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I. Lyrisches
Gedichte 2

 

Die Lawine
Christus am Ölberge
Im Felde
Der alte Turm
Am Strome
Botschaft
Seefahrt
Auf der Wanderung
Lieder der Liebe
Vorfrühling
Bei Nacht
Herbstlieder
Im Frühling
Im Süden
Erhebung
Vermittlung
Am Achensee
Auf den Klosterruinen im Halltale
Der Tirolerwein
Im Spätherbste
Die Linde
Schmetterling und Blume
Hymne
 

Die Lawine


Es senkt sich auf die Felsenzinnen
Der Himmel wie ein ehern Dach,
Die Sonne küßt mit Flammenatem
Die donnernde Lawine wach.

Sie stürzt und braust im Riesensprunge
Gleich einem Sieger stolz und groß,
Bis sie auf Veilchen und Narzissen
Sich ruhig legt in Tales Schoß.

Und ihre kalten Eiskristalle
Zerfließen sanft zu klarem Tau,
Was lockte sie von ihren Höhen
Herab herab zur grünen Au?

Christus am Ölberge

                 I.

Die Berge tragen Abends
Das goldne Prachtgeschmeid,
Die Alpenmähder prangen
Im grünen Frühlingskleid.

Am Hage hat die Drossel
Das weiche Nest gebaut,
Und lockt mit hellem Schlage
In's dunkle Laub die Braut.

Dort auf des Hügels Spitze
Im Grase hingestreckt
Ruht des Erlösers Bildnis
Die Stirne blutbedeckt.

Er hebt das Aug', als wollt' er
Im Lenze aufwärts fleh'n:
"Ach lasse noch mein Vater
Den Kelch vorübergeh'n!"

Doch naht kein Engel traurig
Und beut ihn seinem Mund,
Nur Blütenkelche steigen
Empor aus dunklem Grund.

                 II.

Da rauscht es in dem Laube,
Die laute Drossel schweigt,
Ein Mädchen naht und knieet
Zum Bilde fromm geneigt.

Sie hat die schönsten Blumen
Zu einem Kranz gereiht,
Den sie mit Windlingsranken
Des Dulders Bilde weiht.

Aus vollen Kelchen fließet
Der Tau ihm auf das Haar,
Es spiegeln Mond und Sterne
Darin sich wunderbar.

Im Felde

Auf grüner Wiese steht die Primel
Die bunte Anemone blüht,
Und fern vom klaren Abendhimmel
Das Gold in tausend Rosen sprüht.

Ja Frühling, Frühling ist es worden,
Es tönt sein Ruf so laut und rein,
Es stimmt in freudigen Akkorden
Der Chorgesang der Vögel ein.

Und du auch wandelst mir zur Seite
Umschlingst mich mit den Armen weich;
Wo Lenz und Liebe im Geleite
Da öffnet sich das Himmelreich.

Der alte Turm

Wie Träume zieh'n die Wolken
Des Abends still vorbei,
Und auf des Turmes Zinne
Legt seinen Kranz der Mai.

Einst wallte von der Spitze
Das Banner weiß und grün,
Es blickten durch die Scharten
Tirolerschützen kühn.

Mit grellem Pfiffe flogen
Die Kugeln hin und her,
Und mancher sank am Hügel
Um aufzusteh'n nie mehr.

Wie ist es anders worden!
Die Biene baut ihr Haus,
Es ziehen durch die Lucken
Die Tauben ein und aus.

Die Maienblüten fliegen
Empor zum Mauerrand,
Du blickst aus dunkeln Augen
So froh auf Flur und Land.

Und singst mit leiser Stimme
Ein Lied im Abendstrahl:
Wie goldne Träume gleiten
Die Wolken über's Tal.

Am Strome

Ich gehe hin an deiner Seite
In Sinnen tief und schwer,
Wenn auch die Wellen sind im Streite,
Du führst sie doch zum Meer.

Die goldne Abendsonne sendet
Ihr Licht auf meine Bahn,
Vielleicht ist, wo sie ruhig endet,
Schon nah der Ozean!

Botschaft

Ich sandte dir den Sonnenstrahl
Als raschen Boten zu,
Er suchte dich in Wald und Tal,
O sprich, wo weiltest du?

Drauf zog die Wolke sturmgejagt
Dahin vor meinem Blick,
Ich hab ihr einen Gruß gesagt,
Sie bracht ihn nicht zurück.

Drauf schimmerte das Abendrot
Von Berg zu Berg gespannt,
Was ich zu sagen ihm gebot,
Es blieb dir ungenannt.

Und jetzt der Sterne holdes Licht —
Ja ja, die trafen dich!
Sie winken heimlich mir Bericht,
Daß du still liebest mich.

Seefahrt

Es schäumt und braust die Welle
Und trägt dahin mein Schiff,
Die Liebe lenkt das Steuer,
Wo Klippe droht und Riff.

Doch sind die Fluten ruhig,
So schwebet hehr und mild,
Gleich einem weißen Schwane
Vor mir dein holdes Bild.

Auf der Wanderung

O Schwalbe reg die Schwingen
Und zieh nach Süden fort,
Der Trauten sollst du bringen
Des treuen Wand'rers Wort.

