Der Schnee
Wle schön ist's, wenn des Schnee's phantastische Pracht
Die dunkle Erde hell erglänzen macht,
Und Eisdemanten glitzern an den Zweigen!
Wenn frostgebunden liegt der ird'sche Hauch
Und lieblich spielend um den schlanken Strauch
Sich schlingt der Flocken elfenhafter Reigen.
Da hebt sich frei empor mein sinnend Haupt,
Mein träumend Auge blickt umher und glaubt
Ein wundereiches Zauberland zu schauen.
Gleich einer Feengrotte glänzt der Hain
Und jeder Stamm scheint reich behängt zu sein,
Als Christbaum Menschenkinder zu erbauen.
Doch weh! da fliegt ein Sonnenpfeil auf's Land
Und schnell verschwinden Silber und Demant,
Fortan als trübe Flut sich hinzuwälzen!
Und so ist jeder ideale Traum,
Der Überird'sches sieht im Erdenraum,
Bestimmt, in dunkle Tränen hinzuschmelzen.
Selbstvergessen
Strahlt durch Maienlüfte
Einer Blume Schein,
Freu dich ihrer Düfte
Ist sie auch nicht dein.
Ob auf deinen Zügen
Du sie nie erstrebt.
Laß dir's dran genügen,
Daß die Freude lebt.
Sind auch deine Tage
Trüb und unbekränzt,
Hast du Mut zur Klage,
Wo ein Lächeln glänzt?
Bilder
An H —
Du bist's, du Engelreine,
Nach der die Brust mir schwillt!
So tragen nord'sche Steine
Der Lotosblume Bild.
So tönt durch schmerzlich Streiten,
Durch lauten Lebensdrang,
Aus heitern Kinderzeiten
Ein süßer Wiegensang!
O Trost, der, gottgeboren.
Mein Innerstes durchbebt:
Was ich auch sonst verloren,
Ich habe d i c h erstrebt!
So neigt zu Wahnsinnswehen
Sich mild Cordelia.
So ragen Tabors Höhen
Dicht neben Golgatha!
Huldigung
An S - d.
Ob sie dir grollen und dich hassen,
Die nie begriffen deinen Schwung,
Ertrag es ruhig und gelassen —
Ihr Haß ist eine Huldigung,
Der Genius, der im Getriebe
Der Welt erscheint als fremder Gast,
Er sei auf glühend heiße Liebe,
Auf flammenreichen Haß gefaßt.
So schickt zur Königin der Lüfte
Als pflichtiger Vasallenchor
Die Rose ihre würz'gen Düfte,
Und gift'gen Dunst der Sumpf empor.
Dem zögernden Frühling
Durch die Lüfte zucken eis'ge Schauer
Und der Erde bange Witwentrauer
Höhnen Winterstürme rauh und scharf.
Du, nach dem ich ängstlich sehnend bange,
O mein Lenz! wo weilst du doch so lange?
Weißt du nicht, wie sehr ich dein bedarf?
Weißt du nicht, wie Schweres ich gelitten,
Welche Wunden sich mein Herz erstritten,
Seit ich dich das letzte Mal begrüßt?
Weißt du nicht, wie herb mein Teil gewesen?
Weißt du nicht, daß, mich vom Gram zu lösen,
Dir allein die Macht gegeben ist?
Komme, daß dein milder Strahl aufs neue
Mut und Hoffnung in die Brust mir streue
Denn mein Geist ist sonnenlos und trüb!
Alles, Alles ward mir ja genommen,
Meiner Sterne letzter ist verglommen,
Nur mein Hoffen auf dein Nahen blieb!
Deine Lichter, deine lauen Weste,
Deine leichtbeschwingten Sangesgäste,
Deiner Blüten stilles Paradies,
Deine Düfte, deine Rosenlauben
Können mir die Harten doch nicht rauben,
Deren Haß mich von dem Glück verstieß!
Darum seh ich hoffend dir entgegen!
Allen Trost und allen Freudensegen
O mein Lenz, erwart ich nur von dir!
Mag der Menschen Herz sich von mir wenden,
Deine Strahlen, deine Blumenspenden,
Deine Lieder, sie genügen mir!
An * * *
Sieh mich nicht so fragend an!
Brechen muß ich sonst mein Schweigen,
Muß mein innerst Herz dir zeigen
Und dies wäre schlimm getan!
