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Vorwinter 3
 

Äquinoktium
Der Salamander
Eitle Klage
Doppelsterne
Stock im Eisen
Lilie
Litanei
Vorzeichen
Feigheit
Einladung
Konzert
Erdbeeren
Am Ursprung
Am Achensee
Der Specht
Lido
Korb
Der Mineralog
Nüßchen
Saphire
Tarock
Bund
Odyß
Ceres
Dante
Die Glocke
Prognose
Wetterläuten
Das Totenhemd
Trauerkunde
Betrübt
Sternbild

Äquinoktium

Wenn im Lenz die Stürme rasen,
Werden länger auch die Tage,
In des holden Frühlings Anfang
Tönt der Nachtigallen Klage.
Wenn die Tage kürzer werden,
Rasen auch die Stürme wieder,
Nur entführen mit den Blumen
Sie uns auch der Vögel Lieder.

Der Salamander

Daß ich wie der Salamander
Mich aus jeder Flamme rette
Und mit festem, sichern Schritte,
Die mir droht, entflieh' der Kette, —
Wißt Ihr, wem ich es verdanke:
Weil ich nichts für mich verlange
Und, wenn ich besitzen möchte,
Widersteh' dem heißen Drange.

Eitle Klage

Wenn im wüsten Kampf ums Dasein,
Uns verzehrt die Zeit,
Laß die Aschermittwochklage
Von Vergänglichkeit.
So wie der Daduch die Fackel
Einem andern beut,
Ist die Schönheit, die vom Stamme
Sich zum Stamm erneut.

Doppelsterne

Droben hoch am Himmel schwingt sich
Flammend um die Sonne;
Warum soll ich mich verkriechen
Mürrisch in des Griechen Tonne?
Bleiben sie auch streng geschieden
Durch der Zeit, des Raumes Ferne,
Wandeln sie doch ihre Bahnen
Selig hin als Doppelsterne.

Stock im Eisen

"Wer mag in den Stock im Eisen
Einen neuen Nagel treiben?
Wer mag nach viel tausend Liedern
Noch ein neues Liedchen schreiben?" —
Nun ihr würdet euch nicht wundern, —
Wenn ihr einmal sie gesehen,
Daß wie junge Blütenblätter
Lieder auf sie niederwehen.

Lilie

Mit der Rose, mit dem Veilchen
Magst du deinen Busen schmücken,
Hehr und einsam ragt die Lilie,
Darum soll sie niemand pflücken.
Zu den Sternen steigen abends
Aus dem weißen Kelch die Düfte;
Deutschen Volkes frommer Glaube,
Pflanzt sie auf der Jungfrau'n Grüfte.

Litanei

Lieblichstes Tirolermädchen,
Soll ich dir noch Lieder weihen,
Muß ich wohl zum Muster wählen
Lauretan'sche Litaneien.
Dich dem gold'nen Haus vergleichen
Und dem Turm von Elfenbein,
Doch du klopfst mir auf den Finger
Und ich steck' den Bleistift ein.

Vorzeichen

Wenn der Stern der Liebe funkelt
In der lauen Sommernacht; —
Plötzlich flammt ein Wetterleuchten
Und der wilde Sturm erwacht.
Dichten wir nicht Leitartikel,
Singen wir von Lieb' und Wein;
Bis uns ruft der Zukunft Zeichen
Und des nahen Wetters Schein.

Feigheit

Nicht verlangst du eifersüchtig,
Daß mein Lied ganz, ganz dir gehöre,
Deines Beifalls bin ich sicher,
Wenn zu meinem Volk ich schwöre.
Männer sah ich feig erblassen,
Wo es galt dem deutschen Rechte,
Du bekanntest deine Farben,
Blitztest Hohn auf diese Knechte.

Einladung

Sengt Orions Glanz den Süden,
Laß zum Achensee dich laden,
Führen will im kleinen Kahn ich
Hin dich an den Felsgestaden.
Mag im Wind er lustig schaukeln,
Wenn du pflückest Alpenrosen,
Die Siesta kannst du halten
Bei des Wasserfalles Tosen.

