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Astern will ich diese Lieder nennen,
Nach den Blumen, die im späten Jahre,
Wenn sich Licht und Wärme von uns trennen.
Sprießen an des Sommers Totenbahre.

Öd und rauh ist meines Lebens Wildnis,
Ohne Spur von frühern Blütenlenzen,
Und so kann ich dein geliebtes Bildnis
Nur mit diesen Totenblumen kränzen.

 


Astern

Lieder
 


1.
An dem hellsten Sommertag,
Unter Zweigen lichtdurchbrochen.
Bei der Lerchen Jubelschlag
Hab' ich dich zuerst gesprochen.

Leise rauschend stand die Flur,
Lieblich murmelten die Bäche,
Daß es schien, als ob Natur
Über uns den Segen spräche.

Und so hab ich neuen Mut
Zu dem neuen Bund gewonnen;
Denn es steht in Gottes Hut,
Was in seinem Licht begonnen.

2.
Nenne dich nicht einsam!
Nein, du bist es nicht,
Da uns ja gemeinsam
Leid und Lieb verflicht!

Daß in Purpurscheinen
Blüh' dein welker Kranz.
Leiht mein Herz dir seinen
Abendsonnenglanz.

3.
Trost, an dem mein Herz sich stähle
Wenn der Kummer es bedrängt:
Daß auf Erden eine Seele
All ihr Glück von mir empfängt!

Trost, vor dem des Schicksals Pfeile
Gleiten, wenn sie noch so scharf:
Daß ein Herz zu seinem Heile
Meiner Zärtlichkeit bedarf!

4.
Und wenn sie Alle dich verkennen,
So flieh an deiner Freundin Herz,
Und wenn zu heiß die Wunden brennen,
So sprich mit mir von deinem Schmerz!

Und will das Sprechen dir nicht taugen,
Dünkt dir das Wort ein leerer Tand,
So sieh mir schweigend in die Augen
Und weine still auf meine Hand.

5.
Es saß auf kant'gem Felsenriff,
Dem Scheitern nah, mein Lebensschiff;
Nun ward's durch Tränen wieder flott—
Ich danke dir, mein Herr und Gott!

6.
Laß den heil'gen Schwur dein Herz bewegen: ich bin dein!
Fühl's an meiner Pulse raschern Schlägen: ich bin dein!
Meine wundgebrannte Seele kühlt wie frischer Tau,
Sel'ger Tränen Maienregen: ich bin dein!
Wie ein Weib im Witwenschleier hegt ihr einzig Kind
Will ich den Gedanken hegen: ich bin dein!
Was ich litt durch fremde Härte und durch eigne Schuld
Schwindet vor des Wortes Segen: ich bin dein!
Naht der Schmerz mir dunkel drohend, hoffend leichten Sieg,
Blick ich ihm in's Aug verwegen: ich bin dein!
Was ich bin, was ich besitze, Jugend, Lieb' und Lied,
Will ich dir zu Füßen legen: ich bin dein!
In des Lebens Glutsahara wie ein sanfter West
Hauche dir mein Schwur entgegen: ich bin dein!

7.
Auf dem steilen Schwindelsteg
Über dunkle Schlucht gespannt,
Ohne Furcht noch Zweifel leg'
Ich mein Los in Gottes Hand.

Ist nicht er's, durch dessen Huld
Sich dein Herz an meines schloß?
Zahlen will ich meine Schuld
Durch Vertrauen wandellos.

Daß er einte unsern Weg,
Ist mir seiner Gnade Pfand;
Ohne Furcht noch Zweifel leg'
Ich mein Los in Gottes Hand.

8.
An deiner Hand möcht' ich den Wald durchirren,
Wenn in den Blumenkelchen glänzt der Tau,
Wenn Lerchenlieder durch die Lüfte schwirren
Und wolkenlos erglänzt des Himmels Blau!
Da hör' ich meine Ketten leiser klirren,
Da scheinet mir mein Schicksal minder rauh,
Das Weltgeheimnis seh ich sich entwirren
Und neu ersteht des Glaubens Tempelbau.

