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Quelle:
Caroline Pichler

Gedichte

Wien 1822
Gedruckt und im Verlage
bei Anton Pichler

Gedichte
 

An den Bach
Die Verlassene
Sehnsucht nach Ruhe
Hedwig
Freundschaft und Liebe
Erinnerung an den Sommer
An meinen toten Zeisig
Erinnerungen
Am Vermählungstage
Elegie
Der Abschied
Schifferliedchen
Abendlied eines Hirtenmädchens
In das Stammbuch

 

An den Bach

1789

Was rauschest du vor mir dahin,
Du kühle, klare Flut,
Von dieser Silberpappeln Grün
Beschirmt vor Sonnenglut?
Du eilst in jenes stille Tal,
Wo die drei Erlen stehn —
Ach dorthin, wo zum letzten Mal
Ich Wilhelm jüngst gesehn!

Es war ein schöner Frühlingstag,
So schön wird keiner mehr;
Im reinsten goldnen Lichte lag
Die Gegend um uns her.
Die Sonne sank, ihr letzter Schein
Hüllt' in ein Veilchenblau
Des Bergs bewachsnen Gipfel ein,
Und schimmert' an der Au.

Da standen wir, du lieber Bach,
An deinem grünen Bord,
Und sahn dem Spiel der Wellen nach,
Und wagten nicht ein Wort.
Der Schmerz der nahen Trennung goß
Mir Schauer durch das Blut,
Und manch entschlüpftes Tränchen floß
Still in die kalte Flut.

Da bot er eine Rose mir,
Die er vom Strauche brach,
Ach, unbeschreiblich ist, was hier
Sein blaues Auge sprach!
Nun ist er fort, die Rosenzeit
Ist hin, die Blüte leer —
Doch jenen Blick voll Zärtlichkeit
Vergess ich nimmermehr!

Die Verlassene
Aus dem Französischen des de la Place

Flieht meinen Geist, ihr traurigen Gedanken!
Ich weiß es, daß ich meinen Freund verlor!
Mich liebte Daphnis; Daphnis konnte wanken!
"Vergiß ihn!" predigt die Vernunft mir vor:
"Du liebtest ihn, er kränkte dich so sehr" —
Doch wer gefällt mir jemals so wie Er?

Die Hirten all' umflattern mich, und glauben
Den Kummer zu zerstreuen, der mich drückt;
Ich kann den Lycidas Semiren rauben,
Der schöne Lykas ist von mir entzückt.
Zur Rache reizt mich alles rings umher —
Doch wer gefällt mir jemahls so wie Er?

Der weise Damon, unsers Dorfs Orakel,
Erbat das Vorwort meiner Eltern sich;
Der stolze Hylas brennt durch Amors Fackel,
So reich, so flatterhaft er ist, für mich.
So reich, so klug ist Daphnis nimmermehr —
Doch wer gefällt mir jemals so wie Er!

Mein armes Herz, bestürmt von allen Seiten,
Von Kämpfen, Zweifeln, Furcht und Hoffnung matt,
Nahm andre Waffen, um ihn zu bestreiten,
Die es im Stillen längst beseufzet hat.
Umsonst rühmt man des Wechsels Reiz so sehr—
Ach, mir gefällt kein andrer Jüngling mehr.

Sehnsucht nach Ruhe
Zu Mozarts Musik "O Isis und Osiris, schenkt ec.

Des Lebens und des Leidens müde,
Sehnt lange sich mein Geist nach Ruh',
Und strebet dir, geliebter Friede,
In seiner bessern Heimat zu.
Dort, wo in ungemeßnen Räumen
Sich Myriaden Sonnen drehn,
Dort werd' ich meine Saaten keimen,
Und mein Geschick enträtselt sehn.

Doch, bis sie schlägt, die stille Stunde,
Sei ruhig, Herz, und klage nicht!
Einst heilet jede tiefe Wunde,
Und was hier dämmert, wird dort Licht.
Ihr Geister längst entschlafner Lieben
Lohnt dann des Dulders schweren Lauf,
Und bin ich eurer wert geblieben,
Nehmt mich in euern Wohnsitz auf!

Hedwig
Text zu dem italienischen Lied:
Nel cuor piu non mi sento; aus der Oper: La Molinara
1791


Vom Haselgesträuche beschattet,
Durch welches kein Sonnenstrahl brach,
Lag Hedwig vom Heuen ermattet,
Schlummernd am schwätzenden Bach.
Sie war so schön, sie schlief so süß,
Die Gegend schien ein Paradies,
Wie wallte nicht mein Blut!
Ich bin den Haselschatten,
Die sie bedecket hatten,
Jetzo so hold, und so gut!

