Die Braut
Die Fahne steckt der Frühling aus,
Es blühen alle Felder,
Und sind die Alpen oben weiß,
Sind unten grün die Wälder.
Die Lerche singt ihr Tirili,
Wenn's kaum beginnt zu grauen,
Die Schwalben flattern hin und her,
Ihr kleines Nest zu bauen.
"Siehst du das Kreuz am Firste dort?
Mein Haus ist für dich fertig,
O komm, o komm, es ist der Frau,
Der Herrin schon gewärtig!"
Sie lacht den dummen Freier aus
Und denkt: der kann noch warten!
Doch wo er stand, erhebt sich gelb
Die Totenblum' im Garten.
Die Lerche duckt ins reife Korn,
Es zwitschern junge Schwalben,
Da steht er wieder: "Komm', eh' sich
Die Blätter noch verfalben!"
Sie hört es, Schauer faßt sie an,
Der Freier ist verschwunden
Die Wange rötet sich noch mehr,
Doch kann sie nicht gesunden.
Wißt ihr es Wohl, daß Michael
Der Engel wägt die Toten?
An seinem Feste hat den Gruß
Der Freier ihr entboten:
"Bis Allerseelen bist du wohl
Bereit zum Hochzeitreigen,
Wenn auch die Musikanten dort
Uns nicht zur Feier geigen."
Und rot verfärbt die Wange sich,
Glänzt auch der Blick noch heller,
Und tanzt sie auch am Kirchtag nicht,
So fliegt der Puls doch schneller.
Der Herbstwind deckt die Dächer ab
Und schleudert schwere Tropfen,
Die Türe kracht sperrangelweit, —
Er ist's, ohn' anzuklopfen.
"Juchhe, juchheisa, tralala,
Die Uhr beginnt zu schlagen
Und ist die Stunde voll gezählt,
Mußt du das Ja! mir sagen.
Juchhe, juchheisa, tralala,
Willst keinen Finger reichen?
Was zierst du dich? Ich faß' die Hand,
Wer springt, braucht nicht zu schleichen.
Stolz wiesest du die Freier ab,
Mein bist du, wirst es bleiben,
Als Zeuge kann ins schwarze Buch
Der Pfarrer heut' es schreiben!"
Laut schreit sie auf; den Brautkuß gibt
Der Freier ihr, der bleiche,
Und in das Brautbett legten sie
Die schöne kalte Leiche.
Der Mesner zieht die Glocke schon,
Die Glocke statt der Geigen,
Auf ihrem Häuschen siehst du dort
Ein hölzern Kreuzlein steigen.
Zu Mötz
Grau die Schläfe, schwach, ermüdet
Gräbt der Gräber in dem Grabe,
Grau die Schläfe, schwach, ermüdet
Schleicht der Pfarrer her am Stabe.
Wie sie rasten, fragt der oben
In der Tiefe dort den andern:
"Zeit wär's schon! — wer von uns beiden
Wird zuerst ins Jenseits wandern?"
Wie der dritte kommt und geht, das
Hat noch nie ein Aug' gesehen:
Kahl der Schädel, riesenkräftig
Bleibt er bei dem Grabe stehen.
Blaß vor Schrecken zittern jene, —
Freundlich spricht er und gelassen:
"Ihr seid lang noch meine Diener,
Darum will ich keinen fassen.
Graben mußt du noch viel Gräber,
Du für viele Tote beten,
Bis der letzte dieses Volkes
In den Reigen ist getreten.
Waltet eures Amtes treulich,
Das verleiht die Kraft zu leben,
Dann wird euch die Ewigkeit die
Krone der Vollendung geben."
Er war fort! — Horch, leises Singen,
Horch! schon näher lautes Klagen,
Und von jungen Schützen wird ein
Junger Schütz zu Grab getragen.
Im Karwendeltal
Eine Hütte roh gezimmert
In des Waldes finstrer Schlucht, —
Hierher nahm ein junger Büßer
Vor der bösen Welt die Flucht.
Wie er sich kasteit und betet,
Hebt zum Kruzifix den Blick,
Auf den bloßen, magern Rücken
Schwingt voll Zorn den Knotenstrick!
Zum Erlöser seufzt er, stöhnt er:
"O verzeihe mir die Schuld,
Angeschaut hab' ich ein Mädchen
Und sie lächelte voll Huld.
Ach das Töchterlein des Försters!
Satan hat sie hergesandt,
Und ich kann es nicht vergessen,
Wie sie reizend vor mir stand.
Dorngekröntes Haupt voll Wunden,
Zeig' dein brechend Auge mir!
Wie du selig starbst am Kreuze, —
Ach so lehr' mich sterben hier!"
Durch die offne Türe leuchtet
Goldig hell der Sonnenschein,
Und mit weichem Purpurfittig
Schwebt ein Jüngling jetzt herein.
"Apage!" — so schreit der Büßer, —
"Apage o Satanas!" —
Doch der hebt empor die Rechte
Mit dem vollen Stundenglas.
"Willst du mit dem Kreuz mir drohen?
Sieh die Dornen werden grün,
Sieh wie ringsum rote Röslein
Aus den spröden Ästen blüh'n.