Und ist sie heiter, sag ihr
Von meiner Wiederkehr,
Dann glänzt verklärt von Freude
Ihr lichtes Aug' noch mehr.

Und ist sie traurig, zwitschre
Von Lust und Liebesglühn,
Bis ihre bleichen Wangen
Wie rote Rosen blüh'n.

Lieder der Liebe

Entschuldigung
(1848)

Es schwand die Zeit, wo Lieb' mit süßem Bangen
Zur bleichen Mondesscheibe seufzend schaute,
Wo sie noch horchte, wie die Vögel sangen,
Und ihren Schmerz dem Veilchen anvertraute.

Die Freiheitsmütze trägt sie wild und blutig
Jetzt auf dem Haupt mit trotzigen Gebärden,
Ihr Auge schleudert Blitze todesmutig,
Sie ruft: Es soll ein Tag der Rache werden!

Ob so, ob so? stets wird sie euch berücken,
Sie bleibet doch die Königin der Herzen,
Und schafft wie einst das nämliche Entzücken,
Und schafft wie einst dieselben bittern Schmerzen.

                             I.

Was liegt daran, ob sie auch tückisch grollen
Und uns zu trennen zieh'n die schwere Kette,
Den herben Trunk, den sie uns reichen wollen,
Sie schlürfen ihn noch selbst, es gilt die Wette!

Sie haben nie vom Geiste was vernommen,
Wie sollten sie? — das ist verlorne Kunde!
Sie wissen nicht, wo Liebe treu entglommen,
Daß Geister Zeugen sind dem festen Bunde.

Laß sie es wagen, sind mit mir verschworen
Die Erde und des Himmels blaue Räume!
Die Nachtigallen flöten tauben Ohren,
Dir bringen sie des Liebsten Frühlingsträume.

Und wärest du im Turme fest verschlossen,
Ich hieße dann den Epheu aufwärts ranken,
Die Blätter lispeln, die ums Fenster sprossen,
Und künden meine innersten Gedanken.

Und muß der Epheu ihrem Messer weichen,
So werden dir die Sterne Botschaft bringen;
Was wissen sie von diesen hehren Zeichen,
Den Harmonien, welche Sterne singen!

Und würden sie den Himmel dir verhängen
Mit schwarzem Flor, so wird mein Lied erklingen,
Und des Verließes enge Wände sprengen
Dir meiner Liebe Friedenswort zu bringen!

                             II.

Wie ist das Leben reich an Gegensätzen,
Die selbst die Weisheit nicht vermag zu klären!
O glücklich jener, den sie nicht verletzen,
Dem milde Götter leichten Sinn gewähren!

Der rauhe Kiesel hält das Licht gebunden,
Das edle Gold verlarven schlechte Erze,
So hab ich meine Lilie gefunden
In einem Sumpfe mir zum bittern Schmerze.

                             III.

Ich weiß es wohl, sie streuen ihre Samen
Und pflanzen Kraut mit wohlverstandner Pflege,
Die Beeten schließet grüner Bux als Rahmen
Die kahle Mauer zieht sich ums Gehege.

Sie dulden da und dort auch eine Blume,
Wie sie die Liebe dulden in dem Leben,
Die strenge Wirtschaft rechnen sie zum Ruhme:
Die Blume kann ja später Heu noch geben.

Ich seh es wohl, wie sie bedenklich schweigen,
Weil ich gelernt nie, ihnen mich zu fügen,
Es mögen meine Keime aufwärts steigen,
Ich mag sie nicht um ihren Lenz betrügen.

Aus meinem Busen soll die Liebe blühen,
Wie an des Lavaberges heißen Räumen
Der wilden Rebe volle Beeren glühen,
Daß die Pokale von dem Feuer schäumen.

                             IV.

Sie drohen schweren Fluch und lange Reue,
Wenn du noch ferner wagest mich zu lieben,
Doch unerschüttert fest bleibt deine Treue,
Sie ist kein Spruch auf Schiefer hingeschrieben.

Sie ahnen nichts von deiner Seelengröße,
Sonst würden sie vor dir im Staub sich neigen,
Doch nur Geduld! in ihrer ganzen Blöße
Wird deines Herzens Lauterkeit sie zeigen.

                             V.

Dieselbe Sonne weckt das Ungewitter,
Die aus der Erde lockt des Veilchens Blüte;
O schilt mich nicht, erschein ich herb und bitter,
Wenn dich beseelet Harmonie und Güte.

Durch uns ist unser Wesen nicht geworden,
Der Zufall bildet es aus tausend Quellen!
Es fließt dein Strom an lichten Blumenborden,
Der meine braust mit sturmgejagten Wellen.

                             VI.

Als ihre schwersten Flüche dir erklangen,
Erhobest du gleich einem Heil'genbilde
Die Hände zum Gebete, riefst mit Bangen:
"Verschone Gott die Ungerechten milde!"

O sage mir, wie kann ich dich verehren?
Ich lege meine Waffen dir zu Füßen,
Du brauchst sie nicht, ein Strahl kann dich verklären
Und Engel werden dich als Freundin grüßen.

                             VIl.

