühle Schranken.

Tiefster Freundschaft Bürge ist
Mir dein schonungslos Vertrauen
Und vor solchem Glück zerfließt
Sorg' und Schmerz wie Nebelgrauen.

Ein Schicksalsschluß

Das düstre Los der Titaniden,
Von unnahbarer Hand gewebt,
Jedwedem Herzen ist's beschieden,
Das nach der Sel'gen Wonne strebt.

Magst du dagegen kämpfen, ringen
Allewig steht des Schicksals Schluß:
Den, der sich zum Olymp will schwingen,
Stürzt es hinab zum Tartarus.

Es wird von strenger Götter Zorne
Kein Frevler so bestraft, verflucht,
Wie der vom Erdenweib Geborne
Wenn glücklich er zu sein versucht.

Wandlungen

                                  I.

So lang noch feurig rasch die Pulse schlagen,
Der Geist gehoben von der Jugend Schwingen,
O mit wie mächt'gern Reiz lockt da das Ringen!
Wie drängt's das Herz zu kämpfen und zu wagen!

Doch anders ist es in den spätern Tagen
Wenn finstre Zweifel unsren Geist bezwingen,
Und ihm zuletzt von allen ird'schen Dingen
Nicht ein's noch würdig scheint, darnach zu jagen!

Wohl schwindet dann der Kampf mit seinen Qualen,
Kein Wunsch hält mehr die Seele dir gefangen,
Doch es verlöschen auch der Sonne Strahlen!

Vernichtet ist für dich der Schöpfung Prangen.
Hat länger sie kein Ziel dir vorzumalen,
Nach dem dich hindrängt Sehnsucht und Verlangen.

                                  II.

Nun meinst du, kann dich nichts mehr locken, schrecken,
Da dir vom Auge fiel der Täuschung Binde!
Doch unter deines Mißmuts starrer Rinde
Wird Liebe bald ein neues Leben wecken.

Mit Schmerz- und Wonnegrau'n wirst du entdecken
Wie warm, wie lebhaft noch dein Herz empfinde,
Gilt's deinem Bruder, gilt es deinem Kinde
Ans Ziel zu helfen, welches sie sich stecken.

Für sie begehrst du mit verstärktem Drange
Die Güter, die dir erst so arm und nichtig:
Ihr Schicksal bleicht und rötet deine Wange!

In ihrem Los dünkt dich das Kleinste wichtig,
Und so macht Liebe dich mit sanftem Zwange
Den Sorgen und den Kämpfen wieder pflichtig.

Zwei Bitten

Der wüste Braus, der mich umlärmet,
Ist mir ein schmerzenreiches Lied
Der Menschheit, welche abgehärmet
An des Bedürfens Karren zieht.
Es schnaubt der Dampf, die Räder kreisen,
Der Laut der Spindeln summt darein,
Der schwere Hammer stampft das Eisen,
Zum Bau behauen wird der Stein.
Hin durch der Werkstatt lange Zeile
Geht ein Gedröhne dumpf und schwer
Und rastlos zischt in ängst'ger Eile
Des Webers Schifflein hin und her.
Und alle, alle diese Stimmen,
Die wirr hier ineinander schwimmen,
Ein Meer von Mühsal und von Not,
Vom Morgen- bis zum Abendscheine,
Sie bitten, fleh'n nur um dies Eine:
Herr! gib uns unser täglich Brot! —

Im Geist der Müden, Abgequälten,
Wie fände sich da auch noch Raum
Für lichte Ahnung höh'rer Welten,
Für Sehnsucht und prophet'schen Traum?
Nicht ruhen läßt sie und nicht rasten
Der Sporn der Sorge, spitz und scharf,
Ihr Leben ist ein krampfhaft Hasten
Nur nach dem leiblichen Bedarf
Und dumpf betäubt von dem Geschwehle,
Verfällt in Schlummer starr und tief,
Die arme, unterdrückte Seele
Die Gott zu schönerm Los berief.
Von höhrer Nahrung abgeschnitten,
Weiß sie allein um Brot zu bitten!
Fern bleibt es ihr und gilt ihr nichts
Der Bitte sich zu unterfangen:
Herr! laß dein Reich zu uns gelangen,
Das R eich der Wahrheit und des Lichts!

