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IV. Vermischte Gedichte
 

Agave
Im Walde
Hinauf
Des Dichters Gäste
Toaste des Lebens
Nachruf
Haide
Die letzte Bume
Sehnsucht
Freundschaft
Zwei Gäste
Mein Lied
Eine Rose
Freiheit
I'ns Land der Träume
Das Ahnenschloß
Das Lied des Savoyarden
Die Gnomen
Die wilden Frauen
Die Flucht
Moralphilosophie
Wanderung
Ein Lebensmüder

 

Agave

Selten nur knospet und blüht im Laufe der Zeit die Agave,
Aber die Blüte sie schließt leuchtend in Schönheit sich auf.
Sprache, du bist ihr verschwistert! es grünen die Blätter beständig,
Doch Jahrhunderte nur bringen die Blume zum Licht.

Im Walde

Nimm mich auf, o Wald, in dein schattiges heimisches Dunkel!
Gerne verweil' ich in dir, wenn brennende Gluten der Sonne
Über die Flächen sich, über die Berge versengend ergießen.
Kühl ist der Grund, und ich trinke mir Labung aus silberner Quelle,
Schau durch grünende Blätter hinauf ins blaue Gewölbe.
Mehr noch lieb' ich dich, wenn nächtlich im heiligen Dunkel
Einsam schimmernde Sterne die Pfade des Wand'rers erhellen.
Wunderbar strahlet das Licht, das Felsen und Fluren entzündet,
Aber gewaltiger wirkt in der Seele das tiefe Geheimnis,
Wenn in nächtlicher Ahnung erhabne Gedanken entstehen,
Und ihr kristallener Strom uns führt zu dem Meere der Gottheit.


Hinauf


Vorüber an rauschender Sinnenlust
Zieht's mich empor zum Hohen;
Die Luft wird dünn und schwer die Brust,
Der Grund ist mir entflohen.

Und ich beneide des Waldes Baum,
Der fest steht in der Erden,
Hinaufwächst in des Himmels Raum
In stillem mächt'gem Werden.

Des Dichters Gäste

Der Dichter saß im dunklen Gemach,
Hing träumend seinen Gedanken nach.
Da klopft' es leis' an seine Tür,
Drei Wesen traten still herfür.
Zwei Schwestern, verschieden wunderbar;
Die eine strahlend in leuchtendem Haar,
Bekränzt von duftendem Blumengewind.
Es nannte sich "Freude" das holde Kind;
Die and're von blasser hoher Gestalt,
Wie weiße Rosen die zarten Wangen,
Darauf die sinkenden Locken hangen.
Sie nannte sich "Schmerz". Nach ihnen kam
Ein Wesen, das gar fremd erschien;
Des Engels Milde wundersam
Vereint mit der Würde der Königin,
Ein träumendes Leben, ein lebender Traum,
Ein himmlisches Bild in Luft gehaucht,
Ein Geist in Ätherische Hülle getaucht. —
Und als sie betreten den kleinen Raum,
Die Schwestern begannen mit holdestem Gruß:
"Wir lieben dich innig," und Kuß auf Kuß, —
Und keine wollte den Liebling missen.
Von einer zur andern hingerissen
Der Dichter ward in Liebeserguß;
Hier tröstend mit mildem und sorgendem Wort,
Und scherzend und kosend, beseliget dort
So flogen die schnellen Stunden vorüber,
Bis endlich von Spielen und Tränen entkräftet,
Das Auge sich hin auf den Engel heftet,
Und Verklärung ihn mächtig zieht hinüber.
Er windet sich aus der Schwestern Umfangen
Und will in die himmlischen Arme gelangen.
Schon atmet in Freiheit die glückliche Brust
Er sinkt in die Knie halb unbewußt;
Da lispelt es "Friede" dem Sinkenden zu.
Es neigt sich das Wesen in göttlicher Ruh':
Da ward die fröhliche Schwester blaß,
Die Wange bleich, das Auge naß,
Da ward die trauernde Schwester rot,
Als wär sie erlöst von des Herzens Not;
Es hielten die Paare sich innig umfangen
Da war des Dichters Leben vergangen.

