weiter

Quelle:

In Lieb und Haß
Pichler Adolf
Elegien und Epigramme aus den Alpen

Gera 1869
Eduard Amthor
Druck von Fischer & Wittig in Leipzig

I.
Jugend und Liebe 1

 

Stoff
Das Epigramm
Mädchen mit goldenem Haar
Gebet
Der Apotheker
Ratlos
Hoffnung
Am Eisack
Zu Bozen
Nachts
Drohung
In's Kloster
Ertappt
Drudenfuß
Heilung
Granaten
Herakles
Ein Brief
Gewonnen
Der Schmetterling
Der Wasserfall
Parität
Der Hagedorn
Auslegung
Metamorphose
Zweifel
Serenade
Vorzeichen
Versöhnung
Die Kupplerin

Stoff


Nicht das ewige Rom und kunstreich prunkende Hallen,
Die mit blutigem Raub Sieg und Triumphe gefüllt,
Wurden zum Lied mir bestimmt; doch ragen erhaben die Alpen,
Gletscher krönen das Haupt, Reben umwinden den Fuß.
Wie Horaz und Properz die Lieder Homeros' vernahmen
Stolz im Marmorpalast, hör' ich im Wald den Gesang.
Selber die Vorzeit wird lebendig auf grünender Alpe,
Tritt Eumäos zu mir keck in des Senners Gewand.
Fern auch bleiben mir nicht die Musen, es lächelt die Liebe
Hold und freundlich, wie sie je nur dem Römer gelacht.
Lorbeer wächst und Jasmin auch hier; zum Kranze gewunden
Prangt er mit Edelweiß schön an der Stirne der Maid.
Sollt' ich wählen, ich nähm' Falerner nicht für Traminer,
Syrischen Salböls Duft spendet der nordische Speik.

Das Epigramm

Gleichst du dem Blitzstrahl doch, Epigramm! der, was in der Wohnung
Lang ward sorglich gespart, lodernd zum Himmel entführt.
Mancherlei geistigen Schatz, ich hatt' ihn gesammelt vor Zeiten,
Spielend ergreifst du ihn, sprühst ihn als Funken umher.
◊◊◊
"Was, Epigramme! Du wagst's? — Das sind ja Reminiszenzen!
Hat doch dieser und der schon Epigramme gemacht."

Mädchen mit goldenem Haar

Mädchen mit goldenem Haar! — was strickst du Maschen am Netze?
Ist doch das goldene Haar selber ein goldenes Netz!
◊◊◊
Mädchen mit goldenem Haar! fest hält man Schiffe an Tauen,
Mich zu halten genügt einzig ein Härchen von dir.
◊◊◊
Lang schon trieb ich umher zu Land und auf Fluten des Meeres,
Schiffbruch litt ich zuletzt hier in den Augen der Maid.
◊◊◊
Mädchen mit goldenem Haar! wärst du nicht neckisch und schalkhaft,
Würd' dein goldenes Haar jetzt schon ein Heiligenschein.
◊◊◊
Mädchen mit goldenem Haar, du gleichst der Ähre im Windhauch,
Welche das liebliche Haupt schwingt auf dem schwankenden Schaft.
◊◊◊
Mädchen mit goldenem Haar! du schenkst mir den goldenen Wein ein,
Eros tauchet empor spielend auf goldener Flut.
◊◊◊
Ehe die Ros' erblüht, muß manches Blümchen verdorren,
Eh' du, Einzige! kamst, hab' ich gar manche geliebt.

Gebet

Heiliger Florian! du stehst mit dem Eimer am Brunnen,
Fromm in Feuersgefahr ruft dich das gläubige Volk.
Täglich siehst du die Holde, wie kannst du ruhig es dulden,
Daß sie mit glühendem Blick wild mir den Busen entflammt?

Der Apotheker

Indiens Kräuter bewahrst du in irdenen Büchsen gesammelt,
Während im Steinkrug hier lauert das gräßliche Gift.
Hast du etwas gelernt, so töt' entweder die Liebe,
Oder heile das Herz, welches die tödliche birgt.

Ratlos

Weise — wie oft war ich's für euch mit freundlichem Rate,
Ach nun helfet auch mir, weil mich das Mädchen bestrickt.