9.
So ist ein Tag denn wieder hingegangen,
Der mich mit deinem Anblick nicht geletzt!
Ich harrte dein mit sehnlichem Verlangen
Und dachte immerfort: jetzt kommt er! jetzt!
Bis nun die lauten Abendglocken klangen.
Bei deren Schall mein Auge sich genetzt:
Ein Tag schwand hin, ich fühl's mit dunkelm Bangen,
Den keine Ewigkeit mir mehr ersetzt!

10.
Du  hast geschaffen und gewirkt am Morgen,
Der stille Abend fand dich liebgeborgen, —
So sei, o Herz! mit diesem Tag zufrieden,
Und für die künft'gen laß den Ew'gen sorgen.

11.
Das ist kein Glück, was du mit Qual und Nöten
Heraus mußt graben aus der finstern Schlucht,
Bis blut'ge Schwielen deine Hände röten
Und müd dein Nacken von der Arbeit Wucht.
Glück nenn ich, was dem von Geschick Erhöhten
Nacheilt auf seiner raschen Erdenflucht,
Was weder Müh noch Arbeit kann erzwingen,
Was Gott verleiht und Keiner kann erringen.

12.
Nie ward der Glanz des Bund's, der uns umstrickt,
Von einem trüben Erdenhauch erstickt;
Der reinste Engel selbst errötet nicht,
Wenn er in unsers Herzens Tiefe blickt.

13.
Am frischen Ostwind flattern Eure Fahnen,
Ihr zieht hinaus zum heldenkühnen Streit,
Dem heil'gen Rechte seinen Weg zu bahnen,
Herbeizuführen eine bess're Zeit.
So folgt denn Eures Gottes ernstem Mahnen,
Und wenn der Ruhm einst Eure Stirne weiht,
Dann denket der Sybille, deren Ahnen
Den hohen Sieg Euch segnend prophezeit!

14.
Wenn auf einem Aug durch Jahre
Nacht der Blindheit lag
Und ihm plötzlich wunderbare
Heilung schenkt den Tag,
Werden lang noch dunkle Flöre
Dicht gelegt darauf,
Daß zu grelles Licht nicht störe
Der Genesung Lauf. —

Sehend ward mein Herz, das blinde!
Aus des Kummers Nacht
Führst du's nun zum Tag gelinde;
Aber — tu es sacht!
Allzu lichte Bilder höhnen
Den noch schwachen Blick —
Laß es langsam sich gewöhnen
An sein neues Glück.

15.
Du trafst mich bei den Gräbern meiner Lieben
Und vorwurfsvoll befragte mich dein Blick,
Ob meinem Herzen kein Ersatz geblieben,
Kein Trost für jenes hingesunkne Glück?
"Laß", flehtest du, "den trüben Gram zerstieben;
Vergiß getrost dein früheres Geschick
Und eile, früh'rer Tage Angedenken
In meiner Liebe Abgrund zu versenken."

O hüte dich, das heil'ge Weh zu schwächen.
Das mich verbindet mit dem höhern Land?
Könnt ich den Toten dort die Treue brechen,
Was diente dir als meiner Treue Pfand?
Nein! laß mich zu den Hingeschiednen sprechen
Und, innig dir dann wieder zugewandt,
Nach ihrem Werts deine Liebe schätzen,
Die reich genug, mir Alles zu ersetzen!

16.
O heil'ge Stunde, wo in Gottes Strahl
Zwei Menschenherzen in einander schauern.
Bis ihrem Blicke nichtig scheint und fahl
Die Welt mit ihrer Lust und ihrem Trauern,
Mag immerhin der Promethiden Qual
Auf jene kühne Himmelsstürmer lauern,
Sie werden noch an ihrem Schmerzenpfahl
Die dumpfe Schar um ihre Ruh' bedauern.