Oft muß ich das Glas hier stürzen
Eh' die letzte Stunde schlägt,
Und mit euren Kindern weinend,
In den Sarg dein Weib dich legt.
Kennst du sie? — Wasch dich im Brunnen,
Dann nimmt dich der Förster auf,
Nach dem Paternoster leiht er
Dir den sichern Flintenlauf.
Auf Tierberg
In der Wildnis vor der Hütte,
Saß der Klausner hoch an Jahren
In der Abendsonne, freundlich
Spielt der West mit seinen Haaren.
Der vergang'nen Zeit gedacht er:
Wie er focht, ein junger Krieger,
Über spröde Mädchenherzen
Triumphiert als kecker Sieger.
Wie die Welt auf allen Seiten
Ihn belogen, ihn betrogen,
Bis er endlich, Ruh zu finden,
In die Einsamkeit gezogen.
Ohne Wünsche, Selbstverleugnung
Hat geholfen ihm zum Frieden;
Gleich und gleich, — er zählt sie nicht mehr, —
Sind die Tag' ihm hingeschieden.
Während er in heil'ger Wehmut
Sann, schwebt aus dem Abendrote,
Ihn zu rufen in die Heimat,
Nieder der verklärte Bote.
"Kommst du endlich", sprach der Klausner,
"Weil ich deiner stets gedachte,
Wenn ich mich zur Ruhe legte,
Wenn des Morgens ich erwachte.
Sieh bereit mich, sterbensfreudig
Fühl' ich wachsen schon die Schwingen,
Aber eh' ich scheide, soll noch
Hier die Abendglocke klingen."
Langsam schritt er in das Kirchlein,
Zog an dem geweihten Strange,
Ave Maria! — er entglitt ihm
Aus der Hand beim letzten Klange.
Ave Maria! — mit der Glocke
Sangen Engelstimmen leise,
Ave Maria! — klang der Gruß noch,
Als er starb, ins Ohr dem Greise!
Weihnachtslied
(In alttirolischer Weise.)
Gott Vater ist ein alter Herr,
Er hat die Kinder gerne,
Und aus der Nähe ruft er sie
Und ruft sie aus der Ferne.
Er sendet seinen Engel Tod
Fort zu Palast und Hütte,
Der nimmt mit stillem Lächeln sie
Aus ihrer Eltern Mitte.
Den neuen Kameraden grüßt
Die ganze Schar versammelt,
Es wird zuerst ein Rosenkranz
Gebetet und gestammelt.
Kommt dann das hehre Weihnachtsfest,
Steht vor dem kleinen Volke,
Juchhe! ein hoher Tannenbaum
Auf einer Silberwolke.
Die gold'nen Sterne blinken hell
Aus seinen dunklen Zweigen,
Und schlägt es Mitternacht, so wird
Das Christkind niedersteigen.
Da tönt ein lautes Gloria,
Ei wie sie hüpfen, springen,
Denn Jedem wird es, was es wünscht,
Als Festesgabe bringen.
Die Puppe der, die Trommel dem,
Ein Bataillon Soldaten,
Und einen Weihnachtszelten, ja!
Für alle — gut gebraten.
"Mir, mir!" — Die süßen Schnitten teilt
Mit Mandeln und Rosinen
Und spendet freundlich Stück für Stück
Die Mutter Rahel ihnen.
Dran nagen sie, dran knuspern sie
Eichhörnchen gleich im Tanne,
Dann führt Frau Martha sie zum Bad
In einer Silberwanne.
Sind sie mit einem Satz heraus,
Daß ihre Haare triefen,
Gekämmt, getrocknet müssen sie
In ihre Kleider schliefen.
Und prangen sie im Festgewand,
So nahen sie den Stufen
Des Thrones, wo Maria sitzt,
Von Gabriel gerufen.
Da solltet ihr die Freude seh'n! —
Sie tragen Blumenkränze
Und weiße Hemden auf dem Leib
Und schlingen Reigentänze.
Und eia, Ringelreia hört
Ihr sie noch lange singen,
Dann fangen sie die Engel ein,
Um sie ins Bett zu bringen.
Gott Vater, der schaut lächelnd zu,
Läßt sie in Schlummer wiegen
Und segnet, daß die Schlafenden
Im leichten Traume liegen.
◊◊◊
Du möchtest wohl ein Kindlein sein? —
Ich auch! — Doch will ich hoffen,
Daß meiner toten Enkel Hand
Mir läßt den Himmel offen.
Aschermittwoch
I.
Bal
paré!
— Die Töne rauschen
Jubelnd, lockend durch den Saal,
Und die jungen Paare fliegen
Bei der Lichter hellem Strahl.
Uniformen, Schwalbenschwänze,
Ordensbänder bunt und breit,
Seidenroben, Goldgaraffen
Von Juwelen überschneit.
Wie sie tanzen, ist das Tempo
Ihrem Wunsch zu langsam fast,
Wie sie schweben, wie sie tanzen! . . .
Niemand gönnt sich eine Rast.
Eine Pause! — Sie veratmen
In den Augen Liebesglut,
Ungezähmt rollt durch die Adern
Fiebernd toll das wilde Blut,
Süßen Köder beut die Sünde,
Jede wünscht und jeder sucht:
Glücklich sein! — und wär' es kurz auch
In der raschen Stunden Flucht.
