Lebt denn noch etwas außer
uns beiden auf der Erde
Lebt denn noch etwas außer uns beiden auf der Erde,
in der Abendstunde, wo du bei mir bist?
Nur in den Sternen erspähe ich eine Gebärde,
höre ich eine jubelnde Stimme, die Gottes ist.
Doch nein! Gott bin ich selbst, denn ich Seliger halte
dich in den Armen, und du bist die blühende Welt;
aus all meinen Poren, aus jeder verborgenen Falte
strömt freudiges Licht, das alles Dunkel erhellt.
Menschen schreiten vorüber, im Dämmer und Schatten,
ohne Bewußtsein des Glückes, das in uns ersteht,
wenn in Abend und Stille der Arbeitsmüden und Satten
meine Seele in deinen Tempel beten geht.
O Glück dieser Stunde, dies letzte Umfassen des Tages,
innig in dir, bevor der Goldne entschwebt!
Kleid meiner Seele, unsterbliche Freundin, o sag es,
spürst du es nicht, wie Ewigkeit in uns bebt?
Die Teilnahmslosen
Da stehen sie und regen schwer die Glieder
In den durchdampften Räumen der Fabrik.
Ein jeder senkt auf seine Arbeit nieder
Den noterstarrten, teilnahmslosen Blick.
Sie sind nicht Menschen mehr, sind nur Maschinen,
Die in dem vorgeschrieb'nen Stundenkreis
Sich drehen müssen, ohne daß von ihnen
Nur einer seine Kraft zu schätzen weiß.
Sie können nimmer ihre Hände spannen
Nach ihrer Tage mühevollem Tun
Um eigne Werke; was sie je begannen,
Muß halbvollendet tot im Dunkeln ruh'n.
Sie schaffen abertausend Gegenstände,
Sie machen viele Dinge stark und groß;
Doch ist nicht Gott im Regen ihrer Hände,
Und was von ihnen kommt, ist seelenlos.
Der Korbflechter
Erst klopfe ich die rauhe Rinde
herab vom Weidenstammgezweige,
daß sich das fertige Gebinde
den Blicken weiß und glänzend zeige.
Dann fügt sich unter meinen Händen
das gute Holz so wie das schlechte,
wenn ich es mit den harten Enden
verbinden muß zum Korbgeflechte.
Die feinen Ruten, flach gezogen,
ich muß sie auseinanderlenken,
auf daß sie im gespannten Bogen
sich um so inniger verschränken.
Und will mir eine Rute streben
aus des Geflechtes festen Gängen,
so muß ich sie - wie mich das Leben —
Mit sicherm Griffe niederzwängen.
Der Schmied
Ich forme meine Hände schalenrund
und fange Tau im Morgen auf, —
wie lechzt danach mein Mund!
Die Nacht gab mir nur sehnsuchtheiße Glut,
im Herzen rauscht mir Feuer auf,
brennende Fackeln trägt mein Blut.
Ich überleuchte all mein armes Tun,
ich muß in Flammen schaffend stehn
und muß in Flammen ruhn.
Und keine Kühle birgt für mich der Tag,
ich bin ein ewig glühender Stahl,
ein ewig sprühender Hammerschlag.
Der Grubenarbeiter
Wenn mein Fäustel in die Felsnacht dringt
und die Flamme aus der Tiefe sprengt,
hört mein Herz, wie einst die Erde singt,
meine Erde, die das Brot mir schenkt:
Heller Bruder, meine Dunkelheit
hält die Kohle, die dein Arm befreit,
die mit ihrer frohen Glut und Kraft
Licht und Wärme deinem Leben schafft.
Sinnbild deines Daseins ist mein Schacht,
denn auch du bist Fels und schwere Nacht,
die in ihrem tiefen Dunkel hält
Licht und Wärme für die neue Welt.
Die Dinge und wir
Wir werden immer kleiner vor den Dingen,
schon ragen sie hoch über uns empor.
Wir können nimmer ihr Bewußtsein zwingen,
demütig opfernd sich uns darzubringen,
weil unser Herz dazu die Kraft verlor.
