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Erzählendes
 

Der Wildschütz
Die alte Zither
Christabend
Ein Fest
Der Harlekin
Der Maler
Der Riese
Ein Deserteur
Blumenapostel
Verzeihung
Der alte Sakristan
Das Schwanenlied der Sibille


Der Wildschütz


Der Purpur bleicht am Gletscher,
Der stille Abend grau,
Von steiler Felsenkuppe
Der Wildschütz sinnend schaut.

Sein Antlitz scharf gefurchet,
Die Wangen braun gebrannt,
Er schraubt am Flintensteine,
Es steht der Hahn gespannt.

Da schwebt im tiefen Himmel
Der Aar die Schwingen weit
Und daß es widergellet
Er an die Wände schreit.

Der Schütze auf dem Felsen
Ruht in des Adlers Nest,
Ha glaube fast, der Schütze
Hat selbst kein eigen Nest!

Der Adler schlägt die Schwingen,
Die Fänge spannt er aus,
Als wollt er zornig stürmen
Sein altes Felsenhaus.

Da fährt aus seinen Träumen
Der finstre Schütz empor,
Er zielt mit festem Arme
Und weithin kracht das Rohr.

Die breite Schwing' gebrochen
Das Herz zum Tode wund,
Fällt röchelnd aus den Lüften
Der Adler auf den Grund.

Es faßt der Schütz die Schwinge,
Noch flammt des Adlers Blick, —
Mocht an die Sonne denken,
Die ihm nie kehrt zurück.

Der Jäger wurde trüber,
Er lehnt sein Rohr zur Wand
Daß in dein Herz Geselle!
Den Weg die Kugel fand!

Oft hab ich dich geschauet
Den Flug in stolzer Ruh,
Hab mich daran geweidet,
Frei war ich ja wie du!

Bei Gott! fast möcht ich weinen,
Daß ich gezielt so scharf,
Mein sichres Blei den Freien
So schnöd vom Himmel warf!

Und eine Trän' zerdrücket
Im Aug' der Schütze wild,
Sah er vielleicht im Adler
Des eignen Lebens Bild?

Er senket in die Klüfte
Des Adlers Leich' hinab,
Wohl sind nur Alpenfelsen
Des Adlers würdig Grab.

Dann klimmt der Schütze traurig
Hinauf, die Wand hinauf,
Und Nacht und trübe Nebel
Umhüllen seinen Lauf.

Die alte Zither

Im Wirtshaus Lärm und Jubelgesang,
Darunter der Gläser lauter Klang,
Der Spielmann sitzt auf der Bank an der Wand,
Und stimmt die Zither mit kundiger Hand.

Da jauchzt der Schütze und stampft mit dem Fuß,
Er bietet der schönsten Dirne den Gruß,
Und wie er sie scherzend im Reigen schwingt,
Die Zither heller und heller klingt.

Ihm ist so leicht als steig' er kühn
Am Bergstock über die Alpe grün;
Ihm tönt's, wie der Schrei des Adlers gellt,
Wenn taumelnd die Gemse vom Felsen fällt.

Der Senner springt hinein in den Kreis,
Er schüttelt am Hute das Edelweiß,
Er sucht sich die lustigste Dirne aus
Und bietet ihr lachend den duftigen Strauß.

Er denkt der Alpe zur Sommerszeit,
Wo Glocken klingen nah und weit,
Aus tiefster Brust sich der Jodler entringt
Und hell durch alle Täler dringt.

Die Saite leiser und leiser schwirrt,
Wie in dem Walde die Drossel girrt,
Die Dirne denkt errötend dabei,
Daß er sie einst herzte keck und frei.

Da tönt es wieder schmelzend und mild
Gleich Abendlüften' im Maiengefild:
Die Alpenrosen erblühen am Strauch
Und füllen die Matten mit würzigem Hauch.

Nun rauscht es wieder und brauset mit Macht
Gleich Sternen wandelnd in feuriger Pracht,
Da tönt es grell wie ein Schmerzensschrei:
Es sprang eine Saite klirrend entzwei.

Gelöst ist des Tanzes magisches Band,
Sie treten zum Spielmann an der Wand,
Sie bieten die Gläser, sie preisen ihn laut,
Denn so eine Zither ward nirgends geschaut.

Er windet die Saite auf's neu um den Stift
Und zeigt auf dem Boden des Meisters Schrift:
"Der Steiner!" — so macht sie den Namen kund,
Der Spielmann erzählt mit beredtem Mund:

Was sagt ihr, ihr habt es selber erprobt,
Ob nicht das Werk den Meister lobt?
Der Steiner lernte von einem Herrn, —
Doch diesen nennt man bei Nacht nicht gern.

Der führte im Dunkeln ihn ferne weg, —
Ich möchte bei Tag nicht wandeln den Steg, —
Sie kamen zu einer Felsenwand,
Wo eine Tanne verlassen stand.

Der Stamm uralt und riesengroß,
Bewachsen von Flechten und braunem Moos,
Sie hatte im Sturm die Zweige gewiegt,
Wo Gemsen klettern, der Adler fliegt.

Die Alpenrose, das Edelweiß
Erblühten ihr zu Füßen im Kreis,
Sie blickte hinaus über Berg und Tal,
Und trank den letzten Sonnenstrahl.