Ach Gott, wie viel einsame Stunden
Verbracht' ich am Bache mit Späh'n!
Doch hab' ich sie nimmer gefunden,
Nimmer sie schlummern gesehn!
Mir bleibt von allem meinen Glück
Erinn'rung nur und Wunsch zurück,
Es sinkt mein froher Mut.
Ach, nur die Haselschatten,
Die sie bedecket hatten,
Wissen von meiner Glut!

Freundschaft und Liebe

Spät hob aus langen Winterschatten
Sich jetzt der junge Tag empor,
Noch lag auf Berg und Wald und Matten
Des düstern Nebels Flor.
Kein Vogel sang auf der beschneiten Au,
Kein Sonnenstrahl durchdrang den grauenSchleier
Und blitzte mit gefärbtem Feuer
Aus Millionen Tropfen Tau.

In einem Tal, das dicht beschneite Hügel
Begrenzen, wo des Nordwinds Flügel
Den Schmuck des Frühlings längst verweht,
Am Bach, der sonst durch Blumen rollte,
Dem Teich sein klares Naß mit lautem Rauschen zollte,
Der aber jetzt vom Frost gefesselt steht,
Hier irrt in düstern Gram versenkt
Ein Liebesgott, der jüngste seiner Brüder,
Sein kleines Haupt sinkt auf den Busen nieder,
Man sieht im nassen Blick daß etwas tief ihn kränkt.

Die Freundschaft, die ihr Weg in dieses Tal geführt,
Sieht ihn, und, von dem Schmerz gerührt,
Der ihn zu drücken scheint, spricht sie zum Götterkinde:
"Was weinest du?" —"Ach daß ich keine Blumen finde!"
Erwiedert er: "Du weist, welch Fest gefeiert wird.
Sie, deren Reiz nur Ihrer Güte gleichet,
Hat heut den schönen Tag erreichet,
Der Sie der Welt und Dir und mir geschenkt.
Und fühle nun, wie tief mich's kränkt:
Ich kann in den beschneiten Gründen
Auch nicht ein einzig Blümchen finden,
Ihr nicht das kleinste Sträußchen binden.—
Was soll ich armer Knabe tun?
Soll ich von allen Göttern nun
Allein vor Ihr mit leerer Hand erscheinen?
Eh bleib' ich hier in unwirtbaren Hainen
Und will, indes ihr jauchzet, einsam weinen."

Mit heiter lächelndem Gesicht,
Womit sie oft des Freundes Gram zerstreuet,
Sein wundes Herz mit Himmelstrost erfreuet,
Und selbst die Wut des ersten Schmerzens bricht,
Sagt sie: "Du kränzest dich mit Rosen?
Die blühen nur, wenn Lenz und Jugend lacht;
Mein stiller Schmuck sind Immergrün, Zeitlosen,
Die find' ich auch, wenn Schnee die Erde starren macht.
Die Freundschaft ist an keine Zeit gebunden,
Sie blüht lin Lenz, und grünt im Winter noch;
Und sind der Liebe Rosen längst verschwunden,
So lebt das Ewiggrün der Freundschaft doch.
Du dauerst mich, mein Kranz ist schon gewunden.

Ich wollte jetzt ihn Ihr zu geben gehn,
Doch Dich kann ich nicht weinen sehn;
Wenn ich dich trösten kann, bleibt nie dein Auge trübe.
Nimm dieses Reis, das ich aus meinem Kranze stahl!
Und Sie empfange nun zum ersten Mal
Der Freundschaft Blumen aus derHand der Liebe!"
So spricht sie sanft, und reicht den Zweig ihm hin.
Gerührt empfänget Amor ihn,
Und von den Zähren, die an seinen Wangen
Wie Morgentau an jungen Rosen hangen,
Fällt eine drauf — und sieh! Wo sie den Zweig berührt,
Quillt Leben in ein Blatt, das, von den Tränen
Der Liebe still benetzt, zu einer schönen
Blaßroten Rosenknospe wird.

Erstaunt stehn beide; doch bald bricht
Der Liebesgott das ehrfurchtsvolle Schweigen.
"Erkennest du den Wink des Schicksals nicht?"
Sagt er: "Die Liebe locket aus den Zweigen
Der Freundschaft Rosen sich hervor.
So hebe denn, beschützt von deiner Blätterhülle,
Und dauerhaft, wie sie, das Knöspchen sich empor,
Viel schöner noch, als in des Frühlings Fülle
Die Schwestern, die am vollen Strauche blühn,
Die kommen mit dem Lenz, und mit dem Lenz entfliehn!"

"Ja, laß Theresen zu beglücken,
Uns unsre Macht vereinigen,"
Erwiedert Freundschaft ihm, "und dann mit frohen Blicken
Auf unser Werk, Ihr Glück, hernieder sehn!
Erzeugt durch Freundschaft, und gepflegt durch Tugend,
Blüh' dieses Röschen ihr in ewig grüner Jugend!
Kein Sturm, kein Winterfrost verheert
Die Blüten, die der Winter selbst genährt."