Je heftiger geschwungen wird der Hammer
So stärker wird er von dem Amboß prallen,
Ihr Drohen macht mir schwerlich großen Jammer,
Es wird ein Nichts vor meinem Ohr verschallen.

Doch eines ist's, das fürchte ich mit Beben:
Sie treffen dich mit ihres Bannes Strahlen,
Da bin ich jeder Wunde bloß gegeben
Und nichts beschützet mich vor Todesqualen.

                             VIII.

Es stieg die Nacht vom Sternenhimmel nieder
Auf Erden ihres hehren Amts zu walten,
Der Schlummer schloß auch mir die matten Lider
Und öffnete das Tor den Traumgestalten.

Auf einer Heide traurig und verlassen
Schritt ich dahin, du schwebtest mir entgegen,
Ich wollte freudig deine Hände fassen,
Als wie gefesselt konnt ich mich nicht regen.

Da gingest du mit leisem Gruß vorüber,
Ich sah dir nach durchzuckt von wildem Leide,
Zu Häupten ward der Himmel trüb und trüber
Und düst'rer noch erschien die braune Heide.

                             IX.

Sie haben Recht, daß sie mich schuldig nennen
Und mir den Stab mit strengem Urteil brechen,
Wenn sie die Marke auf die Stirn mir brennen,
Ich werde stolz und kalt nicht widersprechen.

Zu keck bin ich auf anderm Weg gegangen,
Als welchen sie mit strenger Sitte zogen,
Wo sie ans Pförtchen pochen scheu mit Bangen,
Hab ich die Schranken frevelnd überflogen.

Wenn sie mich scheltend einen Sünder heißen:
Mir liegt nicht viel am Lobe und am Tadel,
Nur eines will mir fast das Herz zerreißen:
Daß sie beflecken Deiner Seele Adel!

                             X.

Sie hetzten mich aus deiner trauten Nähe,
Ich zählte fliehend nicht der Wand'rung Stunden,
Ich habe eines nur — der Trennung Wehe,
Doch nicht des Körpers Müdigkeit empfunden.

Die Ferse blutig und das Kleid zerrissen,
Saß ich am Tisch vom Schmerz ein satter Zecher,
Die Wirtin stellte auf den kargen Bissen,
Und Alpenwasser in dem Zirbelbecher.

Ich konnte nicht die starren Blicke wenden
Im Winkel dort von des Erlösers Bilde,
Gebräunt von Rauch mit ausgespannten Händen
Neigt' er zu mir voll Gnade sich und Milde.

Da ist der Sinn davon mir aufgegangen:
Daß nur der Dulder fasse Christi Lehren,
Ich deckte mit den Händen meine Wangen
Und mochte nicht den heißen Tränen wehren.


                             XI.

Wann bat ich euch, ihr sollet mich beraten,
Wie zu bezwingen meine herben Qualen?
Ihr rechnet mit der Liebe um Dukaten,
Und wollet Lust und Schmerz mit Gold bezahlen.

Nur jener Mann der Bibel konnt es fühlen,
Was ihr mit eurem Trost nicht wißt zu fassen:
Er sah die Schweine in den Träbern wühlen,
Und mußte ihnen seine Perle lassen.

Schluß

Wie viele Stunden sind seitdem entflogen,
Als diese Verse ich voll Schmerz geschrieben;
Beruhigt sind der Leidenschaften Wogen —
Vorüber alles — nur das Lied geblieben!

Gleich einem Schatze will ich es behalten,
Die Schlacke ist's von einem heißen Leben,
Wird trüb das Aug und will das Herz erkalten,
So mag es von Vergang'nem Kunde geben.

Und auch dein Bild von Duft und Glanz umwoben
O daß es nie vor meinem Sinn verblasse,
Ward auch die Mauer zwischen uns geschoben
Erbarmungslos von ihrem feigen Hasse!

Es steh'n auch sie gezeichnet in dem Liede,
Und dieses sei des Dichters ganze Rache:
Der Jungfrau Haupt umspielet Licht und Friede,
Doch ihr zu Füßen liegt der Höllendrache.

Vorfrühling

Ein leises Frühlingsahnen weht
Mit unsichtbarem Flügel,
Es bricht das Eis, der Schnee zergeht,
Das Veilchen keimt am Hügel.

Zerrissen ist das Nebelgrau
Wie eine Knospenhülle,
Vom Himmel klar und wonnig blau
Strömt neuen Lebens Fülle.

Auch mir erwacht in tiefster Brust
Wie mit der Schwalbe Schwingen
Des Wanderns sehnsuchtsbange Lust
Ins Weite fortzudringen.

Schneeglocke hebt die Blüte fein
Am Haag aus grünem Moose,
Ich werde in der Fremde sein
Bricht auf die erste Rose.

Und wenn das letzte Blatt entfliegt
Verweht von Herbstes Winden,
Mag dein Gedanke sturmgewiegt
Mich auf dem Meere finden.

Und schwimmt das letzte Blatt vorbei
An meinem Kiel dem schnellen,
So frage ich, was treuer sei:
Ob Lieb', ob Meereswellen?

Bei Nacht

Der Nebel schleicht durchs öde Moor
In sternenloser Nacht,
Zur Klage ist im welken Rohr
Der kalte Wind erwacht.