Jahrhunderte hat sie die Sterne geseh'n
Am Himmel auf und niedergeh'n,
Doch nie vermocht es der flammende Blitz,
Zu schleudern sie vom Königssitz.

Die Tanne hat er umgehau'n
Um klingende Zithern draus zu bau'n:
Hier seht ihr eine; — ich gäb sie nicht her,
Und böte man Gold und Silber schwer.

Er schweigt und alle horchen stumm,
Da schaut er lächelnd im Saale herum;
Er greift in die Saiten, es rauscht und klingt
Und Paar an Paar im Wirbel sich schwingt.

Aufs neue Lärm und Jubelgesang,
Darunter der Gläser lauter Klang:
Stolz schaut er herab von der Bank an der Wand,
Und rührt die Zither mit kundiger Hand.

Christabend

Christabend spät, die Stube warm,
Als wäre Brot zu backen,
Der Senner schlingt den starken Arm
Der Dirne um den Nacken.

Sanft lächelnd lehnt sie sich an ihn;
Aus seligem Gemüte,
Weil Schnee bedeckt der Alpe Grün,
Sproßt ihnen Blüt' um Blüte.

Ein Rosenstock geht duftend auf
Mit Knospen dornelosen,
Er blickt mit leichtem Scherz hinauf
Und pflücket küssend Rosen.

Dann sagt er froh: Wann grünt der Klee,
Daß wir zur Alpe treiben?
Und wie er's sagt, so treibt den Schnee
Der Sturmwind an die Scheiben.

Sie denket still der Maienzeit,
Wo alle Vögel singen;
Mit einemmal hehr und geweiht
Die Weihnachtglocken klingen.

Und wie es tönt und wie sie da
Voll Inbrunst betend schweigen,
Singt über ihnen Gloria
Der Engel heller Reigen.

Ein Fest

Ein zweites Rom von Glanz umzogen
Zu Rom das Kolosseum steigt,
Vom Marmorfries im weiten Bogen
Sich Kranz und Laubgewinde neigt.

Fürwahr heut gilt es zu erringen
Den höchsten Preis der Seligkeit,
Durch alle Tore sieht man dringen
Des Volkes Schwall mit lautem Streit.

Als sollte nahen Roms Befreier,
So starrt ein jedes Aug' empor,
O nur Geduld! — mit seiner Leier
Tritt kranzgeschmückt ein Sänger vor.

Er lächelt, — wie sich Wogen türmen,
Wenn sie der Nordwind brausend hetzt,
Geheul, Geklatsch, als wär zu stürmen
Des Feindes höchste Schanze jetzt.

Nur einer schweigt beim Lärm der Menge
Und stehet unbewegt seitab,
Er blicket freudlos auf's Gedränge,
Als läg vor ihm ein offnes Grab.

Die Toga um den Leib geschlagen,
Die Wange wechselnd bleich und rot;
Der Witz schien allen zu behagen,
Den flüsternd er dem Nachbar bot.

Sie lachen wiehernd, klatschen wieder,
War wohl ein lustiger Patron!
Doch er, — er schlägt die Augen nieder
Und herber zuckt sein Mund von Hohn.

Der Sänger rührt die goldne Leier,
Wie reich und voll das Lied sich wiegt!
Als galt es eine Siegesfeier:
Der Sänger hat sich selbst besiegt!

Ein lautlos Schweigen in der Runde
Und Blitz auf Blitz der Triller drein,
Das Ohr gespannt, mit offnem Munde
So atmen sie die Töne ein.

Als schämte sich, die sonst mit Wonne
Mit Stolz geschaut ihr ew'ges Rom.
In schwarze Wolken birgt die Sonne
Erlöschend sich am Himmelsdom.

Fast scheint's als sollt ein Andrer rufen
Das Bravo nach dem Schlußgesang:
Es tritt der Sänger an die Stufen —
Da kracht ein Donner schwer und lang.

Und horch! — am Tore lautes Pochen, —
Ein Krieger tritt in ihren Kreis,
Den Speer geknickt, den Schild gebrochen,
Die Wange von Entsetzen weiß.

"Ihr Römer auf! sie sind gefallen,
Die gegen Norden ihr geschickt,
Und übrig von den Kriegern allen
Nur ich, den ihr vor euch erblickt!"

Er wiederholt, wie sie begehren,
Die Kunde ihnen noch einmal,
Doch um die Schmach von sich zu wehren
Sinkt er durchbohrt vom eignen Stahl.

Wild starrten sie auf seine Leiche;
"Begrabt mit ihm das Vaterland!"
So rief der Mann der ernste bleiche
Und barg die Stirne mit der Hand.

Er trat zur Bühne, die verlassen
Und einsam stand gleich einem Grab,
Er rief: "Laßt eure Sänger fassen
Und schwingen Cäsars Feldherrnstab.

Wo sind die Sulla, Scipione,
Und Marius, die Adlerbrut?
Hoch im Olymp! sie schau'n mit Hohne,
Daß so verglomm der Freiheit Glut!

Er spricht's mit Blicken ernst und strenge,
Bald stand die Scene öd und fahl,
Doch nun begrub, als fort die Menge,
Den letzten Krieger Juvenal.

