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Vorwinter 1
188-1883
 

Die Aeolsharfe
Erz
Prosit
Maiwein
Der Mohn
Der Araber
Warnung
Antwort
Et cetera
Mittelalter
Die Zigeunerin
Zeitlose
Mutig
Der Storch
Das Gebet
Der hl. Johannes zu . .
Florian
Die Spinnerin
Der Jäger
Widerspruch
Entschuldigung
Frühling
Die Alpenmeise
Deutsch und Welsch
Prozession
Schwarzes Haar
Bauernmädchen
Aprikose
Farben
Metrik
Ausforderung
Si

Die Aeolsharfe

In der Scheune liegt der Weizen,
Tief im Keller gärt der Wein;
Mögt ihr euch den Winter laben
Bis zum nächsten Frühlingsschein.
Wenig ist für mich geblieben, —
Aber doch! — mein Sang ertönt
Wie von einer Aeolsharfe,
Die den lauten Sturm verhöhnt.
Nicht vermag er zu zerreißen
Bei dem tollsten Anprall sie,
Denn aus Stahl sind ihre Saiten,
Drum verstummt ihr Lied auch nie.

Erz

Heute schlug ich diese Stufe
Prüfend aus dem Felsengange,
Jene dort auf dem Gestelle
Harrt der Scheidung auch schon lange.
Morgen hol' ich eine and're,
Dann beschick' ich die Kapelle,
Daß mir gut gemischt und lauter
Fließen soll des Erzes Welle.

Prosit

Frische Triebe senden Ranken
Prüfend in die Luft
Und die erste Rebenblüte
Haucht schon ihren Duft.
Daß sie wohl geraten möge,
Füllt den Becher noch,
Mit dem alten bring' den jungen
Bachus ich ein Hoch!

Maiwein

"Kräuter holst du vom Gebirge,
Würzest den Pokal.
Nelken, Iris, Rosen spendet
Garten dir und Tal."
Nicht der Ameise zu folgen,
Wie die Bibel heißt,
Bin bereit ich, doch der Biene,
Die um Blüten kreist.

Der Mohn

Spielend wiegst du auf dem Schafte
Blüten hell und rot,
Aber in dem dunklen Safte
Lauert schon der Tod.
An des Jahres Sonnenwende
Mahnst du schlicht und frei:
Daß des schönsten Daseins Ende
Nah' dem Anfang sei.

Der Araber

Siehst du den Araber fliegen
Durch der Wüste Sand?
Nicht der Kompaß zeigt den Pfad ihm,
Nur der Sonne Stand.
Wie das Schiff, läßt keine Furche
Des Kameles Huf,
Doch des Abends grüßt die Palmen
Er mit frohem Ruf.

Warnung

Fangen dich nur schwarze Locken,
Sengen dich nur schwarze Augen?
Laß die schönen Judenschickseln,
Weil sie für Tirol nicht tagen.
Denn katholisch, marianisch
Zog Mama dich auf vor allen;
Flieh' vor dem beschnittnen Eros,
Denn er trägt des Teufels Krallen.

Antwort

Wie zu den Semitenfragen
Ich mich stelle, wollt ihr hören?
Auf die einen, auf die andern
Mag ich unbedingt nicht schwören.
Gründlich haß' ich jeden Christen,
Der ein Jud' in Wort und Handeln,
Und ich liebe jeden Juden,
Den ich seh' als Christen wandeln.

Et cetera

Freundchen, willst du reüssieren,
Mußt du nicht mehr Lieder spenden;
Unsere modernen Damen
Werden dir den Rücken wenden.
Seidenroben, Goldbrazletten, —
Aber sieh, daß alles echt ja! —
Dann erhältst du, was du wünschest, —
Küßchen und — et cetera.

Mittelalter

Waren nicht die Kavaliere
Narren einst im Mittelalter, —
Ausgenommen bei der Linde
Unser minniglicher Walther?
Nicht im Mondschein promenieren! —
Greife zu und zahle wacker,
Oder umgekehrt; — ist besser
Als ein Kreuzzug nach Jean d'Acre.

Die Zigeunerin

"Künden will ich dir dein Schicksal —
Bin aus dem Zigeunerland!" —
Und sie bohrt die schwarzen Augen
In die Fläche meiner Hand.
"Längst Erlebtes kann ich lesen,
Seine Züge wirr und kraus;
Doch der Blitz wird schneller zünden,
Schlägt er in ein altes Haus."

Zeitlose

Auf dem herbstlich fahlen Anger,
Unter nordisch kaltem Himmel,
Fand ich neben der Zeitlose
Blühen eine Frühlingsprimel.
Ob zu spät, zu früh die eine? —
Müßt ihr die Botanik fragen,
Hat doch mir im alten Herzen,
Liebeslenz noch ausgeschlagen!

Mutig

Wenn Sankt Aloysi Mädchen sah,
Da senkt' er schnell die Augen,
Drum mochte seine Tugend wohl
Zum Kampfe wenig taugen.
Weit kühner als der Heilige
Bin ich in diesem Falle,
Schickt tausend schöne Mädchen her, —
Ich mustere sie alle.

Der Storch

Gravitätisch einen Storch
Sah ich dort marschieren,
Mädchen blickten halb verschämt,
Möchten gern sich zieren.

Holde Kinder hütet euch,
Ihm ist nicht zu trauen;
Eh' ihr es versehen noch
Werdet ihr zu Frauen.

Das Gebet

Wenn das Beten helfen tät,
Wär kein Mädel ledig,
Ach! wie brünstig flehen sie:
"Herrgott sei uns gnädig!
Schenk uns einen reichen Mann —
Einen schönen, — jungen!
Und die lieben Kinderlein
Kommen selbst gesprungen!"