Richtige Deutung

Allzu bescheiden, allzu schüchtern nennt
Ihr Jenen gern, der seine Wege wandelt,
Der nicht nach euerm Beifall buhlt und brennt,
Für euern Flitter nicht sein Gold verhandelt.

Der wahre Grund, der fern von euch ihn hält,
(Ich will ihn diplomatisch nicht umschreiben,)
Verachtung all des Tands, der euch gefällt,
Und Ekel ist's vor euerm schalen Treiben!

Der Räuber
Nach einem altrussischen Volkslied

Den Feinden, die er lang genarrt,
Ist er zuletzt erlegen,
Jetzt steht er vor dem Zar und harrt
Dem Urteilsspruch entgegen.

"Wie viele halfen dir den Raub',
Den kühnen, zu begehen?"
""Rechtgläubiger Zar, vor dem ich Staub,
Ich will dir Rede stehen!

Wohl hatt' ich vier Genossen wert,
Ich sag es ohne Finte:
Die dunkle Nacht, mein flinkes Pferd,
Mein Messer, meine Flinte.""

Da spricht der grause Zar: "Wer darf
Dich darob schmäh'n, mein Junge?
Dein Arm ist stark, dein Eisen scharf
Und witzig deine Zunge.

Mit Recht magst du mein kluger Held
Auf meine Huld vertrauen!
Man soll alsbald auf freiem Feld
Ein Haus für dich erbauen.

Ein Haus, wie noch kein höh'res stand
In grüner Steppen Mitte!
Zwei Balken bilden seine Wand,
Das Dach ersetzt der dritte."

An Rose von B.

Die Sage meldet uns, daß Feen,
Der Menschen freundlich eingedenk,
Schon an des Kindes Wiege stehen,
Ihm spendend manches Weihgeschenk.

Und was auf seinen späten Wegen
Es nach des Lebens Höhen führt
Ist Folge nur von jenem Segen
Der liebevoll das Kind berührt! —

Dir gab die Blumenfee, die Rose,
Nicht ihren Namen nur allein,
Als Patin lieh sie deinem Lose
Von ihrem eignen besten Sein:

Der Schönheit zauberische Blüte
Das Aug' erfreu'nd, das sie erblickt,
Den tiefen Seelenduft der Güte.
Der müde Herzen fromm erquickt!

Sie gab dir ihre stillen Weihen
Von Tau und West und Sonnenlicht,
Sie schuf dich in der Frauen Reihen
Zum holden, atmenden Gedicht.

So hold, so süß, daß selbst das arme,
Vom rauhen Nord verwehte Blatt,
In seinem hoffnungslosen Harme
An dir noch seine Freude hat!

Nachts

In stiller Ruhe liegt das Land
Der Nachtwind streifet feucht und kühl;
Was ist es, das den Schlaf verbannt
Und scheucht von meinem müden Pfühl?
Was ist's, das mich nicht ruhen läßt
Im fiebernden Gehirn mir spukt,
Durch jedes Nervenstamms Geäst
Wie eine Naphtaflamme zuckt?

Der mich verfolgt mit solchem Groll,
O nur zu wohl kenn' ich den Feind!
Es ist der Mond, der bleich und voll
Herein in meine Stube scheint.
Ich fühl die kalte Geisterhand
Womit er mich zu fassen strebt,
Jedweder Strahl ein Fesselband,
Das er um meine Sinne webt.

Je heller mich sein Licht umgleißt,
So ferner rückt mir Ruh und Rast,
So wilder, heißer wird mein Geist
Von glühnden Sehnens Brand erfaßt!
Dem Sehnen nicht, das ird'schem Teil
Nachjagt in ungestümer Flucht,
Dem unstillbaren, das sein Heil
Nur mehr in andern Welten sucht.

Ich aber bin der Erde Kind
Und stehe in des Lebens Reihn!
Ob es mir hold, ob ungelind
Ich will mich nicht mit ihm entzwei'n.
Wohl zieht der Mond den Zauberkreis
Um mich stets näher, enger stets,
Allein mit einem Ruck zerreiß'
Ich seiner Fäden Silbernetz.