Der Harlekin

Es war im Circus. Wie ein Kornfeld stellt
Im Sonnenbrande, wenn kein Lüftchen weht,
So ruhig Kopf an Kopf, halbauf den Mund,
Das Aug' gewendet zu der Reitbahn Grund.
Die Zimbel tönt, es sprengt der Harlekin
In weiten Kreisen zu dem Ziele hin;
So wie der Zeiger an des Todes Uhr
Läßt auch sein Roß im Sande keine Spur.
Bald hier bald dort! — das Haar, die Mähnen fliegen,
Als gält es über Zeit und Raum zu siegen.
Er stürmt dahin zu wildem Rythmustakt
Und hinten nach des Beifalls Katarakt.
Ihn kümmert's nicht, wenn lauter Jubel schallt,
Als wär er einsam, blickt er trüb und kalt:
Ein Feuerwerker, der Raketen schürt
Zur Winterszeit und selbst dabei erfriert.
Ich blickte hin, ich weiß nicht, wies geschah,
Daß ich im Traum verwandelt alles sah,
Mir kam es vor, ich sei der bleiche Reiter
Auf schwarzem Roß im Sturmesfluge weiter
Und weiter sprengend durch ein fremdes Land;
Vom harten Hufe flog der Wüste Sand,
Leicht hinten nach bis er bald nicht mehr flog,
Weil spurlos seine Bahn mein Renner zog.
Zuerst noch sah ich Pilger mir zur Seite
Mit frohem Blicke schauend in die Weite,
Sie winkten freundlich mit der Hand zum Gruß,
Es schien als zöge gleiche Bahn ihr Fuß.
Doch ach! wie bald schwand ihre volle Zahl,
Weil abwärts mancher da und dort sich stahl,
So manchem brach die Kraft ans ferne Ziel,
Bis einer nach dem andern niederfiel:
Sie hoben noch das Haupt dem Tod verfehmt,
Ein jedes Glied rang vorwärts halb gelähmt,
Sie seufzten tief, es wirbelt Staub daher, —
Bald war es auf der Straße öd und leer.
Der Rappe knirschte zornig ins Gebiß,
Daß er beinah den Zügel mir entriß,
Als gält's zu kämpfen jetzt in heißer Schlacht,
Zu siegen über jene dunkle Macht,
Die aus der Wüste Schweigen furchtbar bang
Doch unsichtbar an meine Seele drang;
Sie war's, vor ihr sah ich die Pilger weichen,
Sie stand als Siegerin auf ihren Leichen!
Mit kühnem Sinn ließ ich die Zügel fliegen,
Im Rythmus wollte jedes Glied sich wiegen,
Und rascher, rascher ging der wilde Lauf:
Hier sinkt die Sonne, dort schon wieder auf,
Die Sterne bleichen, glimmen wieder an,
Als hätte überholt sie unsre Bahn.
Jetzt Tag, jetzt Nacht — zerrissen sind die Zügel,
Glutschnaubend fliegt das Roß mit Sturmesflügel,
Es glitzert fern, ich hör das Meer schon brausen,
Die straffen Adern schwellt ein süßes Grausen,
Und adlergleich — da dringt ein Schrei ins Ohr,
Ich schau aus halbem Traume rasch empor:
Im Circus tobt das Pferd von Schaum bedeckt,
Zu Boden liegt der Harlekin gestreckt,
Und war's ein Schwank, so war's der letzte wohl,
Daß er im Staube röchelt bang und hohl.
Das Antlitz hebt er noch einmal das bleiche,
Er seufzt, er zuckt und sinkt zurück als Leiche.

Der Maler

Was steht der Maler, schaut begeistert kühn
Und steht und schaut, als wie in Liebesglüh'n?

Du holde Maid auf die er's Auge lenkt,
Was wirst du rot, was ist dein Blick gesenkt?

Und heftig zuckt's durch ihn mit einemmale,
Als wär durchleuchtet er vom Himmelsstrahle.

Den Pinsel faßt er und mit Liebesglühen
Will er ihr Bildnis auf die Leinwand ziehen.

Er seufzet auf: "O wärst du Holde mein,
Wie würde ich auf immer glücklich sein!"

Es pocht sein Herz von innigem Verlangen,
Und holder wird sie stets, von Scham befangen.

Er malet fort und fort mit raschen Zügen
Begeistrungsvoll wie helle Blitze fliegen.

"Nun faß ich dich!" Es steht auf dunklem Grund
Die Herrliche gemalt in Farben bunt.

"Nun bist du mein du liebliche Gestalt!"
Doch auf die Maid blickt er jetzt fremd und kalt.

"Du Ideal!" er trägt das Bild von hinnen,
Wie mag die schöne Maid jetzt einsam sinnen!

Der Riese

Bei einem hohen Tannenbaum
Liegt ausgestreckt ein Riese,
Das Aug', so weit es mißt den Raum,
Erblickt nur Wald und Wiese.

Nur einmal möcht er noch die Faust
Im Heldenkampfe regen,
Der Wind, der durch die Blatter saust,
Weht spottend ihm entgegen.

Laut ruft er in den Wald hinein,
Daß sich ein Kämpfer zeige,
Die Tannen hören ihn allein
Und schütteln stumm die Zweige.

Da legt er auf den Boden schwer
Und träg ins Moos sich nieder,
Im Walde dunkelt's mehr nnd mehr,
Der Schlaf beschleicht die Glieder.

