weiter
 

Der Friede nicht, der Sturm trägt uns nach oben
Die höchsten Freuden sind auf dunklem Grunde
Gleichwie des Äthers Sterne eingewoben
                                                 
G. Herwegh


Sonette

 

Vorsatz
Beata solitudo; sola beatitudo
Abschluß
Mein Ruhm
In ein Album
Felicia Hemans
An Wilhelm Kaulbach
Der toten Mutter
Den Vergessnen
Dem trüben Freund
Verständnis
Zuflucht
Unwandelbar
Nächtliche Feier
Schranken

 
Gedächtnis
Beruf
Herbstgefühl
Requiescat
Entmutigung
An die Einsamkeit
Plan

 

Vorsatz


Es hielt mich lang ein finstrer Bann gebunden.
Bis Meister Schicksal seinen Hammer schwang
Und von dem schweren Streich die Form zersprang.
Der sich mein wahrhaft Selbst nun blank entwunden.

Was Andre tötet, machte mich gesunden,
Mich machte die Erkenntnis; frei vom Zwang;
Wonach ich sehnend und verzweifelnd rang,
Den Trost, ich hab ihn in mir selbst gefunden:

Des Selbstgefühles ritterliche Wehre,
Den kühnen Trotz gen irdisches Verderben,
Das feste Halten an der eignen Ehre!

Und soll mein Himmel sich noch dunkler färben,
Erlieg ich einst dem giftgetränkten Speer,
Will ich, wie Roma's Kaiser, stehend sterben.

Beata solitudo; sola beatitudo

Ich bin es müd, mit töricht milden Händen
Auf starre Felsen Himmelssaat zu säen,
An dumpfe Herzen, die mich nicht verstehen,
Noch länger Lied und Liebe zu verschwenden.

Zur Einsamkeit will ich den Schritt nun wenden,
Wo Laute Gottes durch die Stille wehen,
Und dir, Natur! du mächtigste der Feen,
Des Herzens letzte Opfergabe spenden.

Du bist das Paradies, das nie verlorne
Mit sanftem Friedenshauch heilst du die Seele,
Wenn sie geritzt vom scharfen Lebensdorne.

Nur dir allein will ich mein Leid erzählen
Und träumend sitzen an dem Waldesborne
Und seinem Rauschen meinen Sang vermählen.

Abschluß

O laß sie dich nicht reu'n, die tiefe Wunde,
Die du der Brust der Dichterin geschlagen!
Fern sei's von mir, dich darum anzuklagen,
Denn Gottes Walten war mit dir im Bunde!

Oft gab mir mein geheimstes Ahnen Kunde:
Die kühn den Kampf um ew'ge Güter wagen,
Sie dürfen keine ird'sche Fessel tragen
Und klar wie nie fühl ich's in dieser Stunde.

So brich denn ein, du letzte Kerkerwand!
Aus Gottes Armen will ich auswärts schweben
Du warst das Werkzeug nur in seiner Hand.

Ein höh'res Ziel bestimmt er meinem Leben,
Als eitler Liebe bald verglommnen Brand
Und ihm, nicht dir, füg' ich mich nun ergeben.

Mein Ruhm

Das ist mein Stolz, daß ich in diesen Tagen
Wo feige Rücksicht so viel Zungen bindet,
Und fester stets das Reich des Trugs begründet.
Der Wahrheit leuchtend Banner kühn getragen;

Daß treu mein Herz für Recht und Licht geschlagen,
Dem folgend, was sich göttlich ihm verkündet.
Und nicht, ob es in Pactols Wellen mündet?
Mit schnödem Wuchersinn je mochte fragen;

Daß ich, gehaßt von Jenen, deren Streben
In meinem Innersten ich muß verdammen,
Weil sie der freien Psyche Fesseln weben;

Daß ich geliebt von dir, den Schmerzenflammen
Beheiligt und geweiht zu höhrem Leben
Und daß in dir mir Welt und Sein verschwammen!

In ein Album

Ein Lied von mir — was soll's in diesen Blättern
Von heitern Freundeshänden vollgeschrieben?
Was sollen in dem Kreise deiner Lieben
Hier dieser Grabschrift dunkel starre Lettern? —

Sahst du die Gemse je den Fels erklettern
Von heißer Angst verzweifelnd fortgetrieben,
Bis ihr kein andrer Ausweg mehr geblieben,
Als sich im Schwindelsturze zu zerschmettern?

So hat auch mir von allen, allen Wegen
Der Jäger Leben keinen frei gelassen
Und treibt mich nun dem Jäger Tod entgegen.