Denn dich zog die Freude groß,
Und ich bin ein Kind der Schmerzen;
Deinen klaren Himmel schwärzen
Will ich nicht mit meinem Los.
Rauh und dunkel ist die Bahn,
Die mir bleibt zurück zu legen,
Ach, und soll ich es vermögen,
Sieh mich nicht so fragend an!
Den Utilitariern
Was schmäht Ihr uns, die wir der Welt nicht achten,
Und unberührt von ihrem Tun und Trachten
In unserm Herzen unsre Welt erbau'n?
Was soll der Hohn, die feindliche Gebärde?
Wir überlassen neidlos Euch die Erde —
O laßt uns nach dem Himmel schau'n!
Ihr müht Euch ab im drangvollen Geschäfte, —
An Kampf und Arbeit übt Ihr Eure Kräfte,
Uns ward ein anderer schönerer Beruf!
Euch winkt als Lohn nur Gold in finstern Schachten,
Indessen Gott für unsrer Seele Schmachten
Die Sterne und die Blumen schuf.
Nein! glaubt nicht, daß Ihr sie gleich uns genießet!
Denn für den stillen Träumer nur erschließet
Sich ihres Reizes Zauberfülle ganz.
Er, dessen Hand verteilt die Menschenlose,
Gab Euch die reife Frucht und uns die Rose,
Die Ernte Euch und uns den Kranz!
Gestaltet denn nach Eurem Sinn das Leben!
Wir wollen uns der Herrschaft gern begeben,
So lang uns Licht umglänzt und Duft umhaucht.
Wogt ruhlos fort im eiligen Gewimmel,
Allein vergeßt nicht: Herzen braucht der Himmel,
So wie die Erde Hände braucht!
An diesem Einen mögt Ihr es erkennen:
Als Er, den wir der Liebe Meister nennen,
Zu Hause seines Freundes Lazarus
Zu kurzer Rast die Schritte angehalten,
Da galt ihm Martha's eifrig, rührig Walten
Geringer, als Maria's Seelengruß!
Stille Feier
Wenn sie süß dir von den Lippen rauschen,
Laß, mein Freund, mich deinen Worten lauschen,
Die mir licht den Weg zum Himmel zeigen.
Aug' in Aug' versenket Hand in Hand,
Will ich selig horchen unverwandt —
Laß mich schweigen?
"Und dein Denken willst du mir verhehlen,
Willst mir freundlich kosend nicht erzählen
Von vergangener Tage buntem Reigen,
Und von Allem, was dich je durchbebt?
Ist es nicht genug, daß ich's erlebt?"
Laß mich schweigen!
"Ist zu schmerzenvoll dir jene Kunde,
O so schwör mir mit wahrhaft'gem Munde,
Daß dein Lieben mir für stets zu eigen?
Fühlst du's nicht an meinem Flammenkuß,
Daß er meines Herzens Sterbegruß?"
Laß mich schweigen!
Einer Tänzerin
O schwebe hin, du flüchtige Sylphide,
Süß lächelnd, mit gesenktem Augenliede,
Geschmückt mit jeder holden Zier!
Phantastisch schön, ein freud'ger Lichtgedanke,
Schwingst du dich über jede Körperschranke
Und Irdisches ist nichts an dir.
Du weißt von Schmerzen nicht und nichts vom Sehnen
In deinen Augen brennen keine Tränen
Und fremd ist dir der Erde Lust.
Du kennst sie nicht — o lerne nie sie kennen!
Es wäre selbst, was wir Entzückung nennen
Nur eine Last für deine Brust.
Denn dein Beruf ist es, wie Klang und Düfte
Dahin zu gaukeln durch die freien Lüfte,
Ein Schmetterling im sonn'gen Raum,
Und, wenn einst abgeblüht dein Blumenleben,
Dem trunknen Blicke spurlos zu entschweben.
Gleichwie ein Frühlingsmorgentraum!
Liebesoffenbarung
Weißt du die geheime Kund'
Nicht, erratend zu erkennen,
O dann soll mein stolzer Mund
Nimmer meine Lieb' dir nennen.
Sagt der leise Schmerzenszug,
Meinen Lippen eingepräget,
Dir nicht deutlich klar genug.
Was mein Innerstes beweget;
Tönt aus meiner Stimme Ton,
Weich, voll schmerzenfreud'gen Bebens,
Dir nicht mein Geständnis schon,
Dann wär auch das Wort vergebens.