Und wie er sich im Schlummer dehnt,
Entflieht der Sommer leise,
Und wie er halb erwachend gähnt,
Macht ihn der Herbst zum Greise.

Ob jemals er ganz aufgewacht!
Ich könnt es euch nicht sagen,
Nur träumte mir einmal bei Nacht
Als hört ich dumpfe Klagen.

Ein Deserteur

Ein Felsenschrund! von Büschen überdacht,
Halb vorgebeugt starrt Seume durch die Nacht:
Verlorner Posten, wo er aufgestellt
Am Rand des Lagers späte Wache hält!
Er schultert das Gewehr und blickt hinaus,
Dort rauscht des Niagara Wogenbraus,
Aus Schaumesperlen schießet auf der Bogen
Vom blauen Duft der Ferne leicht umzogen,
Des Mondes Scheibe schwimmt auf blauer Bahn,
Es steigen feine Dünste sanft hinan
Und wallend jetzt, in Flocken jetzt gekräuselt,
Flieh'n sie dahin, wenn leichter Luftzug säuselt.
Ihn kümmert's nicht, auch nicht der Brüder Rast,
Die süßer Schlaf gelöst von Tageslast;
Sie liegen weithin ruhig ausgestreckt
Im weichen Gras vom Mantel zugedeckt:
Wie rein der Himmel, der sie überblaut!
Jedoch nicht der, zu dem sie aufgeschaut
In froher Jugend; andre Bäume sind es,
Die in der Strömung herbstlich feuchten Windes
Die Zweige wiegen hier am Klippenstrand,
Denn ferne, ferne liegt das deutsche Land!
So schlummern sie. Da spinnt erbarmend leise
Marienfäden gleich die Silbergleise
Ein milder Elfe hin von Ast zu Ast,
Er hält die feinen Enden angefaßt,
Er schwingt sich auf und läßt sie frei entgleiten,
Sie flattern hin zu fernen Ostens Weiten,
Sie legen sich an deutsche Bäume an
Und brücken über Berg und Flut die Bahn.
Darauf beginnen lichte Traumgestalten
Von Osten her sich zaubrisch zu entfalten:
Der Vater schwebt zum Sohne hin und legt
Die Hand ihm auf die Stirne tief bewegt,
Das gute fromme Mütterchen naht hier,
Es spricht zum Schläfer: "Sieh ich bin bei dir,
Will für dich beten, werde dein gedenken,
Bis sie dich blutig in die Erde senken!"
Ein Mädchen wallet über Land und Meer
Mit blauem Aug' und goldnen Locken her,
Sie lächelt hold, er schlingt wie einst am Flieder
Die Arme feurig um die schlanken Glieder,
Er kost und scherzt — da klingt von fern Gesang,
Ein deutsches Lied zu hellem Lautenklang!
Genossen kosten froh den Most der Traube
Beim Winzerfest in dunkler Gartenlaube,
Sie trinken ihm mit lauterm Rufe zu,
Der Schläfer hebt das Haupt aus schwerer Ruh
Und grüßt sie murmelnd, winket mit der Hand
Und träumt die Heimat auf dem fremden Strand.

Auch Seume träumt vom heimischen Gefild,
Doch tritt vors Auge ihm kein lieblich Bild,
Er sieht erniedrigt einen feigen Schwarm
Dahin gestreckt, er sieht — was zuckt sein Arm?
Er greift hinaus als räng' er in der Schlacht,
Wohl spottet sein ein Luftgebild der Nacht!
Ein schwerer Fluch — da sieht er die Genossen,
Es rollt aus mancher Wimper fest geschlossen
Der Sehnsucht warme Träne auf den Grund,
Ein Lächeln sanft umspielt der Schläfer Mund.
Er ahnt den Traum, der sie zur Heimat führt,
Und denkt nun selbst der Heimat tief gerührt.
Daheim, daheim! — Wie lockt das traute Wort,
Es töne in der Brandung fern dem Port,
Es töne leise in Pallastes Hallen,
Es möge aus des Urwalds Tiefe schallen:
Daheim, daheim! erweckt die Sehnsucht bang,
Von früher Jugendlieb' ein später Klang.
Daheim, daheim! wer durch die Welt muß schweifen.
Der wird voll Schmerz des Wortes Sinn begreifen.

Jenseits der Schlucht erhebt sich Zelt an Zelt,
Dort hat der Feind das Lager hingestellt,
Es lodern Feuer, Krieger steh'n herum,
Sie blicken in die Gluten ernst und stumm,
Als dächten sie: Wie hier die Asche raucht,
Ist auch ein Menschenleben bald verhaucht!
Bisweilen schlägt die Flamme prasselnd auf,
Am Schwerte spiegelnd, an der Flinte Lauf;
Da scheint's, als habe raschen Sturmes Kraft
Aus allen Ländern sie hieher gerafft
Von kreuz und quer: verschieden Zunge, Trachten,
Nur gleicher Todesmut in allen Schlachten.