Netze flicht die schlaue Bosheit,
Hält bereit den Schlangenzahn,
Nur das Gold ist eine Wahrheit
Und die Unschuld ist ein Wahn.
Lacht der Witz, höhnt die Satyre, —
Treff es, wem es treffen mag,
Unter Blumen, scharf geschliffen
Zeigt den Dolch dir oft der Tag.
Alles Lüge! — Doch sie rufen,
Neu beginnt schon Takt um Takt,
Hoch vom Chore stürzt der Walzer
Brausend wie ein Katarakt.
Wie sie rasen, . . . plötzlich weht es
Kalt im tropisch heißen Raum,
Schauer faßt sie, sie vermögen
Sich vom Platz zu drehen kaum.
Vor dem Pulte dirigiert ein
Andrer jetzt, so stumm und bleich,
Und sie müssen wieder vorwärts,
Wenn er zieht den ersten Streich.
Wer hat zu der süßen Geige
Die Posaunen eingeführt,
Daß beim lang gedehnten Stoß die
Angst das Herz zusammenschnürt?
Von der Brust des Tänzers gleitet
Seine Tänzerin, sie fällt,
Vorwärts stürmt er, streckt die Hände,
Wenn er sie auch nicht mehr hält.
Dann ein Aufschrei! — Über Flöten,
Klarinetten gellt es laut,
Aus den weichen runden Armen
Stürzt ein Jüngling vor die Braut.
Immer rascher schlägt der Taktstock,
Immer kühler weht der Zug,
Tanzen muß, wer nie im Leben
Eine Pirouette schlug.
Ja sie müssen alle walzen:
Hier der lahme General,
Der Professor, dort der Hofrat
Mit dem Schädel glatt und kahl.
Aus der Küche ruft die Köchin
Dem Prälaten: "Bist du da?"
Schmunzelnd winkt er und sie trippeln
In den Reigen — hopsasa!
Die Pastorin walzt den Pastor,
Daß die schwarze Toga fliegt
Und der Kirchenvater Luther
Droben sich vor Lachen biegt.
Einen Jesuiten packt sich
Der Freimaurer wohlgemut,
Wirbeln sie auch nicht, so stoßen
Mit den Köpfen sie aufs Blut.
Kavaliere alten Stammbaums
Treten nacheinander an,
Des Ballettes Damen wiegen
Sie wie Böcklein im Cancan.
Auch der Bettler von der Straße, —
Heut will er beim Feste sein,
Kaum verhüllt von Lumpen lädt er
Sich juchhe! den Rotschild ein.
Schmutzig noch vom Werktag beut schon
Ihr der Arbeiter den Gruß,
Trampelt seines Fabrikanten
Töchterlein — ach! — auf den Fuß.
Immer schneller schlägt der Taktstock,
Immer kühler wird's wie Eis,
Fällt das eine, jagt das andre
Fort, als wär der Boden heiß.
"Willst du fern vom Tanze bleiben
Großer Fürst? — Dich trifft mein Hauch,
Wie ein Schilfrohr birst dein Szepter
Und die Herrlichkeit ist Rauch. —
Und du steife Pappelrose! —
Die so stolz nach unten schaut,
Welk bist du im Diadem schon
Ehe noch der Morgen graut!" —
Mit der Jakobinermütze
Grüßt der Tod, der Demokrat,
Für die Gleichheit selbst vor Thronen
Weiß er stets den besten Rat.
Immer toller schlägt der Taktstock,
Bis ihm folgt kein Musikant,
An des Saales Wänden sind schon
Alle Lichter ausgebrannt.
Balles Königin — die letzte!
Wirst du blaß und warst so rot?
Einsam steht er mit dem Taktstock, —
König ist nur noch der Tod.
Auf dem Friedhof ist es ruhig,
Still liegt er im Mondesglanz,
Auf dem Friedhof ist es ruhig
Und so schließt der Totentanz.
II.
Eine Kammer still und einsam,
Jedes eitlen Schmuckes bar,
In den Nächten sinnt ein Weiser
Dort schon fast einhundert Jahr.
Auf der Stirn die braune Locke —
Wie sie bleichte, merkt' er nicht,
Seinen stolzen Nacken krümmte
Längst des Alters Bleigewicht.
Streng versenkt in seine Bücher
Hört er nicht den Jubelklang,
Der durch die beschneiten Gassen
Vom Palast herüberdrang.
In den Bart, der lang und wellig
Niederfließt auf sein Gewand
Greift er langsam; Korn um Korn rinnt
Durch das Stundenglas der Sand.
Aufgeweckt vom Lärme schaut er
Durch der Silberblumen Glast
Und des Bartes Flocken gleiten
Aus der Hand, die sie gefaßt.
Aus dem offnen Fenster blickt er
Zu der Sterne stillem Gang,
Nicht erschließt sich ihm das Rätsel,
Dem er nachgeforscht so lang.
Seine Feder zeichnet rastlos
All' die Formeln wirr und kraus:
Sinus, Cosinus, Tangente,
Mißt die Welt des Stoffes aus.
Doch die schärfste Analyse, —
Ob er rechne früh und spat,
Gibt ihm stets anstatt der Einheit
Eine Null als Resultat.