17.
Sprich ihn so leicht nicht aus, den ernsten Schwur,
Der über meine Tage soll entscheiden!
Noch bist du mir ein holdes Traumbild nur;
Noch ist mir's möglich, deine Näh' zu meiden.
O hüte dich in frevlem Übermnt
Mit jenem Schwur ein flüchtig Spiel zu treiben?
Frag erst dein Herz, ob wahrhaft feine Glut,
Ob es für immer will mein eigen bleiben?

Und sagt es dir: "nicht für die Ewigkeit
Ist dieser Liebesbrand in mir erglommen!"
Dann nimm, o nimm, so lange es noch Zeit,
Den Schwur zurück ich hab ihn nicht vernommen!
Noch kann ich ohne allzu wilden Schmerz,
Was ich gewünscht, doch nie gehofft, vergessen;
Allein zu bitter war's, müßt ich dein Herz
Verlieren einst' nachdem ich es besessen.

18.
Ob zwischen uns sich Trennungsklüfte dehnen,
Ob mir der Kranz mein bleiches Haupt umflicht,
Still knie ich vor dir hin gleich Magdalenen
Und weihe dir als Opfer mein Gedicht.
Ich weiß: der Liebesbalsam meiner Tränen
Vergeudet ist er und verschwendet nicht,
Und wir Ihm auch kein and'res Heil entsprungen,
Als daß er mein Gemüt mit Duft durchdrungen.

19.
Siehst du mich auch lächeln, scherzen,
Glaub drum nicht, daß meinem Herzen
Seines Ernstes fromme Treue
Je versiegte und entschwand!
Nein! zu heilig, zu gereinigt
Ist das Bündnis, das uns einigt,
Als daß ich es ohne Scheue
Preis gäb' fremdem Mißverstand.

Laß mein Lächeln dich nicht stören,
Meinen Scherz dich nicht betören!
Sollt ich Edleres verschwenden
An das bunte Weltgewirr?
Laß, mein Freund! mich ohn' Bedenken
Flücht'gen Gruß den Andern schenken:
Meines Herzens beste Spenden,
Meine Tränen gelten dir!

20.
Wenn dir zum Preis ich meine Lieder singe
Wenn ich im Geist die Arme um dich schlinge.
Ergießt sich tiefer Ernst in meine Seele,
Denn Glück und Llebe sind gar ernste Dinge.

21.
Es ist der Kelch der Rose,
In Purpurglut getaucht.
Es ist der Kelch der Rose
Von Duft durchhaucht.

Mein Herz ist eine Rose,
Die Lieb' sein Purpurflor;
Als Düfte steigen Lieder
Daraus empor.

Laß meine Herzensrose
In Liebe und Gesang
Für dich erglüh'n und duften
Mein Leben lang.

22.
Du liebtest mich, noch eh' du mich gekannt,
So schwörst du mir und glauben will ich's gerne,
Denn auch ob meinem dunkeln Herzen stand
Dein Name längst gleich einem Hoffnungssterne
Es einte uns ein mystisch Geisterband.
Als unsre Hütten sich noch fremd und ferne
Und als der Zufall endlich uns vereinigt
Ward jene Ahnung schnell als wahr bescheinigt.

O heil'ge Poesie, die zauberhaft
Durch dein Gedicht dein Dasein mir verkündet
Die mit dem Strahle meiner Leidenschaft
Das tiefe Herz in deiner Brust entzündet!
O Poesie! geheimnisvolle Kraft,
Die, was sich niemals sah, in Lieb verbündet,
Du warst der Sonnenstrahl, von dessen Prangen,
Der Keim des Glücks uns Beiden ausgegangen.

23.
Zu der Zeit des Schlummers
Ging ich durch den Wald,
Meines stillen Kummers
Liebster Aufenthalt.

Westgeküßte Bäume
Rauschten dichtbelaubt
Sanft wie Friedensträume,
Über meinem Haupt.