Erinnerung an den Sommer
Im November 1792

Wo bist du hin, zu schnell entflohne Zeit?
Wo seid ihr hin, ihr schönen stillen Tage,
Um die ich jetzt mit später Sehnsucht klage?
    Ihr floßt zurück in die Vergangenheit!

Ihr ernster Strom verschlang mein stilles Glück.
Was nützet nun dein ängstlich banges Klopfen,
Du armes Herz? Du kaufst nicht einen Tropfen
    Mit allen deinen Seufzern dir zurück!

Ist diese Wildnis, die mein Auge schreckt,
Wo aus dem Schnee entlaubte Bäume ragen,
Die Gegend noch, wo in vergangnen Tagen
    Ich mich so oft im Schatten hingestreckt?

Ist dies der Hain, in dessen grüner Nacht
Die Einsamkeit mit ihren Freuden thronte,
Wo oft ein Augenblick mir süßer lohnte,
    Als Nächte, die ich sonst beim Tanz durchwacht?

Hier lag ich unterm Baum; ein lauer West
Warf Schatten auf mein Buch,die gaukenld hüpften,
Und durch des Ahorns dunkle Zweige schlüpften
    Die Vögel hin und her um's warme Nest.

Ich war allein, doch einsam war ich nie;
Ich war bei Bäumen, Blumen, Gras und Bächen,
Ich hörte sie in ihrer Sprache sprechen,
    Und tief im Innersten verstand ich sie.

Dort lagen Saiten, die bei jedem Ton
In der belebten Schöpfung mit erklangen;
Sie sind's, woraus mir reine Freuden sprangen,
    Sie tauscht' ich nicht um einen Fürstenthron.

Mir war so wohl in dieser Einsamkeit,
Ich war so selig; denn ich war zufrieden,
Vergnügt mit dem, was mir mein Los beschieden,
    Und strebte nicht nach höh'rer Seligkeit.

O kehrt zurück, ihr Tage meiner Ruh!
Dann eil' ich schnell aus der verhaßten Mauer,
So schnell enteilt kein Vogel seinem Bauer,
    Dir, o Natur, und meinem Glücke zu.


An meinen toten Zeisig
1792

Schlummre deinen letzten Schlummer,
   Kleines, gutes, zahmes Tier!
Sieh, es weint ein Herz voll Kummer
   Ungeseh'ne Tränen dir!
Nie wirst du mich mehr ergetzen,
   Nimmermehr voll Freundlichkeit
Dich auf meinen Finger setzen,
   Essen, was mein Mund dir beut.

Unter diesem Rosenstrauche
   Gräbt dir meine Hand ein Grab;
Zephyr weht mit lauem Hauche
   Rosenblätter drauf herab.
Schlummre hier, dem Wurm zum Raube.
   Gutes Tier! Und über's Jahr
Sproßt vielleicht aus deinem Staube
   Mir ein weißes Rosenpaar.

Wenn dann längst mein Glück entschwunden,
   Weil' ich hier mit nassem Blick,
Träume mich in goldne Stunden
   Ungemischter Lust zurück;
Vor dem trüben Geiste stehen
   Bilder der entflohnen Ruh',
Und aus meinen Rosen wehen
   Mir Erinnerungen zu.

Erinnerungen

Süß ist das Angedenken vergangener fröhlicher Tage,
Wenn kein Kummer den Geist umwölkt, kein drängender Seufzer
Um ein verlornes Glück dem bangen Busen entfliehet.
Ruhig, heiter und schön, der Abendsonne vergleichbar,
Die in rötlichem Duft mit weit verbreitetem Glanze
Unter brennende Fluten hinab sinkt, und in's Gedächtnis
Uns die lieblichen Stunden des werdenden Tages zurück ruft,
Wo sie gleichfalls in Duft mit weit verbreitetem Glanze
Aus den brennenden Fluten empor stieg, siehe, so kehret
Mir in die Seele zurück das Bild der vergangenen Freuden.

Denkst du zuweilen, Sophie, in stillen einsamen Stunden
Jener fröhlichen Tage, die wir, entfernt vom Getümmel
Dieser lärmenden Stadt, im Schoß der Ruhe verlebten?
Oftmals kehret ihr Bild mit sanften Farben mir wieder,
Und es erhebt sich in meinem Gemüte das Schloß und die Gegend,
Und der schattende Park voll labyrinthischer Gänge.


