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Gedichte
Johann Otto Prechtler
Album österreichischer Dichter

Wien 1858
Verlag von Pfautsch & Voß

Gedichte 3
 

An mein Herz
Der gefangene Adler
Der Bann
Der Regenbogen
Götter und Menschen
Im Tempel der Aphrodite
Wirkung des Schönen
Rom
Das Mädchen von Albano
Verlorene Kinderträume
Nächtliche Wallfahrt

 

An mein Herz

Aus der Blätter grünen Krone
Rangst du dich, o herbe Frucht!
Und du hast den Blick der Sonne —
Schmerzlich Tau und Licht gesucht.

Aber Licht und Tau und Regen
Reiften langsam deinen Kern,
Und der Herbst mit seinem Segen
War noch deiner Sehnsucht fern.

Daß sie nach der Reife ringe,
Sah der Gärtner an mit Schmerz;
Und er schnitt mit scharfer Klinge
Eine Wunde ihr in's Herz.

Und die Frucht fing an zu bluten, —
Tau und Sonne hatten Acht; —
Und in dieses Schmerzes Gluten
Reifte sie — in Einer Nacht!

Der gefangene Adler

Im Käfig, unter strengen Eisengittern
Sitzt auf dem Stein ein Adler unbeweglich;
Er sieht die Sonne seiner Sehnsucht täglich
Im Strahlenglanze hoch am Himmel zittern.

Er starrt hinaus in's Flammenmeer mit bittern
Und kranken Augen, lautlos bang und kläglich;
Ach! Adlerherz! du leidest wohl unsäglich, —
Kommt Niemand denn die Bande zu zersplittern?

Die Sonne sinkt! — und ewig sinkt sie wieder!
Da sträubt sich wie im Zorne sein Gefieder,
Der Käfig dröhnt vom wilden Flügelschlage.

Tief in den Stein gräbt er des Herzens Klage,
Daß einmal, wenn das stolze Herz gebrochen,
Sein Weh in Hieroglyphen sei gesprochen!

Der Bann

Auf dem Altare steht ein gold'ner Becher,
D'rin schäumt der Nektar aller Liebeswonnen;
Zu trinken treibt's mich an aus diesem Bronnen,
Bin ich am Freudenmahl der schlecht'ste Zecher?

Die Scheu vor dem Altar wird immer schwächer,
Die letzten Zweifel scheinen all' zerronnen —
Da fühl' ich mich von dunkler Nacht umsponnen,
Als ob die Hand schon ausgestreckt der Rächer.

Ein ernstes Götterhaupt seh' ich mir drohen,
Einschüchternd plötzlich mir der lebensfrohen,
Der lüsternen Gewalten wilde Rotte.

Wie reizt der Kelch an dieser heil'gen Stätte!
Da zieht's mich schaudernd nieder zum Gebete —
Und an das kalte Herz sink' in dem Gotte.

Der Regenbogen

Weit über dunkle Wolken kühn geschwungen,
Spannt Iris ihre siebenfarb'ge Brücke;
Wie staunen an den Farbenschmelz die Blicke —
Das Diadem, durch Wolkenmacht geschlungen!

Der Sage dacht' ich, die mir einst erklungen,
Daß, wo der Iris Fuß die Erde drücke,
Ein gold'ner Reif mein suchend Aug' entzücke,
Der einst der Götterfürstin Haupt umschlungen.

Mit stiller Sehnsucht bin ich fortgezogen
Die gold'ne Krone träumend aufzufinden,
Indes am Himmel strahlt des Friedens Bogen.

Das gold'ne Reiflein hab' ich nicht gefunden!
Ich sucht' es heiß auf dieser Erde Gründen;
Indes ist Iris Zauberschein verschwunden!

Götter und Menschen

Die ihr so selig trinkt am Liebesbronnen,
Das Leben süß verträumet unter Küssen,
Die ihr dem Liebesgotte legt zu Füßen,
Was ihr im Leben mühsam euch gewonnen;

Und ihr, Verwais'te, deren Glück zerronnen,
Aus deren Augen bittre Tränen fließen,
Die ihr das Teuerste habt opfern müssen:
Der Jugendliebe schwärmerische Wonnen;

Wie sah ich bitterlächelnd wohl die Fäden,
An denen euer Glück und Schmerz gehangen!
Wie kindisch euer Klagen und Verlangen!