Toaste des Lebens

"Was wir hoffen, was wir lieben!"
Schallt's beim lauten Becherklange,
Hundert Stimmen fallen ein;
Durch der Jugend munt're Reih'n
Wiederhallt's im frohen Sange:
"Was wir hoffen, was wir lieben!"

"Was wir glauben, was wir wollen!"
Schlagt die Schwerter hoch zusammen,
Denn das männlich kühne Wort
Reißt den Arm zu Taten fort;
Schreibt es in der Städte Flammen:
"Was wir glauben, was wir wollen!"

"Was wir denken, was mir sinnen!"
Wird das Auge trüb' und trüber,
Blieb uns des Erinnerns Macht,
Und aus gold'nen Zeiten lacht
Uns manch' schönes Glück herüber:
"Was wir denken, was mir sinnen!"

Nachruf

Sag', wo sind sie hingeschwunden
Jene froh durchlebten Stunden,
Unsers Lebens schön're Zeit?
Nimmer will der Becher schäumen;
Herrlich nur in gold'nen Träumen
Seh' ich die Vergangenheit.

Was wir dachten, was wir schauten,
Luft'ge Schlösser, die wir bauten,
Ringend, hassend ohne Ruh';
Der Genossen bunt Gedränge,
Liebesglück und Freudenklänge,
Alles eilt dem Ende zu.

Flüchtig wie der Regenbogen
Durch den Himmel kommt gezogen,
Stellt das alte Bild sich ein;
Doch es darf die Hand nicht greifen
In die hellen Farbenstreifen,
Denn sie sind nur Wiederschein:

Wiederschein ist alles Schöne,
Wiederklang sind alle Töne,
Wahr nur ist des Geistes Flug,
Sucht er den getäuschten Sinnen
Neues Leben zu gewinnen, —
Und sie lieben diesen Trug.

Haide

Der dürre Boden ächzet
In heißer Sonnenglut,
Und jedes Stäubchen lechzet
Nach kühlender Wasserflut.

So brennen meine Schmerzen
Wie schwüle Sommerluft,
So liegt's in meinem Herzen:
Kein Blatt, kein Blütenduft.

Mir wär' es lieb, es brauste
Ein stürmendes Meer hinein
Wenn wild die Brandung sauste,
Ich könnte glücklich sein.

Die letzte Blume

Gedenkst du noch der Zeit, da schäumend
Des Liedes munt're Quellen flossen,
Empor die tausend Wunderblüten schossen,
Des Wand'rers Pfad umsäumend?

Wie sonnig glänzten Tal und Hügel
Von Wiesengrün und Saatengolde,
Wie rauschten feurig in der Liebe Solde
Der Fantasieen Flügel!

Im Sternenlicht, im Mondenglanze
Wie funkelten die Silberfluten!
Das Herz entbrannte von der Sehnsucht Gluten
Beim lichten Strahlentanze.

Die Strahlentänze sind zerstoben,
Und Schwermut hält den Sinn umfangen;
Auf Flur und Hügel liegt ein herbstlich Bangen,
Kein Lichtchen scheint von oben.

Nur eine Blume dämmernd helle
Blüht hie und da auf öden Wegen:
Erinn'rung leuchtet einsam uns entgegen,
Des Herzens Immortelle!

Sehnsucht

O könnt' ich wandern mit dem Abendstern,
Der immer sich zur gold'nen Sonne hält,
Und alles lassen auf der Erde fern,
Was dieses Dasein mir mit Leid vergällt!

O könnt' ich fließen mit der klaren Flut,
Die sich vom Quell in Bach und Strom ergießt,
Vom Strom in's Meer! — erloschen wär die Glut,
Daraus des Herzens wilder Wahnsinn sprießt.

O könnt' ich fliehen mit der Winde Flug,
Zerstäuben in des Raums Unendlichkeit!
Zerstäubt wär auch dies Bild von Wahn und Trug,
Dem man das kühne Wort des Lebens leiht.