Ich wandle dann im Geist' an deiner Hand
Am Strom, der rein in glatten Ufern glänzet,
Von blühendem Gebüsch' umkränzet;
Wir folgen seinem Felsenrand
Bis an den Hain von schlanken Pappelweiden,
Die jeder West mit leisem Flüstern regt,
Wir sehn den Baum, das Denkmal unsrer Freuden,
Der in dem jungen Holz noch unsre Namen trägt.
Es treibt der Strom die Mühlen am Gestade,
Hellfunkelnd stäubt vom lauten Rade
Im Abendglanz die tief empörte Flut;
Ein Teil der Herde kühlt sich, von der Glut
Des langen Sommertags ermattet,
Im Fluß', indes ein Teil, vom Hain beschattet,
Im Grase wiederkäuend ruht.

Oft auch besuch' ich mit dir die majestätischen Trümmer,
Wo ein heiliger Schauder mich faßt, wo über dem Schutte
Römerschatten, so dünkt es mich, schweben. Im einsamen Lüftchen,
Welches das ernste Moos durchsäuselt, hör' ich sie flüstern,
Und der Vorwelt Kunden gehn meiner Seele vorüber.
Still und gedankenvoll, auf ernstere Bilder bereitet,
Wallen wir Hand in Hand, wo auf den Ruinen Carnuntums
Sich der waldige Garten in wilder Schönheit erhebet.


Dort, wo, im Schoß des tiefsten Tals verstecket,
Das nicht so leicht der Neugier Blick entdecket,
In einer ewig grünen Nacht
Der Sitz der Schwermut ist, die auf bemoosten Trümmern,
Wenn durch das Blätterdach des Mondes Strahlen flimmern,
Einsiedlerisch und finster wacht,
Dort, wo dem, lauen West kein buntes Blümchen winket,
Wo nie der Sonne Glanz das Dunkel ganz erhellt,
Wo tropfenweis ein Quell dem nahen Fels entsinket,
Still seufzend auf den Rest zerbrochner Urnen fällt,
Und sanft zu klagen scheint — auf der zerfallnen Mauer
Sitz' ich mit dir. Des Ortes Einsamkeit,
Der Quelle leiser Ton, die Stille weit und breit.
Erfüllen uns mit süßer Trauer,
Und laden uns zu Ernst und Tiefsinn ein.
Wir seh'n die Macht der Zeit an umgestürzten Säulen,
Wir seh'n Jahrhunderte vor unserm Blick enteilen.
Entstehen, sinken, nicht mehr sein.
Hier wohnten Menschen, unsre Brüder;
Und wo ist jetzo ihre Spur?
So steigt es ewig auf und nieder
Das Rad der stets veränderten Natur.
So fließt der Zeiten Strom hinüber
In's stille Meer der Ewigkeit;
Auch unsre Tage gehn vorüber,
Und werden zur Vergangenheit.

Es lösen sich in Wehmut unsre Seelen
An diesem traurig schönen Ort.
Wenn einst ein armes Herz des Schicksals Tücken quälen,
Dann eil' es aus dem Weltgeräusche fort,
Und flüchte sich hierher! Hier seufzt, vom Wind gebogen,
Der Baum ihm nach, hier klagt mit ihm der Quelle Ton,
Und, jedem Lauscherblick' entzogen,
Spricht niemand hier, den heil'gen Schmerzen Hohn.

Doch jetzt eilen wir fort aus des Tales dichter Umschattung
Durch verwachsnes Gebüsch und unter alternden Bäumen,
Steigen den Hügel hinan bis zu dem erhabenen Sitze,
Wo an des Hains Ausgang' auf einmal dem staunenden Blicke
Sich die majestätische Donau mit Inseln und Auen,
Unübersehbar breit, ein herrliches Schauspiel, darstellt.
Aber die Sonne sinkt, und Tau benetzet die Pfade.
Sieh, es harret der Wagen, es klatschet die Peitsche; wir fliegen
Über die stilleren Felder dahin zum schimmernden Schlosse.


Und jetzt verlaß mit mir der Burg gewölbte Gange,
Wo, tausendfach zurück geschallt,
Der kleinste Laut, der schwächste Fußtritt hallt!
Der Abend ist so schwül, das Schloß dünkt mich zu enge.
Komm in den Meierhof, an meinen Lieblingsort!
Jetzt kehrt das Wollenvieh in wimmelndem Gedränge
Von trocknern Weiden heim; dumpfläutend kommen dort
Mit langsam schwerem Schritt die Kühe von den Triften;
Sie nahen sich der reinen Tränke schon.
Wie lieblich tönt in heitern Abendlüften
Der Schellen Klang, der Rinderglocken Ton!
O sieh, wie alles sich bunt durcheinander reget,
Wie alles tätig ist, wie alles sich beweget!
Hier trägt die Dirne frisch gemähtes Gras,
Der guten Kühe duftend Abendfutter;
Hier leckt das Schaf am Steinsalz, hell wie Glas,
Dort springt das Lamm im Saugen um die Mutter.
Die Milch, die hier des schmucken Mädchens Hand
In blanke Eimer melkt, wird dort zur gelben Butter,
Und hier steht süßer Käs' in Formen an der Wand.