Endlich und Unendlich lassen
Keine Parallele zieh'n,
Schweigend muß er sich ergeben,
Um nicht in das Nichts zu flieh'n.
Stille wird's in seiner Seele,
Selbst das Kleinste wird ihm groß,
Weil aus ungeahnter Tiefe
Es vor ihm ins Leben floß.
Hob er nicht den dunklen Schleier,
Hat er doch berührt den Saum,
Und so fühlt er still bescheiden
Sich im still bescheidnen Raum.
Heut war auch sein Tag gekommen, —
Horch! der Sphären Harmonie
Sang ins offne Ohr ihm plötzlich,
Wie er sie vernommen nie.
Selig Schauen, Offenbarung! —
Engelstimmen rein und klar
Künden jetzt, wonach er seufzte,
Schwer gerungen manches Jahr.
Von des Denkers Stirne schwingt sich
Licht und hell ein Flämmchen auf;
Offenbarung! keiner schaut sie
Eh vollbracht des Lebens Lauf.
Tiefer Frieden auf dem Friedhof,
Ihm auch gräbt man dort ein Grab,
Bei der nächsten Abendröte
Senkt man trauernd ihn hinab.
Ahasver
Hoch und höher stieg vom Süden
Eine purpurbraune Wand
Wie ein Vorhang, zu verhüllen
Scheitelrecht der Sonne Brand.
Und ein Löwe springt vorüber,
Heute denkt er nicht an Raub,
Unter seinen Tatzen kräuselt
Sich empor der gelbe Staub.
Dort der Trupp von Beduinen —
Wie er seine Rosse hetzt!
Vor dem Tode will den Vorsprung
Er sich noch gewinnen jetzt.
Hinter ihm her rollt die Wolke,
Schwillt zum dunkeln Himmel auf,
Wie die Reiter vorwärts tummeln
Überholt sie ihren Lauf.
Eingehüllt im Leichentuch schon
Ist die ganze Schar, es sinkt
Hin der letzte, wo am Boden
Ein Geripp beim andern blinkt.
Und darüber braust im Fluge,
Rauscht und saust der blasse Tod,
Auf dem kahlen Schädel lodert
Glühend es wie Abendrot.
Einer nur lacht ihm entgegen,
Spielend wie der Distel Flaum
Trägt der Samum auf- und abwärts
Ihn; — er scheint's zu merken kaum.
"Fetter bist du nicht geworden
Trotz dem Millionenschmaus,
Den in Rom dir angerichtet
Blutig der Cäsaren Haus.
Fetter bist du nicht geworden
Durch die Revolution,
Fetter hat dich nicht gefüttert
Er! —- Dein Freund Napoleon!" —
"Du auch bist noch immer zaundürr,
Rief der Tod zurück den Gruß,
Deine magern Knochen schlottern
Wie bei einem Siebenfuß!" —
"Immerhin! — Mich treibt der Wirbel
Noch des alten Fluches fort,
Vorwärts jagt er mich, wenn auch schon
Im Gebein das Mark verdorrt.
Weißt du's noch, wie du mich höhntest —
Ein Jahrtausend mag es sein, —
Als ich hob die Arme stehend:
Tod vollende meine Pein!
Bei der Pest war's! — Meiner spott' ich
Selber jetzt; — was ist, das ist!
Gib jedoch mir heut die Antwort:
Wie sich meine Qual bemißt?
Aus der Ewigkeit ja kommst du,
Schreitest in die Ewigkeit
Ich, der Sohn des Tages frag' dich
Um den Tag, der mich befreit." —
Ruhig sprach der Tod: "Erzähle,
Wie der schwere Bann dich traf,
Daß du irrst durch Meere, Länder
Ohne Nahrung, ohne Schlaf!" —
"Wie, du weißt nicht", rief der Wandrer,
"Was mich jagt von Ort zu Ort?" —
"Du mußt selber es bekennen,
Dann wird dich befrei'n dein Wort."—
"Kommst auch du mir mit den Rätseln,
Wie von Nazareth der Mann?" —
"Er nur", sprach der Tod mit Beben,
"Brach zu Ostern meinen Bann." —
"Ja, der war's! — In meiner Kammer
Wog ich prüfend den Denar
Und Tiberius des Kaisers
Bild strahlt auf dem Golde klar.
Das war eine helle Freude,
Einzig meine Freude nur!
In der Schachte tiefstem Abgrund
Such' ich nach der Erze Spur.
Und mit leisem Finger rühr' ich
Gold und Silberblättchen an,
Wenn sie vom Gesteine sprossen
Mit dem scharf gezackten Zahn.
Torheit war es, Torheit ist es, —
Doch genug! — Die Tuba dröhnt
Plötzlich auf der Gasse draußen
Und ein wildes Schreien höhnt:
"Dieser Bettler unser König?
Ein Prophet wär dieser da?
Speit ihn an, — legt ihm das Kreuz auf, —
Fort mit ihm nach Golgatha!" — —
Vor die Schwelle trat ich forschend
Und der Nachbar gab Bescheid:
"Siehst du ihn, den Nazarener,
Wie er prangt im Purpurkleid?
Auf dem Berg hat er gepredigt:
Alle Menschen seien gleich,
Wer nicht mit den Armen teile,
Komme nicht ins Himmelreich." —
"Mit den Armen teilen?" — rief ich,
Was, wer denn? — und sah zurück,
Überzählte meine Münzen
Auf dem Tisch mit raschem Blick.