Freundschaft

Die wahre Freundschaft darnach trachtet,
Daß Einer die Sphäre des Andern achtet:
Flammend umkreisen sich Doppelsterne,
Bleiben doch stets in gemess'ner Ferne.

Zwei Gäste

Kaum tritt die ernste Frau,
Erinnerung, herein,
Ist auch das junge Blut,
Die Hoffnung, hintendrein,
Späht schelmisch hin und her,
Ob noch ein Plätzchen wär'!

Mein Lied

Sieh! mein Lied, das ist die Glocke
Aus dem Turme meines Lebens;
Ihrem Klange folgt zur Andacht
Der Gedanken buntes Volk.

Eine Rose

Es keimt' an dunkler Stätte
Ein bleiches Röslein auf;
Das gold'ne Licht der Sonne,
Es strahlte nie darauf.

Und Mond und Sterne zogen
Vorüber ihre Bahn,
Von hellen Fluren drangen
Die Düfte himmelan.

Oft lenkt' ein Hauch aus Osten
Zur Rose seinen Flug,
Der all' die heißen Düfte
An ihre Blätter trug.

Dann zitterte die Rose,
Und neigt' des Kelches Ring.
Als ob durch ihre Seele
Ein Traum der Sehnsucht ging.

Noch in des Lenzes Tagen
Sank sterbend sie in's Moos
Im Windeshauch verwehte
Ihr dunkles Erdenlos.

Freiheit

"Du armer kleiner Vogel,
Wie bist du her gekommen?
Sie haben das beste Kleinod,
Die Freiheit, dir genommen.

Nun lacht der Frühling draußen,
Es blüh'n die Blumen wieder,
Und aus den grünenden Zweigen
Tönen die alten Lieder.

Dort hebt sich's in die Lüfte,
Ein Schwarm gar leicht und munter;
Zum Walde geht's. Du fändest
Wohl auch ein Liebchen darunter." —

Als wenn das arme Tierchen
Um seine Freiheit bäte,
Flattert' es auf und nieder,
Und stieß an die glänzenden Drähte.

Ich aber öffnete leise
Die zierlichen Silberspangen,
Und freute mich der Lieder,
Die fern und ferner klangen.

In's Land der Träume

Wie ein Märchen schöner Jahre
Will mir's durch die Seele wehen,
Und das Bild, das wunderbare,
Möcht' ich einmal wiedersehen.

Folgend seinen lichten Spuren,
Wandl' ich nun auf alten Wegen
Meiner Kindheit gold'nen Fluren,
Jener Wunderwelt entgegen.

Seh' die Türme schon vom Weiten,
Und des Tores Riesenbogen,
Seh' die Gärten, die sich breiten
Und das Zauberschloß umwogen.

Wandernd komm' ich an die Pforte,
Und mein Herz beginnt zu zagen: —
Anders an dem heil'gen Orte
Ward es seit der Jugend Tagen.

Ach! die Blumen sind verschwunden,
Und die süßen Lieder starben
Die in stillen Abendstunden
Schüchtern einst um Liebe warben.

In das Innre will ich dringen,
Doch verschlossen sind die Hallen;
Keine Harfe hör' ich klingen,
Eine dumpfe Stimme schallen:

"Was begehrst du in den Mauern,
In den Gängen längst verlassen?
Willst du um Verlornes trauern,
Mußt du erst das Leben hassen!

Jene Tage kehren nimmer;
In dem herrlichen Gebäude
Ist es Nacht, und keine Schimmer
Locken dich zur Jugendfreude.

Flieh' aus diesen dunklen Räumen,
Die dir Sinn und Herz betören,
Und mit sehnsuchtbangen Träumen
Deiner Seele Kraft zerstören."

Das Ahnenschloß

Siehst du jenes Schlosses Türme
In der Wälder Nacht gebaut?
Sommerglut und Winterstürme
Hat es tausendmal geschaut.

Eine Brücke trägt hinüber,
Moos bedeckt das morsche Holz;
Marmorsäulen ragen d'rüber,
Ungebeugt und altersstolz.