O dreimal heiliger beglückter Hirtenstand,
Der der Natur Gesetz mit reinem Sinn verstehet,
Nur, was sie heischet, braucht, und glücklich, unbekannt
Mit den Bedürfnissen, die Wollust ausgespähet,
Was seine Herde beut, in sichrer Ruh' genießt,
Nie von der Ehrsucht Flammen brennet,
Nur die Genügsamkeit als wahre Freheit kennet,
Aus der die Quelle seiner Freuden fließt!
So zaubert mich in längst entfloh'ne Stunden
Die Phantasie mit reger Kraft zurück,
Erhöhet jede Lust, die ich empfunden,
Und zeigt in schönenn Licht des Hirtenstandes Glück.


Und du? Ich weiß, du wirst die Schwärmereien,
O Freundin, und das warme Lob verzeihen.
Daß ich der süßen Ruh' auf stillen Fluren gab.
Es fielen ja so manche schwere Bande,
Die Wahn und Dünkel flicht, in diesem sel'gen Stande
Am Busen der Natur von unsern Seelen ab;
Und gerne gaben wir, uns aus der Welt zu retten,
Der Mode Tand, des Zwanges goldne Ketten
Um einen leichten Hirtenstab.

Am Vermählungstage
meiner Freundin

Der lieblichste von allen Frühlingsmorgen
Stieg aus dem Ozean empor;
Doch unter einem Nebelflor
Lag noch der Erde junger Schmuck verborgen.
Nun weicht die Dämm'rung vor dem Rosenstrahl;
Es glühn im Feuerlicht der Berge höchste Spitzen,
Die Nebel rollen sich im feuchten Tal,
Die Blumen öffnen sich, und Diamanten blitzen
Auf ihrem Schmelz, es bebt ein zitternd Licht
In jeder Blume Brust, in der ein Strahl sich bricht.


Es war der schönste Tag, der jemals aufgegangen
Heut endlich sollt' ein junges edles Paar,
Nach manchen trüben Stunden, manchem bangen,
In Schmerz und Trennung durchgeseufzten Jahr
Den Lohn für seine schöne Treu' empfangen.
Schon sammelte der Götter Schar
In jenem Tale sich, wo einst ein Amor klagte
Weil ihm des Winters strenge Hand
Das kleinste Blümchen auch zu einem Strauß versagte,
Bis er die milde Freundschaft fand,
Die aus dem Kranz, den sie Theresen wand,
Ein Reis ihm gab, das dann durch eine seiner Tränen
Zur Rosenknospe ward. Verschwunden ist sein Sehnen,
Vergessen ist sein Gram; statt jenes Kinds der Tränen
Schmückt nun ein ganzer Lenz von Rosen Amors Haar.
Triumph und Freude glänzt aus seinem Augenpaar,
Und seine Hand hält, um die Glücklichen zu krönen,
Zwei Rosenkränze noch, so schön, wie seiner war.


Die Freundschaft nahet auch, mit Immergrün gekränzet.
Zwar ist sie ewig schön, heut aber überglänzet
Des kleinen Gottes Reiz die stille Majestät,
Die, nur dem Nahen schön, von fern unscheinbar steht.

Ein Säuseln bebt harmonisch durch die Lüfte,
Den ganzen Hain erfüllen Balsamdüfte,
Ein zärtlich Girren zeigt der Tauben Ankunft an,
Und sieh! von ihren Grazien umgeben,
Sieht man der Schönheit Göttin auf den Plan,
In rosiges Gewölk verhüllet, niederschweben.
Der Gott des Reichtums steigt aus seiner finstern Gruft.
Im Schoß der Erd' empor. Auf glänzendem Gefieder
Läßt lächelnd aus der heitern Frühlingslust
Die junge Freude sich hernieder.
Die Ehre kommt in schimmerndem Gewand',
Und jedes bringt in milder Götterhand
Dem Brautpaar ein Geschenk von seinen besten Gaben.


Als der Olymp nunmehr versammelt schien,
Tritt Amor triumphirend hin vor ihn,
Und spricht: "Wir müssen einen Führer haben!
Ich will es sein! — Wer von euch allen kann
Mir heute dieses Recht bestreiten?
Wer hat so viel für unser Paar getan,
Wer facht' in ihrer Brust den ersten Funken an,
Wer half euch dieses Fest bereiten,
Als ich?" — "Ja, Amor! Amor" scholl's von allen Seiten,
"Sei unser Führer!" — Mutig schüttelt er
Die Fackel, und fliegt stolz vor allen Göttern her.