Konzert

Ob auch keine Schwäne segeln
Auf der blauen Flut,
Grüßt von Finken und von Amseln
Dich die junge Brut.
Mächtiger als deines Domes
Orgel jemals schallt,
Rollt der Donner, der vom Sonnjoch
Hin zum Seekar hallt.

Erdbeeren

Sind wir denn so arm im Norden,
Haben wir gar nichts zu bieten?
Mit des Südens schönsten Blumen
Wagen's uns're Alpenblüten.
Neben Pfirsichen und Trauben,
Deiner Villa Stolz und Ehre,
Möcht' ich fast noch höher preisen
Das Arom' der Wald-Erdbeere.

Am Ursprung
Pertisau

Aus der Wolke vollem Busen
Strömt' ich auf die Erde nieder,
Wie sie trocken lag und glühend,
Bracht' ich ihr Erquickung wieder.
Aus der Erde tiefsten Tiefen
Spring' empor ich jetzt als Quelle.
Bist du durstig, magst du schöpfen
Dir zum Trunk die laut're Welle.

Am Achensee

Am Gestade blüht der Heidrich
In der Julisonne Gluten;
Es gedeiht das far niente
Auch auf dieses Sees Fluten.
Statt des Rufs der Gondoliere
Hallt des Geiers Schrei vom Schrofen,
Hingestreckt im Schiffe ruhig
Les' ich deines Tasso Strophen.

Der Specht

Zu der Melodie des Verses
Klopft den Takt der Specht am Baume,
Daß mir Joch und See verschwimmen
Bald in einem leisen Traume.
Singst du mir nicht Grossis Schwalbe,
Ruhig hingelehnt ans Steuer? —
Dumpfer Donner! — Aus dem Schlummer
Reißt mich greller Blitze Feuer.

Lido

Anders pfiff es vor dem Lido.
In des Bootes strammen Tauen,
Als voll Angst die Gondoliere
Sich verlobten uns'rer Frauen.
Diesen kleinen Flutschwall zwing' ich
Leicht mit meinem Ruder nieder,
Aber auf den weißen Nebeln
Schwebt vor mir dein Bildnis wieder.

Korb

Mädchen werden niemals fertig, —
Ja, da soll der Frühling warten! —
Statt der Antwort schickst ein Körbchen
Astern du von deinem Garten.
And're Sterne zeigt der Himmel
Und die letzten Vögel ziehen,
Was bleibt mir wohl da noch übrig,
Als wie sie den Nord zu fliehen?

Der Mineralog

Wenn mich deine holden Augen,
Allzulang im Süden bannten,
Muß ich jetzt zur strengen Buße
Messen der Kristalle Kanten.
Könnten Cosinus und Sinus
Auch vielleicht zu denken geben:
Ach, was helfen diese Formeln,
Bist du fern mein süßes Leben.

Nüßchen

Hochgepackt mit Schachteln, Koffern
Einen großen Leiterwagen,
Läßt du von der Sommerfrische
Dich zur Heimat endlich tragen.
Aus dem Florentinerhütchen,
Aus der Locken reicher Fülle
Lacht dein Antlitz, braun die Wangen,
Wie das Nüßchen aus der Hülle.

Saphire

Um den Hals trägst du Saphire
Abends bei der Soirée,
Wie ein Stückchen blauer Himmel
Auf dem frischen, weichen Schnee.
Mich ergreift geheimes Frösteln,
Seh' ich rings die leere Pracht,
Bis du leicht mit einem Scherze
Mir den Ernst hinweggelacht.

Tarock

Laß nur mit Tarock und Schwätzen
Sie verspielen diese Nacht,
Auf der Bank in deinem Garten
Rück' an meine Seite sacht.
Selbst den Sternen ist der Himmel
Droben heut' zu kalt und leer,
Siehst du, dort stürzt einer nieder
In das grüne Rebenmeer.