Hoffnung

Lang, ach! zog ich den Weg, den Ordnung strenge bezeichnet,
Fall' ich über die Schnur, o so vergebt es mir jetzt!
Eros schwang sich empor aus dunkelsten Schlünden des Chaos,
Leuchtend im Reigentanz folgten die Sterne ihm nach;
Er wird schlichten auch mir wild widerstrebende Kräfte,
Bis harmonisch ertönt tief aus dem Busen das Lied.

Am Eisack

Mädchen mit goldenem Haar! ich folge dem Flusse nach Süden,
Über den Brenner zurück flieh'n die Gedanken zu dir.

Zu Bozen

Mädchen mit goldenem Haar! wie könnt' ich deiner vergessen,
Mahnt doch der purpurne Wein stets an den purpurnen Mund.

Nachts

Mädchen mit goldenem Haar! du bist mir fern wie der Himmel,
Wie dein goldenes Haar leuchten die Sterne der Nacht.

Drohung

Kreuzige, Mädchen, dich nur und tauche den Finger in's Weihfaß,
Nicht entgehest du doch Eros dem heidnischen Gott,
Siehst du ihn hier? er steht und lauert hinter der Säule,
Mir zur Seite geschmiegt, welcher dir lang schon gefolgt.
Zärtlich schau' ich dir nach; du seufzest fromm zur Madonna,
Senkend die Wimpern scheu, trifft dich der glühende Blick.
Weigere, Holde, dich nicht, wenn Heid' und Christ sich versöhnen,
Feiert die Kirche sogar ihren erhab'nen Triumph.

In's Kloster

Ja, das war an der Zeit! du drohtest mir gar mit dem Kloster:
Dein so schelmisches Aug' in die Kapuze versteckt!
Zwar zu büßen ist viel, wohl manchen hast du verwundet,
Selbst das sanfteste Herz grimmig entzündet zur Wut,
Fremde und eigene Schuld! — Doch werd' dir beides verziehen.
Wenn mir die Liebe vergilt, was mir die Liebe geraubt.
Willst du es tun! — "Nein, nein!" — So geh zur Straf' in ein Kloster,
Bald jagt Eros der Schalk dich zu der Zelle hinaus.

Ertappt

Hab ich dich endlich ertappt! vergebens suchst du zu leugnen,
Was dein Mund mir versagt, kündet verrät'risch der Blick.
Langsam gingst du vorbei, gesenkt die Wimper die dunkle,
Doch nicht zähmt' sie das Aug', strahlend ein Stern in der Nacht.
Ja, ich hab' es geseh'n, mir folgten die feurigen Blicke,
Hätt' ich geseh'n es nicht, hätt' ich es dennoch gefühlt!
Ängstlich zittert der Baum im Herbst beim Wehen des Windes,
Welcher der goldenen Frucht schützende Blätter entführt:
Schütteln will ich sie nicht, bald folgt sie selber dem Winke,
Sinkt bald schwellend und voll sanft in des Harrenden Schoß.

Drudenfuß

Jmmer mit Drudenfüßchen bezeichnet die Mutter das Haustor,
Doch sein Auge verhext mich zu dem Fenster herein.

Heilung

Schmerzt' als Kind dich ein Schnitt, so blies auf den Finger die Mutter,
Sag', wie heilt sie dich jetzt, wo dich die Liebe versengt?

Granaten

Eitel — du bist es fürwahr und schmückest den Hals mit Granaten,
Tröpflein purpurnen Weins sind es vergossen im Schnee.

Herakles

Sollt' ich Liebe verschmäh'n, mich weih'n langweiliger Weisheit,
Statt Poetengesang üben Kathedergezänk?
Hab' ich den Ruhm je begehrt, daß Ihr mich zählt zu den Euren? —
Nun so vergönnt mir auch schattige Kühle des Hains,
Wo herschimmert der Schnee von der Alpen gewaltigem Gipfel,
Mir iserischen Wein kühlet der eisige Quell.
Schenk', o Mädchen, mir ein; ich werde dich nimmer verlassen.
Sag', was nähm' ich dafür? Leer ist der Könige Pracht!
Liebe und Nektar war's, womit die Götter ihm lohnten,
Als vom Öta der Held stieg zu den Höh'n des Olymps.
Taten! ich hab' so manche vollbracht wohl würdig des Lobes:
Tanten wie Cerberus wild trog ich mit heimlicher List,

Löwen bezwang ich nicht, doch Humpen beim goldenen Löwen,
Feindlicher Neider Gezücht traf der stymphalische Pfeil.
Kläffern stopft' ich das Maul, wie jener der Sau des Gebirges,
Stieg zum Himmel er auf, hol' ich vom Joche den Speik.
Wollt ihr Taten noch mehr? — Versagt mir den blutigen Lorbeer:
Spendet die Rebe den Most, spendet das Mädchen den Kuß.