Ein Krieger schreitet durch das Dunkel her,
Die Wache präsentiert mit dem Gewehr,
Und wer zuvor am Baum behaglich lehnte,
Und wer zuvor auf weichem Gras sich dehnte,
Springt rasch empor die Stirn vor ihm zu neigen
Und hört sein Wort mit ehrfurchtsvollem Schweigen.
Er wandelt hin und her, prüft alles scharf,
Gewehr, Kanonen, was der Krieg bedarf;
Nur einen Wink von diesem General,
So ist vollendet schon, was er befahl.
Es scheint fürwahr der Stock ein Zauberstab,
Mit dem er herrschend deutet auf und ab:
Nicht Elfenbein, nicht golden ausgelegt,
Von einem schlechten Apfelbaum gesägt, —
Er wuchs zu Washington an jenem Stamme,
Wo einst geflaggt der Freiheit Oriflamme,
Als sich entwürdigt zu der Knechtung Zeichen
Die Leoparden aus den Inselreichen.
Von diesem Stamme ist der Marschallsstab,
Mit welchem jener schreitet auf und ab,
Der flügelt sie, der leitet in der Schlacht
Und winkt empor durch finstre Kampfesnacht
Zum Banner mit den Sternen eingewebt,
Daß zuckend sich der Arm des Kriegers hebt,
Der schwer verwundet niedersank auf Leichen
Und in dem Antlitz in dem todesbleichen
Zum letztenmale noch die Wangen blüh'n,
Zum letztenmal die Augen freudig glüh'n!

Zum fernsten Posten geht er langsam vor,
Leicht traf ihn Seume mit dem Feuerrohr;
Er starret hin, doch bleibt er ruhig steh'n
Und läßt Gewehr bei Fuß ihn vorwärts geh'n.
Zurück kehrt jener, wo er hingekommen
Scheint's fast, er hab die Ruhe mitgenommen:
Die Krieger richten der Kanone Schlund,
Daß sie bedroht des Feindes Lagergrund,
Sie türmen Kugeln, gält es eine Wette,
So rastlos schärfen sie die Bajonette.
Gemurmel dumpf, — ein Lied, — ein lautes Wort,
Und dieses Eine kehret fort und fort:
Es rauschet Freiheit! mächtig im Gesang,
Zum Britenlager dringt wie Hohn der Klang.

Er schleudert in den Abgrund das Gewehr:
"Nie dring ein Schuß aus diesem Laufe mehr!"
Den schweren Säbel reißt er von der Seite,
Den er als Söldner schwingen mußt im Streite:
"Nie hebe dich mehr eines Mannes Faust,
Wo Stahl an Stahl zu schweren Schlägen saust,
Weil meine Hand — o sei zu Staub verflucht!
Auf jene Helden lenkte deine Wucht!" —
Auf seine Brüder blickt er noch einmal
Und flieht mit raschem Fuße durch das Tal.

Blumenapostel

Im Lenze denk ich einer Sage;
Ein Kindestraum, doch inhaltsschwer!
Es sammelte am Schöpfungstage
Der Herr die Blumen um sich her:

"Durch alle Fernen, alle Weiten
Sollt ihr als meine Boten geh'n,
Mein Evangelium zu verbreiten, —
Ein jedes Auge soll euch sehn.

Wenn vor des Frühlings lindem Weben
Des Eises starre Decke bricht,
Schneeglöckchen! sollst du froh erheben
Die Kinderstirne rein und licht.

Mit süßer Stimme magst du locken:
Kommt alle alle auf das Feld!
Besiegte nicht des Winters Flocken
Die Milde Gottes wie ein Held?

Dann öffne leise seine Blüte
Der goldne Himmelschlüssel frei:
Ein Zeugnis jeglichem Gemüte,
Daß nun der Himmel offen sei!

Und hat die Fluren überzogen
Das schöne junge Hoffnungsgrün,
So mag, das zarte Haupt gebogen,
Gleich einer Braut das Veilchen blüh'n.

Dann will ich ihn der Erde senden
Den hohen Sonnenbrautigam,
Der soll das Brautgeschmeide spenden
Von Feld zu Feld, von Stamm zu Stamm.

Dann glüh die Rose an dem Strauche
Wie eine Opferflamme weht,
Es steig ihr Duft mit sanftem Hauche
Zu mir empor wie ein Gebet.

Dann steh die Lilie daneben,
Im weißen Kelch das reinste Gold
Entfalte sie ein reiches Leben
In sich verschlossen still und hold.

So hab ich jeglichem beschieden
Als Botengruß ein hehres Wort,

Geht nun hinaus von mir in Frieden
Und kündet es von Ort zu Ort!"

Der schönste Engel stellt als Leiter
Sich vor die frohe Blumenschar
Und führt als Lenz sie lächelnd weiter
Mit seinen Augen blau und klar.

Es bleibt zurück nur die Cypresse,
— Die Andern schwebten ferne schon, —
Damit der Herr sie nicht vergesse,
Stellt sie sich hin vor seinen Thron.

Es lispelt in den düstern Zweigen,
Sie richtet sich vor ihm empor:
"Nicht darf ich mich auf Erden zeigen
Bei jener frohen Schwestern Chor!

Du schmücktest sie voll Huld und Güte
Mit süßem Duft, mit Farbenpracht;
Sieh mich vor dir — zwar ohne Blüte —
Doch will ich dienen Tag und Nacht."

Der Herr vernahm's mit ernsten Mienen,
Sprach zur Cypresse feierlich:
"Auch du sollst mir auf Erden dienen,
Zum letzten Boten wähl ich dich!