Ich raste stumm auf einem Stein
Die Brust von Leid durchwühlt,
Ach doppelt trägt er jede Pein,
Der sich verlassen fühlt.

Ich habe Tränen ausgestreut
Schon lang als reiche Saat,
Wann darf ich hoffen still erfreut,
Daß meine Ernte naht?

Der Nebel schleicht durchs öde Moor
In sternenloser Nacht,
Zur Klage ist im welken Rohr
Der kalte Wind erwacht.

Herbstlieder

                        I.

Der Winter naht, die Berge blinken
Vom jungen Schnee am Sonnenstrahl,
Die letzten Blumenkronen sinken,
Das letzte Blatt verweht im Tal.

Wie soll die Tage ich verbringen,
Die langen Nächte freudenleer?
O nahe du mit Zauberschwingen
Und gieße Frühling um mich her!

Dein Sänger ruft dich, Liebe! wieder,
Was zauderst du? o nahe schnell!
Er ruft dich mit dem Bann der Lieder,
Schmück ihm die Halle farbenhell.

Laß trunken Blick in Blick ihn senken,
Wenn Nebel jeden Stern versteckt,
Von linden Armen ihn umschränken,
Wenn starrer Frost die Blumen deckt.

Und küßt er wie die Biene lose
Zwei volle Lippen rot und weich,
Mög er vergessen, daß die Rose
Vom Strauch gesunken todesbleich.

Mög er vergessen, was im Kreise
Von Erd und Himmel — Lust und Pein,
Spinn mit Marienfäden leise
Ihn bis zum Lenz in Traume ein.

                        II.

Falsch hat die Liebe mich verlassen,
Eh noch verstummt des Dichters Lied,
Eh noch die dunkeln Locken blassen,
Eh noch von mir die Jugend schied.

Vergebens harr ich, Stund um Stunde
Schleicht mir vorüber träg und matt,
Wie langsam zu des Waldes Grunde
Im Herbste sinket Blatt um Blatt.

Wohlan es sei! ich laß dich fliehen,
Kehr nimmermehr mein schönster Traum,
Nie wag ich, dich zurück zu ziehen
Von deiner Himmelswolke Saum.

Blieb eines doch! füllt mir den Becher
Bis an den Rand mit dunkelm Wein,
Er spiegle jetzt dem stillen Zecher
Die alten Bilder klar und rein.

Von deiner Lippe Funk auf Funken
Trank ich der Liebe Feuerkraft,
So wie ich jetzt in mich getrunken
Mit langem Zug den Rebensaft.

Der Becher leer, du bist geschieden,
Und einsam zieh ich meine Bahn;
Wie immer auch, geh hin im Frieden,
Mir aber füllt den Becher an!

Im Frühling

Lang harrten wir! — er ist gekommen
Der Lenz mit seiner Osterpracht,
Die reinsten Lichter sind entglommen,
Die schönsten Blumen auferwacht.

Die Biene summet hin und wieder
Mit ihrer süßen Honiglast,
Schon prüft die Lerche ihre Lieder,
Die Amsel schlägt auf grünem Ast.

Des Winters letzte Fesseln springen,
Der Felsenborn wogt hell und rein,
Im Tal ein Singen und ein Klingen,
Es zieht der Lenz als Sieger ein.

Nur eine Blüte schön und prächtig
Ruht in der Erde dunkeln, Schoß,
Ertönt auch seine Stimme mächtig,
Sie ringt sich nicht zum Lichte los.

Ich weiß es wohl, er ruft vergebens,
Nicht wieder kehrt, was einmal schied,
Drum auf den Sarg des reichsten Lebens
Leg ich voll Schmerz dies Weihelied.

Im Süden

                             I.

Noch einmal möcht ich fühlen Schmerz und Lust,
Wie sie einst wild durchwogten meine Brust,
Noch einmal möcht ich in dein Auge seh'n,
Dann will ich gern in die Verbannung geh'n.

Siehst du den Fels? er raget wettergrau
Empor in deines Himmels lichtes Blau,
Doch wenn im West die Sonne still verglüht,
Ist er von Flammenrosen hell umsprüht.

Des Lenzes Hauch umfließet lau und mild
Ein Rosenknöspchen einsam im Gefild,
Es träumt und schwillt, bis seine Hülle springt,
Und in den Kelch die Frühlingssonne dringt.

Es ragt der Fels von Blüten leer und kahl,
Das Röslein steht so einsam in dem Tal,
Doch eh's verwelkte, trug den süßen Duft
Zum öden Fels empor die Abendluft.

Noch einmal möcht ich fühlen Schmerz und Lust,
Wie sie einst wild durchwogten meine Brust,
Noch einmal möcht ich in dein Auge sehn,
Dann will ich gern in die Verbannung geh'n.

                             II.

Oft folgten meine Augen deinem Gang
Und Wehmut füllte meine Seele bang:
Du bist ein Strahl aus einer andern Welt,
Der freundlich durch Gewitterwolken fällt.

Dein holdes Antlitz einer Lilie gleich
Verklärt von Unschuld ach! und auch so bleich; —
Was längst in meiner Brust entschwunden war,
Das weckt dein blaues Auge tief und klar.