Auf einmal füllt ein heller Glanz die Gegend,
Und auf des Westes Flügeln sich bewegend
Sinkt ein Gewölk herab, das sich zur Erde neigte
Es öffnet sich: aus seinem Schoße steigt
Ein Götterchor in ewig blüh'nder Jugend,
Die lächelnde Gefälligkeit,
Die Sanftmut, die Geduld, die weise Häuslichkeit,
Die Sittsamkeit, und jede milde Tugend,
Die unbemerkt im Kreis des stillen Lebens wohnt,
Zwar nicht mit lautem Lob, mit ew'gem Nachruhm lohnt,
Doch sorgsam jede Blum' am Lebenswege pflücket,
Und wo nicht glänzend uns, doch inniger beglücket.

Die ernste T r e u e führt den himmlischschönen Chor.
Sie tritt aus ihrem Kreis voll Majestät hervor,
Ein himmelblau Gewand umgibt die hohen Glieder,
Und fließt vom Busen stolz bis auf die Erde nieder,
Und durch die langen dunkeln Locken flicht
Ein Kranz sich von Vergißmeinnicht.
Sie spricht: "Was wagst du, kühner Knabe?
Was maßest du ein Recht dir an, das mir gebührt,
Auf das von Allen, die das Fest hierher geführt,
Nur ich allein den ersten Anspruch habe?
Was wärst du, stolzes Götterkind!
Hätt' ich dich nicht gepflegt, ich nicht dich unterstützet,
Und deine Rosen, die so leicht vergänglich sind,
Nicht vor des Schicksals Wut durch meine Macht geschützet!
Ich hob den Mut der Liebenden empor,
Gab ihnen Kraft, dem Sturm zu widerstehen,
Ließ sie im wahren Licht das Glück der Ehe sehen,
Und leer und wirkungslos verhallt' in ihrem Ohr
Der Ruf der Eitelkeit, des Reichtums laute Stimme.
Ich, die das Paar erhielt, das einst des Schicksals Grimme,
Durch dich gereizt, der Fürst der Elfen überließ.
Ich, die Penelopen in Künsten unterwies,
Womit sie ihre Freier schlau betrogen,
Ich hielt, ich tröstete auch dieses Paar,
Als einst beinah' ein volles Jahr
Des Schicksals strenger Schluß einander sie entzogen.
Wenn einst der Gram vielleicht die Freude von ihm scheucht,
Die Schönheit hin von ihr zu neuer Jugend weicht,
Und alle deine Rosen längst verblühen,

Dann bleiben wir allein zurück;
Wir weichen nicht, wenn alle Götter fliehen.
Wir gründen fest ihr dauerhaftes Glück,
Wir führen sie auf Blumenwegen
Dem schönsten Ziel, Veredelung, entgegen,
Und folgen ihnen, wenn der Vorhang fällt,
Nur wir allein, in eine bessre Welt."

Hier schwieg die Göttin — und wer durft' es wagen,
Ihr und dem schönen Schwesterchor
Den ersten Platz noch länger zu versagen?
Sie hob auf ihrer Wolke sich empor,
Und Alles folget ihr mit Freuden.
Selbst Amor flattert nur bescheiden
An ihrer Seite her — noch sah ich ihr Gewand
Von fern im Winde weh'n — und mein Gesicht verschwand.

Elegie

Die Mitternacht ruht schweigend auf der Gegend;
Mit immer trübern Schatten sinkt
Auf Berg und Tal ein feuchter Schleier,
Den kaum mit halberloschnem Feuer
Ein einzeln Sternbild hier und dort durchblinkt.

Bis auf den Wind, der in den Bäumen seufzet,
Kein Laut, kein Leben weit und breit!
Ach! Alles liegt in stummer Trauer,
Und mich durchbebt geheimer Schaue
In dieser tiefen toten Einsamkeit.

Der du in düstern Nebelwolken wandelst,
Enthüll', o Mond, dein Angesicht,
Und zeige mir mit stillem Strahle
Den Pfad zum neu erhöhten Mahe,
Um das sich noch kein Kranz von Blumen flicht!—

So schläfst du hier! — Ich steh'an deinem Grabe,
Ich, die dich noch vor kurzem sprach,
Ich, die vor schnell entflohnen Stunden
Dein Los beneidenswert gefunden,
Ich weine deinem strengen Schicksal nach!

Wie hast du nicht gekämpft, wie viel erlitten,
Bis dich mit deiner Seele Freund
Nach manchem kummervollen Jahre
Des Priesters Hand am Brautaltare,
Ach! nicht für diese Spanne Zeit, vereint!

Wie froh war Alles, was dich, Edle, liebte,
Wie selig pries ich dein Geschick!
Im Arm der Freundschaft und der Liebe,
Gegründet auf die reinsten Triebe,
Genossest du dein häuslich stilles Glück.