O sprich! wenn mich einst seine Arme fassen,
Schenkst du mir dann wohl frommen Mitleidssegen
In einem Blicke, einem tränennaßen? —

Felicia Hemans

Es schwebt dein Lied mit heilig reinen Schwingen
Sanft tröstend über dunkeln Zweifelswogen,
Kein Sturm hat jemals es hinabgezogen, —
Er konnte nicht zu deiner Höhe dringen.

Dein frommer Sinn entging des Lebens Schlingen,
Von keinem Wahnbild ward dein Aug' betrogen,
Du sahst, aufblickend zu dem Himmelsbogen,
Die Welt in Gott und Gott in allen Dingen.

Als Liebesgabe streutest du die Spende
Der zarten Lieder aus, in deren Fülle
Sich Engelszüge hold verschämt entschleiern.

Und lieblich wie dein Leben war dein Ende!
An einem Sabbatmorgen schiedst du stille,
Den Tag des Herrn in seinem Zelt zu feiern.

An Wilhelm Kaulbach

Ein Morgen war's wie Gott ihn oft noch sende,
Als ich betrat die kunstgeweihte Halle,
Wo du, entfernt vom müß'gen Menschenschwalle,
Still nährest der Begeist'rung heil'ge Brände.

Gewalt'ge Bilder schmückten rings die Wände:
Die Geisterschlacht auf luft'gem Wolkenwalle,
Jerusalem in seinem Todesfalle,
Die edlen Werke deiner weisen Hände.

Ein schönes Bild in der Verklärung Rahmen
Standst du vor mir; da ward mein Herz beklommen
Von Ahnungen, die trüb es überkamen.

Als ich dich sah von Ruhm und Reiz umglommen,
Dacht' ich des Malers mit dem Engelsnamen,
Den Gott geliebt und früh zu sich genommen.

Der toten Mutter

Oft hörte man in vor'ger Zeit mich klagen
In trostlos bangem, schmerzlichen Vermissen,
Daß Gottes Schluß so früh dich mir entrissen,
Daß sie so früh zu Grabe dich getragen.

Daß deine Brust, die treue, ausgeschlagen,
Die einstens war mein sanftes Ruhekissen;
Daß in des Lebens wirren Finsternissen
Ich nun vergeblich muß nach Liebe fragen.

Doch jetzt, wo wild're Stürme mich umschauern,
Als früher jemals meine Seele trafen,
Kann ich dein Scheiden nimmermehr bedauern.

Trost ist mir's, daß du schon im sichern Hafen,
Bedenk ich, welchen Schmerz und welches Trauern
In deiner stillen Gruft du darfst verschlafen.

Den Vergessnen

O sprecht mir nicht bedauernd von den Qualen
Die Dante's kühnen Dichtergeist durchdrungen,
Von denen Tasso's trübes Herz bezwungen,
Die sich auf Byron's schönem Antlitz malen.

Denn Purpur liegt auf ihren Wundermalen,
Was sie geahnt, das haben sie errungen,
Es tönt ihr ew'ges Lied von allen Zungen,
Ihr Ruhm wird licht durch alle Zeiten strahlen.

Viel tiefres Mitleid macht mein Herz erkranken,
Gedenk' ich Jener, denen das Verhängnis
Den freien Geist gebannt in starren Schranken;

Die ruhmlos fielen in des Kampfs Bedrängnis,
Dem Stummen gleich, der rettende Gedanken
Verkerkert fühlt in seines Mund's Gefängnis!

Dem trüben Freund

Und glaubst du denn, daß die geheimen Wehen,
Die heimlich rauh in deiner Brust erwachten,
Ob du sie auch magst zu verbergen trachten,
Der Freundin treu besorgtem Blick entgehen?

Der Andern Mitleid magst du stolz verschmähen.
Doch meine Liebe darfst du nicht verachten;
Wie groß die Schmerzen auch die dich umnachten,
Ich litt genug, um alle zu verstehen.

Allein empfandst du je in dir mit Grauen,
Daß sich die finstern Geister mächt'ger regen.
Wenn sie in Worten sich verkörpert schauen;

Dann will, ich gern, als stillen Tränensegen,
Auf die verschwiegnen Wunden Balsam tauen
Und schweigend den geliebten Kranken pflegen.

Verständnis

Gefallen mögen sich die Schwachen, Feigen,
Im listigen Verbergen und Verhehlen;
Verstohl'nes Glück mag ihren matten Seelen
Den stärkern Reiz, die schärf're Würze zeigen.

Mich aber ängstigt dieses dumpfe Schweigen,
Dem Schwäch' und Feigheit sich so gern vermählen,
Mit freud'gem Stolz möcht ich der Welt erzählen,
Daß mein du bist und daß ich dir zu eigen.