Mit den Armen teilen! — Wer baut
Mir das Feld? — Wohl mir der Knecht!
Und die Zinsen zahlt der Schuldner
Von den Zinsen, so ist's recht.
So ist's recht! — Vom Kümmel geb' ich
Selbst den Zehnt an seinem Tag,
Dieser Welt Gesetz und Ordnung
Ändr' er sie, wenn er's vermag!" —
"Dann hat er zum Schluß verkündigt:
Daß nur der den Bruder liebt,
Wer für ihn in echter Treue
Hin sogar das Leben gibt." —
Was das Geld? — Nun gar das Leben! —
Auf der Schwelle stand ich schon,
Priester und Leviten trieben,
Den sie nannten Gottessohn.
Todesmüd sank auf das Knie er,
Stützte sich mit schwacher Hand,
Daß voll Mitleid selbst der Römer,
Der ihn führte, stille stand.
Fort zum Kreuz! — ich schrie's und gab ihm
Mit dem Fuß noch einen Stoß,
Er sank hin, doch langsam hob er
Seine Augen mild und groß.
Von der Krone floß in Tropfen
Auf die bleiche Stirn das Blut
Und den Blick trübt' eine Träne,
Der auf meinem Antlitz ruht.
"Dich entbiet' ich Ahasverus
Vor das letzte Weltgericht,
Ehe die Posaunen rufen,
Findest du den Frieden nicht!" —
Da fuhr's mir in alle Glieder
Daß ich in der wilden Hast
Selbst das Gold vergaß und barfuß
Ohne Ruh' entfloh und Rast.
Einmal nur hielt ich den Schritt an
Dort beim Jubelfest zu Rom,
Dort ja zeigte man sein Bildnis
Auf dem Tuch im hehren Dom.
Auf dem Tuch, mit dem getrocknet
Ihm den Schweiß Veronika,
Mit dem Tuch, auf dem ich staunend
Eingeprägt sein Antlitz sah.
Und ich floh. — Kannst du mir sagen
Ob der Nazarener höhnt,
Sagen mir, ob die Posaune
Bald in Josaphat ertönt! —
"Nicht nach Josaphat zu gehen
Brauchst du", — sprach der Tod, — "du hast
In der Brust ja die Posaune
Die dir bläst zur ewigen Rast.
Dir auch, dir ist es verkündet
Jenes Evangelium;
Glaube, liebe! — und für immer
Wird des Fluches Donner stumm!"
An die Stirne griff verzweifelnd
Ahasver, — der Tod entschwand; —
Ohne Nahrung, ohne Schlummer
Flieht er fort von Land zu Land.
Glauben mögt ihr diese Märe;
In Tirol auch sah man ihn,
Vor dem Sprengerkreuze mußt er
Wieder in die Weite fliehn.
Der Tod und der Kapuziner
I.
Wißt, ich bin ein Geisterseher
Wie bisweilen die Poeten;
So erblick ich manchmal Menschen,
Die schon lang zu Nichts verwehten.
Selbst den Tod seh ich oft wandeln
Unerbittlich, ernst und strenge
Durch die Einsamkeit der Täler
Durch der Städte laut Gedränge.
Müde bleibt er stehn vor mir auch,
Um ein wenig auszuschnaufen
Und er stützt sich auf die Sense,
Die gemäht in vollen Haufen.
Aug in Auge, mild und ruhig
Schauen wir und schweigen beide;
Früher tat ich viele Fragen,
Was ich sorglich jetzt vermeide.
"Von der Mutter warmen Busen
Hast du Kinder fortgerissen;
Einen Vater, der den Seinen
Treu verdient den kargen Bissen.
Narren, Schufte feist und mächtig
Blicken stolz herab vom Rosse,
Während Männer groß und edel
Keuchen tief gebeugt im Trosse.
Warum holst" . . . es fiel ins Wort mir
Ohne Zögern schon der Alte:
"Weil ich muß! — Seit Ewigkeiten
Nach den Weltgesetzen walte.
Sohn des Zweifels, Sohn des Irrtums
An die Scholle hier gebunden,
Bloß mit Brüchen kannst du rechnen,
Die sich nie zur Einheit runden.
Mich erkennst du als den Tod nur, —
Laß vor mir die Toren zittern,
In den Chor der Ewigkeiten
Tönt mein Lied aus Ungewittern!"
Zu der Harmonie der Sterne
Muß der schrillste Ton sich fügen,
Und von Gott gesandt als Engel
Wird der Tod den Tod besiegen.
Moderduft weht von den Grüften,
Dunkler färbt sich schon der Himmel,
Mit der Cholera verschwand er
Rasch im dichten Volksgewimmel.
Jammern, weinen, fluchen, beten
Hört ich plötzlich zum Entsetzen,
Hört ihn dann im kurzen Tempo
Wieder seine Sense wetzen.
Ohne noch zu fragen, sah ich
Totenbahr an Totenbahre;
Schon ergraut ich und erblickt
Nicht mehr durch die langen Jahre.
II.
Braune Wogen trieb der Innstrom
Brausend fort zum Unterlande,
Zwischen Weiden schritt ein Mann hin
An des Wildgewässers Strande.