Ein Brief

Federn des Schwans wozu? — O pflücke die Kiele des Raben,
Tauch' in Galle sie tief, wenn du belisten mich willst.
Meinst, ich merke die Falschheit nicht? — Doch will ich dir trauen,
Folgt auf's feurige Wort endlich der feurige Kuß.

Gewonnen

Bringt mir Wein von Tramin, doch füllet den mächtigsten Humpen,
Heute dem ersten Kuß gelte die wonnige Fei'r,
Wie sie lang sich gesträubt, das Köpfchen gebogen zur Seite,
Bis das blonde Gelock sich in den Zweigen verfing!
Halb unwillig als Raub, so schien's fast, dulde den Kuß sie,
Während Purpurglut über die Wangen ihr floß.
Schmollend wich sie zurück, da raubt' ich den zweiten ihr weg schon,
Und sie lächelte sanft, bot mir entgegen den Mund,
Eros liebliches Spiel, wir lernten's in heißer Umarmung!
Dir, o schützende Nacht, werde der Becher geweiht!

Der Schmetterling

Kehrst du immer zurück? Bald wählst du die Wange des Mädchens,
Bald an des Bechers Rand schlürfst du das tauende Naß,
Bist du der Genius hier in laubumschatteter Grotte? —
Innig danke ich dir, weil du gesegnet das Lied,
Bist du vielleicht ein Poet, der einst von Liebe gesungen
Und am traulichen Ort suchet ein trauliches Paar:
O dann sei mir gegrüßt! ich gieße die Spende des Weines,
Von dem lieblichen Mund sei dir zu nippen vergönnt.

Der Wasserfall

Brausend stürzen die Fluten herab und bringen dir Blumen,
Bist du hoch im Gebirg, schweben sie leise hinauf,
Legen als Schleier sich sanft um sparrige Nadeln der Föhre,
Schimmern als Rose am Fels, wenn sie der Abend verklärt.

Parität

Lassen wir Luther und Pabst, das Gezänk fanatischer Toren,
Welches den Himmel verheißt, während den Beutel es meint.
Fort in's Freie hinaus, dort wollen wir lachen und trinken,
Wo am schattigen Bach bläulicher Flieder sich wölbt.
Nachtigallengesang tönt süßer als Rabengekrächze,
Kardinälen in Pracht ziehe die Rose ich vor.
Muß es gestritten denn sein, so laß uns zanken um Küsse,
Wie sie Lesbien einst scherzend Catullus geraubt.
Älter als Luther und Pabst ist Eros der schäkernde Knabe,
Welcher dem Chaos entsprang, welcher das Chaos geklärt.
Glanzvoll lächelt der Lenz und wonnig über den Bergen, —
Heiden und Christen umwölbt friedlich das nämliche Blau.

Der Hagedorn

Neigst du herab dich zu mir,o Zweig voll schneeiger Dolden,
Daß ich ein Xenion schnell widme dem flüchtigen Schmuck?
Sei dir Bess'res bestimmt! Ich lös' dich vom borkigen Stamme,
Flecht' in's goldene Haar kosend dem Mädchen dich ein,
Duft balsamischen Öls wird mischen sich deinem Arome,
Atmend beides zugleich schlürf' ich den Wein von Tramin.

Auslegung

Hörst du den Kuckuck? er ruft das Nämliche wieder und wieder,
Doch zwiespältigen Sinn finden die Menschen dabei,
"Glu glu!" deuten es Trinker und stürzen den schäumenden Humpen.
"Du du" liebendes Paar küssend in seliger Lust.