Und dennoch nein! Nie darf von unserm Munde
Das Glutgeständnis uns'rer Liebe flieh'n,
Die Welt begriffe nicht so fremde Kunde!

Noch hat sie keinem Glücklichen verzieh'n;
Darum, mein Freund, sing ich von unserm Bunde
In nur von dir verstandnen Melodien!

Zuflucht

Sie suchen rauh, mit feindlichen Gewalten,
Den frommen Geist der Liebe zu bezwingen;
Doch was sie wünschen, werden sie's vollbringen?
Nur brechen kann mein Herz, doch nicht erkalten!

Des Trennungsabgrunds schauerliche Spalten
Weiß der Gedanke rasch zu überspringen;
Es eilt mein Lied zu dir auf mächt'gen Schwingen,
Die sich im Sturm noch kräftiger entfalten.

O laß sie Müh und Arbeit denn verschwenden
Uns zu entreissen was der Herr uns gab!
Er kann ihr finstres Werk zum Heile wenden.

Und bricht dereinst der letzte Hoffnungsstab
Auf rauhem Dornenpfad in unsern Händen:
So bleibt uns noch die Liebe und — das Grab!

Unwandelbar

Wenn ich die Blicke sehnend nach dir wende
In deinem Anschau'n selig mich vernichte,
Schreckt mich ein Zug in deinem Angesichte,
Der mahnend spricht von nahem, dunkelm Ende.

Da falte ich in wilder Angst die Hände,
Erliegend dieser Ahnung Gramgewichte,
Und flehend ruf ich aus zum ew'gen Lichte:
O jeden Jammer, nur nicht diesen sende!

Doch mag auch nahe Trennung uns bedräuen,
Mein Herz wird drum nicht von dir weggetrieben —
Es ist zu stolz, um kunft'ge Qual zu scheuen;

Nur tiefer wird der Drang ihm eingeschrieben,
Dich bis an's Ende tröstend zu erfreuen,
Den Scheidenden noch zärtlicher zu lieben!

Nachtliche Feier

Es naht die stille Nacht in dunkeln Floren,
Die Sterne gleiten hin im lichten Reigen
Und himmlisch süße Traumgestalten steigen
Vor meinem Sinne aus in holden Chören.

Kein irdisch geller Laut ist mehr zu hören
Rauh mahnend, daß ich noch der Erde eigen,
Soll ich dies tiefe, ahnungsvolle Schweigen
Mit meines Liedes Wonn- und Wehruf stören?

O laß mich lieber wort- und zeichenlos
Ein freier Geist zu deinem Geiste treten,
Bis unser Sein in Gottes Meer zerfloß!

Laß, was des Tages Stürme niedermähten,
Mich still verpflanzen in des Jenseits Schoß,
In nächt'ger Einsamkeit mich für dich beten.

Schranken

Wohl dir, der du aus edlerm Stamm entsprossen,
Dein Herz mit keinem Erdenwunsch befrachtest!
Doch weil so hehr das Ziel, nach dem du trachtest.
So suche unter Höhern die Genossen!

Mein Herz ist von zu heißem Blut durchflossen,
Von Flammen, die du selbst in ihm anfachtest,
Und was du erdentrückten Sinn's verachtest.
Mit festen Banden hält es mich umschlossen,

Wir knien am verschiednen Opferherde;
Dem lichten Jenseitig fühlst du dich verbündet,
Ich fühle mich als Kind der dunkeln Erde!

Fremd bleibt mir das, was dein Gemüt entzündet,
Und dir erklärt nicht meine Gramgebärde,
Was still ein brechend Menschenherz empfindet!

Gedächtnis

Mit rauhem Wort hast du mein Herz versehrt,
Der gläub'gen Seele schlugst du Zweifelwunden
Bis ich dem trüben Bündnis mich entwunden,
Das sich von Gram und Bitterkeit genährt.

Jetzt hat die Trennung Sanftmut mich gelehrt,
Der früh're Groll ist nun von mir geschwunden,
Ich denke nur der ewig lichten Stunden,
Die uns zum Himmel diese Welt verklärt.

Vergessen hab ich, daß du dem Gemüte,
Des liebvoll Streben war, sich dir zu einen,
Zerstört der Freude und der Hoffnung Blüte:

Ich weiß nur mehr, wie ich voreinst an deinen
Entflammten Lippen wonneselig glühte —
Und wieder muß ich schmerzlich um dich weinen!

Beruf

So hast du wieder dich, mein Herz, betrogen.
Andichtend kälterm Herzen dein Empfinden,
Und siehst nun trauernd und verzagend schwinden
Die schöne Hoffnung die du groß gezogen.