Ich erkannt ihn; war's mein Freund nicht?
Armer, den ich treulich warnte,
Als im Frühling ein Kokettlein
Ihn zum Liebesbund umgarnte!
Treue schwur sie am Altar ihm
Um im Herbst davon zu laufen,
Sich zu retten vor der Pfändung
Mußt er selbst den Rock verkaufen.
Ja er war's! — ich wollte reden,
Doch er duckte schon zum Sprunge, —
Eine Knochenhand erfaßt ihn
Wie die Fliege hascht ein Junge.
"Warum riefst du mich und bebst nun?
Dummer Bursch! — ist's wert der Mühe,
Wegen eines Weibs zu schlürfen
Diese kalte schmutzige Brühe?
Geh und werde Kapuziner,
Denn die Welt hast du erfahren,
Lehre sie mit heitern Worten,
Mit dem Ernste sollst du sparen.
Lieber hol ich mir dein Weiblein, —
Siehst du dort es lachen, scherzen
Mit dem Buhlen frech im Arme
Bei den halberloschnen Kerzen?" —
Vom Gelock riß er den Kranz ihr, —
Dumpfer Frost lähmt schnell die Glieder, —
Und er packt sie, — Flammen züngeln —
Wirft sie in das Fegfeu'r nieder.
Er verschwand. — Der Kapuziner
Bracht es noch zu hohen Ehren,
Von der Kapuzinerpredigt
Wollte mancher sich bekehren.
Mancher, der mit Hohn und Spott nur
Jeden Missionär bezahlte,
Wenn er an die Wand leibhaftig
Teufel und die Hölle malte.
Ja der Pater Anastasi
Zieht dahin auf allen Straßen
Mit dem Bettelsack am Rücken,
Fröhlich, stets bereit zum Spaßen.
Kindern gibt er schöne Ringlein,
Amulette, Heiligenbilder,
Ihre Mütter sehen's freudig,
Werden mit den Gaben milder.
Vor die Schenke trägt die Wirtin
Ihm das Krügel gern entgegen,
Weil sein "Gott vergelt's!" — urkräftig
Vieh und Leuten bringt den Segen.
Auf dem Schießstand reichte spöttisch
Ihm ein Schütze seinen Stutzen,
Doch es brauchte keinen Fehlschuß
Ihm der Zieler aufzumutzen.
Als zwei rauften unversöhnlich,
Daß das Blut floß durch den Loden,
Warf den einen und den andern
Rechts und links er auf den Boden.
"Was ihr Lumpe? — Packt euch schleunig,
Sonst komm' ich noch mit dem Stricke!"
Vor dem frommen Friedensstifter
Flohen sie mit scheuem Blicke.
Wie das Mädchen aus der Fremde
Grüßen ihn die Liebespaare,
Denn geholfen hat er manchen
Zum ersehnten Traualtare.
Einem Senner, der den Beichtstuhl
Übermütig lang gemieden,
Wusch er tröstend das Gewissen,
Daß mit Gott er schloß den Frieden.
Man erzählt, er habe gar noch
Aus dem heißen Fegefeuer,
Losgebetet seine Liesel,
Die ihm einst so lieb und teuer.
Und so findet er sie später
Selig hoch im Himmel droben,
Wo mit Ursulas elftausend
Sie den lieben Herrgott loben.
Nun wer weiß, ob sie zu Brixen
Beide nicht kanonisieren,
Die Gebein' in goldner Fassung
Gar noch die Altäre zieren.
Ja der Pater Anastasi!
Freunde sind wir stets geblieben,
Und im Scherze sagt er Sprüchlein,
Wie kein Weiser sie geschrieben.
Wenn wir scheiden, wird er ernsthaft, —
Was er meint, kann ich verstehen
Und wir schütteln uns die Hand noch:
"Alter ja! — auf Wiedersehen?"
◊ ◊ ◊
Wenn ich einmal noch dem Tode
Je begegne, nicht erzählen
Werd ich dann es, denn wahrscheinlich
Wird er wohl mich selber wählen.
Sei's! nicht braucht er seine Sense,
Mag das Stundenglas er zeigen
Und ich werde stumm und willig
Mich dem hehren Winke neigen.
Stilles seliges Vergessen! —
Wer wird meiner noch gedenken?
Auf mein Grabkreuz soll der Frieden
Sich mit leisem Fittig senken.
Der Weltnarr spricht:
Im Himmel geht es lustig zu,
Er hängt ja voller Geigen,
Und was nicht eben hält auf Ruh,
Das dreht sich froh im Reigen
Der Tisch wird nie von Speisen leer
Und Paradieses Weinen,
Und keine Sünd' ist's Küssen mehr
Bedroht von Höllenpeinen.
Doch gut ist's auch im Land Tirol,
Drum will ich nicht von hinnen,
Nie kann ich dort im Himmel wohl
Den bessern Platz gewinnen.
Der rote Wein vom Kaltrer See
Scheint auch nicht zu verachten,
Tirolermädeln, — Freund Juchhe!
Mag sich Sankt Peter pachten.
Und eine Alm mit Edelweiß
Am Sonnjoch oder Schlerne,
Wenn diese nicht verdient den Preis!