Und mein Herz, ein scheues Kind,
Flieht das Wort, das kalte, leere!
Seine Dragomane sind
Nur der Blick, der Ton, die Zähre.
Lebewohl
Deine Liebe zu erstreben,
Dir zu weih'n mein innerst Leben,
Dein zu sein im Erdenraum
Und im seligen Verderben
Einst an deinem Kuß zu sterben —
O es war ein süßer Traum.
Bald entfloh der ro'sge Schimmer;
Feindlich trennt uns und auf immer
Strengen Schicksals herber Schluß
Doch es folgt dir allerwegen
Meines Dichterherzens Segen,
Meines Liedes Seelengruß.
Forderung
Wenn die Glut, die lebensvoll
Dich durchflammt, einst ausgelodert,
Wenn Vergänglichkeit den Zoll
Einst von deinem Herzen fordert;
Wenn aus meinem Seelenwort
Keine Wonnen mehr dir tagen.
Wenn zu neuem Liebesport
Deine Wünsche eilig jagen;
Wenn Entfremdung trüb und kalt.
Sich in dein Empfinden mischet.
Eine schönere Gestalt
Dir mein düstres Bild verwischet:
Such dann nicht mit falschem Schein
Mir zu bergen deine Wendnis.
Lasse mich die Erste sein
Zu vernehmen dies Geständnis,
Bleib noch meines Hasses Wert!
Laß die einstgeliebten Züge
Mich nicht schau'n entweiht, entehrt
Durch das Brandmal feiger Lüge.
Wenn mein letzter Stern versank
Will ich tragen die Umnachtung,
Doch flöß in den bittern Trank
Nicht das Gift noch der Verachtung.
Sollt' ich auch dem wilden Schmerz
Überwältiget erliegen;
Wolle du mein stolzes Herz
Lieber brechen, als betriegen!
Stilles Bündnis
Blüten trieb mein Lebensbaum
Und mein Herz hat dich gesegnet,
Als du mir zuerst begegnet,
Lieblich wie ein Dichtertraum.
War mir's doch, als ob mein Gram
In ein Freudenmeer verschwimme.
Als ich deiner süßen Stimme
Seelenvollen Laut vernahm.
Doch kein stürmisch Wünschen schlug
Mir im Busen wilde Schlachten;
Still dir lauschen, dich betrachten
War mir Seligkeit genug.
Kein begehrend Liebesleld
Wecktest du in meinem Innern,
Nur ein wehmutsanft Erinnern
An die eigne Jugendzeit.
Wenn ich deine Näh' empfand,
Traten auf entwöhnten Wegen
Engel wieder mir entgegen,
Die sich längst von mir gewandt.
Leuchtender schien mir mein Ziel,
Frevelhaft jedwede Klage,
Da auf meine öden Tage
Solcher Sonnenschimmer fiel. —
Jetzt hat finstre Erdenmacht
Feindlich dich von mir gerissen.
Deinen Anblick muß ich missen,
Der mir Licht und Trost gebracht.
Schmerzlich mag die Trennung sein.
Doch ich fühl's im tiefsten Wesen:
Der im Geist nur mein gewesen,
Bleibt für alle Zukunft mein.
Weil kein irdisch dunkler Schaum
Unser Bündnis durfte trüben,
Werd ich dich allewig lieben,
Menschgewordner Dichtetraum.
Triolette
Gedichtform
I.
Wovor hätt ich zu zittern und zu zagen,
Wenn du mir bleibst?
Des Lebens Schlachten will ich mutig schlagen,
Das herbste Los, es wird sich lassen tragen,
Wenn du mir bleibst.
Nach keinem Glücke hab ich mehr zu jagen,
Mit freud'gem Sinn will ich der Welt entsagen,
Und nach dem Himmel brauch ich nicht zu fragen,
Wenn du mir bleibst!
II.
Was ewig schien, das wäre nun beendet?
Es kann nicht sein!
Kalt hättest du dein Herz von mir gewendet;
Mit Trug den Tempel deines Munds geschändet?
Es kann nicht sein!
Unselige! dir blutend und verblendet,
Nachdem sie ihren Liebeshort verschwendet,
Sich selbst betriegend noch den Ruf entsendet:
Es kann nicht sein!