Rätselhaft verschlung'ne Schilder
Geben dir ein ernst' Geleit,
Und der Ahnen dunkle Bilder
Reden von versunk'ner Zeit.

Düster blicken sie hernieder,
Fragend, wer der Fremdling sei?
"Bringt er mit dem Klang der Lieder
Uns die alte Lust herbei?

Ruft er mit des Schwertes Schalle
Uns die alte Kraft herauf?
Führt ihn zu der Väter Halle
Eines Heldenlebens Lauf?" —

Und es drängen sich die Schatten
Immer näher um ihn her.
Seine Seele will ermatten,
Von Erinnrungsbildern schwer.

Wand'rer, lenke deine Schritte
Nach der Pforte trauernd um!
Ziehend aus der Helden Mitte
Ehrest du ihr Heiligtum!

Das Lied des Savoyarden

Sinnend saß die schönste Jungfrau
In dem hohen Prunkgemach!
All' ihr Sinnen zog dem Liede
Jenes blonden Knaben nach;

Dessen großes blaues Auge
Träumend an dem ihren hing,
Als er in des Morgens Scheine
Durch die weite Straße ging.

War's das stolze Lob der Freiheit,
Das zu ihrem Herzen drang?
War es seine schöne Heimat,
Die begeistert er besang?

Seine Heimat, wo im Tale
Einsam still die Hütte steht,
D'rüber schnee'ge Berge ragen
In der Wolken Majestät?

Oder, was er sanft und schüchtern
Sang von einer gold'nen Zeit,
Von des Schicksals dunklen Wegen,
Von der Liebe Seligkeit? —

Sinnend saß die schönste Jungfrau
In dem hohen Prunkgemach,
All' ihr Sinnen zog dem Liede
Jenes Savoyarden nach.

Ihre reichen Locken flossen
Wallend über das Gewand,
Aus den Augen eine Träne
Fiel auf ihre weiße Hand.

Die Gnomen

Es hämmern die bärtigen Zwerge mit Macht,
Die kleinen, die klugen Gesellen,
Wo tief in den Berg, in den finsteren Schacht
Sich stürzen die brausenden Wellen.

"Wir tätiges Völkchen, wir tragen die Kraft
Zum Höchsten in unseren Geistern;
Wir rechnen und wägen, was Klugheit erschafft,
Kein Hindernis kann uns bemeistern.

Wir hassen der Liebe vergötterten Sold,
Des Herzens erträumete Schätze,
Wir machen aus Steinen das klingende Gold,
Und kennen verborgene Plätze.

Wenn einstens verstummet der Fluten Gebraus,
Dann steigen wir auf aus dem Dunkel,
Und tragen den blitzenden Reichtum hinaus,
Und preisen sein helles Gefunkel.

Und wandeln wir oben im leuchtenden Rot,
Wir werden die Menschen bezwingen,
Wir necken und kneipen und schlagen sie tot,
Und wollen den Erdball erringen.

Die Sonne, der Mond und der Sterne Geleit,
Sie werden als Herren uns kennen,
Und müssen gehorsam in ewige Zeit
Uns Meister und Könige nennen." —

Jahrtausende schwanden; im finsteren Schacht
Da hämmern die klugen Gesellen;
Es brausen die Wasser hinab in die Nacht,
Die unten am Felsen zerschellen.

Die wilden Frauen
Nach einer Volkssage

Nachtgestalten schweben nieder,
Schweben von dem Felsenrand;
Flatternd um die schönen Glieder
Wallt ihr schimmerndes Gewand.
Wo des Teiches Wellen glänzen
In des Mondes bleichem Strahl,
Schwebend um den Stein kredenzen
Sie den goldenen Pokal.

Und der Jäger kommt gegangen,
Unbewußt wie ihm geschieht,
Daß ein brennendes Verlangen
Mächtig ihm zu Herzen zieht.
Darf er seinen Augen trauen?
In des Reigens luftig' Weh'n
Locken ihn die wilden Frauen,
Und er kann nicht widersteh'n.