Im Herbste, wenn die Blätter fallen
Und Schwermut schleicht in jedes Herz,
Da deute mächtig du vor allen
Mit deinen Zweigen himmelwärts!

Verzeihung

                        I.

Schon war es Nacht; im Kirchlein schwand
Der letzten Ampel Schein,
Da trat, als scheute sie das Licht,
Noch eine Magd herein.

Sie kniete in den Beichtstuhl hin
Zu fleh'n um Gottes Huld,
Der Priester neigte sich zu ihr
Und hörte ihre Schuld.

Er hob, als sie verstummt, die Hand
Für sie zum Segen nicht:
"Wer solchen Frevels schuldig ist,
Trägt schwerer Buße Pflicht.

Du gabst dich offner Schande hin,
Nicht Reue führt dich her,
Weil Gott gezeichnet deinen Leib,
Verlangst du Wiederkehr.

Siehst du die Himmelsjungfrau dort?
Ihr bring ein Opfer dar:
Ein Seidenkleid mit Gold gestickt,
Ich gebe dir ein Jahr.

Ein Zeichen soll mir dieses sein:
Ob Ernst dir oder nicht?
Wer solchen Frevels schuldig ist,
Den trifft ein schwer Gericht."

""Ich bin nur eine arme Magd,
Gebt anderen Bescheid,
O Herr! wie sollt gelingen mir
Zu schaffen je das Kleid?""

"Hast du geküßt, hast du gebuhlt,
In eitler Tracht geprangt,
So wirke, wie du immer magst,
Das Kleid, das ich verlangt."

Er wandte sich vom Gitter ab,
Versagt ihr Trosteswort,
Sie aber ging mit feuchtem Aug'
Zum Werk der Buße fort.

                        II.

Sie wirbt um Lohn im strengsten Dienst
Die Hand von Arbeit wund,
Zum Lohne legt den Kreuzer sie
Den sie erspart vom Mund.

Den harten Bissen karg und schmal,
Den sie zu essen wagt,
Sie nimmt des Kindes wegen ihn,
Sonst hätt sie ihn versagt.

Sein Aug' war ihres Trostes Stern
Sanft mahnend zur Geduld,
Und doch — sie zagt zu küssen es,
Gedenkt sie alter Schuld.

Da ward die Prüfung schwerer noch,
Das Kind lag todesbleich:
O schaffe du jetzt Hilf und Trost,
Maria gnadenreich!

Was sie erspart, dem Priester bringt
Sie's nun zum Opfer dar:
"Mein Herr! verzeiht, wohl reicht es nicht,
Auch ist es noch kein Jahr!

Zum Tode liegt mein Kind erkrankt;
Des Mutterherzens Pein
Sie möge für das Festgewand
Ersatz und Sühnung sein!"

Der Priester sprach mit strengem Blick:
"Das Wechseln ziemt beim Tanz,
Ausharren soll, wer büßen will,
Sonst winkt ihm nie der Kranz!"

                        III.

Sie wirft sich an der Wiege hin
Einsam in banger Qual:
"Entsende leuchtend durch die Nacht
Mir deiner Gnade Strahl!

Als du den Sohn am Kreuze sahst
O Gottesmutter hehr,
Da littest du bei seinem Tod
Wie keine Mutter mehr.

Was ich erduldet, was ich trag
Ich leg's in deine Hand,
Und — was noch kommen mag, ich nehms
Als deiner Gnade Pfand!"

Da schwebte mit dem Schlummer sanft
Das Gnadenbild zu ihr:
"Wie Magdalenen einst geschehen,
Soll jetzt geschehen Dir!

Du hast vor meinem Sohn und mir
Gesühnt die schwere Schuld,
Der Richterspruch ist ausgelöscht,
Nun gilt der Liebe Huld.

Aus Morgenrot und Himmelsblau
Webt Engelhand mein Kleid,
Die hellsten Stern' an Gottes Thron
Sind Schmuck mir und Geschmeid.

Du wolltest mir den Mantel weih'n, —
Dein armes Kind sieh hier,
Was du ihm schaffst mit treuem Sinn
Gilt als empfangen mir!"

Sie sprach's und war entschwunden schon,
Es stieg der junge Tag,
Um ihn zu grüßen, tönte hell
Der erste Finkenschlag.

Die Mutter raffte sich empor,
Und trat zur Wieg' geschwind:
Da lag vom Morgenrot bestrahlt
Und lächelte ihr Kind.

Der alte Sakristan
1809

                        I.

Die Abendglocken sind verklungen,
Am Tore steht der Sakristan,
Noch einmal blickt er auf die Gasse
Und steckt den schweren Schlüssel an.

Es geh'n vorbei zwei fremde Krieger,
Der eine zeigt aufs Gotteshaus:
"Wir holen morgen zu Kanonen
Aus diesem Schacht Metall heraus!

Die ehrnen Bilder haden lange
Bewacht des alten Kaisers Grab;
So ziemt es sich, wir lösen morgen
Sie von der Ehrenwache ab!"

Sie sind im Dunkel längst entschwunden,
Verhallt ist ihrer Stimme Klang,
Da schließt der Sakristan die Pforte
Und schreitet durch den Säulengang.

                       II.

Am Hochaltare sinkt er nieder
Und betet lang und heiß zu Gott,
Er spannt die Arme glaubensinnig:
"O wende du von uns den Spott!"