Wie Noahs Taube warst du ausgeflogen.
Dich mit der Erde wieder zu verbinden;
Doch ach! da war kein Ölzweig aufzufinden,
Und finster braus'ten noch die kalten Wogen.

O gib es endlich auf, mit Gramgebärden
Nach dem zu streben was nicht zu erlangen,
Weil es das Glück der Sel'gen wär' auf Erden!

Dein Los, so lang die Welt dich hält gefangen,
Ist mehr zu lieben, als geliebt zu werden,
Und auszuspenden mehr, als zu empfangen!

Herbstgefühl

Tief schmerzlich hat es sonst mein Herz erschüttert.
Sah ich, wie, von dem rauhen Sturmesreigen
Erfaßt, die welken Blätter von den Zweigen
Hernieder in den fahlen Staub gezittert.

Doch bei dem Schmerz der jetzt in mir gewittert,
Ist mir so frommes Mittleid nicht mehr eigen,
Und ungerührt sah ich mit finsterm Schweigen
Den Reiz der Flur verstoben und zersplittert.

Die Blätter, die mein keimend Glück gesehen,
Als süß der Frühling durch das All geschauert,
O mögen sie verwelken und verwehen!

Ihr Sinken wird von mir nicht mehr betrauert,
Denn war auch kurz und flüchtig ihr Bestehen,
Sie haben länger als mein Glück gedauert.

Requiescat

Was willst du mich mit frommem Trug betören?
Was hältst du mich mit sanftem Arm umfangen?
Die Zeit der Liebe ist ja doch vergangen —
Was willst du ihr Gespenst heraufbeschwören?

Wir können uns nicht fürder angehören!
Mag glühend auch mein Herz nach dir verlangen,
Der Kuß, den Mitleid haucht auf meine Wangen,
Nicht trösten kann er mich, nein! nur empören.

Laß uns so kindisch, töricht nicht verfahren
Wie jenes Volk, das kalten starren Leichen
Des Lebens Anschein suchte zu bewahren.

Wenn Liebe starb, was soll der Liebe Zeichen?
Ihr herrlichstes, wir haben es erfahren,
Jetzt laß uns still die Hand zum Abschied reichen.

Entmutigung

Ich denke manches Werk noch zu vollbringen;
Zum Bau, der einst soll in die Wolken ragen.
Noch manchen festen Stein herbeizutragen
Mit ernsten Fleißes lohnendem Gelingen.

Auch manches Lied gedenk' ich noch zu singen,
Das leben soll in ferner Zukunft Tagen,
Noch manchen Preis gedenk' ich zu erjagen
Und manchen Kranz noch um mein Haupt zu schlingen.

Es ringt die Kraft, daß sie sich kennen lerne.
Allein den finstern Feind ringt sie nicht nieder.
Der siegreich herrscht auf diesem Wandelsterne.

Und wenn ich dies erwäge, scheint mir wieder
Das Streben Wahnwitz und ich schlösse gerne
Im Tode meine müden Augenlieder.

An die Einsamkeit

Zu lange mied ich deine heil'ge Spur!
Zu lange hab ich, töricht und vermessen
Des wehmutvollen Liebeseids vergessen,
Mit dem ich einst mich deinem Dienste schwur.

Es rächte dich die Welt zu bitter nur!
Sieh's an den Tränen die mein Auge nässen.
Im Dunkel jener schattenden Zypressen
Will ich dir klagen, was mir widerfuhr,

Vergib, daß ich dich jemals konnte meiden!
Von langer Irrfahrt kehr ich nun zurück.
Um nimmer, nimmermehr von dir zu scheiden,

In dir vollende sich nun mein Geschick!
Fahrt hin, der Erde kümmerliche Leiden,
Und mehr noch du, des Staubes nichtig Glück!

Plan

"In stillen Klostermauern wirst du enden!"
So ward mir einst gesagt; ich schwieg betreten,
Dann aber lächelte ich des Propheten
Und hing nur fester an des Lebens Spenden

Doch jetzt beginnt mein Sinn sich oft zu wenden.
Nach jener Zuflucht, jener einst verschmähten,
Und Sehnsucht fühl ich, dort in Glutgebeten
Des Herzens Flammen auswärts zu entsenden.

Ein Kloster träum' ich mir am Südenstrande,
Hart an dem Meer, das groß und unermessen
Emporrauscht bei der Morgenröte Brande

Um's Kloster einen Garten von Zypressen
Und Pinien, gleich einem grünen Bande,
Und drinnen Ruhe, Stille und Vergessen!