"Schöner Jüngling, willst du fliehen?
Weil' in unsren frohen Reih'n,
Unsrer Lieder Melodieen
Klingen nur für dich allein!
Daß dein kaltes Herz erwarme,
Ist dir holdes Spiel erlaubt,
Und wir schlingen gern die Arme
Um dein lockig Menschenhaupt.

Freude strömet unser Becher,
Wonne lächelt unser Kuß,
Und ein frohberauschter Zecher
Fühlst du neuen Lebens Gruß
Trink mit uns die Zauberfülle,
Schlürfe jenen gold'nen Trank,
Bis der Erde dunkle Hülle
Vor den Augen dir versank.

Bald entflieht der helle Morgen,
Der dem Menschenherzen glüht,
Mit den Leiden, mit den Sorgen
Sinkt der Abend in's Gemüt.
Ewig dauert uns're Liebe,
Ewig heiß ist uns're Brust;
Nimm den besten Lohn der Liebe,
Da du liebend sterben mußt!"

Und von ihrem Felsenthrone
Neigt sich ihm die Schönste dar;
Eine diamant'ne Krone
Funkelt in dem lichten Haar,
Wunderbar ans dunklen Augen
Strahlet ihm der Blicke Glut,
Bis er ganz ihr Licht zu saugen,
In den holden Armen ruht.

Graue Morgennebel stürmen
Aus der Felsenschlucht hervor,
Bauen sich zu stolzen Türmen
Wie von Geisterhand empor.
Und der Berge Spitzen schimmern
In des Tages erstem Licht:
Doch das Leuchten und das Flimmern
Weckt des Jünglings Schlummer nicht.

Um die matten Sinne schwanken
Süße Bilder fort und fort,
Durch die schwindenden Gedanken
Klinget noch das Zauberwort:
"Ewig dauert uns're Liebe,
Ewig heiß ist unsre Brust:
Nimm den besten Lohn der Liebe,
Da du liebend sterben mußt!"

Die Flucht

Ein Schifflein sah ich schwankend geh'n
Auf leichten Meereswogen;
Drei Frauen, göttergleich zu seh'n,
Hinaus in die Ferne zogen.

Die Eine lenkt' des Schiffes Lauf,
Sie schwebt' im Flügelkleide;
Die And're wand die Segel auf,
Sie funkelt' in Goldgeschmeide.

Inmitten der Schwestern schönste stand,
Schaut' in der Wellen Spielen,
Und helle Blumen aus ihrer Hand
Hinab in's Wasser fielen

Kein Felsen, ach! hielt sie zurück,
Kein Wind bringt mir sie wieder,
Die Göttin, meiner Jugend Glück,
Im Glanz der ersten Lieder.

Die Hoffnung, die im Sternenraum
Ein Wunderland verkündet,
Die Liebe, die den süßen Traum
Im Herzen uns entzündet.

Verlassen schau ich in die Flut,
Und hör' die Brandung schlagen;
Es zieht durch meiner Seele Glut
Ein schmerzliches Entsagen.

Moralphilosophie

Man lernt ans Büchern, Philosoph zu sein,
Da heißt es denn: Bezähme dein Verlangen!
Willst du zum Thron der Wahrheit einst gelangen,
Werd' unter Menschen gleich dem kalten Stein!

Laßt mich in Frieden, heiliges Geschlecht!
Was ihr getan, was nicht, das soll mich binden?
Ich strebe nicht der Weisen Stein zu finden,
Doch kenn ich wohl mein freies Menschenrecht.

Wer wählt sich gern die Qual des Tantalus,
Und lebt im Frühling gern in finst'rer Zelle?
Wer, wenn er dürstet, flieht die klare Quelle?
Wer schließt sein Herz vor holder Lippen Gruß?

Das Leben ist ein buntes Gaukelspiel,
Was hilft's, wenn fremde Stimmen uns beloben,
Wenn wir zum Glanz des Ruhmes uns erhoben,
Und auch des Toren Auge steh'n zum Ziel?