Der hl. Johannes
zu Obermiemingen

Was stehst du an die hundert Jahr,
Du trauriger Geselle,
Und hütest von der Brücke Rand
Des wilden Lahnbachs Welle?

Warum trinkst du nicht Kaltrer Wein?
Du sollst dich endlich rühren
Und eine schöne Kellnerin
Mit dir zum Tanze führen.

Florian

Florian, du edler Ritter
In der schmucken Dorfkapelle,
Horchst du gnädig den Gebeten,
Wenn noch glänzt des Tages Helle.
Doch wie magst du dich langweilen,
Hörst du Nachts die Buben springen,
Welche jodelnd vor dem Fenster
Ihren Dirndeln Ständchen bringen!

Die Spinnerin

Spinne deinen Faden,
Spinn' ihn gleich und fest:
Für des Kaufmanns Laden,
Für das Hochzeitsfest.
Ob du frohndest, minnest, —
Ist kein Zufall bloß,
Wie die Parze spinnest
Du dein Lebenslos.

Der Jäger

Schießt der Jäger eine Kugel
In die dunkle Nacht,
Und sie trifft wen, so verfällt er
Des Gesetzes Acht.
Du verlachst die Paragraphe
Samt des Codex Kraft,
Wenn dein Aug' nach allen Seiten
Bitt'res Unheil schafft.

Widerspruch

Täglich seh' ich dich vor Augen,
Süße, liebliche Gestalt,
Dich an meine Brust zu ziehen
Hindert der Verstand mich kalt.
Senkte sich von meiner Stirne
Doch der Schnee herab ins Blut,
Oder stieg', um ihn zu schmelzen,
Wild empor des Busens Glut.

Entschuldigung

"Äugelst du nach schönen Mädchen,
Falten im Gesicht?
Lieber Alter, laß dir sagen:
Dieses schickt sich nicht."
Ihr seid schon mit dreißig Jahren,
Schläfrig, matt und kalt,
"Dichterherzen und die Engel"
Werden niemals alt.

Frühling
Zarte, rote Mandelblüten
Und das Blatt der Trauerweide
Grüßen dich zuerst im Frühling,
Wie die Freude mit dem Leide.
Bald schlägt auch im Haselbusche,
Auf das Aug' die Anemone
Und die blasse Primel neigt schon
Schüchtern zu der Etsch die Krone.

Die Alpenmeise

Nicht dem Lied der Nachtigallen, —
Nur mit dem der Alpenmeise
Will ich meinen Sang vergleichen
Und die kurze Strophenweise.
In des Südens Lorbeerhainen
Hörst du ihren Schlag erschallen,
Möge dir im rauhen Norden
Dieses rauhe Lied gefallen.

Deutsch und Welsch

Uns're finst'ren Tannenbäume
Können sich mit den Zypressen
An des Mittelmeers Gestaden
Kühn an stolzer Hoheit messen.
Flötet eure Sprache weicher
In geschmolzenen Akkorden,
Tränkt die uns're urgewaltig
Noch der Götter Born im Norden.

Prozession

Weiß gekleidet, mit der Kerze
Prangend hold im Myrthenkranze,
Schreitet sie gesenkten Auges
Sittsam hinter der Monstranze.
Sind es Engel, Amoretten
In den Silberwölkchen droben?
Fragen möcht' ich, ob sie Christum,
Ob das schöne Mädchen loben.

Schwarzes Haar

Nicht den Aglai mußt du wählen,
Nicht den Türkenbund,
Denn zu dunkel ist die Farbe,
Hebt sich nicht vom Grund.
Pflücke dir die weiße Rose
Für der Locken Pracht,
Und sie wird noch heller schimmern
Als ein Stern bei Nacht.

Bauernmädchen

Wärst du mir ein Bauernmädchen, —
Das ist auch ein alter Adel! —
Hüllten keine Schleppgewande
Deine Füßchen ohne Tadel.
Und du stiegst mit mir verwegen
Auf in einer braunen Juppe
Um das Edelweiß zu holen
Auf des Schlernes höchste Kuppe!

Aprikose

Von dem sonnigen Spaliere
Reichst du mir die Aprikose,
Droben im Geschröf der Mendel
Holt' ich dir die Alpenrose.
Und so laß uns fröhlich tauschen:
Für das Süße nimm das Schöne,
So wie deiner Anmut huldigt
Immer meines Lied's Kamöne.

Farben

Wie sich schön die Farben finden:
Violett und weiß!
Binde zu dem duft'gen Speike
Hier das Edelweiß.
Aber zu der Höh' die Tiefe
Fügt dein feiner Sinn,
Darum holst du aus der Laube
Goldenen Jasmin.

Metrik

Distichen, wie Wellen wogen,
Rhythmen wechselreich verschlungen:
Platens überstrenge Reinheit
Hab' ich vordem auch erzwungen.
Jugend macht gern Toilette
Und bestellt sich enge Schuhe,
Nicht entsagt der Kunst das Alter,
Läßt's den Minckwitz in der Truhe.

Ausforderung

Spottet nur, ihr süßen Jungen,
Daß ich nicht im Fracke walze,
Nicht wie ihr vor ihrem Fenster
Töricht jeden Abend balze.
Wagt's und steigt hinauf die Schrofen
Zu dem stolzen Edelweiße,
Wagt es, und versucht ein Verschen
Je zu ihrer Schönheit Preise.

Si

Süß wie von Petrarca's Lippe
Klingt dein
Si! mich zu betören,
Im Geplapper der Gesellschaft
Muß das
Oui! ich von dir hören.
"Das Französisch taugt vor allem,
Einen Wall aus Eis zu bauen,
Daß der Späher falsche Blicke
Nicht in unsre Herzen schauen."