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Vorwinter 2
 

Soirée
Ararat
Alabaster
Rätsel
Pfifferlinge
Angeschneit
Der Alpensee
Erlaubnis
Meridian
Der Dorn
Mänade
Zweierlei
Antwort
Lohn
Predigt
Schwärmen
Armida
Filigran
Rokoko
Büsten
Lektüre
Symposion
Porträt
Phädrus
Kunst
Satyr
Herbst
Das neunte Gebot
Schutzengel
Der Bräutigam
Reime
 

Soirée

Warum die Gesellschaft suchen!
Sag' mir Mädchen, ist's verständig?
Diese Weiber, diese Buben!
Kannst du's nennen noch anständig? —
"Lerne von der Arche Noahs,
Wie sie wimmelt von Getieren;
So hat Gott die Welt erschaffen,
Möchtest sie wohl korrigieren?"

Ararat

Einer Taube schneller Flügel
Kann zum Orteles dich tragen,
Und mit meinen schweren Bergschuh'n
Will ich auch die Tour noch wagen. —
"Warum in die Ferne schweifen
Wo das Schöne nah zu finden?
Sieh den Schlern, wie seinen Scheitel
Alpenrosen schon umwinden!"

Alabaster

Diese Alabasterschale
Fülle mir mit rotem Wein,
Purpurn schimmert seine Woge
Bei dem Lichte durch den Stein.
Abgedroschen ist das Gleichnis
Mit den Rosenblättern bald:
Deine Wange gleicht der Schale, —
Wenn der Schleier niederwallt.

Rätsel

Dieses ist das große Rätsel,
Das schon lang der Lösung harrt:
Was für andere vergangen,
Ist dem Dichter Gegenwart.
Und er zaubert es lebendig
Hin vor Euch aus seinem Geist,
Daß Ihr keinem Krittler glaubt mehr,
Der das Gegenteil beweist.

Pfifferlinge

Laß' uns in dem Walde sammeln,
Da gibt's manche schöne Dinge:
Blaue Beeren, roten Heidrich,
Dottergelbe Pfifferlinge.
Diese Pilze schmecken besser,
Als die neuesten Poeten,
Deren Werke vorzulesen
Du mich leider schon gebeten.

Angeschneit

Hat das Wetter sich verzogen,
Hüllet weiß und rein
Neuer Schnee des Berges Scheitel,
In der Sonne Schein.
Wenn des Herzens Stürme schweigen,
Und der Sieg mir winkt,
Sind gebleicht wohl diese Haare,
Wie der Schnee dort blinkt.

Der Alpensee

Wie der Alpensee im Frühling
Sich vom Eis befreit, —
Seh' die Gegenwart ich heute,
Die Vergangenheit.
Meine Lieder flattern drüber
Ohne Zweck und Ziel,
Gleich den farbigen Libellen
Dort mit frohem Spiel.

Erlaubnis

Muß ich um Erlaubnis fragen?
Wollt Ihr gnädig es gestatten,
Daß ich zu den Sternen schaue,
Veilchen pflücke auf den Matten?
Fragt nur bei den Franziskanern
Nach Franzisci Liebestränen,
Und dann sollen sie erzählen
Euch von Christus, Magdalenen.

Meridian

Lebt' ich auch mit dir nicht alles,
Hab' ich's doch auf dich bezogen,
Wie der Schiffer, welcher rechnet
Nach des Meridianens Bogen.
Euch sind das nur Seifenblasen,
Was und wie sich's zugetragen,
Warum wollt ihr nach dem Datum
Dieser schlichten Lieder fragen?

Der Dorn

Mich zu necken, bargst du dich
Hinterm Rosenstocke,
Doch zur Rache schnell bereit,
Faßt' er deine Locke.
Nicht verargen kannst du's ihm,
Daß er dich gefangen,
Denn er sah am Zweig' noch nie
Solch' ein Röslein prangen.

Mänade

Auf dem Stock den Zirbelzapfen,
Um das Haar den Zweig der Rebe,
Hoch das Kelchglas in der Rechten —
Du Mänade oder Hebe!
Floh'n wir nicht vor den Barbaren
Hin zu Hellas Blütenstrande,
Warum bietest du des Hopfens
Laub mir spöttisch zur Girlande?

Zweierlei

"In der Jugend warst du düster,
Faseltest von Weltschmerz viel,
Jetzt singst du von Wein und Liebe
Gibt's für dich kein höh'res Ziel?" —
Fragt den alten Musikanten,
Der noch spät die Fiedel rührt,
Ob er auch die Lust zum Tanzen
In den alten Gliedern spürt? —

Antwort

Keinen Tropfen Wasser gabt ihr,
Wenn ich noch so heiß gerungen,
Eure Weiber keine Blume,
Wenn ich noch so schön gesungen.
Nur mit Steinen, üblen Reden
Mochtet ihr mich stets begleiten;
Darum braucht ihr nicht zu zetern,
Will ich einsam vorwärts schreiten.

Lohn

Lorbeerzweig und Eichenblatt
Gönn' ich euren Stirnen,
Mir reicht einen Zirbelast
Von den stolzen Firnen.
Reicht mir von dem Etschstrom dort
Eine Rebenranke,
Mehr verlang' ich nicht als Lohn
Mit bescheidnem Danke.

Predigt

Mit den dicken Folianten,
Schwarz gebunden, rot geschnitten,
Rennen sie in vollen Scharen
Zu den Vätern Jesuiten.
Auf die Kanzel tritt ein Pater,
Donnert von Gehennas Schrecken; —
Wie er just den Gänsen predigt,
Seh' ich vor mir Herrn Reinecken.