Oft frag ich mich im Stillen: Ists ein Traum?
Die Antwort wage ich zu geben kaum, —
Ein schmaler Weg trennt Ideal und Sein,
Die Wonne kurz, zu lang nur währt die Pein.

                             III.

War mir geschenkt doch jener Zaubersang
Mit dem der Grieche die Natur bezwang,
Daß Wald und Berg in schöner Harmonie
Sich fromm und willig seinem Dienste lieh!

Dann riefe ich durch jenes Liedes Macht
Die Edelsteine aus des Berges Schacht,
Den Blumen rings gebot ich auf der Flur
Zu blüh'n allein auf deines Weges Spur.

Die Traube klärte dir der Sonne Kraft,
Die Biene brächte dir des Honigs Saft,
Es folgten dir die Vögel überall,
Als meine Botin kam die Nachtigall.

O wär mir dieses Zaubers Macht verlieh'n,
Die Sterne selbst würd ich vom Himmel zieh'n,
Als Schmuck zu flechten dir ums blonde Haar
Ein Diadem aus Sternen licht und klar.

                             IV.

Spricht auch mein Auge, sorge nicht darum,
Es bleibt für immer meine Lippe stumm,
Erraten darfst du mein Geheimnis zwar,
Doch brächt es Schmerz dir, sagte ich es klar.

Die Nachtviole hauchet ihren Duft
Im Sommer durch des Abends laue Luft,
Es glänzt herab der Sterne hehres Licht,
Der Blume Duft jedoch erreicht sie nicht.

So wandle heiter du dahin und rein,
Ein Seufzer nur verkünde meine Pein,
Doch du vergiß das Herz, dem er entwallt,
Steh ich am Morgen ernst vor dir und kalt.

Ja ernst und kalt! mir gilt die Träne nicht,
Die mitleidsvoll aus schönem Auge bricht,
Laß dieses Lied die Nachtviole sein,
Sei du mein Stern am Himmel hold und rein.

Erhebung

O laß mich längst Entschwundenes erneuen
In leichten Zügen rein und luftig klar,
Wie einst zu klagen, wieder mich zu freuen,
Mir wird das Leben nur als Dichtung wahr!
Mag sich die Dichtung ewig jung bewähren,
Und bittres Leid Erinnerung verklären!

Weißt du es noch? Wir wandelten im Garten,
Es wogte Nebel streifig hin durchs Tal,
Von Licht umzittert neigten wie Standarten
Die schlanken Pappeln sich dem Morgenstrahl,
Die braunen Knospen schienen aufzuleben,
Im Tale rings ein träumerisches Weben.

Es kündete von frischem Grün umschränket
Des Frühlings Sieg der Bach geschwätzig laut,
Du horchtest hin und bargst das Haupt gesenket,
Das Aug von einer Träne sanft betaut.
Ich mochte nicht um dein Geheimnis fragen,
Und mein Geheimnis wagt ich nicht zu sagen.

Doch diese Trän' als wäre sie geflossen
Einst mit des Paradieses goldner Flut,
So volle Keime hat sie mir erschlossen,
Die kaltem Stolz verborgen lang geruht.
Ein Frühlingsbrüten traurig und voll Ahnung,
Und wonnig doch als wie der Zukunft Mahnung.

Da war's zuerst, wo schauernd ich empfunden
Das große Wort, das lebend Leben schafft,
Und das zu hören, hält sie Schmerz gebunden,
Die Welt empor sich ringt mit letzter Kraft,
Denn wo sie quillt der Liebe warme Träne,
Neigt der Erlöser sich zur Magdalene.

Weißt du es noch? — schon dunkelten die Blätter
In Sonnenglut, es war der Lenz vorbei,
Am Himmel ferne grollend stieg ein Wetter,
Es schlug der Sturm den Fittig wild und frei.
Wir wandelten im Wald auf schmalem Steige,
Die Blitze zuckten feurig durch die Zweige.

Mild lächelnd schlangest du im leichten Bogen
Zum Kranze einen Zweig und tratst zu mir
"Ich zähm die Locken, die im Winde wogen,
Und feßle sie mit dieses Kranzes Zier!"
Du sahst im Auge nicht die Träne steigen,
Die ich zerdrückte weggewandt mit Schweigen.

Du sahst sie nicht — und keine war so bitter
Die jemals noch von meinem Auge rann,
Du weihtest mich für harten Kampf zum Ritter:
Einsam die Eiche, einsam auch der Mann!
Nie wird der Eiche sich die Myrte einen,
Laß mich die letzte Abschiedsträne weinen.

Doch ob dämonisch Kräfte sich entfalten,
Sie fügen sich in schöner Harmonie,
Zerstörend nicht, wie vorher stets, zu walten,
Weil deine Hand im Kranz den Sieg verlieh.
Es legen sich die Königin zu grüßen
Der Wüste Leu'n gebändigt dir zu Füßen.

Weißt du es noch? — Ich stand bei dir am Flieder,
Zur Nische war um dich gewölbt der Strauch,
Es wurde kalt, die Blätter fielen nieder,
Von Purpur rot, zerstreut von Herbstes Hauch,
Du wiesest auf die Astern, späte Blüten,
Als sollten sie das Grab des Lenzes hüten.

