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III.
Literatur und Kunst 2

 

Alfieri
Byron
Der Cosmopolit
Lessing
Goethe
Schiller
Luise von Voß
Im Garten
Griechisch und Deutsch
Platen
Hebbel
Der Mystiker
Gewisse Leute
Ableitung
Verdienst
Antwort
Abschied

 


Alfieri

Heiser uns rauh erklang des stolzen Ligurers Drommete,
Doch vergeblich, so schien's, dröhnte ihr eherner Laut
Traurig klagt' Leopardi: "An unserer Wiege, am Sarge
Sitzt unbewegt das Nichts, gähnend der Ekel und träg."
Aber es reibt vom Aug' Italias Jugend den Schlummer,
Zeihet der Täuschung dich, glücklicher Sänger im Grab.

Byron

Byron, erhebst du wieder das Haupt aus stygischem Dunkel,
Dem ich als Jüngling einst Staunen und Liebe geweiht?
Sei willkommen, Titan, dem Mann von neuem! zu lang nur
Grunzte und greint' ein Geschlecht schwächlicher Knaben dir nach.
Schwing' ihn wieder den Blitz durch düst'res Gewölk, laß rollen
Donner mächtig und dumpf über das Wogengebraus.
Sing' unsterbliche Hymnen der Freiheit uns'rem Geschlechte;
Huldigt es feig dem Erfolg, lehr' es den tödlichen Haß.
Wo du für Hellas starbst — aus Misolungis Gefilden
Zeige den Lorbeerkranz, heiligen Kampfes Panier.

Der Cosmopolit

Was du gewannst als Cosmopolit durchstrebend das Weltall:
Weihe dem Vaterland, dieses verleiht ihm den Wert.

Lessing

"Weiter brauchen wir nichts zu skalpieren jeglichen Autor
Als in der plumpen Faust schartig ein bleiernes Schwert!"
Unbescheiden und klein vergleicht ihr euch immer mit Lessing,
Der sich bescheiden und groß keinen Poeten genannt.

Goethe
"Denkt man der Größten, man nennt Lionardo!" sprachest du Goethe,
Deiner gedenkt man auch, wenn man der Größten gedenkt.

Schiller

Hoch auf des Öta Höh'n vom zehrenden Brande umlodert,
Hast du den Heros gezeigt, wie zum Olymp er entschwebt:
Eigenen Wesens Bild! du Held wie keiner im Volke,
Zwingend des Daseins Not wurdest du selbst Ideal.
◊◊◊
"Alles veraltet: das Epos, das Drama, die Klassiker selber!"
Nur die Gemeinheit bleibt ewig, ihr Wackeren, jung!

Luise von Voß

Laß mich ruhen bei dir im Schatten der duftigen Linden,
Pfarrer von Grünau, hier neben Luise am Tisch.
Müd' ach! bin ich es längst das geistreich kahle Geflunker,
Bist du pikant auch nicht, bist du doch ehrlich und wahr.

Im Garten

Köstliches Obst fürwahr! es entsprang germanischem Schlehdorn,
Den mit klassischem Reis kundige Gärtner gepfropft.

Griechisch und Deutsch

Spielend, von selber hob die Sprache den griechischen Dichter,
Kräftig wider den Strom zwingt sie den Deutschen zu steh'n.

Platen

Was, ihr wagt euch heran? — Er holte von Paros den Stoff sich
Und mit klassischer Hand schlug er Gebilde daraus.
Bleibt bei eurem Gewerb am Pfad viel lesenden Pöbels,
Fordert den Lorbeer nicht, baut ihr ein Nestchen aus Lehm.

Hebbel

Freund, du hast sie verfehlt die Zeit, was schleuderst du Felsen,
Wo der Phrase allein Riegel und Tor sich erschließt.

Der Mystiker

Bleib' vom Halse mir stets mit mystischen Exorzismen,
Lieber als Opiumsaft trink' ich den lauteren Wein.