Töne
Wenn Glockenklang mit heil'gem Mahnen
Hinzitternd durch die Morgenluft,
Hinweg von dunkel wirren Bahnen
Zur Andacht und zum Himmel ruft;
Wenn licht der Mond mit weißem Schleier
Des nahen Berges Gipfel krönt,
Und durch die stille Abendfeier
Das Lied der Nachtigallen tönt;
Wenn ich Beethoven's ries'ger Dichtung
Mit weihevollem Gruß gelauscht,
Und Ahnung seliger Vernichtung
Durch meine trunkne Seele rauscht: —
Da facht zu heißerm Sehnsuchtbrande
Die Glut in mir der Widerhall —
Ich wollt', ich saß' an ödem Strande
Und hörte deines Trittes Schall!
Befreiung
Rasch pocht das Herz in meiner kranken Brust,
Als wär' es der gefang'nen Seele Hammer,
Die sich aus ihrem dumpfen Kerkerjammer
Den Weg will bahnen zu der Freiheit Lust.
Versuchet nicht mit tröstendem Betrug
In dem Gefängnis sie zurückzuhalten!
Laßt sie das farb'ge Schwingenpaar entfalten —
Sie hat gelitten und geliebt genug.
Du, meiner letzten Liebe reines Licht,
Sollst ihr die bange Kampfesmüh' verkürzen!
In deine Flammen laß sie froh sich stürzen,
Bis sie in sel'gem Tod zusammenbricht.
Im Scheiden
Ja! scheiden müssen wir! "So frühe schon?"
Stets wär's zu früh, wenn immer es geschah!
Winkt unserm jetz'gen Schmerz ein einstiger Lohn?
Der einz'ge Lohn der Liebe ist ihr Weh.
Wohin führt wohl des Lebens dunkler Weg?
Gottlob! dem Grab führt er uns Beide zu,
Und wenn du Trost bedarfst auf deinem Weg,
So wiss': Ich bin noch elender, als du!
Versenkung
Den dunkeln Knoten, den das Leben schürzt,
Zerhieb ich kühn mit einem raschen Streiche:
In's Meer der Liebe hab ich mich gestürzt,
Daß ich des Jenseits lichten Strand erreiche.
Jedwede Schuld, die finster mich umwand,
Ich warf sie in der Liebe heil'ge Flammen;
Steig' denn empor, du reiner Opferbrand!
Und schlage läuternd über mir zusammen!
Jedwedem Schmerz, der mein Gemüt zernagt,
Und jeder Lust, die mir geblüht auf Erden,
Ja! meinem eignen Ich hab ich entsagt,
Um liebdurchglüht, ein Liebeshauch zu werden.
Bitte
Verlaß mich nicht! ich kanns nicht tragen,
O halte treulich bei mir aus!
Bald hat mein Herz ja ausgeschlagen,
Bald kehr' ich heim in's Vaterhaus.
Bald wird der lastenden Umhüllung,
Entkleiden sich mein müder Geist,
Bald wird zur leuchtenden Erfüllung,
Was jetzt nur Traum und Ahnung heißt.
Bald wird die letzte Spur entweichen
Von meinem Sein auf Erden hier,
Bald wird mein Bild in dir erbleichen —
O scheide früher nicht von mir!
Losgerissen
Der Tag ist nicht mehr ferne,
Wo diesem Wandelsterne
Enteilen wird mein Geist.
Und erst an meiner Bahre
Will Gott, daß ich erfahre,
Was Glück und Leben heißt.
Spät ist die Kund' gekommen,
Zu spät, um mir zu frommen, —
Allein ich klage nicht!
Was lang mir blieb verwehret,
Es gießt nun, reich verkläret,
Auf meinen Sarg sein Licht.
Kein ängstlich Rückwärtsschauen,
Kein Zagen und kein Grauen
Hemmt meiner Seele Lauf!
Von deiner Lieb' getragen
Fahr' auf dem Flammenwagen
Ich rasch gen Himmel auf!
Gute Nacht
Gute Nacht! rufst du mir zu;
Gute Nacht! sag ich beklommen.
Glück und Hoffnung sind verschwommen
Und so ist es Zeit zur Ruh.
Gute Nacht! das Schicksal ruft,
Trennung strenge uns bereitend.
Und aus deinen Armen gleitend
Muß ich stürzen in die Gruft.
Einer Freundin
So reich und üppig sind der Dichtung Auen,
Was treibt dich an, ein Lied von mir zu fordern?