Bund

Einsam auf verlor'nem Pfade,
Ging ich abseits von den Leuten,
Trug er mich zwar in die Höhe,
Hatt' ich sonst nichts zu bedeuten.
Als wir Aug' in Auge standen,
Brachen ein die goldnen Wände,
Und wir reichten fest entschlossen
Uns zum ew'gen Bund die Hände.

Odyß

Hast du von Odyss gelesen,
Der im Bettlerkleid,
Dennoch sich als König fühlte
Selbst beim größten Leid?
Pallas goß die Nebelhülle
Schirmend um ihn her; —
Als er griff zum Todesbogen, —
War kein Freier mehr.

Ceres

Ist verstummt der Ceres Klage,
Hat den Orcus sie gerührt,
Daß die Tochter auf dem Nachen
Charon ihr zurückgeführt? —
So reichst du mir die Granate,
Die dein Händchen kaum umspannt
Tauche mir jedoch nicht unter
In das dunkle Schattenland.

Dante

Hast du Platz in deinem Schifflein
Auf dem Strom der Ewigkeiten,
Wo mit Freunden und Geliebten
Einst du ziellos wolltest gleiten?
Unten rauscht der Meeresgarten,
Oben Harmonie der Sphären; —
Fahrt zum Paradies für jene,
Die auf Erden nichts begehren!

Die Glocke

Erzatome widerspenstig
Zwang der Feuerguß zur Glocke,
Daß die Seelen von der Erde
Sie zum Himmel aufwärts locke.
Schwebt ihr Ton zu den Gestirnen,
Wird er mir fast zum Symbole,
Und mit banger Ahnung sorg' ich,
Ob dich bald ein Engel hole.

Prognose

Leider kenn' ich sie die Rosen,
Die auf deinen Wangen blühen,
Weiß, warum die großen Augen
Jetzt so fremd, unheimlich glühen.
Warum darf den Schaft der Lilie
Schon des Todes Sense fassen? —
Daß ich alt und ohne Liebe
Wandern muß jetzt meine Straßen!

Wetterläuten

Es reiten die Wolken
Mit Donner und Sturm,
Es kann sie nicht bannen
Die Glocke vom Turm.
So schreitet das Schicksal,
Und wenn es dich fällt,
Du kannst es nicht biegen,
Ob Feigling, ob Held.

Das Totenhemd

Fleißig wie das ärmste Mägdlein
Ließest du den Faden gleiten,
Hoch im Sommer sah die Leinwand
Ich auf grüner Wiese breiten.
Nur zu bald in düst're Trauer
Ist dein Hoffnungstraum zerronnen,
Unter frohen Scherzen hast du
Dir das Totenhemd gesponnen.

Trauerkunde

Der Morgenstern tritt glänzend an dein Lager,
Du wirst kein Aug' mehr, ihn zu grüßen, heben,
Anstatt des Ave tragen schon die Glocken
Die Trauerbotschaft hin mit dumpfem Beben.
In alle Fernen zwitschern sie die Schwalben,
Aus Blumen fließt der Tau wie Tränentropfen
Ich fahr' empor und greife an die Seite:
Warum, mein Herz, hörst du nicht auf zu klopfen?

Betrübt

Betrübt bis in den Tod! du hast's erfahren,
Wenn einsam du ins öde Dunkel starrst,
Dich schlaflos wälzest auf dem heißen Lager
Und ach! vergebens auf den Morgen harrst!
Das Licht wird deine Qualen nur erneuen,
Ein jeder Stundenschlag trifft schwer dein Herz,
Du siehst sie nicht mehr wandeln unter Blumen
Und trocken bleibt dein Auge wie von Erz.

Sternbild

Schon hatte sich am Pol gedreht der Wagen,
Da führte dich zu mir ein lichter Traum,
Von deiner Stirne lohte hell ein Flämmchen,
Den Boden rührte kaum des Kleides Saum.
Ich sog' mit einem Kusse, heiß und innig,
Die Flamme weg wie einen Becher Wein
Und plötzlich sah ich dich als Sternbild leuchten
Im blauen Dunkel droben klar und rein.