"Mit deinem Namen will ich diese nennen,
Die sich auf schlankem Schafte wieget hier!"
Verbannt für immer mußte ich mich trennen,
Gebrochen reichtest du die Blume mir.
Du sprachest: "Zieht der Frühling in der Ferne,
So streut er scheidend auf die Erde Sterne.

Und sich nur, wie sie freudig rings entsprossen,
Sie fragen nicht, ob nah der Winter schon?
Sie steh'n wie Helden todeskühn entschlossen,
Und sprechen seinem kalten Sturme Hohn.
Was einmal blühte, bleibet unverloren,
Was einmal liebte, wird stets neu geboren!"

So hast entfremdet du mein tiefstes Wesen,
Doch nur, daß ich in dir es schöner fand,
In deiner Seele Spiegel konnt ich lesen,
Was ich in Lebenswirrung nicht verstand:
Was flüchtig war und nebelgleich zerronnen,
Es hat Gestalt und Form durch dich gewonnen.

Sag mir, wie soll ich nun das Leben tragen,
Wenn fern geschieden blieb ein Leben mir,
Soll meine Klage an den Himmel schlagen?
Es ist umsonst, mein Himmel ist bei dir!
Ich kann nicht seine Sterne ihm entraffen,
Und eine Welt mir neugestaltend schaffen.

So ist es tiefe Nacht ringsum geworden,
Ich finde nirgends Haltung mehr noch Ziel,
Dem Schiffer ähnlich, dem vom hohen Norden
Sein Stern verlöschend, untergehend fiel;
Es läßt des Leidens Schwere mich empfinden,
Was du mir warest, Trost kann ich nicht finden.

Doch nein! — es regt der Geist die kühnen Schwingen,
Der Phönixgleich der Asche sich entrafft,
Zu fühlen tiefsten Schmerz, mit ihm zu ringen
Ist einzig Maß von hoher Götterkraft:
Der Heros litt und in dem Schmerzensbrande
Zerschmolzen, die gefesselt ihn, die Bande.

Ist'sTäuschung nur? — Auch du nahst freundlich wieder,
Wie dich das Aug' der Liebe einst geschaut,
Die Wolken wogen sanft um deine Glieder,
Die Brücke steht aus Sternen hell gebaut,
Aus starrem Eise sprudeln Lenzesquellen,
Die Zweige wehen und die Knospen schwellen.

Du nahest mir so freundlich anzuschauen,
Daß eins mit dir sich fühlet mein Gemüt,
Und dann so hehr und groß wie an dem blauen
Gewölb des Himmels eine Sonne glüht;
Daß mir in eigner Brust nichts dunkel bliebe,
Sollt es in dir verklären reine Liebe!

So schwebt's vor mir im hellen Ätherlichte,
Wie du gewesen immer gut und rein,
Vor Geistes Freiheit wird der Schmerz zunichte,
Das Wahre blieb, was unterging war Schein,
Und was die Brust mir innerst tief durchklungen,
Hab ich zu ewigem Besitz errungen!

Vermittlung

Es trägt der Berg in seinen Adern
Das Gold und manchen Edelstein
Ummauert mit den Felsenquadern,
Und schließet streng den Reichtum ein.

Nur wer die Gerte weiß zu lenken
Nach hohem Zauberspruch gefeit,
Dem müssen sich die Schranken senken,
Dem öffnen sich die Tore weit.

Wie Gold und Edelsteine blühen
Die Alpenblumen wundersam,
Sie locken zwar, doch schirmend ziehen
Die Wände steil den Felsendamm.

Nur wer es wagt hinauf zu klimmen
Wenn in der Morgensonne Glanz
Die Fernerkanten rötlich glimmen,
Erwirbt den vollsten schönsten Kranz.

Willst du zum höchsten Ziel dich heben,
Wag dich hinab zum tiefsten Schacht,
Was schön und kräftig schmückt das Leben,
Entstammt der Göttermutter Nacht.

Doch wie aus dunkler Schlucht die Quelle
Mit lautrer Flut sich Pfade bricht,
So dringe kühn empor zur Helle,
Was du errungen, birg es nicht.

Es mag sich Blumengleich entfalten
Der rauhe Kern in Formen klar,
Und tausend herrliche Gestalten
Verkünden dann, was ewig wahr!

Am Achensee

Ich schreite einsam durch die dunkeln Föhren,
Es rauscht der See heran mit lautem Schlage,
Als wollt er spielend die Gedanken stören,
Die mich geleiten in entschwundne Tage.

Den Pfad verschränkt der Farren dicht und dichter,
Es schwillt das Moos am bröckelnden Gesteine,
Und durch die dunkeln Zweige zittern Lichter
Am Boden hin mit ungewissem Scheine.

Der Schmetterling kost um die Blütendolden,
Mit süßem Dufte lockt die Alpenprimel,
Die Abendwolken schweben licht und golden
Von Felsenzacken auf zum blauen Himmel.

Wer könnte widersteh'n dem sanften Zuge?
Allmählig sinkt der Geist in tiefes Sinnen,
Vergangenheit und Zukunft sieht im Fluge
Er schmermutsvoll an sich vorüber rinnen.