Jetzt, da ein Pfand der Liebe deinen Freuden
Erneute höh're Reize gab,
Jetzt reißt das Schicksal ohn' Erbarmen
Aus deines Vaters treuen Armen,
Von deines Gatten Brust dich in das Grab.

Ist dies das Ende jener schönen Träume,
Dies deiner heißen Wünsche Ziel?
War deinen Tugenden hiernieden
Ein frühes Grab zum Lohn beschieden?
Ist Menschenglück des ernsten Schicksals Spiel?

Du bist dahin! — Du ruhst in kühler Erde,
Woraus kein Morgenrot dich weckt,
Hörst nicht den lauten Schmerz der Deinen,
Nicht des verlaßnen Säuglings Weinen,
Bist kalt, dem Hügel gleich, der dich bedeckt

Doch welch ein Lichtstreif zittert durch das Dunkel?
Ist's Luna, die der Wolk' entwallt? —
Du bist's! Ich sehe dich im Glanze,
Dein goldnes Haar weht unterm Kranze,
Und Sterne schimmern durch die Lichtgestalt.

Erhöhter Reiz umstrahlet deine Bildung,
Erhebt dein himmlisch Angesicht,
Du neigst dich lächelnd zu mir nieder,
Mich dünkt, ich höre Harfenlieder,
Indem dein Mund im reinsten Wohllaut spricht:

"Ich lebe noch, wenn gleich die Hülle modert,
Worin mein Geist euch sichtbar ward.
Nichts geht in Gottes Reich verloren,
Was sterbend scheint, wird neu geboren,
Und wirkt in einem Dasein höh'rer Art.

Ich seh' den Jammer, der die Meinen drücket,
Ich lieb' und ich bedaure sie.
Da, wo sie noch im Dunkeln gehen,
Verwirrung nur und Rätsel sehen,
Seh' ich Zusammenhang und Harmonie.

Ich weiß den Zweck von meinem frühen Tode,
Durchschaue, frei von Erdenwahn,
Den Lauf des widrigen Geschickes,
Das sie beweinen, hellern Blickes,
Und segne jetzt der Vorsicht weisen Plan.

Noch werd' ich lang' um meine Freunde weilen,
Mich ihrer Liebe lang' erfreun;
Die Vorsicht will, ich soll auf Erden
Der Schutzgeist meiner Tochter werden,
Und nach dem Tode noch ihr Mutter sein.

Ich will sie treu durch's Erdeleben leiten;
Sie soll den leisen Ton der Pflicht
Im unschuldsvollen Herzen hören,
Ich will sie ihn verstehen lehren,
Wie laut auch Lust und Eigenliebe spricht.

Dann wird dereinst mein ewig teurer Gatte,
Den Gott mich früh verlassen hieß,
Mich wieder in der Tochter finden;
Sie werd' ihm, was aus weisen Gründen
Die Vorsicht mich für ihn nicht werden ließ.

Und wenn ich einst dies schöne Werk vollendet,
Schwingt sich mein Geist empor zum Licht.
Dort harr' ich dann in heller Ferne,
Bis auf dem dunkeln Erdensterne
Der Tod auch meiner Freunde Fesseln bricht.

Bald sammelt sie nach kleinen Zwischenräumen
Um mich des großen Vaters Wort;
Dann eilen wir auf lichten Wegen,
An Weisheit wachsend, wie an Segen,
Von keinem Tode mehr getrennet, fort."


Der Abschied
Nach dem Italienischen des Metastasio

Schon naht die Scheidestunde,
Um dich von mir zu trennen;
Wie werd' ich leben' können,
    O Lyda, ohne dich?
Ich werd' in Kummer leben,
Nichts wird mir Freude geben;
Und du? — Wer weiß, du denkest
    Vielleicht nicht mehr an mich!

Mein Geist wird dich begleiten,
Bis hin in ferne Fluren,
Er folget deinen Spuren,
    Läßt nimmer, Lyda, dich.
Du fühlst sein leises Wehen,
Kannst du ihn gleich nicht sehen,
Und denkst — doch ach, du denkest
    Vielleicht nicht mehr an mich!

Entfernt von meinem Glücke
Werd' ich dann einsam klagen,
Und jeden Felsen fragen:
    Wo find' ich, Lyda, dich?
Mit jedem neuen Morgen
Erneu'n sich meine Sorgen,
Und du? — Wer weiß, du denkest
    Vielleicht nicht mehr an mich!

Dann such' ich noch die Stätte,
Wo ich in sel'gen Stunden
Das reinste Glück empfunden;
    Dort lebt' ich einst um dich!
Das Bild entflohner Freuden
Verdoppelt meine Leiden,
Und du? — Wer weiß, du denkest
    Vielleicht nicht mehr an mich!