Was willst du in den dunkeln Abgrund schauen.
Wo meiner Freuden blasse Leichen modern?
Soll deine Psyche sich, die unschuldfrohe.
Die Flügel sengen an der Schmerzen Lohn?
Wie gerne zwäng' ich mich zu frommer Lüge
Und sänge dir ein Lied, das schonend, milde
Mit heitrer Märchenkunde dich betrüge
Ob meines Lebens starrem Eisgefilde!
Wie gerne möcht' ich dir, als mir zu eigen,
Nur Glanz und Schmuck und Zier und Blüte zeigen!
Und wohl gelingt mir's sonst mit festem Schritte,
Erhobnen Hauptes und mit stolzem Munde
Dahin zu wandeln durch der Menschen Mitte,
Die Hand gepreßt auf meine tiefe Wunde
Und still bemüht, was ich in mir erfahren.
Als ernstes Gottgeheimnis zu bewahren.
Doch wenn, vom Strahle des Gesangs entzündet,
Ein Flammenmeer sich durch mein Herz ergießet
Und jeder Schatten, den es darin findet,
Vor seinem sieghaft raschen Licht zerfließet,
Da tönt, wie aus des Dornstrauchs Flammenklarheit,
Aus meiner Brust die Gottesstimme, W a h r h e i t.
Und bei des Brandes dunkel grellen Lichtern
Enthüllen sich dem innern Seherblicke —
Furchtbar genug, den Kühnsten zu verschüchtern —
All meines Lebens wechselnde Geschicke,
Und schaudernd sehe ich die frühern Zeiten
Gespensterhaft an mir vorübergleiten.
Und so umlagert rings von Geisterboten
Erschien ich mir in meinen jetz'gen Tagen
Betäubt und bang, entsetzt gleich einer Toten,
Die sie vergaßen zu der Gruft zu tragen;
Mein Sein ein Rätsel, nimmer aufzulösen,
Ein grauenhafter Spuck mein ganzes Wesen!
O hüte dich, die Geister zu beschwören,
Die nur zu willig aus der Tiefe kommen!
Auf immerdar muß ihnen angehören,
Wer einmal nur ihr Zauberlied vernommen.
Es halten wenige Granatenkerne
Proserpine vom Licht auf ewig ferne!
Nein! tritt aus deinem hellen Sonnenscheine
Nicht in das Dunkel, dahin ich verstoßen,
Und sieh in mir der Abgeschiednen eine,
Die strenger Spruch vom Frieden ausgeschlossen,
Und die am Ort nun, wo verfloß ihr Leben,
Versunkne Glückesschätze bang umschweben!
Schöner Irrtum
An E.
Könnt ich glauben deinem Liebe,
Draus vor heil'ger Zuversicht
Stilles Hoffen, klarer Friede
Tröstend und vermittelnd spricht!
Könnt ich glauben deinem Worte,
Das, gleich einer Lichtgestalt,
Aus des Innern Tempelpforte
Rein und frei und leuchtend wallt!
Könnt ich mich dem Spruch ergeben,
Der, versöhnend und versöhnt,
Über Welt- und Menschenleben
Deinem Dichtermund enttönt!
Ach, das Leben, eng begrenzet,
Weiß nichts von so edler Zier;
Und das Licht, drin es dir glänzet,
Ist ein Wiederschein von d i r!
Nur durch dich schmückt sich's mit Bildern,
Nur durch dich verklärt es sich
Und im Wahn, die Welt zu schildern
Schilderst du dein hohes Ich!
Der Blumenstrauß
Es rührte mich bis zum Bedauern
Der abgewelkte fahle Strauß,
Den ich, entfärbt von Nebelschauern
Heut liegen sah vor meinem Haus.
Die Lilien, die Anemonen,
Die Hyacinthen farbenreich,
Sie neigten ihre welken Kronen,
Die armen Rosen sahen bleich.
Verschwunden war ihr bunt Gepränge
Vom herbstlich kalten Regenguß,
Und drüber schritt die eil'ge Menge
Mit plumpem, unachtsamen Fuß. —
Da dacht' ich träumerisch der Stunde
Wo dieser Strauß, jetzt so durchnäßt.
Jetzt so zerstört, einst ward gewunden,
Ach Gott! wer weiß für welches Fest?
Wer weiß, mit welchen frohen Scherzen
Man ihn zu formen war bemüht?!