Strahlen, golddurchwoben.
Bebten erdenwärts
Wie ein Trost von Oben
In ein krankes Herz.

Die verschwiegenen Tränen
In der Blumen Ring
Trank mit Liebessehnen
Weg der Schmetterling.

Keine Menschenspuren
Hielten mich umkreis't;
Über Wald und Fluren
Schwebte Gottes Geist.

Und mit stillen Grüßen
Hab ich dein gedacht
In der dunkelsüßen,
Linden Sommernacht.

24.
O Glück! der Liebste ist zu mir gekommen
Und hat den Gram aus meiner Brust genommen!
Es ist der Kummer, der mich lang bedrängt,
In seines Auges dunklem Brand verglommen,
Der Sorge dumpfe Mahnung ist verhallt,
Seitdem ich seiner Stimme Laut vernommen;
Vor seiner Liebe ist mein früheres Sein
Wie Nebel vor dem Morgenstrahl verschwommen.
Erst seit ich ihm mein ganzes Sein geweiht,
Begreif ich meines Lebens Zweck und Frommen,
Aus seiner Hand empfang ich mein Geschick
Und was vom Liebsten kommt, ist mir willkommen.

25.
O Liebe! heil'ge Zier,
Die mich vor Gott erhebt,
Die leuchtend über mir
Als Segenstaube schwebt!

Du Dejanirenkleid
Entsühnst den, der dich trug,
Dein allertiefstes Leid
Ist Seligkeit genug.

Nimm hin, was an mir ist!
Sei Schutz mir und Geleit
Durch diese Erdenfrist
Und durch die Ewigkeit!

26.
Du bist's, nach dem mein tiefstes Sehnen geht,
Du bist es, der mein Sein mit Duft durchweht!
Du bist der Stern, der meine Nacht erhellt,
Du bist mein Traum, mein Hoffen, mein Gebet.
Du bist's, durch den mein langversargtes Herz,
Als Todbezwinger freundlich aufersteht.
Ich fand dich nicht im bunten Weltgewühl,
Im dunkeln Schachte hab ich dich erspäht,
Wie, ob er noch so tief verborgen sei,
Den Diamant sein Sonnenglanz verrät.
Ich hab dich nicht errungen, noch verdient,
Dich nicht erworben und auch nicht erfleht:
Frei wallt die Seligkeit auf Erden hin,
Ein Königskind voll freud'ger Majestät.
Mit deinem Fleh'n zwingst du sie nicht zu dir,
Meist sucht sie Jenen auf, der fernab steht.
Holdselig lächelnd trat sie vor mein Herz,
Das wahnbefangen rief: es ist zu spät!
Da goß sie ihre Frühllngslichter aus
Und heiter blüht nun Alles — seht! o seht!

27.
Wie in dunkeln Pflanzenstoffen,
Kaum noch an das Licht gerückt.
Froh vertrauend schon das Hoffen
Einen Blumenflor erblickt:

Also hat auch deines Mundes
Erstes Wort mit Zaubermacht
Unsers jetz'gen Liebesbundes
Ahnung mir in's Herz gebracht.

28.
Kein ein Lebewohl ruf ich dir zu
AIs letztes Abschiedswort;
Zu innig fühl ich's: deine Ruh.
Dem Glück geht mit mir fort.

Mir schwört mein eigner Liebesschmerz
Bis nicht das Hemmnis sank,
Das jetzt uns scheidet, bleibt dein Herz
Wie meines wund und krank!

29.
Hoffnungslos, klagst du, sei unsre Liebe?
Laß sie ohne andre Hoffnung sein,
Als die Hoffnung nur auf Gott allein.
Er, der uns zusammen hat geführet,
Unser Herz mit seinem Hauch berühret,
Der den Bann. der auf mir lag, gelöst.
Neue Liebeskraft mir eingeflößt,
Hat er Wunder nicht genug getan,
Um als treuer Hort uns zu erscheinen?
Bauen wollen wir auf ihn! er kann
Neue Wunder tun, uns zu vereinen!