Gewisse Leute

Dichter möchtet ihr sein und seid doch nur Literaten,
Welche Geflügel und Kraut liefern dem Leipziger Markt.
◊◊◊
Ungeziefer auch dir fühl' ich verpflichtet zu Dank mich:
Auf die Nadel gespießt mehrst du die Sammlungen mir.
◊◊◊
Was erhebst du so stolz den Kopf in die Lüfte, o Langohr?
Dein ist der Kornsack nicht, welchen zur Mühle du trägst.
◊◊◊
Feile und Bimstein ja! für Erz- und Marmorgebilde:
Beides entbehrst du leicht, knetest du fein aus Tragant.
◊◊◊
Zierlich schichtest du Holz, wer kann dabei sich erwärmen!
Fehlt der Funke dir doch, welcher es lohend entflammt.
◊◊◊
Länger beschäftigen mich mit dir? — Verlorene Zeit wär's!
Aufgeblasenes! Ei — scheinst du von weitem nur voll.
◊◊◊
Freilich; berühmt bist du, dich hören, dich schauen sie alle! —
Beim Literatenconcert schlägst du die Trommel mit Wucht.
◊◊◊
"Mich, den Gewaltigen, willst du fassen im winzigen Zweivers!" —
In zwei Silben sogar: Bovist, geschwollener Du!
◊◊◊
Selbst zwar leiste ich nichts, doch schnapp' ich wütend nach jedem.
Der, was immer es sei, etwas zu leisten versucht.
◊◊◊
Nicht vermag ich zu dichten ein Lied, doch bin ich Diktator:
Aus der Literatur laß ich verbannen das Lied.
◊◊◊
Sollt' ich nennen dich Tropf und so dir Ehre verleihen?
Zählst in der Gattung nur, als Individium nicht.
◊◊◊
Leicht zu ertragen fürwahr! ist's, fehlet dem Manne der Dichter,
Leider zu helfen ist nicht, fehlet dem Dichter der Mann.
◊◊◊
Tändeln möge das Kind, mit Eros spielen der Jüngling,
Bis zum heiligen Ernst männliche Liebe gereift:
◊◊◊
Freund, schon graut dir der Bart, zieh' aus das kindische Röckchen,
Pfeife zum hundertsten nicht, das du gepfiffen, das Lied.
Wenn es die Tochter belobt, so sagt ihr die Mutter: "O Mädchen,
Trau ihm nicht, wie dir sang er das Nämliche mir."
◊◊◊
Prächtig alles gemacht! vortrefflich das Kleinste gemeißelt!
Hätt'st du Pygmalions Kraft, lebte das gleißende Bild.
◊◊◊
Sentimentalität für die Weiber, Tendenz für die Männer,
Daß du ein Dichter der Zeit, wahrlich zu wundern ist's nicht.
◊◊◊
Stört mich nicht im Geschäft! für Fräulein schaffe ich Honig,
Und zu Kerzen das Wachs spend' ich der Kirche umsonst.
◊◊◊
Ei, wie das Kerlchen hüpft im Flügelgewande der Unschuld!
Kindlich glaubt er zu sein, wahrend er kindisch nur ist.
◊◊◊
Büblein höhlten den Kürbis und steckten ein Lichtlein hinein dann:
Sei mir bewundert heut unseres Dichterleins Bild.
◊◊◊
Gleich dem Ganzen bestimmt Arithmetik die Summe der Teile:
Summe von Teilchen — du bist's! leider ein Ganzes doch nicht.
◊◊◊
Malen? wie leicht ist das! du brauchst nicht zeichnen zu lernen:
Schmeiß mit kräftiger Hand Töpfe und Farb' an die Wand!
◊◊◊
"Fall' zur Erde und bete mich an, dann will ich dich dulden!" —
Freund, das ist vorbei! Ehre im Manne den Mann!
◊◊◊
Buk man früher das Brot, so mischte Gewürz man zum Mehle,
Jetzo vergißt man das Mehl, knetet den Teig aus Gewürz.
◊◊◊
"Klassiker wollen wir jetzt!" — Ihr wollt es, drollige Käuze!
Seid erst klassisch zuvor, Klassiker kommen dann selbst.
◊◊◊
Wenn du behauptest frech: "Ich bin ein Meister!" sie glauben's;
Bringst du ein Meisterwerk, grinsen sie zweifelnd es an:
◊◊◊
"Ehrt man das Schöne nicht?" Wohl gibt's hier Priester des Schönen,
Für ein priesterlich Volk haltet deswegen euch nicht.
◊◊◊
Öfters verwechselt die Kunst mit dem Kunststück töricht die Menge,
Kunststück ist nie Kunst, ist nur ein Stückchen davon.
◊◊◊
Halb gebildetes Volk, dich haß ich am meisten von allem,
Wie dir das Wissen zu kurz, ist mir zu lange das Wort.
◊◊◊
Salbendüftelnder Schwarm, geistreich und bar doch des Geistes:
"Patochouli, eau de mille fleurs; patochouli, eau de mille fleurs!"
Keck schert Alles ihr gleich auf dem nämlichen kritischen Kamme,
Salbt aus dem nämlichen Topf jeden mit gleichem Parfüm.
◊◊◊
Welchen ihr nicht frisiert, den weist ihr aus dem Salon fort,
Schließt vor der Nas' ihm zu eueren Winkelparnaß.
Führte zum Himmel ein Weg, wer schützt die ambrosischen Locken,
Dir, o ewiger Zeus, dem der Olymp doch erbebt!
◊◊◊
Rühmt euch der Bildung nur, die Bärin leckt auch das Junge,
Alles verleiht euch Dressur, alles versagt euch Natur.
◊◊◊
"Sagt, gehört er zur Zunft?" — Er steht auf eigenen Füßen! —
"Tadeln können wir nicht, schweigen wir lieber von ihm."
◊◊◊
Herrlich find' ich das Bild, doch um es ganz zu genießen,
Ist es erlaubt mir wohl, daß ich zertrös'le das Tuch.
◊◊◊
Richtig ergibt sich der Schluß, weil richtig der Hauptsatz sein muß,
Richtig der Hauptsatz, weil richtig der Schluß sich erweist.
Trefflicher Philosoph, das ist ja Perlippe, Perlappe!
Und "admittitur" schreibt dir die Consulta dazu.

Ableitung

Dichter von Dichten ? —Ja wohl?—Warum nicht Dichtern von Dichter?
Dichtet die Mus' auch nicht, dichtert ihr Dichter genug!

Verdienst

Niemals neidete ich Verdienst, das echt und gediegen,
Wär' der Kranz mir bestimmt, freut es mich inniger nicht.
Seh' ich aber das Volk hohlköpfiger, heuchelnder Schufte,
Wünsch' ich den rächenden Strick, welcher die Schacherer traf.

Antwort

Dulde die Elenden, Freund, sie haben das Recht sich zu rühren,
Nur zum Quaken verlieh Fröschen die Stimme Natur.

Abschied

"Originell hast du die Maske Dir heute gewählt nicht,
Alles erklärte für schlecht längst, Mephistopheles schon!"
Alles erklärt' ich für schlecht, weil ihr so schofle Gesellen?
Auch die gewaltige Zeit, die mir zu schauen vergönnt?
Auch die Männer voll Kraft, obgleich zwiespältiger Meinung
Ringend leider den Kampf feindlich in Leben und Kunst
Fern von der Eider zur Etsch? — Ich muß durch Schweigen sie ehren,
Wo ich spreche von Euch — wenn auch gelegentlich nur.