Ich sah des Adlers Flug zum Felsennest,
Und sah den Schmetterling um Blumen schwirren,
Auf schwankem Ast verliebte Tauben girren,
Und Lüfte küssen sich aus Ost und West.

Es ist der ew'gen Wahrheit Sonnenlicht,
Das lieblich aus Anakreons Gesängen,
Das freiheitatmend aus Horazens Klängen,
Das stammend aus Hafisens Liedern bricht.

Drum laß, so lang das Leben rosig blüht
Uns von dem vollen Freudenbecher nippen,
Frohlocken uns, dieweil von Mädchenlippen
Der Kuß der Lieb' uns noch entgegenglüht.

Wenn einstens nur aus Nord die Stürme geh'n,
Und nimmer aus dem düftereichen Osten,
Wenn tief im Herzen die Gefühle rosten,
Und langsam nur des Geistes Flügel weh'n;

Dann wandeln wir in der Erinn'rung Schein,
Und lassen sanft im Lauf der Fantasien
Des Lebens Traum an uns vorüberziehen,
Dann ist es Zeit, ein Philosoph zu sein.

Und kommt der Tod, wir haben guten Rat;
Denn unsre Tage waren nicht verdorben:
Noch ist kein Kluger frohen Sinn's gestorben,
Der nicht des Lebens Kern genossen hat.

Wanderung

Am frühen Sommermorgen zog ich aus,
Als ihren letzten Gruß die Nacht entsandte,
Und wanderte durch Wiesen zu den Bergen,
Bald schaut' ich unter mir das dunkle Tal
Im grauen Nebel halb verschleiert liegen;
Da fand ich einen Mann am Waldessaum,
In weichen Locken fiel sein weißes Haar
Um seiner Stirne hohe Wölbung nieder;
Sein Auge doch erglänzte jugendlich,
Und aufrecht stand er schauend nach dem Himmel,
Und wartete der Sonne, die da kam.
Noch klingt das Wort, das er dem Wand'rer gab,
In meiner Seele wiederhallend nach:

"Du ziehst hinauf zu jenen luft'gen Höhen,
Die einstens ich in gleicher Lust erklomm,
So nimm von mir ein Wort mit als Geleite:
Ich bin ein alter Mann; doch sah ich einst
Der Jugend Himmel von Gestirnen strahlen,
Und jeder Stern war ein Gefühl. Es kam
Die gold'ne Sonne und die Sterne schwanden,
Ihr Licht vereinte sich mit dem der Sonne,
Und der Gedanke war die Sonne, Sieh!
Es ist die Jugendzeit das Sternenreich,
In dem sich unser tiefstes Leben regt;
Gefühle sind die Boten des Gedankens,
Und im Gedanken liegt des Mannes Kraft.
Es hebt das stille Wunderreich der Blumen
Sich von der Erd' empor in Frühlingswonne,
Und ist die Blüte welk, die Frucht gereift,
Dann ist im Sonnenglanz ihr Sein erfüllt.
Schon hebt sich unter ihnen neu die Schöpfung,
Sie sinken sterbend in der Erde Grab,
Und werdend keimen neue Blüten auf.
Es zieht der Vogel durch die blaue Luft,
Und singt sein schmetternd Lied, das ahnungsvoll
Wie ein Geheimnis in die Seele dringt.
Doch tragt sein Nest einmal die junge Brut,
Und welkt das Sommergrün vor seinem Auge,
Fliegt er zum letzten Mal dem Walde zu,
Und haucht sein kleines Lüfteleben aus.