So will ich oft mein eitles Herz bereden,
Erhaben über Liebeslust und Leiden —
Und sehne dennoch schmerzlich mich nach beiden!

Im Tempel der Aphrodite
Gedichtet im Golf von Bajä

Stiller wird's im nahen Hafen!
Zu dem grünen Ufersaum
Zieht die müde Welle schlafen;
Und das All versinkt in Traum. —

Deine Zauber — Aphrodite!
Walten — scheint es — in der Luft,
Und erlösen still die Mythe
Mir aus der Ruinengruft.

Liebes Meer! du lallst im Schlummer,
Träumst mit mir von alter Zeit,
Teilest eines Sängers Kummer
Ob entschwund'ner Seligkeit.

Und wie einst aus deinem Schaume
Cypria, die Göttin, stieg,
Taucht sie auf in meinem Traume
In der Schönheit ew'gem Sieg. —

Venus! deine Reize strahlten
Einst dem Auge schleierlos; —
In der Schönheit heil'gem Walten
Fühlte sich die Seele groß!

Venus! du — einst dem Hellenen
Seines Lebens reinste Lust! —
Ach! warum uns Grund der Tränen
Und die Sorge uns'rer Brust? — —

Nur Erröten war das Zeichen,
War der Liebe erster Gruß; —
Kein Erbangen — kein Erbleichen
Rächte süßer Lippen Kuß!

Ungekannt noch war als Sünde,
War der Liebe stille Glut,
Nicht genommen noch die Binde,
Dir ihr über'm Aug' geruht! —

In der Liebe tiefstem Kosen
War die Charis ewig nah;
Wehe, wenn zerknickt die Rosen —
Wenn sie sie entblättert sah!

Was als Reiz den Sinn entzückte,
Liebe sog es ohne Schmerz;
Noch verstohlen nicht umstrickte
Lüsternheit ein krankes Herz!

Von der Liebe Pfeil getroffen,
Trat der Jüngling, sanft und kühn,
Mit der Stirne frei und offen,
Zu der Jungfrau liebend hin.

Und er durfte selig küssen
Und umschlingen ihren Leib,
An die Brust es glühend schließen,
Das erglühend-schöne Weib.

Keine Schuld verdarb die Stunde!
Venus schützt der Liebe Recht;
Und aus keuschem Liebesbunde
Sproß ein kräftiges Geschlecht! — —

Sieh, derselbe blaue Äther
Spannt sich noch um diese Welt,
Und dieselben Freudengötter
Schwärmen noch durch Hain und Feld.

Liebedürstend an die Küste
Wallet der Mutter Erde Flut,
Und der Mutter Erde Brüste
Spenden ew'gen Lebensmut!

Doch der Mensch ist abgefallen
Von der Göttin heil'gem Bund;
Stürzte ihre Tempelhallen,
Stürmte seine Stirne wund.

Was die Mythe fromm verborgen,
Zog er frevelnd an das Licht;
Sternen gleich erblich's am Morgen, —
Sichtbar bösem Auge nicht.

Der, der Rose Herz zu prüfen,
Ihren heil'gen Reiz gekränkt,
Hat in seines Herzen Tiefen
Schon den Keim der Schuld gesenkt.

Eingehüllt in sieben Schleier
Spielt die Liebe nun ihr Spiel,
Und bewacht der Vesta Feuer
Ewig mit der Angst Gefühl.

Das Vertrauen ist verschwunden,
Der Verdacht ist aufgeweckt;
Unschuld blutet an den Wunden,
Die schon der Gedanke schlägt.

Nicht wie einst, im Sylphenflattern
Naht sich uns der Liebe Lust!
Nein, des Zweifels böse Nattern
Legt sie kalt an uns're Brust.

Liebe, einst ein süßes Zeichen
Von der Götter ew'gen Huld —
Muß als Schmerz die Brust beschleichen! —
Ihre Wollust — ward zur Schuld!

Wirkung des Schönen

Traumähnlich liebt das Schöne sich zu künden!
Mit tausend Armen will's die Seele fassen;
Da hat es, unbemerkt, uns schon verlassen,
Und im Erblüh'n verwelkt auch das Empfinden.