Schwärmen

Schwärmen als Tirolerfräulein
Solltest du von der Empfäncknuß
Und das Köpfchen traurig senken,
Hörst du von des Papst's Gefäncknuß.
Ist's katholisch, die Kokarde
Mir zu häkeln, einem Heiden?
Hörst du die Betschwestern tuscheln:
"Wer wohl schlechter von uns beiden?"

Armida

Du bist falscher als Armida —
Mit dem Heiligenschein,
Argwohn hat des Luchses Augen,
Bist du noch so fein.
Wie dem Paterl du kredenztest,
Mußt' ich zürnend seh'n:
Hat es nicht Schweinsäuglein und ein
Bäuchlein wie Silen?

Filigran

Nicht darf auf Erfolg ich hoffen
Mit dem Silberfiligrane,
Dessen Drähte fein und zierlich
Ich zu deinem Schmuck verzahne.
Nur der Hammer kann euch treffen,
Eure Dichter sind Zyklopen,
Die aus plumpen Eisenblöcken
Schmieden Gleichnisse und Tropen.

Rokoko

Renaissance ist's wahrlich kaum,
Was ich eben dichte,
Weil ich nach Homer mich nicht
Oder Horaz richte.
Nun so scheltet Rokoko
Nur die tollen Ranken,
Welche wild und regellos
Mir vom Hute schwanken.

Büsten

Goethe, Schiller, deutsche Dichter —
Waren sie nicht wüste Leute?
Keiner sang vom Herzen Jesu
Für den Jungfernbund von heute.
Nur sie schlingt ein Epheuzweiglein
Um den Kopf der Marmorbüsten —
Ist nicht lutherisch das Mädel? —
Wenn's die Franziskaner wüßten!

Lektüre

Greife lieber zu den Alten,
Warum alle neuen Moden?
Zwar nicht rat' ich zum Messias
Oder auch zu Platen's Oden.
Wähle Shakespeare, wähle Byron,
Wenn in England auch verbannte;
Sollte Dich im Winter frieren, —
Wag' die Höllenfahrt mit Dante.

Symposion

Warum willst du Plato lesen?
Dieser schrieb ja nicht für Frauen,
Aber seine schönsten Mythen
Will ich gern dir anvertrauen.
Daß die Liebe und die Tugend
Eins im hohen Sternenkreise,
Beim Symposion erklärt es
Ernst und sinnig dir der Weise.

Porträt

Würd' es sich um Kleider handeln,
Um die Masch' am Strumpf,
Rief' ich einen welschen Meister,
Denn der spielt hier Trumpf.
Aber deine Zügel spiegelt
Nur die Quelle rein,
Welche Moos und Alpenveilchen
Faßt im Rahmen ein.

Phädrus

Um die Götter anzuschauen
Tummeln Seelen ihre Wagen,
Jene, die zum Abgrund stürzen,
Stöhnen bang in schweren Klagen.
Wiehernd steh'n die Sonnenrosse,
In den Äther auf zu fliegen,
Tritt entschlossen mir zur Seite,
Daß im Kampf wir beide siegen.

Kunst

Deiner Jugend Traum erfüllte
Schönheit als ein holder Glaube,
Denn im warmen Süden reift nicht
Nur der Pfirsich und die Traube.
Hellas Götter sah'st du schweben
Rings im heiteren Gewimmel,
Und die Raffaele holten
Heilige herab vom Himmel.

Satyr

Was bewunderst du den Satyr
Mit dem weißen Marmorleibe,
Kehr' Dich zu Sebastianus,
Der den Pfeilen dient' als Scheibe.
In den alten Heidenbildern
Glüht es noch von heißem Leben,
Und Du solltest frommen Mädchen
Auch ein Ärgernis nicht geben.

Herbst

Heimwärts zieh'n die Herdeglocken
Von der Seiferalm,
Auf der wilden Talfer lagert
Grauen Nebels Qualm.
Doch in deinem Gärtlein blühen
Rosen für und für,
Und es mahnen an den Herbst nur
Georginen hier.

Das neunte Gebot

Nicht des Nächsten Frau begehr' ich,
Auch des Nächsten Mädchen nicht,
Aber sonnen will ich immer
Mich an junger Schönheit Licht.
Nur mein Lied soll sie begleiten,
Wenn sie wandelt hold und klar,
Junger Freund, du sollst sie führen
Stolz mit dir zum Traualtar.

Schutzengel

Kinder ahnen nicht den Abgrund,
Der vor ihren Füßen klafft,
Darum wacht, um sie zu schützen,
Eines Engels hohe Kraft.
Liebe führt oft in die Hölle
Denn verschleiert ist die Bahn,
Mög' ein Engel dich behüten
Steckst du dir den Trauring an.

Der Bräutigam

Aber wem soll ich dich gönnen? —
Doch wohl nicht dem nächsten Besten,
Den sie fashionable preisen
Mit Glacé und feinen Westen!
Nur der Jüngling, welcher mutig
Wagt für deutsches Recht zu ringen,
Darf dir einst zum Hochzeitskranze
Den erkämpften Lorbeer bringen.

Reime

Herz und Schmerz für euch zu reimen
Fühl' ich lang' schon keine Lust,
Auch die Sonne und die Wonne
Laß' ich ruhig eurer Brust.
Eure Mädchen sind langweilig
Wie gemeiner Sauerkohl,
Darum paßt auch euer Lied nicht
Für die Rose von Tirol.