So sind die Menschen, so die Völker auch,
So ist die ganze große Menschheit selbst.
Den flammenden und funkelnden Gefühlen
Der Jugend folgt der Sonnentag der Mannheit,
Und zeugt, und zeugt, bis frischere Gestalten
Sich aus der alten Schöpfung still erheben,
Bis immer matter jene Formen werden,
Und stets verworr'ner jene Bilder scheinen,
Bis das Veraltete verwelkt und sinkt.
Doch zieht ein Abglanz jener milden Nächte
Sich durch das Leben jedes Edlern hin;
Ein selig Träumen steigt aus seinem Herzen,
Und der Gedanken, der Ideen Spiel,
Es webt und schlingt sich zur Erinnerung. —
Ich hab' gelebt, und danke, daß ich lebte,
Denn jede Stunde, die ich weiter schritt,
Gab mir die Lichter einer neuen Welt.
So ward es Nacht, so ward es Dämmerung,
So ward es Tag und seinem hellen Glanze
Dank' ich der Wahrheit gold'nem Sonnenstrahl,
Mein Leben welkt dahin, und freudig sterb' ich;
Wer im Genusse jenes Wechsels schwelgte,
Und über jeden Erdenzauber kühn
Die helle Fackel der Erkenntnis schwang,
Gibt gern sein Ich den Elementen preis.
Zieh' hin in Frieden zu den Bergeshöhen,
Und siehst du von der Spitze rings um dich
Verwittertes Gestein, und weit hinaus
Das schöne Land zu deinen Füßen liegen, —
Durchströmt dein Herz ein mächtiges Entzücken,
Als möchtest du im Schauen fast vergehn,
Und steigen vor dem Auge deines Geistes
Die liebsten, holdesten der Formen auf,
Aus denen in dein unbefang'nes Herz
Des Hoffens süße Wonne mit der Furcht,
Das halb Errung'ne zu verlieren strömte;
Ist jeder Sinn im schönen Bild befangen,
Und schwillt dein ganzes Sein in Träumen auf:
Erinn're dich, daß deinen Weg dahin
Das Summen eines Käfers hat gestört,
Der, wie der Frühling ihn der Erde gab,
Im fahlen Herbst erstarret und verstummt."

Ein Lebensmüder

Er lag am Felsenrand, und flammend fuhr
Sein irrer Blick hinunter in die Tiefe;
Ringsum war alles still, als ob Natur
Ermüdet von des Sommers Gluten schliefe.
Heiß brannte noch die Sonn' in's grüne Tal,
Nur selten flog ein Schatten schnell vorüber,
Dann wurden plötzlich alle Berge fahl,
Bis sich die Wolke löst' im goldnen Strahl,
Und spurlos schwand in's leere Nichts hinüber.

Des Wand'rers Seele wogt' in schweren Kämpfen;
Wie sanft die Farben seinem Auge schmeicheln,
Wie mild die Düfte seine Stirne streicheln,
Sie können nicht das wilde Feuer dämpfen.
Da spricht er flüsternd in den freien Raum:
"Du schaust so lächelnd auf in grünem Glanz,
Du tiefes schönes Tal! an deinem Saum
Zieht schlängelnd hin des Baches Silbertanz,
O hört' ich rauschen seinen weißen Schaum! —
So seh' ich ferne die Gestalten zieh'n,
Die sich das Herz in Jugendlust erkoren;
Dazwischen dehnt sich weit der Abgrund hin,
Und wie sich auch des Auges Wimper näßt,
Wie ein unnennbar Leid den Busen preßt,
Auf ewig bleiben Gruß und Kuß verloren.