Den Vorhang lass ich rasch herab,
Die beiden Laden schließ' ich zu!
Nun ist es dunkel wie im Grab,
Und um mich her die tiefste Ruh.
Jetzt komm, o komm, ersehnter Schlaf
Daß ich, was mich an Lust und Harm
Am wechselvollen Tage traf.
Vergessen mög in deinem Arm.

Umsonst! umsonst! den ich nicht seh',
Ich fühle ihn den mag'schen Glanz!
Mit tief geheimnisvollem Weh
Bezwingt er mir die Seele ganz.
Daß ich ihn so von mir verbannt,
Ein Frevel dünkt mich's, eine Schuld,
Als hätte ich mit rauher Hand
Zurückgewiesen treue Huld.

Als hätte ich, vom Trotz erfüllt,
Dem Freund den Weg zu mir verwehrt,
Vor einem Auge mich verhüllt,
Das sehnsuchtsvoll nach mir begehrt!
Als hätte ich ein mystisch Band
Verhöhnt mit übermüt'gem Scherz,
Von meinem Bruder mich gewandt
Und ihm verschlossen Tür und Herz!

Dort durch die schmale Ritze quillt
Ein halbgebrochener Dämmerschein;
Er lockt so süß, er fleht so mild, — —
Verbannter! nur herein! herein!
Den Vorhang weg! die Laden auf!
Sei mir gegrüßt viel tausendmal!
Auf's neu, in ungehemmtem Lauf
Ergießt auf mich sich Strahl um Strahl! —

Ich weiß es, was vor dir erbebt
Und deine Geisternähe scheut,
Die Fessel ist's, um mich gewebt
Vom trüben Stoff der Menschlichkeit.
Des Staubes Teil ist es allein,
Was bang und feig vor dir sich schreckt,
Wenn ahnungsvoll dein klarer Schein
Des Heimweh's Qual in mir erweckt.

Der Strahl jedoch, in meine Brust
Wie in ein dunkles Grab gesenkt,
Er danket dir mit heißer Lust,
Der stundenlang ihm Freiheit schenkt
Er unterwühlt des Körpers Bau,
An den ihn knüpft ein harter Bann,
Bis er ins duft'ge Ätherblau
Erlöst zu dir entfliehen kann. —

Bei Schelling's Tod

Was ist es, das mein stilles Denken
Ans Grab des Hingeschied'nen bannt?
Was treibt mich, Tränen ihm zu schenken,
Ihm, den ich nur im Flug gekannt? —
Hat nicht das Alter seine Haare
Zu Silber und zu Schnee gebleicht?
Hat in dem Laufe langer Jahre
Er nicht sein Ziel mehr als erreicht?
Nicht eher ward er abgerufen
Als bis die höchste er der Stufen
Erstiegen, frei und unbeschränkt!
Es ist ein abgeschlossnes Leben,
Ist ein zur Tat gewordnes Streben
Was man in diese Gruft versenkt. —

Hier ist ein tief'rer Grund zu Klagen
Als um das Los der Menschlichkeit:
Es ward mit ihm zu Grab getragen
Ein letzter Bürger jener Zeit
Wo aus des deutschen Geistes Tiefen
Der Welt ein Labequell entsprang,
Wo deutscher Sinn den Hieroglyphen
Der Welt die Deutung kühn entrang,
Wo, siegend ob dem Zauberbrodem
Des Scheines, Gottes heii'ger Odem
Das Herz des Vaterlands berührt!
Er war die milde Abendröte
Des Tags, den Schiller, Kant und Goethe
Für unser Volk herausgeführt.

Ein Volk von Denkern und von Dichtern
So wurden damals wir genannt.
Meint ihr, der Spruch von jenen Richtern
Er habe jetzt auch noch Bestand?
Die Großen schwinden, Kleine kommen
Und drängen sich an Jener Platz;
Der, freilich, ist bald eingenommen,
Allein: wie steht's um den Ersatz?
O Deutschland! die ersehnte Einheit,
Durch hohen Strebens Allgemeinheit
Ward sie dir doch zum Teil beschert;
Sollst du auch diesen Schmuck entbehren
Was wird, ich frag es unter Zähren,
Aus deiner Größe, deinem Wert?