Er dachte an die alten Wunder,
Wie Gott ein treu bewährter Hort,
Die Seinen schirmend, Feindesrotten
Zu Boden warf mit Einem Wort.

So sann er lang, bis auf die Arme
Das Haupt ihm sank von Sorgen schwer,
Die ehrnen Heldenbilder standen
Als stumme Wächter um ihn her.

                        III.

Es rauscht wie fernes Ungewitter,
Es braust wie nahes Schlachtgeschrei,
Wie Blitze zuckt es durch die Fenster
Und krachend birst das Tor entzwei.

Des Feindes Rotte stürmt die Halle,
Wo groß und still die Bilder stehn,
Als wollte sie mit Eisenhebeln
Die Quadern aus den Fugen dreh'n.

Schon rütteln sie des Grabes Gitter, —
Da flammt die Lampe hell und klar,
Wie Säulenschäfte riesenmächtig
Erhebt sich rasch der Wächter Schar.

Sie ordnen sich in engen Reihen
Rudolf voran und Bouillon,
Es dröhnen ihre ehrnen Glieder,
Gleich Schatten flieht der Feind davon.

Drauf ist es wieder still geworden,
Am Grabe glänzt der Lampe Schein,
Und durch die Bogenfenster leuchten
Des Himmels Sterne mild herein.

                        IV.

Da tost es wieder durch die Gassen,
Schnell ist der Sakristan erwacht,
Das Morgenlicht strahlt durch die Scheiben,
Und draußen ruft es: Aufgemacht!!

Er schließet zaghaft auf die Pforte,
Es drängt heran die bunte Schar,
Er staunt, sie fassen seine Hände:
"Wa's? Schützen hier! —ist's Traum, ist's wahr!"

Da lachen alle ihm entgegen,
Ein Unterländer schwingt den Hut:
"Es flohen Nachts Franzos und Baier,
Habt ihr's verschlafen? - ihr schlaft gut!

Wir Schützen feiern das Tedeum
Am Grabe von Maximilian,
Laßt feierlich die Glocken klingen
Und zündet alle Kerzen an!"

Das Schwanenlied der Sibille

Die Jungfrau sitzt zu Cumä in der Grotte
Gedankenvoll die Stirn zur Hand geneigt,
Auf Antwort harret sie von ihrem Gotte,
Der ach! für jetzt und bald für immer schweigt.
Sie blickt hinaus, sein Wagen ist gesunken
Von Wellen rings umkräuselt, goldnen Funken!

Sie blickt hinaus, wohl hört sie's ferne rauschen
Und fremde Laute trägt ihr zu das Meer,
Als wie von Geistern, die Geheimnis tauschen, —
Vergebens! ihr sind sie an Inhalt leer.
Schon dunkelt es, der letzte Strahl entschwunden,
Doch keine Lösung hat sie noch gefunden.

Da flüstert's, weinend neigen aus den Bäumen
Am Felstor die Driaden sich herab,
Es flüstert leise wie von alten Träumen,
Gesichte folgen, zeigen Tod und Grab.
Auf Wolken fliehn die Götter sturmgetragen,
Das Haupt verhüllt als wie zu schweren Klagen.

Es donnert ferne, aus den Felsenhallen
Flieht sie erschreckt, als sie am Eingang steht,
Da bricht der Zweig, die Lorbeerblätter fallen
Vom grauen Haar schnell in die Luft verweht.
Sie seufzet tief: "Apoll du hast gerufen,
Die Seherin betritt des Hades Stufen."

Doch sieh! mit einemmale wird es helle:
Ein Purpurkreuz von Ostens Licht umglänzt!
Vor seinem Schafte glättet sich die Welle,
Es steigt vom Sternendiadem bekränzt.
Und Flöten tönen, süße Stimmen singen,
Als wollten sie der Welt den Frieden bringen.

Die Seherin das Aug' empor gewendet,
Die Arme breitend, freudig ruft sie aus:
"Du nahst! zum Hades werd ich nicht gesendet
Unsterblicher! du führst mich in dein Haus!
Verwandle mich, gib mir des Schwans Gefieder,
Dann folg ich dir, nie schweigen meine Lieder."

Die Ehre Gott! ein leises Beten, Singen,
Den Menschen Friede, welche gut und rein! —
Und tausend Chöre holder Engel schwingen
Sich durcheinander froh im Morgenschein.
Die Seherin schlägt jetzt, die Augen nieder
Von Glanz geblendet, hebt sie staunend wieder.

"Blick auf! so tönt's, die Kunde kommt von Oben,
Die Wellen flüstern sie nicht in dein Ohr,
Aus Strahlen wird das Weltenlos gewoben,
Aus tiefer Nacht flammt Sternenlicht empor.
Des Himmels volle Herrlichkeit zu schauen
Vergönnt ist's nur demütigem Vertrauen.

Ein andrer König wird in Liebe walten,
Das Leben trügt, des Daseins Blume sinkt,
Nicht hier — er wird sein Wort im Himmel halten,
Hier ist die Saat, wenn dort die Ernte winkt:
Es welkt des Lorbeers irdisch stolze Krone,
Mit Palmen steh'n die Seligen am Throne."