30.
Mag die Zukunft bringen
Was sie will und kann!
Dunkle Sorgen dringen
Nicht zu uns hinan!

Weicht der jetz'ge Schimmer
Tagen dumpf und trüb,
Bleib' ich doch für immer
Dein geliebtes Lieb.

Und du bleibst dergleichen,
Sinkt auch Alles hin,
Meines wundenreichen
Herzens Benjamin.

31.
O dunkles Auge! zaubervolle Nacht,
So reich an wunderbaren Wonneträumen!
Du hast mein stürmisch Herz zur Ruh gebracht,
Es sanft entführt zu klaren Himmelsträumen,
Beglänzt von deiner ernsten, milden Pracht
Schwebt es nun hin auf Ätherwolkensäumen
Und hat nur einen Wunsch mehr noch zu wagen,
Den einen nur! O mög' es nimmer tagen!

32.
Für alle Herzen, so die Lebensreise
Ohn' Ahnung höhern Seins zurückliegen,
Die nichts aus ihrem niedrigen Geleise,
Aus ihrer trüben Dumpfheit kann bewegen,
An deren undurchdringlich starrem Eise
Zerscheitert des Empfindens heil'ger Segen, —
Nimm, Liebe! du, die ich zu singen mich erkühne.
Mein glühend, blutend Herz als Opfer an der Sühne.

33.
Traue mir, wie ich dir traue!
Wenn die Welt mich schuldig spricht;
Wenn du an mir zweifelst, schaue
In mein ernstes Angesicht,

Und die Bläße meiner Wangen,
Meiner Lippen Schmerzenszug,
Meines Auges dunkles Bangen
Sei dir Sicherheit genug.

Reizender mag sein und schöner
Lieb' in heitrem Rosenlicht:
Aber fester traue jener,
Die durch Schmerz und Tränen spricht.

34.
Wie ich, wenn die rauhe Macht des Lebens,
Und der Stachel deines eig'nen Strebens
Einstens dich, mein Freund, von mir entfernt.
Wie ich dann, in jenen wüsten Tagen,
Meines Daseins Bürde werde tragen —
Noch hab ich es denken nicht gelernt!

35.
Du bist mein linder Trost
Zu meiner dunkeln Qual,
Im starren Lebensfrost
Ein warmer Sonnenstrahl.

Durch dein geliebtes Bild
Wird mir die Welt verschönt
Mein Herz, so sturmeswild,
Mit Gott und sich versöhnt.

Du ebnest sanft und weich
Mir diese Erdenbahn
Und führest mich zugleich
Zum Himmel hoch hinan.

36.
Laß Sorge, Gram und Kummer schwinden!
Sie ziemen uns Erwählten nicht.
Laß für die Welt das Aug erblinden,
Das schaute Gottes Angesicht,
Laß wirr sich unsre Pfade winden.
Sie führen doch zum ew'gen Licht;
Wir werden sieghaft überwinden
Wenn unser Auge sterbend bricht.

37.
Im tiefsten Innern,
Ein süß Erinnern
Und einen Gruß
Zum Tagesschluß!

Daß Gottes Güt,
Mein Glück behüte,
Daß seine Treu
Stets mit dir sei;

Daß deine Seele
Sich mir vermähle
Auf ewiglich, —
Das bete ich.

Auf ihn nur zähl ich,
Uns Beide empfehl ich
Fromm seiner Wacht
Nun gute Nacht.

38.
Ein tiefer Riß geht mitten durch mein Herz!
Was es verlangt, kann ihm die Welt nicht geben,
Denn nicht das Glück der Welt will es erstreben;
Es sehnt sich nicht nach Lust, Genuß und Scherz
Du bist sein Alles! Muß es dich vermissen,
Will es von keiner feigen Tröstung wissen
Und nicht entweihen seinen heil'gen Schmerz.
Kalt läßt mich alles Trachten, alles Ringen;
Und, was auch meinem Geist noch mag gelingen,
Ein tiefer Riß geht mitten durch mein Herz!