Wer weiß, an welchem sel'gen Herzen
Er duft- und farbenreich geglüht?
Wer weiß, welch stille Liebesboten
Sich bargen in dem grünen Laub?
Und jetzt liegt er am schmutz'gen Boden
Des Windes und des Wetters Raub!
Ein Bild so mancher Seelenblüte,
Auf Gottes heil'ger Flur gepflückt,
Und von des Ew'gen milder Güte
Mit Duft und Farbenglanz geschmückt.
Sie strebt, sich strahlend zu entfalten
Mit unentweihtem Blumensinn; —
Da fassen sie der Welt Gewalten
Und schleudern sie zu Boden hin.
Und drüber setzt das Volk, das stumpfe,
Mit rohem Scherz, ach! und wer denkt,
Daß in dem eklen, trüben Sumpfe
Solch eine Blume eingesenkt.
Verstimmung
Am Herzen Kummer, Bleigewicht
An meiner Seele Schwingen,
Vor meinen Augen Nebel dicht —
Und dabei soll ich singen!
Im Geiste sehnsuchtheißen Drang,
Tief ungeduld'ges Streben
Nach dunkelfreud'gem Untergang —
Und damit soll ich leben!
Ermattung
Ich wollt', es wäre Schlafenszeit,
Des Tages mühvoll Werk vollendet,
Und mir dafür als Preis gespendet
Tiefselige Vergessenheit!
Was kümmert mich des Lebens Streit?
Ich habe nichts mehr zu erringen,
Gelähmt sind meiner Seele Schwingen
Ich wollt', es wäre Schlafenszeit!
Wintertraum
Der finstre König Frost hält mich gefangen
Ich trage seiner Fesseln starres Erz,
Bleich wie sein Leichentuch sind meine Wangen,
Des Todes Ahnung schauert durch mein Herz,
Und wie des Blaubarts Weib in grauser Stunde
Verzweifelnd forschte nach der Rettungskunde
So frag ich, gramentstellten Angesichts,
Mein spähend Aug: Siehst du noch nichts? noch nichts?
Noch keine jungen Triebe an den Bäumen,
Noch keinen Sonnenpfeil, der fliegt uud trifft,
Noch keinen Purpur an den Wolkensäumen,
Noch keine fromme Primel auf der Trift?
Noch nichts, was des Befreiers Nah'n verkündet,
Ein zagend Herz mit neuem Mut entzündet?
Noch keinen Schimmer wärmern, reinern Lichts?
Mein treues Aug! siehst du noch nichts? noch nichts?
Schon holt der finstre König aus zum Streiche —
O Retter Lenz! sieh her auf meine Qual!
Willst du denn erst auf meine starre Leiche
Herniedergießen deinen milden Strahl?
Dies Herz, das heiß entgegen dir geschlagen.
Dein schönes Bild so treu in sich getragen,
In wilder Sehnsucht dunklem Jammer brichts
Unselig Aug! siehst du noch nichts? — "Noch nichts!"
Erhebung
Von Ketten fühlt ich mich umschlungen;
Wie Jakob in der Wundernacht
Hab ich mit dir, o Gott! gerungen
Und erst seit ich von dir bezwungen
Bin ich zur Freiheit aufgewacht.
Jetzt ist das Fesselband zerschnitten,
Tief unter mir die Erde liegt. —
Doch nicht, was ich getan, gelitten,
D u hast in mir den Sieg erstritten,
Indem du über mich gesiegt!
Wiederkehr
Umspielt von heitern Liebeswonnen
Vergaß ich deiner Treue schier.
Doch jetzt, nachdem mein Glück zerronnen,
Komm' ich mit meinem Leid zu dir!
Wenn Kummer je mein Herz durchschnitten.
Da zählte deine sanfte Huld
Die Qualen nur, die ich gelitten,
Und nicht die Fehler, nicht die Schuld.
Je trostverlaßner ich geblieben.
Je finstrer meiner Nächte Graus,
So reichern Balsam goß dein Lieben
Auf meine tiefen Wunden aus.
Und so wirst du auch jetzt es halten!
Die Arme breite aus geschwind!
Laß mich in deines Mantels Falten
Entschlummern wie ein müdes Kind!
An deiner Brust will ich mich grämen,
Wo ich schon oft in Tränen lag,
Und auf der Welt nichts mehr vernehmen,
Als deines treuen Herzens Schlag.