Einem Freunde

Grolle nicht dem Widerspruch,
Der dein Innres spaltet,
Bald als Segen, bald als Fluch
Wechselnd sich gestaltet!
Lern in gut und böser Zeit
Dich ertragen eben,
Und bedenk im schwersten Streit:
Widerspruch ist Leben.

Und je höher seine Flut,
Sturmesfroh, sich bäumet,
In je heiß'rem Schwall das Blut
Durch die Adern schäumet
Und je kühner himmelan
Sich der Blick gehoben,
Um so fester hat der Bann
Magisch dich umwoben.

Jener Bann, von dessen Spur
Einzig die sich lösen
Die geschickt zum Guten nur
Oder nur zum Bösen.
Unbeengt von solcher Haft
Kannst du frei hin wandern,
Denn wie zu dem Einen Kraft,
Hast du Kraft zum Andern!

Denn du trägst in deiner Brust
Zweier Welten Fülle
Und bist gut nicht weil du mußt.
Sondern weils dein Wille.
Was sich in des Busens Nacht
Gräulich regt, du weißt es,
Doch entgegen stellst die Macht
Du ihm deines Geistes.

Ahnung, welche leis erglimmt
Will es mir besiegeln
Daß dich Gott dazu bestimmt
In dir abzuspiegeln
Was an Härte und an Huld,
Was an Lieb und Hassen,
Lichter Reinheit, trüber Schuld,
Erd und Himmel fassen.

Recht hat, wer dich edel nennt,
Recht, die bös dich schelten,
Aber wer dich ganz erkennt,
Läßt dich ganz auch gelten.
Wie der Elemente Wust
Klarheit doch und Frieden
So vereinigt deine Brust,
Was in sich geschieden.

An Victorine W.

Der Engel, der dir beigegeben
Zu leiten dich mit treuer Hand
Verwaist nicht wähnt er sich im Leben
Aus seinen Himmeln nicht verbannt!

Denn deiner Stimme süße Lieder
Sind ihm ein heimatlicher Laut,
Des Edens Licht erstrahlt ihm wieder,
Wenn er in deine Seele schaut.

Verwandter Abkunft leuchtend Zeichen
Macht euch zu Kindern einer Welt!
So fühlt er sich bei seinesgleichen
Da Gott ihn dir hat zugesellt!

Kosakisches Wiegenlied
Nach Lermontoff

Daß der Schlaf dich weich umschmiegt
Lulle ich dich ein;
Silberhell auf deine Wiege
Fällt des Mondes Schein.
Mit Gesang, mit Märchensagen
Bring ich dich zur Ruh'
Und mit lieblichem Behagen
Schließt dein Aug' sich zu.
Wo der Terek über Steine
Jähen Laufes braust,
Lauert der Tscherkesse seine
Schaschka in der Faust.
Doch wir wollen ihn nicht scheuen,
Denn dein Vater wacht,
Der aus jedem Kampf sich neuen
Siegesruhm gebracht,
Und auch du wirst einstens ringen
Auf der gleichen Bahn,
Freudig auf dein Roß dich schwingen
Waffenangetan.
Sticken will mit Fäden Goldes
Ich des Sattels Saum —
Schlummre du mein Kind, mein holdes
Träume süßen Traum.
Echt und treu wird sich bewähren
Dein kosakisch Herz,
Nach Gefahr und Sieg begehren
Trotz der Mutter Schmerz!
Scheidend winkt mir deine Rechte
Und es ist getan!
Welche Tage, welche Nächte
Harren meiner dann!
Bis du wieder einst geborgen
Heim kehrst aus der Schlacht,
Werd ich Tags um dich mich sorgen
Grämen mich bei Nacht!
Schlummre sanft, da du zur Stunde
Noch nicht ahnst und weißt,
Daß nur Kampf und Wund' um Wunde
Was man Leben heißt.
Schenken will ich, dich zu wahren
Dir dies Heil'genbild;
In Bedrängnis und Gefahren
Dien' es dir als Schild!
Gottes bist du! seinen Wegen
Folg in Nacht und Licht!
Halt an deiner Mutter Segen, —
Er verlaßt dich nicht!
Ihn ruf an, wenn schon im Schwunge
Dir der Mordstahl dräut, —
Schlumm're, du mein süßer Junge!
Noch ist's nicht so weit!