Ich laß ihm seine Sterne.
Und Gemsen, einen Stutzen blank
Dort an den schroffen Wänden, —
So sag ich für den Himmel Dank,
Was kann er mir noch spenden?
Ja du mein liebes Land Tirol, —
Ich will mich noch besinnen;
Ich denk', ich bleib' herunten wohl,
Was könnt' ich dort gewinnen?
Eine Stimme von unten
Du Tor, schon wirst du kahl und grau,
Was machst du noch für Späße!
Du hast ja längst schon eine Frau,
Geh lieber in die Messe.
Am Ofen zwickt das Zipperlein
Dich in der harten Schlinge,
Laß auf dem Schlern die Gemse sein,
Denk' an die letzten Dinge.
Drum bete, daß dich nicht der Tod
Wie eine Maus ertappe,
Verstoße dann in große Not
Mit deiner Schellenkappe.
Dr. Gottlieb Putz
aus Meran antwortet:
"Du meinst, weil ich schon kahl und grau
Soll ich die Späße meiden?
Weil ich schon längst nahm eine Frau
Müßt ich die Mädchen meiden?
Weil mich schon zwickt das Zipperlein
Müßt' ich am Ofen sitzen,
In Todesangst und Höllenpein
Als armer Teufel schwitzen?
O nein, o nein! das tu ich nicht,
Ich will es anders machen,
Sonst wär' ich wohl ein dummer Wicht,
Wohl wert mich auszulachen.
Ich mach es wie Anakreon
In seinen alten Tagen:
Ich trink und sing der Gicht zum Hohn
Und werde niemals klagen." —
Der Tausch
Sag, wer hat dich herbestellt
Zu der grünen Linde?
Frohe Jugend duldet nicht
Solch ein schnöd Gesinde.
Wie, du regst zum Tanze schon
Deine magern Knochen,
Greifst nach einem Mädchen gar,
Nun — was hat's verbrochen?
Seine Bahn ist nicht vollbracht,
Tausend Küsse glühen
Auf den holden Lippen noch,
Tausend Funken sprühen.
Und des Busens Knospen sind
Nicht für dich gewachsen,
Schiel' deswegen nicht bei Seit',
Fort die dummen Faxen.
Gleich und gleich gesellt sich gern!
Laß dich heut erbitten, —
Hol dir aus dem Kloster dort
Jenen Jesuiten.
Dürr ist er und fast wie du
Mit den Klapperbeinen,
Nur Betschwestern werden noch
An der Bahre weinen.
Warum predigt er so scharf
Gegen Wein und Liebe?
Weil die Jugend ihn nicht mehr
Macht zum süßen Diebe!
Nun du lachst! einmal im Jahr
Darf der Tod auch spaßen,
Darum soll das Mädchen dir
Eine Rose lassen.
Eine Rose frisch und rot
Aus dem vollen Kranze.
Gleich und gleich! das Mönchlein sei
Dir vergönnt zum Tanze.
Hörst du schmettern schon den Tusch?
Tritt ihn an — den Reigen,
Heute sollen ihre Kunst
Meine Spielleut zeigen!
So! — Zum Schluß noch einen Knix
Zierlich, wohl gemessen,
Früher, später wirst du wohl
Unsrer nicht vergessen!
Der Narr
Wär's mir bestimmt und würd' ich dann
Ein zweites Mal geboren,
Die Schellenkappe stülpt' ich mir
Freiwillig auf die Ohren.
So fing' ich in den Windeln an,
Wo wir im Sarg erst enden:
Daß Menschenweisheit Torheit nur
Und nichts vermag zu wenden.
So wie der Tod die Sense schwingt
Und jeden ruft zum Reigen,
Würd ich mit meiner Pritsche keck
Der Welt beim Tanze geigen.
Der Tod, der Narr — sind's Brüder nicht,
Verschieden im Gewande?
Sie spotten eurer Herrlichkeit,
Die gleicht im Glas dem Sande.
Es rinnt von oben, unten bald
Wie wir das Kästlein drehen
Und wenn ihr fest auf ihn gebaut,
Dann wird er schnell verwehen.
Zu gutem Schlusse führt der Tod
Den Narren auch zum Reigen
Und weil ihr Narren allzusamm',
Mögt ihr einander geigen!
Der Greis
Ei! was willst du Knochenmann
Mit dem Stundenglase?
Warum schüttelst du den Sand
Frech mir vor der Nase?
Sieh, ein Schnippchen schlag ich dir,
Drolliges Gerippe,
Denn ein Blümchen bin ich nicht,
Drohst du mit der Hippe!
Welk wie du liegt hinter mir
Schon der Lenz des Lebens;
Wesenlos, ein Schatten nur,
Zappelst du vergebens.
Tritt ans Bett der Glücklichen
Spottend ihrer Klagen,
Was du rauben kannst, laß ich
Ruhig mit Entsagen.
Meine Asche, — willst du's so, —
Mag im Sturm zerstieben,
Was ich lebte, glühend heiß
Ist es mir geblieben.
Die alte Urschel
Seht ihr dort die alte Urschel
Mit der Haut von Pergament,
Runzlig wie ein Lederapfel,
Daß man sie von weitem kennt?