Das Abendrot ist still dahin gezogen,
Im Walde sind verstummt der Amsel Lieder,
Wie Geister taucht es aus den dunkeln Wogen
Und schwebt im Mondesglanze auf und nieder.

An große Herzen, welche einst geschlagen,
Mag ich dann gern mit stillem Leide denken,
Wie jener Sänger in der Vorwelt Tagen
Die Schritte zu dem Orkus durfte lenken.

Ein finstres Rätsel ist, was einst gewesen,
Und was uns bleibt ist eine große Lüge,
Wer mag des Zufalls wirre Zeichen lesen?
Des Lebens Wahrheit bergen Aschenkrüge.

Auf den Klosterruinen im Halltale

Umwallt von Flechten ragt in Witwentrauer
Die alte Tanne aus des Waldes Mitte,
In Schutt zerfiel an ihrem Fuß die Mauer
Und staunend hemmt der Wanderer die Schritte.

Da fängt es an zu flüstern in den Zweigen,
Und leise gibt sie von der Vorzeit Kunde,
Die Alpenrosen still errötend neigen
Sich auf das feuchte Moos im Waldesgrunde.

Wo du jetzt ruhst — vor vielen hundert Jahren
Stand da ein Kloster freundlich anzuschauen,
Es dienten fromm dem Herrn der Engelscharen
Im heiligen Verbande reine Frauen.

Nachts übertönte gottgeweiht die Mette
Des Baches Brausen unten tief im Tale,
Und kam der Morgen, sangen in die Wette
Sie mit den Vögeln bei dem ersten Strahle.

Im Sommer bei des Mittags dumpfer Schwüle
Da ruhten sie versammelt hier im Kreise,
In meinen Schatten lockte sie die Kühle,
Und Labung bot die karg gemeßne Speise.

Wenn dann im Abendrot die Berge glühten,
Sah ich sie beten jedes Knie gebogen,
Wie Sarons Lilien und Rosen blühten
Und auf zum Himmel ihre Düfte zogen.

So manche Nonne ist dahin geschieden,
Ihr folgten andre nach auf Gottes Wegen,
Wer zählt die Jahre, die voll Himmelsfrieden
Vorüber zogen reich an hehrem Segen!

Da kam ein Tag, — ich denke sein mit Bangen,
Es zogen Knappen her mit bunten Fahnen,
Noch hör ich, wie Musik und Lieder klangen,
Nach Erzen wollten sie die Gänge bahnen.

Was mußten sie an diese Tore pochen!
Den Nonnen ward's zu enge in der Zelle,
Sie haben keck Gelübd und Schwur gebrochen,
Ich mußt es sehen, hier an dieser Stelle.

Soll wiederholen ich die alte Sage?
Sie lernten küssen bald mit bleichen Lippen,
Leichtsinnig scherzend bei dem Trinkgelage
Vom roten Wein aus vollem Kelche nippen.

Und wenn du willst, du findest eingeschnitten
In meinem Stamm aus jener Zeit zwei Herzen,
O laß mich schweigen, was ich da gelitten!
Dem tiefsten Mark entquoll das Harz vor Schmerzen.

Sie flohen fort, nicht Eine blieb von Allen
Das Heiligtum zu wahren und zu hüten,
Da stürzten nach und nach die Bogenhallen,
Der Frühling deckt den Schutt mit seinen Blüten.

Der Nebel zieht, wo einst im weißen Schleier
Die Frauen gingen durch die grünen Tale,
Der Gießbach rauscht nicht mehr zur heil'gen Feier,
Er eint dem Sturm sich brausend zum Chorale.

Nicht viele Jahre mehr, so sind verschwunden
Die letzten Spuren von der letzten Mauer,
Vielleicht hat mich bis dort ein Blitz gefunden,
Ich bin sie müd die lange Witwentrauer!

Der Tirolerwein

Im leichten Scherze schlingen sich zur Laube
Der Weinstock und des Epheus zarte Ranken,
Der bunte Falter folgt dem Duft der Traube,
Ein leiser Hauch, die Blütenkelche schwanken.

Die letzte Abendglocke ist verklungen,
Schon wallt der Nebel an des Berges Fuße,
Doch auf den Höh'n sind Rosen noch entsprungen,
Als böt er sie dem Abendstern zum Gruße.

Granat und Pfirsich liegen in der Schale,
Sie locken frisch wie rote Mädchenwangen,
Der dunkle Wein glüht ruhig im Pokale
Und hält den Sinn mit süßem Duft gefangen.

Oft sang ich dir Tirolerwein! zum Preise,
Du birgst die Kraft gebunden in den Wogen,
Wie jene Bauern, die mit ernstem Fleiße
Am sonnig warmen Hügel dich gezogen.

Ob auch, wenn üppig blaue Trauben winken,
Die volle Beere gern ein Mädchen koste, —
Du bist zu feurig stark! nur Männer trinken
Mit frohem Sinn von Etschlands Rebenmoste.

Die Sage spricht vom Könige der Zwerge;
Er trug an seiner Krone den Karfunkel,
Der lodernd in dem tiefen Schacht der Berge
Mit Zauberglanz erhellte rings das Dunkel.