Wir können nicht das Wort dafür mehr finden,
Den Schlüssel nicht, den wir dazu besaßen;
Selbst die Erinnerung seh'n wir verblassen,
Und jede Spur den Sinnen sich entwinden.

Nach außen nicht mehr kannst du es gewahren;
Was du mit ird'schen Augen hast gelesen,
Es wurde Teil von deinem eig'nen Wesen.

Das Mystische ward deinem Sinn zum Klaren.
Es hat die Kunst die Seele dir gereinigt, —
Entschwunden scheint, — was sich mit dir geeinigt!

Rom

So hab' auch ich die Stadt der Welt geschaut,
Auch ich betrat der Vorwelt heil'ge Erde!
Wie schlug das Herz in seiner Freude laut
Am Capitol, an Vesta's stillem Herde!

Auch mir erzählte die Ruinenwelt
Mit stummen Zeichen ihre Leidgeschichte;
Mir haben sie der Ahnung Nacht erhellt
Der alten Meister göttliche Gesichte.

Aus deinen Tempeln sprach, du ew'ges Rom,
Der Geist der Vorwelt freundlich zu dem Geiste;
Und Grüße sprach der stille Tiberstrom,
Das Forum auch, das öde, allverwais'te.

Auf deinen Hügeln, wehmutsvoll allein,
Brach ich mir Rosen von Neronensärgen, —
Und sah, im purpurroten Abendschein
Hinüber lang zu den Albanerbergen.

Und um mich grast die Herde, blies der Hirt,
Inmitten dieser Tempel und Paläste;
Des Weines Lob verkündete der Wirt,
Auf Gräbern klang Musik zum heitern Feste.

Und aus der Dämm'rung ungewissem Licht
Aufragten schwarz des Colosseums Zinnen,
Jetzt hob der Mond sein bleiches Angesicht,
Mit fahlem Schein die Trümmer zu umspinnen.

Und stiller ward's, den trüben Klang verhaucht'
Die letzte nun von Roma's Ave-Glocken;
Und aus des Forums dunkler Tiefe taucht
Ein Götterhaupt, ernst schüttelnd seine Locken.

Das Mädchen von Albano

Vor den schwarzen Häusergruppen,
Weiß und rot, in Jugendfülle,
Saßen sie, in blanker Hülle,
Faltern gleich, entfloh'n den Puppen.

Brennendrote knappe Leibchen
Schwellen ihres Busens Wogen;
Und wie Schwingen weißer Täubchen
Ist ihr Kopftuch keck gezogen.

In die Hand gesenkt die Wangen
Und die dunklen Wimpern neigend,
Auf den Lippen blöd Verlangen —
Saßen sie — halbträumend, schweigend.

Eine lust'ge Reisetruppe,
Ritten ungern wir vorüber;
Mancher Wunsch stahl sich hinüber
Zu der schönen Mädchengruppe.

Verlorene Kinderträume

Durch die Stille — durch die Stille —
In des Herzens Sabbatstille
Klingen oft so warm und rein
Stimmen alter Zeit herein.

'S ist, als wehten sie herüber
Von dem Jenseits blauer Wellen,
Tränen aus dem Auge quellen,
Klingen sie so süß stromüber.

Doch, will ich sie klar vernehmen
Diese Stimmen — sie verstehen,
Sieh! da fühl' ich sie verwehen,
Ach als ob sie nimmer kämen!

Nächtliche Wallfahrt

Vom Münster scholl die Stunde
Der dunklen Mitternacht,
Da hab' zu meiner Wallfahrt
Ich still mich aufgemacht.

Und durch die öden Straßen
Allnächtlich ging ich hin;
Es schwankte zwischen Wehmut
Und stiller Lust mein Sinn.

Bald schauten Gottes Augen,
Die Sterne, mild herab;
Bald schien die Welt ein weites —
Ein banges, wüstes Grab.

Und wie's auch war — ich winkte
Ihr eine gute Nacht;
Sie hatte spät und einsam
So gern für mich gewacht.

Kaum sichtbar an dem Fenster
Entdeckt' ich die Gestalt,
Wenn nicht der Mond die Formen
In's helle Glas gemalt.

Es war ein schmerzlich Grüßen,
Dies Grüßen durch die Nacht!
Und dennoch hat es selig —
So selig mich gemacht.