Entschluß
Gott! ich verstehe deiner Liebe Werben,
Damit ich einzig auf den Himmel sinne
Muß sich die Welt, das Leben mir entfärben,
Auf daß der Schmerz mich für sein Reich gewinne.
Ob, grimm bedroht vom irdischen Verderben,
Vom Auge mir die heiße Thräne rinne:
Mit fester Hand zerreißest du die Bande,
Die mich verknüpfen mit dem Erdenlande.
So hast du früh den heitern Traum beendet,
In den der Hoffnung sanfte Hand uns wieget,
Der Menschen Herz hast du von mir gewendet,
Daß mich ihr Haß, verkennend, nun bekrieget,
Mit aller Huld, die segnend ich gespendet,
Hab' ich nur kalten Undank mir ersieget,
Wofür ich meine Seele wollt verpfänden,
Wie Staub zerfiel es bald in meinen Händen!
Du meine letzte Liebe! glüh'nde Rose,
Die mit dem Tau ich meiner Tränen nährte,
Die schmeichelnd wie mit holdem Lenzgekose
In süßer Täuschung mir die Welt verklärte,
Du ernste Liebe! tiefe, hoffnungslose,
Und doch vertrauend himmelswärts gekehrte,
Auch du wardst von dem eis'gen Hauch getroffen —
Und keinen neuen Frühling darf ich hoffen!
Mein Gott! was führst' du mich auf solchen Wegen,
Die blutig wund den müden Fuß mir ritzen?
Spricht einzig in Gewittern nur dein Segen?
Gibt deine Wahl und Huld sich kund in Blitzen?
Und muß erliegen allen Schicksalsschlägen
Das Herz, das du allein nur willst besitzen? —
Ja! immer lauter spricht in mir die Ahnung:
Der Schmerz der Erde ist des Himmels Mahnung.
Wohlan! so will ich nun den Kampf verkürzen
Und, wie einst Decius, mein Sein verschenkend,
Freiwillig in's Gewühl der Schlacht mich stürzen.
Des hohen Geistervaterlands gedenkend!
Das finstre Rätsel, das die Tage schürzen,
Ich lös' es, mich in Ewiges versenkend.
Als Priesterin will ich mit festem Mute
Das Opfer bringen in dem eig'nen Blute!
Letztes Ziel
Des Mondes Licht zum einzigen Geleit
Ging ich durch tiefe Waldeseinsamkeit,
Der Nachtwind spielte mir um Stirn und Haar,
Ein Gruß des Friedens, süß und wunderbar.
Kein Vogel sang, doch sandten Blum' und Strauch
Den Duft empor als stillen Opferhauch.
Wo er hervorbricht aus dem Felsgeröll,
Da sank ich nieder an dem klaren Quell,
Sein labend Naß schöpft' ich mit hohler Hand
Und netzte meiner heißen Lippen Rand
Und träum'risch rief ich: o mir wäre gut
Den Tod zu trinken aus der frischen Flut.
Im Leben war ich immerdar allein.
Drum will ich auch im Sterben einsam sein;
Kein feuchter Blick, der frommes Mitleid lügt,
Kein Seufzer, der mit Liebesschein betrügt,
Kein gleißend Menschenwort soll mich umweh'n,
Wenn meine Seele will von hinnen geh'n!
O, diese einsam schöne Stätte hier,
So recht gemacht zum Sterben dünkt sie mir!
Es sänge mir der Quell mein Schlummerlied,
Sanft näh'm mich auf das grüne Blumenried,
Die Sterne leuchteten am Himmelszelt
Gleich Fackeln um den Sarkophag gestellt.
Und Niemand wüßte von der Menschenschar
Was wohl das Schicksal der Verschollnen war:
Manch' albern Märlein würde aufgetischt,
Manch' alte Lüge wieder aufgefrischt;
Doch ihres Hasses frevelhaft Gericht
Es störte mich in meiner Ruhe nicht.
Weh mir, daß noch mein Weg zum Grab nicht frei
Ein ernstes Bild zieht streng an mir vorbei
Und ruft: "Geht auch dein Sehnen nach dem Tod,
Denk, daß dein Leben Pflicht, die ich gebot!"
Sie sei erfüllt; doch heischt sie einst nichts mehr:
Zu süßem Sterben eil' ich dann hieher!
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