Dem gleichest du! — in deiner lautern Welle
Gelöst des Liedes Edelsteine rinnen,
Bist du bei mir, mein starker Trautgeselle,
Dann mag ich gerne Abends einsam sinnen.

Im Spätherbste

Die blaue Beere nickt am dürren Strauche,
Im Sturme sind die Blätter längst zerstoben,
Und sorgsam hat sich vor des Winters Hauche
Die Raupe schon das Schlummerkleid gewoben.

Hoch aus den Lüften tönt es durch die Tale
Wie lauter Sang auf Karawanen Pfaden,
Die Vögel zieh'n beim letzten Sonnenstrahle
Nach Süden hin zu fernen Meergestaden.

Sie streben fort mit raschen Flügelschlägen,
Den letzten birgt schon eine dunkle Wolke,
O könnt ich so wie sie die Schwingen regen
Und eilig wandern mit dem frohen Volke!

Da tritt der Winter auf des Berges Scheitel,
Er ruft ins Land wie Salomon der Weise:
"Es ist der Traum von Lenz und Liebe eitel!"
Und alles Leben stockt im starren Eise!

Die Linde

Auf ödem Feld fleht traurig eine Linde
Zum Himmel auf mit hochgehobnen Zweigen,
Daß er gebiete mild dem rauhen Winde
Und bald den Frühling heiße niedersteigen.

Da flicht der Winter in den stolzen Wipfel
Um sie zu trösten seine Strahlenkrone,
Von Ferne grüßen sie der Alpen Gipfel
Gleich Königen auf hohem Sternenthrone.

Sie aber denkt, wie einst beim lauen Weste
Die Blüten sich aus brauner Knospe hoben,
Die zarten Blätter um die schlanken Äste
Das leicht bewegte Frühlingskleid ihr woben.

Und wie die Wellen dann mit leichten Kosen
Ihr Bild verklärt am Maientage zeigten,
Das Veilchen nickte und die wildm Rosen
Sich ihr zu Füßen leise flüsternd neigten.

Und als ihr süßer Atem sich ergossen,
Da schwebten froh die Bienen auf und nieder,
Die Vögel bauten in den jungen Sprossen
Und sangen um das Nest die Liebeslieder.

Sie denkt zurück wie bei des Juli Brande
Die Wolken dunkel durch den Himmel zogen,
Die Blitze weithin leuchtend durch die Lande
Vergebens in die grüne Krone flogen.

Es schwieg der Sturm, da schwebt' im Abendrote
Der Friede traulich durch die dunkeln Räume,
Am Berge stieg der Mond, sein liebster Bote,
Und wob um ihre Zweige Märchenträume.

Sie denkt zurück und steht im tiefen Leide
Gleich jener hehren Mutter schmerzbefangen,
Unwillig schüttelt sie das Eisgeschmeide
Vom Stamme und die lichtbeglänzten Spangen.

Schmetterling und Blume

In weiter Scheune liegt das Korn geborgen,
Es sind die Fässer voll von jungem Moste,
Der Senner denkt der Herde ohne Sorgen
Und ruht gesichert vor dem herben Froste.

Verlassen steht auf hoher Felsenscharte
Nur eine Blume blickend in die Weite,
Als ob sie hoffend auf den Frühling warte,
Der sie verloren aus dem Festgeleite.

Du blühst umsonst! — Verhauche deine Düfte
Als Todesgruß ins öde Nebelgrauen,
Wenn durch die Wälder sausen kalte Lüfte,
Wer sollte deinen Farbenglanz noch schauen!

Doch sieh! da kommt ein Schmetterling geflogen,
Kaum mag er noch die bunte Schwinge regen,
Er ist um seinen Lenz wie du betrogen,
Der Sturm wird bald ins gleiche Grab euch legen!

Doch euer Los, wem darf es traurig scheinen,
Daß ihr euch einzig und allein gefunden?
Weil euch das Leben nicht vermocht zu einen,
So hat der Tod auf ewig euch verbunden.

Hymne

Früh naht der Abend schon und hüllt
In mattes Grau die schwellende Beere
Des Weinstockes, das goldene Korn.
Ferne steigen am Abhang
Des Berges düstere Föhren, darüber
Wie aus der Asche des Tages auf Brandaltären
Lodern purpurn die Gletscher.

Mild weht dein Hauch mich an wie Duft
Der letzten schönsten Blume im Herbste
Und voll Innigkeit leuchtet dein Blick.
Könnt ich wandeln mit dir einst
Von Rosen heiter die Stirne umschlungen,
Wallende Nebel zu Füßen im Tal, hoch oben
Schweben Adler im Lichte.

Dem Menschen jedoch blieb es versagt
Lange zu steh'n auf seliger Höhe,
Oder gleich Göttern mit leichtem Tritt
Von olympischer Spitze empor zu schweben:
Ob das Morgenrot die stolze Stirne umfließt,
Ob du hinschleichst in trüber Dämmerung:
Bald schauen still und ernst auf Moder
Mit ewig klarem Auge die Pilger des Himmels
Und wallen vorbei in heiliger Nacht!