Da weht der Geist sie freundlich an und milde,
Nicht mehr wie sonst erschütternd und roll Wut,
Wie Mondesschimmer auf dem Maigefilde,
Wenn Abends spät des Windes Fittig ruht.
Wie Sterne durch den Himmel ruhig wallen,
Geleitet er sie zu der Weltstadt Hallen.

Ein hohes Fest! die Göttertempel stehen
Weit offen, jede Säule ist geschmückt
Und Priesterchöre weiß gekleidet flehen,
Sie bringen Weihrauch demutvoll gebückt;
Nur Janus düstre Pforten sind geschlossen,
Es soll der Welt des Friedens Ölzweig sprossen.

Sie geht hindurch und beugt vor den Altären
Das Knie nicht mehr wie sonst in alter Zeit,
Vorüber geht sie an den tapfern Heeren,
Als Staub gilt ihr des Sieges Herrlichkeit.
Sie schreitet hin mit Blicken ernst und strenge,
Zum Kaiser eilt sie durch des Volks Gedränge.

Der lag auf Purpur! — hell die Prunkgemächer,
Ein Gott! und Marmorbilder rings umher,
Und Römer rings, — die Freiheitshelden Zecher!
Doch Römer? nein! denn Brutus war nicht mehr.
Horaz bei ihnen, goldbeschwingt die Leier
Sang er den Hymnus zu des Festes Feier.

"An's Leben denkt, so lang die Freude winket —
Denkt an den Tod!" ruft die Sibille laut,
Der Dichter zittert, seine Leier sinket,
Und selbst dem großen Erdengotte graut.
Er blickt entsetzt auf sie vom Siegesmale,
Sie steht erhaben unter dem Portale.

Es öffnet ihr den Mund des Königs Rechte,
Der Unterwerfung Königen gebeut:
"Die Becher weg, verbannt die Kranzgeflechte,
Aus tiefster Brust vertilgt den Hochmut heut!
Das ew'ge Rom, die Götterbilder wanken,
Ein neu Geschlecht betritt der Erde Schranken.

In Liebe laßt das Erz des Stolzes glühen,
Die Demut lautre eure Seelen rein,
Dann wird euch eine frohe Kunde blühen,
Aus Demut sproßt das Leben euch allein!"
Was Demut? — hört man Höflinge rings zischen,
Die Götterbilder zittern in den Nischen.

Der Kaiser denkt des Heers ihm treu ergeben,
Zur Leier greift der Dichter nebenan,
Die Saiten zittern und die Töne schweben,
Wie junge Adler zieh'n die Wolkenbahn:
"Auf Erden wird Roms Größe nie zerstieben,
Sein Name bleibt den Sternen eingeschrieben!"

Schon war sie fort, kein Auge hat gesehen
Wie sie gekommen, kein's wie sie entschwand.
Das Tor weit offen, Morgenlüfte wehen
Und Dämmerschatten zittern an der Wand,
Die Gäste schaudern, eh das Lied verklungen,
Sind schon die goldnen Saiten all gesprungen.

Am Kapitol wogt in des Morgens Stille
Der Nebel um die Bogen auf und ab,
Im Säulengang ruht sinnend die Sibille
Und schreibt im Sande Zeichen mit dem Stab,
Schreibt Kreuze dort, wo zitternd bang mit Schweigen
Der Gottheit Roms sich alle Völker neigen.

Die Sonne steigt im Osten; lieblich, heiter
Klimmt auf am Hügel eine Kinderschar,
Sie bleiben stehen, ziehen singend weiter
Und bringen Vätergöttern Opfer dar,
Sie tragen Palmen, Mehl und Honig spenden
Wie Bienchen summend sie mit reinen Händen.

Und wieder fühlt sie jenes Geistes Weihe,
Der prophezeiend ihre Brust erregt,
Sie lächelt mild, tritt zu der Kinder Reihe
Gleich einer Mutter, innerst tief bewegt.
Als ob sie ihnen längst bekannt erschiene,
So drängen sie herbei mit froher Miene.

Sie rührt die Lippe: "Sei es euch gegeben,
Was kaltem Stolze unerreichbar hehr,
Von oben fließt, ein Sternenquell, das Leben
Und bald ist Nacht und Finsternis nicht mehr.
In euern Herzen wird es dämmern, lichten,
Es werden Kinder über Fürsten richten.

Ein Kind hat euch durch mich gesandt die Kunde,
Es zwingt den Tod, hört ihr das Gloria?
Es stürzet der Olymp zu dieser Stunde,
Ihr sollt erblicken, was ich nicht mehr sah:
Und daß ihr es erkennet, merkt sein Zeichen
Am Boden hier, dem alle Götter weichen.

Doch nun sich mich mit aufgehobnen Händen,
Die mir geboten, hohe Geistermacht!
Mich von den alten Göttern abzuwenden,
O nimm mich auf, es ist mein Werk vollbracht!"
Der Schleier reißt, sanft lösen sich die Glieder,
Als wär's zu schlummern, sinkt sie langsam nieder.

Auf ihren Busen selig weinend neigen
Wie Blumenkelche, die der Lenz bethaut,
Die Kinder sich, bedeckt von Palmenzweigen
Liegt sie im Morgenschein wie eine Braut.
Das sind die Schwanenworte der Sibille,
Von nun an schwiegen die Orakel stille.