Wir haben zu viel Haß und Mißvergnügen
bei ihrem Werden in sie eingesenkt.
Sie wuchsen aus dem Sumpfe unsrer Lügen
und wurden, um die ändern zu betrügen,
von uns zumeist mit falschem Kram behängt.
Und viele formten wir, daß sie Verderben
und Elend gaben, wenn sie ausgestellt;
wir mochten Qual und Tod in sie verkerben,
so daß aus ihnen oft ein reiches Sterben
mit Spinnenfüßen jagte durch die Welt.
So richten sie sich auf und werden mächtig,
sind nicht mehr menschenblind, nicht stumm und taub;
sie machen uns die hellsten Tage nächtig,
sind alles bösen Unheils überträchtig
und drücken uns, die Schöpfer, in den Staub.
Der Kranke
O Schicksal, tief in Not
des kranken Körpers liegen,
indes im Sommer wiegen
sich Blumen, weiß und rot.
Die graue Lerche steigt
austönend immer höher,
mein Herz, der arme Späher,
liegt leidvoll da und schweigt.
Der Schatten, den ein Baum
hinwirft vor meinen Fenstern,
erfüllet mit Gespenstern
des kalten Zimmers Raum.
Die bücken sich zu mir
herab und fragen, klagen —
ich hör' die Leute sagen,
der Kranke redet irr.
Und nachts, da steigt der Mond
herein mit schweren Lasten
und zimmert einen Kasten,
darin Verwesung wohnt.
Bei jedem Hammerschlag
aufzucken wild die Sterne,
ein Hund heult in der Ferne —
mein Gott, wann kommt der Tag.
Der Egoist
Es bleibt sich immer nur ein enger Kreis,
der seine Kraft in sich hinein verschwendet,
ein jedes Dasein gibt ihm den Beweis:
die Menge ist es, die das Große schändet.
Der Weg in einen fremden Schicksalsraum
verrannte ihm sein stolzer Eigenwille,
so blieb er furchttot wie ein dürrer Baum
und schafft um sich nur eines: kalte Stille.
Greift eines Menschen Hand nach ihm, dann häuft
er Stein und Stein um sich im engen Kreise,
und wenn ein Tropfen Liebe auf ihn träuft,
wischt er ihn weg und lacht verächtlich leise.
Und ahnt nicht, daß er immer mehr und mehr
sich seiner selbst entfernt und nachtzu wendet,
worin die Seele licht- und liebesleer
auf ihrem selbsterhöhten Kreuze endet.
Der Wachende
Mensch, der du gehst im abendlichen Dämmer
mit einer tagemüden Seele hin,
du achtest nicht des Schlages meiner Hämmer,
der ich noch tief im harten Werke bin.
Du schmiegst dich in das Flaumenspiel der Betten
wie einer Mutter wohlbehütet Kind,
indes ich feile an dem Stahl der Ketten,
die von der starken Zeit geschmiedet sind.
Du schlummerst ein, um deinen Körper faltet
sich seidenweich das dunkle Tuch der Nacht,
es kommt der Traum, und was er dir gestaltet,
dich einem Gott der Fabel ähnlich macht.
Ich aber wache, feile, hämmre, schmiede —
es klirrt der Hammer und es ächzt der Stein —
und singe mir mit diesem hellen Liede
den nahen Morgen meiner Menschheit ein.
Der Bruder
Du, dessen brennender Sehnsuchtsblick
flammt über Elend und Plage,
du bist mit dem mir gleichen Geschick
mein Bruder im Werkeltage.
Du, dem Erfüllung kündet sein Blick,
dem ein Jauchzen singt aus dem Munde,
du bist mit dem mir gleichen Geschick
mein Bruder in nächtlicher Stunde.
Großstadthimmel
Großstadthof und Großstadthaus,
grau die Höh' und grau die Breite,
aber drüber weit hinaus eine ungeheure Weite.
Sinnbild meiner Leidenschaft:
grau mein Wirken, grau mein Leben,
aber über ihm die Kraft,
gänzlich sich der Welt zu geben.
Mein heißes Herz
Mein heißes Herz, du ewig unruhvolles,
was stehst du in der Schwermut Mauerung?