39.
Was du mir bist? O frage Blumenkelche
Was ihnen wohl der Tau, der sie besprengt!
Die letzte Faser bist du mir, durch welche
Mein Herz mit Gott zusammenhangt.

Der Mittler bist du mir, der von Zerwürfnis
Und innerm Kampf mein wundes Herz befreit,
Bist meines Lebens heiligstes Bedürfnis,
Mein Anteil an der Seligkeit!

40.
Entschwunden ist mir und zerronnen
Jedwed' Erinnern früh'rer Zeit;
Vergessen ihre nicht'gen Wonnen,
Vergessen all ihr nicht'ger Streit!
Seit mich der Liebe Lethebronnen
Zu einem höhern Sein geweiht,
Hat meine Himmelfahrt begonnen —
Ich lebe in der Ewigkeit!

41.
Und hat es eine Zeit gegeben,
Wo Andres noch, als du allein
Mein tiefstes und geheimstes Leben
Durchströmt mit Freude und mit Pein? —
Ein Traum nur war mein früh'res Streben:
Jetzt weicht der ungewisse Schein
Und selig fühl ich's mich durchbeben,
Daß ich von Ewigkeit an dein!

42.
Deiner Züge Reiz und Fehle
Kenn ich Liebster! nicht;
Denn ich weiß nur um die Seele,
Die aus ihnen spricht.

Deines Innern Blüte windet
Um dein Haupt den Glanz
Jener Schönheit, die nie schwindet;
Und verklärt dich ganz.

43.
O einen Blick nur in dein Aug'! nur  e i n e n!
Daß ich, von seinem milden Strahl erhellt,
Getröstet pilgern möge durch die Welt
Und minder rauh mein Los mir möge scheinen!
Daß jene starre Rinde, die der Schmerz
Gelegt um mein in Gram verschloßnes Herz,
Hinschmelzen mög' in strömend heißem Weinen,
O einen Blick nur in dein Aug', nur einen!

44.
Glanz- und lichtdurchdrungen
Steht geschmückt die Welt,
Denn die Nacht bezwungen
Hat der Sonneheld.

Sein Triumphlied singen
Lerchen hoch im Licht;
Viel kann er bezwingen —
Meinen Kummer nicht.

Seine Strahlen gießen
Mir nicht Trost herein;
Meine Tränen fließen,
Und ich denke dein!

45.
Tief im innersten Gemüte,
Im verschloß'nen Herzen, stumm.
Wahren wir der Liebe Blüte
Gott allein nur weiß darum.

Auf der Berezinabrücke
Braust die Welt um uns herum.
Ahnet nichts von unserm Glücke —
Gott allein nur weiß darum.

Keine Späherblicke stahlen
Sich in unser Heiligtum,
Niemand kennet unsre Qualen —
Gott allein nur weiß darum.

Still und ernst, wie eine Nonne
Geht die Lieb durch unser Herz,
Schweigend, wie die höchste Wonne,
Schweigend, wie der tiefste Schmerz.

46.
Laß mich vor dir niedersinken,
Blicken in dein Angesicht.
Laß mich ätherdürstend trinken
Deines Auges reines Licht.

Laß mich dir begeistert singen
Einen letzten Erdengruß,
Meine Arme um dich schlingen
Und vergehn an deinem Kuß.

47.
Mein ganzes Sein
Ist  e i n e  Wunde!
Gedenkst du mein
Zu dieser Stunde?

Fühlst du den Kuß,
Den ich dir sende?
Den Abschiedsgruß
Vor nahem Ende?

Und ahnst du, sprich!
Die Glut der Seele,
Mit der ich dich
Dem Herrn empfehle?

Und weißt du auch,
Daß, was ich singe,
Ein Opferhauch,
Den ich dir bringe?