Rotgerändert sind die Augen,
Wie der Viper ist ihr Blick,
Weich' ihr aus, sonst schlägt sie zornig,
Dir die Krallen ins Genick.
Sieben Männer sind verdorben,
Sind gestorben nacheinand',
Denen sie des Priesters Segen
Einst vor dem Altar verband.
Gäb' es Hexen noch, sie wäre
Wohl davon die schlimmste leicht,
Wie sie an des Kirchhofs Mauer
Tückisch dort vorüberschleicht.
Aus dem Betstuhl flieh'n die Weiber,
Denen sie sich zugesellt,
Und sie flucht, daß von der Kirche
Wölbung laut es wiedergellt.
Als sie krank war, bot der Pfarrer
Tröstend ihr das heil'ge Brot,
Doch aus diesem flössen Tropfen
Auf die Decke blutig rot,
Daß ihm graute. Wo sie horstet,
Flieh'n die Kinder scheu den Ort,
Mit dem Kreuz bezeichnet jeder
Der ihr naht, die Stirn sofort.
Und sie gibt euch einen Segen
Auf den Weg, daß ihr's gedenkt
Und in ihre Nähe schwerlich
Noch einmal die Schritte lenkt.
Gilt es Ehen zu entzweien,
Gilt's Empörung oder Haß,
Siehst du sie ins Feuer blasen,
Schüren ohne Unterlaß.
Selbst die Lilie wird schmutzig,
Wenn ihr Finger sie berührt,
Und zur Geilheit wird die Keuschheit,
Wenn sie Urschels Tränklein spürt.
All' die Basen, die Gevattern
Wüßten noch des Schlimmsten mehr: —
Daß sie gar nicht sterben könne,
Schwören sie bei ihrer Ehr'.
◊ ◊ ◊
Wie es kam? — Sie war schon neunzig,
Plötzlich trat der Tod herein,
Ihrer hat er nicht vergessen
Für die tiefste Höllenpein.
Sie erhob den Besen grimmig,
Er ließ sich es wehren nicht, —
Sieh da schiebt sich aus dem Boden
Bockgehörnt ein Angesicht.
Ja der Teufel war's leibhaftig,
In den Arm fiel er dem Tod:
"Freund, laß ab, nicht schick' mir diese,
Denn es brächte Schmach und Not.
In der ganzen Hölle drunten
Träfst du ihresgleichen kaum,
Für uns beide wäre schwerlich, —
Sei sie noch so groß, — dort Raum.
Aus der Hölle müßt' ich wandern
Selbst mit dem Großmütterlein
Zu der Stunde, wo die Urschel
Zög' in uns're Hallen ein.
Tu' mir den Gefallen, Alter!
Laß mir meine Dienerin,
Denn sie schafft hier meine Werke,
Denn sie wirkt nach meinem Sinn."
Lachend unterbrach der Tod ihn:
"Ja, was soll mit ihr gescheh'n,
Wenn gehorsam der Posaune
Wir zum Weltgerichte gehn?" —
""An dem letzten Tag gewährt noch
Gott die letzte Bitte mir:
Mög' er auf der öden Erde
Ewig sie belassen hier.
Mag umsonst dann Streit sie suchen
In der wüsten Einsamkeit,
Zanken ewig mit sich selber
Durch die lange Ewigkeit.
Bei mir drunten fänd' sie schwerlich
Eine Strafe, dieser gleich,
Und so bleibt für alle Zeiten
Unbestritten mir mein Reich!""
◊ ◊ ◊
Kennt ihr sie die alte Urschel? —
"Ja man trifft sie da und dort!"
Ohne umzuschau'n, entfliehe,
Wer sie nur geseh'n, sofort.
Das Bild von Sais
(Nirvana.)
Durch den Wüstensand der Thebais
Schleicht heran ein müder Greis,
An der Schwelle bleibt er stehen
Vor dem Götterbild von Sais.
Ihm erzählt der Priester warnend,
Wie den Schlei'r ein Jüngling hob,
Sich um seine Stirne plötzlich
Düstre Nacht des Wahnsinns wob.
"Siehst du", rief der Greis, "den Schleier
Lüftet ich mit kecker Hand,
In der Einsamkeit der Wüste
Löste sich des Zaubers Band.
Einseh'n lernt' ich: der Morgana
Gleicht das Erdenleben nur,
Früher, später flieht von beiden
Wie ein Traum die letzte Spur.
Noch einmal den Platz des eitlen
Jugendwahnes wollt ich sehn, —
Kennst du mich, du frommer Priester?
Darum siehst du mich hier stehn.
Weißt du, was der Schlei'r geborgen,
Den ihr nicht zu heben traut?
Ruhig lächelt er; — du fragst nicht?"
"Nun?" — "Das Nichts, vor dem euch graut.
Unsers Lebens Anfang, Ende —
Isis zeigt's mit einem Mal,
Mag dein Aug' entsetzt sich schließen, —
Mir winkt's wie ein Abendstrahl.
Wie ein weicher, dunkler Mantel
Legt es sich um meine Brust
Und in seinen weiten Falten
Stirbt zugleich der Schmerz, die Lust."
Aus dem Nil schlürft einen Becher
Noch zum letzten Mal der Greis,
Seine Worte sind Geheimnis
Ewig wie das Bild von Sais.
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