Seh' ich die Felsenquelle,
Dann werd' ich seufzend sagen:
Hier fand in schönern Tagen
    Ich oftmals, Lyda, dich!
Dort glühten wir in Flammen,
Hier klagten wir zusammen,
Und du?— Wer weiß, du denkest
    Vielleicht nicht mehr an mich!


Du wirst, wohin du ziehest,
In jenen fernen Gründen
So viele Hirten finden,
   Die schöner sind als ich!
Ach Gott! Bei ihren Blicken,
Bei Seufzern, Händedrücken,
Ach Gott! — wer weiß, du denkest
    Vielleicht nicht mehr an mich!

O denk' an meine Liebe,
An deine heil'gen Schwüre,
Denk — wenn ich dich verliere,
    Dann blüht kein Glück für mich!
Denk mit gerührtem Herzen
An dieser Trennung Schmerzen,
Denk — o wer weiß, du denkest
    Vielleicht nicht mehr an mich!

Schifferliedchen
Nach dem Italienischen:
La biondina in gondoletta  ec.


Als ich Abends auf der Gondel
Mein geliebtes Mädchen führte,
Rings um uns sich nichts mehr rührte,
Schlief sie vor Behagen ein,
Schloß die schönen Augenlieder,
Und erwachte plötzlich wieder;
Doch der Barke leichtes schwanken
Wiegte sie von Neuem ein.

Von dem blauen Himmel blickte
Luna durch die Wolkenhülle,
Auf des Meeres tiefer Stille
Hielt der Wind den Odem ein;
Nur ein Zephyr spielte freier
Mit des Mädchens Haar und Schleier,
Und aus den verschobnen Falten
Blickt ihr Busen weiß und rein.


Ganz verloren in Entzücken
Sah ich ihre Wangen blühen,
Ihre Purpurlippen glühen,
Staunte so viel Schönheit an.
Ach, da fühlt' ich ein Gewühle
Nie empfundener Gefühle
Und ein innerlich Vergnügen,
Das ich nicht beschreiben kann!

Endlich, ihrem langen Schlummer,
Der mir ewig schien, zu wehren,
Wagt' ich's, leise sie zu stören,
Und nie werd' ich es bereu'n;
Denn, o Gott! was wir empfanden.
Was wir Süßes uns gestanden,
Nein, ich werd' in meinem Leben
Nimmermehr so selig sein.

Abendlied eines Hirtenmädchens

Kommt, Schäfchen, kommt! Der Abend winkt
Euch nun zur süßen Ruh',
Die Sonne, minder feurig, sinkt
Den blauen Bergen zu;
Es schimmert noch ihr letzter Schein
Im See als rege Glut,
Und Berge, Wiesen, Tal und Hain
Hängt zitternd in der Flut.

Ein Lüftchen schauert drüber hin,
Das leichte Wellen schlägt,
Die roten Wölkchen schwanken drin,
Vom Wasser leicht bewegt;
Es singt die Lerch' im Weizenfeld
Ein Abschiedslied dem Tag',
Und aus dem blüh'nden Rocken gellt
Der Wachtel heller Schlag.


Vom Berge, der im Abendstrahl'
Wie hoher Purpur glüht,
Tönt in das schattenvolle Tal
Der Alpenmädchen Lied;
Sie singen da in heitrer Luft
Der Lieb' und Freiheit Glück,
Und von den fernen Alpen ruft
Das Hirtenvolk zurück.

Doch nun wird alles still um mich,
Die Arbeit ist vollbracht,
Der müde Landmann sehnet sich
Nach deiner Ruh', o Nacht!
Der Mond, vorher so matt und blaß.
Glänzt nun mit hellerm Schein,
Der Abendtau benetzt das Gras,
Kommt, Schäfchen, kommt herein!

In das Stammbuch
des Fräuleins Therese von Paradis

Von der sichtbaren Welt durch der Vorsicht Willen geschieden,
Schloß die unsichtbare dir heller im Innern sich auf,
Und dein Genius führt' aus dem Reich der Strahlen und Farben
Dich in der Harmonien und in der Töne Gebiet,
Bildet', empfänglich dem Einklang der Töne, dem geistigen Einklang
Viel empfänglicher noch, weise dich liebend, dein Herz;
Und nun schmückst du mit Blumen den Weg der geliebteren Freunde,
Fühlst, im fremden Genuß schwelgend, dich selber beglückt.
Mir auch hat einst den Tag, den schönsten des irdischen Lebens,
Deine Freundschaft, dein Geist, schöner und froher gemacht.
Ewig dankt dir mein Herz, und erkennt mit schmeichelndem Stolze,
Daß in der Freunde Kreis liebend Therese mich zählt.