Nun sei ein Ende alles alten Grolles,
alles um dich ist sommerstark und jung.
Was deiner Jugend finstere Gewalten
in schwerer Trauer über dich vermocht —
jetzt, wo der Liebe Pulsschlag in dir pocht,
mußt du das Dunkle lichtvoll dir gestalten.
Laß Blut der Sonne durch die Kammern fließen,
nimm alles Weltglück als dein Erbe hin —
im wissenden Berauschen und Genießen
liegt eines Menschenlebens tiefster Sinn.
Meiner Mutter
Du lehrtest mich, aus dem Geschick
der Armut mich emporzurichten,
und daß nur dem wird großes Glück.
der auf das Kleinste kann verzichten.
Und diese stille Lehre gab
mir jenes lächelnde Bescheiden,
das mir ein guter Wanderstab
war auf der Straße meiner Leiden.
Die Dinge und ich
Ich möchte so sein, daß ich aller Dinge
urtiefsten Sinn mit klarem Blick erspähe,
daß ich erkenn', in welche Gottesnähe
sie alle streben aus dem Daseinsringe.
Denn ich weiß wohl: so wie sie sich dem Blicke
des einen zeigen, geben sie sich nicht
dem andern preis, und tausende Geschicke
durchleben sie vor Gottes Angesicht.
Und welches Bild von ihnen ist das wahre?
so grüble ich durch lange, schwere Stunden,
denn find' ich dieses, hab' ich auch das klare
Bild meines eignen dunklen Ichs gefunden.
Lied im Wind
Mein Leben ist ein leises Lied im Wind.
Ich töne wohl in euren breiten Gassen;
doch weil sie lautem Lärm verfallen sind,
kann euer Herz mich nimmer fassen.
Nur hin und wieder horcht ein Sonntagskind,
fängt auf mein Lied und will es nimmer lassen,
singt es mit mir hinein in Sturm und Wind
und trägt mit mir die Liebe in das Hassen.
Eins mit der Erde
Ich will ein Ganzes sein mit dieser Erde,
auf ihren Straßen nicht als Fremdling gehen –
was nützt mir meine göttliche Gebärde,
muß ich mich kleiner als das Saatkorn sehn.
Drum will ich mich mit allen Bäumen heben
zur Höhe auf und mit dem kalten Stein
dem Boden unter mir die Stärke geben,
mit allen Flügeln durch die Lüfte schweben
und mit dem kleinsten und dem größten Leben
verbunden sein.
Strophen im Frühling
Die Mandelbäume stehen schwer bereift
vom Blütenschnee und wissen kaum zu tragen
die holde Last, in die mein Schauen greift;
ich muß ganz leise, leise: Frühling! sagen,
wohl hundertmal des Tages vor mich hin,
muß der Getreuen diese Wunder zeigen
und dann in ihren Armen ruhn und schweigen,
weil ich der Bäume blühender Bruder bin.
Ich geh' durch diesen Frühling, wie ein Traum
durch eine Welt geht, schwebend, unbeschwert.
Ich fühle keine Zeit und keinen Raum
und weiß nur eines: daß mich jeder Baum
zu meinem alten Kindergott bekehrt.
Ihr wißt es nicht, was das für Tage sind,
sonst würdet ihr nicht wie die Blinden gehen,
vielmehr doch wie ein tieferstauntes Kind
vor diesen hochzeitlichen Dingen stehen.
Laßt die Geschäfte in den Stuben sein,
nehmt Hut und Stock, erhebt den Blick zum Himmel
und reitet mit auf goldschabracktem Schimmel
in dieses Frühlingsmärchenland hinein.
Ohne Schwere
Was mit Flügel, Fuß und Flosse
sich um mich bewegt,
nenn' ich alles Weggenosse
frühlingsfroh erregt.
Dort die blühende Kamille
atmet meine Freude aus,
mit der braunen Maulwurfsgrille
geige ich zum Abendschmaus.
In dem Bunt der Mädchenkränze
blühet mit mein Knabenherz,
in dem Schwung der Faltertänze
drehe ich mich himmelwärts.
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