Und wenn ich's wage, wenn dies bloße Wollen
Mich hinträgt, wo das Herz mir nimmer blutet,
Wo durch die Adern, die sonst feurig schwollen,
Nicht mehr der Strom der Leidenschaften flutet? —
Ich sah den Hirsch; verfolgt von gier'gen Hunden,
War plötzlich er am Felsenrand entschwunden.
So ward er frei! — Ich sah die Eiche zittern,
Als wollte sie des Himmels Flammen schlürfen,
Als flehte sie zu seinen Ungewittern,
In ihrem Kampfe schnell vergeh'n zu dürfen.
Der Blitz fuhr schlängelnd durch das grüne Laub,
Und donnernd sank die Riesin in den Staub.
Euch Felsen schreckt es nicht, wenn dieses Ich
In tausend Teilen durch die Lüfte fliegt.
Das Wild, das dort im Busche schlummernd liegt,
Fährt auf, und flieht und steht und wendet sich;
Denn dampfend weht die warme Sommerluft
An seine Nüstern den Willkomm'nen Duft,
Wie saugt es gierig nun den hellen Trunk;
Ein brünstig Feuer treibt mit selt'ner Kraft
Das scheue Tier hin über Stein und Strunk,
Erlöschend nur, wenn jeder Nerv erschlafft.
Bald senkt der Geier aus dem blauen Raum
Sich pfeilschnell nieder auf die blut'gen Zacken,
Sein scharfer Blick erkennt den roten Schaum,
Er schlägt in's Fleisch der Krallen spitze Hacken,
Und väterlich besorgt trägt er den Rest
Den Jungen zu in's hohe Felsennest.
Dann fällt aus ihrem Horste dies Gebein
Zernagt, zersplittert auf die Felsen wieder,
Und Tau und Regen und der Sonne Schein
Umkleiden mit Verwesung meine Glieder.
Allein in ihren edlen Moder fällt
Vielleicht der Blume Korn, und treibt und schwillt,
Bis Form aus Form, aus Leben Leben quillt,
Und in dem Staube blüht die schön're Welt.

Ich trug mein Haupt so frei, ein stolzer Knabe,
Als mir des Lebens Paradies erblühte,
Als mir der Jugend holder Morgen glühte,
Und mit dem laubumkränzten Freudenstabe
Die süßen Kinder, lächelnde Gefühle,
Die lieblichen, die herrlichen Gestalten,
In dieses Paradieses Gängen wallten,
Hinspielend durch der Schatten sanfte Kühle.
Da zogen durch die unbewachte Pforte
In Jünglingsformen die Gedanken ein,
Mit Blick und Kuß und süßem Schmeichelworte
Begann der Jugend seliger Verein,
Der Liebe Glück im Schein der Blütenkronen
Ersehnte sich die Dauer von Äonen.
Doch mit dem Lenz erlosch der Täuschung Bild,
Die Jünglinge, sie wuchsen stolz und wild,
Und wurden bald zu riesigen Dämonen,
Ihr Atem Gift, — die süßen Kinder starben,
Der Quell versiegte und die Blätter fielen.
Nun hüllt ein düst'res Grau die hundert Farben,
Des Siegers Schritt zerstört des Haines Blume,
Und Haß und Hohn beginnen frech zu spielen
Vor dem Altar im stillen Heiligtume.
Doch immer bleibt der Wunsch den Fernen hold,
Und jenen Träumen strebt die Seele nach;
Öd' ist die Gegenwart, und kalt und schwach
Dünkt mich der Sonne hellstes Sommergold.
Und vor mir liegt der Fiebergluten Brand,
Der Sturm, bereit die Sinne zu durchwühlen,
Der Zukunft wüstes Blütenloses Land:
Kein Bronnen winkt, und keine Schatten kühlen.

Ich weiß es, wie das Alter Menschen tötet,
Wie sich des Lebens Blumen still entfärben,
Die Wange bleich wird, die kein Blut mehr rötet;
Wie auch die letzten der Begierden sterben,
Und alles, was das Auge je geliebt,
Vor seinem Stern entschwindet und zerstiebt.
Halb schon vergessen sinken wir in's Grab.
Nur Erde rollet kalt mit uns hinab.
'S ist besser, die Gazelle trinkt dies Blut,
Der Geier trägt dies Fleisch zum Felsennest,
Die Viper aus dem Walde schleichend preßt
Ihr Zünglein in des Herzens warme Flut,
Und aus dem Staub, der keinen Geist enthält,
Hebt sich der Blumen schöne stille Welt."

Da sprang er auf, und starrte ringsumher,
Ein stolzes Lächeln zog um seinen Mund.
Ein Schritt, — er stürzt hinab zum tiefen Grund.
Der Lüfte Wehen stört kein Atem mehr,
Sie wallen frei die Höhen auf und nieder,
Und Gras und Blumen in der Farben Schmuck,
Befreit von seines Körpers hartem Druck,
Sie heben langsam sich zur Sonne wieder.