In wilden Pein
Flammt meine Wunde
Gedenkst du mein
Zu dieser Stunde.

48.
Du, Liebe! warst der Sonnenstrahl,
An dem mein Leben sich erschlossen,
Der es mit Blüten sonder Zahl,
Mit Duft und Farben übergossen,
Da warst du mir ein sanftes Licht,
Ein ros'ger Schein am Lebensmorgen;
Die wilden Gluten ahnt' ich nicht.
Die heimlich tief in dir verborgen.

Zum Samum ward der milde Gruß,
Des Mittags Schwüle muß ich tragen,
Doch ob zerstörend auch sein Kuß,
Ich fürcht ihn nicht und will nicht klagen.
Wem ward ein schöneres Geschick?
Der Liebe dank' ich mein Erblühen,
Und darf nunmehr an ihrem Blick,
Ein Blumenopfer, still verglühen!

49.
Ab Liebe froh, ob elend macht,
Ich hab es wahrlich nie bedacht,
Wer ist, der drob entscheide?
Ist sie doch eine ganze Welt,
Wo bunt zusammen sich gesellt
Das Glück zum herbsten Leide!

So süß ist keiner Liebe Seim,
Daß er im Innersten geheim
Nicht Bittres auch enthielte;
Kein Lieben ist so unbeglückt,
Daß es nicht manchmal, tief entzuckt
Mit Gottes Engeln spielte!

50.
Was ich von dir und deiner Lieb verlange"
     Es ist nicht viel!
Nur ein Geleit auf meinem dunkeln Gange
     An's nächt'ge Ziel!

Nur eine warme, herzentquoll'ne Träne,
     Wenn ohne Laut
Mein müdes Haupt an deine Brust ich lehne,
     Von Qual durchgraut.

Nur einen Kuß auf meiner kalten Lippen
     Erbleichten Rand,
Wenn ich dereinst durch Wogensturm und Klippen
     Den Hafen fand.

Nur ein Erinnern, wie's die Seele gerne
     Geliebten schenkt,
Wenn Niemand auf dem flücht'gen Wandelsterne
     Mehr meiner denkt!

51.
Selbst für das herbste Mißgeschick
Ist mir ein Trost geblieben:
Das geisterhaft geheime Glück,
Dich grenzenlos zu lieben!

Und, ob ich auch im Herzen mein
Die tiefe Lieb' verhehle.
Wirft doch dein Auge lichten Schein
In meine dunkle Seele!

52.
Laß mich, bis mein Auge bricht
In vernichtendem Entzücken,
Selig weltvergessen blicken
In dein süßes Angesicht.

Denn ein himmelvoll Gedicht,
Seelenmächtig, herzbegeisternd,
Zauberhaft mich übermeisternd
Ist dein süßes Angesicht,

Mein lebendigst Ahnen spricht,
Daß der Herr in seiner Güte
Für die Biene schuf die Blüte
Für mein Aug dein Angesicht!

Was die Welt an Kränzen flicht,
Will ich ohne Harm entbehren
Blick ich unter Wonnezähren
In dein süßes Angesicht!

53.
Alle freud'gen Lichtgedanken
Meines Dichtergeistes ranken
Sich um dich, mein Lieb! allein,
Und der Glutstrom der Empfindung
Findet seine sel'ge Mündung
Im Gedanken, daß ich dein!

Ärmlich, kümmerlich und nichtig
Scheint mir, was den Andern wichtig,
Was die Welt an Gütern preist,
Über jeder Grambeschwerde,
Über jedem Glück der Erde
Schweb ich, wie ein sel'ger Geist!

54.
Es hat mein Herz an deiner Brust geschlagen.
Ich habe deiner Seele Gruß vernommen,
In meinem Dunkel sah ich's herrlich tagen —
Jetzt mag das Ärgste, mag das Letzte kommen,
Nach jener Stunde, jener himmlisch reinen.
Kann nichts mehr süß und nichts mehr bitter scheinen.