Metamorphose

Glaub' mir, Mädchen, gewiß! das sagen dir alle Gelehrten:
Oft in Blume und Tier wandelt sich Menschengestalt,
Wär' dir schrecklich es nicht, am Wege zu stehen als Klette,
Die an jeden sich hängt, aber auch jeden zersticht?

Zweifel

Falsch, o Mädchen, ihr seid's und lüstern wie Eva die Mutter,
Welche das Erbteil euch einst von der Schlange vermacht.
Schön war Luzifer nicht, doch bot er listig den Apfel,
Eilig biß sie hinein, reichte dem Manne das Gift. —
Ursprung bist du auch mir und Quelle des bittersten Leidens,
Nirgends ein Ende zu spähn, fährst du zu täuschen mich fort!
Sorgen erregst du mir oft und jetzo den schlimmeren Zweifel,
Ob auch richtig der Grund, welcher zu scheiden gebot.
"Fort, o Geliebter!" du riefst es, — ich wollt' dich feurig umarmen —
"Fort, Geliebter, entflieh', hörst du die Tante? — sie schilt!"
Zwar vernahm ich den Ruf, doch klang er brummig im Basse,
Wie ein Kater im März schnurrend das Liebchen begrüßt.
War es die Tante? — Du schwörst und flehst, ich solle dich schonen,
Denn schon klatsche die Stadt eifrig bei Tee und Kaffee.
Laß sie klatschen die Stadt, ich will bei Tag dich vermeiden,
Treff' ich aus Zufall dich, schau' ich unwillig beiseit.
Nicht mehr darfst du jedoch am Abend dich listig entwinden,
Welchen von Bitten erweicht du mir zu schenken gelobt.
Trau' den Sternen und mir, dann lachen wir beide der Kläffer,
Die von unserem Zwist schwätzen bei Tee und Kaffee.

Serenade

Wie, du wagst es und singst? Da werden die Steine lebendig
Und zu wuchtigem Hieb hebt sich der Pappel Gezweig,
Flieh, Unseliger, flieh! vom Berg entstürzt die Lawine,
Hebst zu singen du an, faßt dich im tobenden Sprung,
Schwerlich wird dich beklagen das Mädchen, welchem du stets nur,
Schlaf und Träume verscheucht weit vom erquickenden Pfühl.

Vorzeichen

Linksher hat es geblitzt das Mädchen mit drohendem Auge,
Rechtsher donnert es laut hoch aus dem schwarzen Gewölk.
Sagt, wie beut' ich den Sinn so widersprechender Zeichen?
Acht' ich Eros' Gebot? Hör' ich des Donnerers Ruf?
Jenem zu folgen geziemt, entschuldig' es, Herrscher des Himmels,
Da du willig als Stier selbst ihm den Nacken gebeugt.

Versöhnung

Finster wie Donnergewölk, so lag's auf den Brauen des Mädchens,
Doch in Tränen gelöst flossen die Nebel dahin.
Schon glänzt wieder das Blau und kräuselt sich schmollend die Lippe,
Schwebet der Iris gleich eilig ein Lächeln herauf.

Die Kupplerin

"Laß dir raten, o Kind!" so zischelte kuppelnd die Tante,
"Vornehm ist er und hat Goldes in Kisten genug.
Bist du gnädige Frau, so trägt' dich die rollende Kutsche,
Und du lächelst herab stolz in die Polster gelehnt.
Viel nicht kostet ein Vers, du kaufst sie dort in dem Laden
Leicht zu tausenden dir, wenn dich das Lesen erfreut."
Sprach's und lächelte klug, mein Mädchen schüttelt' die Locken
Und erzählte mir treu, was sie dabei sich gedacht:
"Siehst du schleichen das Männchen, es wackelt wie ein Chinese,
Lieber sogar als ihn, nähm' ich ein Pferd in den Arm,
Mag sein Gold er behalten, ich küsse ja keine Dukaten,
Alpenrose genügt, schlingst du sie mir in das Haar,
Liedchen kauf' ich mir nicht, mit Küssen bezahl' ich die deinen,
Die du einzig für mich, trauter Geliebter, ersannst.
Laß sie reden nach Lust, darüber zu lachen, vergönn' mir,
Elstern- und Dohlengeschwätz — wichtiger ist es mir leicht!"