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Quelle:

Dichtungen
Johann Otto Prechtler

Wien 1836
Im Verlag der Jos. Wenedict'schen Buchandlung
Gedruckt bey Ulrich Carl Klopf in der Wollzelle Nr. 782

Gedichte 1
 

Bilder aus der Heimat
Die Götter der Vorwelt
Die Alpe
Des Malers Nacht
Die Wellen der Liebe
Die Frühlingsbraut
Logen
Sestine

Bilder aus der Heimat

Heimische Berge! altehrwürdige Brüder!
Stille Schirmer des lieben Vaterlandes
Die im blauen Kranze mit heil'ger Ruh' die
                                           Heimat umarmen;

Grüßt ich euch nicht mit ernsten Flammenblicken
Wenn das leuchtende Aug' mit Stolz emporsah
Nach dem sanft umschleierten Scheitel, und die
                                           Seele hinaufzog!

Aber, ich bin euch fern, und ewig formlos
Dehnt die Eb'ne sich hin in leeren Räumen!
Nimmer schaut das Aug begeistert zu euch hin
                                           Heimische Berge!

Heimische Quelle, meiner Blumen Freundin!
Die du segnend den Bord mit sanften Taue
Tränkest, und in langsamer Flucht der Blumen
                                           Liebe belauschest;

Grüßt' ich dich nicht mit liebesfrohem Herzen,
Wenn du murmelnd dahinzogst, und bei
Dem Gesang des liebenden Vogels immer
                                           Leiser du flossest!

Aber ich bin dir fern — des wilden Stromes
Ewig Tosen erschallt im fremden Lande;
Keine Freudentränen vermähl' ich dir mehr
                                           Heimische Quelle!

Heimischer Himmel, blaue Regionen!
Sanft durchhalltes Gefild von Lerchenstimmen,
Schön wenn dich Aurora verklärte und das
                                           Glühen des Abends;

Grüßt' ich dich nicht mit heiligen frommen Schweigen,
Wenn Selene dein Reich durchzog in stiller
Feier, und ihr Antlitz mit stummen Blitzen
                                           Welten verklärte!

Aber ich bin dir fern — des Winters Nebel
Brüten schwer über mir und bange Ahnung
Drückt das Herz, und nimmer erhebst den Geist, du
                                           Heimischer Himmel!

Heimische Fluren! Zeugen meiner Liebe!
Lieblingsplätze der unbefangnen Jugend,
Die ihr oft den Sänger empfingt in eure
                                           Heiligen Räume;

Grüßt' ich euch nicht mit frommen Liedertönen,
Wenn der liebliche Mai und eures Sommers
Abendrot und freundlich des Herbstes bunte
                                           Wälder euch schmückten.

Aber ich bin euch fern, — der grause Winter
Und das tosende Leben ringsum übertönet
Meine Laute; trauernd nur denk' ich euer
                                           Heimische Fluren!

Heimisches Fühlen! kindlich süßes Ahnen
Tränenlockende Stimme zarter Wehmut,
Stille Sehnsucht nach der Umarmung eines
                                           Liebenden Herzens!

Zogst du hinaus in liebeleerer Fremde
Aus der sehnenden Brust und kehrst nicht wieder!
Find ich nie dich, selbst in der Brust nie wieder!
                                           Liebliche Heimat!

Weinend verstummt das Herz! — ich seh euch Berge
Nimmer! heimischer Himmel dich nicht und Quelle,
Bebend schweigt die Leier — sie singt dich nimmer
                                           Heimisches Fühlen!

Die Götter der Vorwelt

                       
Nehmt die Gottheit auf in euren Willen
                              Und sie steigt von ihrem Weltenthron!
                                                                    Schiller.


Als sie noch auf dem Olympos thronten
Nahe bei den Menschenkindern wohnten
Sie, die Götter, aus Homeros Sang,
Vater Zeus der Götter Sinn geleitet
Ruhe durch die ganze Welt verbreitet,
Wenn die Aegis durch den Himmel klang,
Damals schien der Mensch es zu gewahren,
Göttern dürf' er nahn sich ohne Grau'n,
Daß die Menschen göttlicher noch waren,
Ließ sie menschlicher die Götter schau'n.

Was sie damals als das Höchste kannten,
Und wofür sie tatenfroh entbrannten,
Stellte sie dem höchsten Wesen gleich,
Wie an Troja's wundgestürm'ten Wällen
So daheim im Kreis geliebter Seelen,
Waren sie an Göttersinne reich.
Weil sie rangen göttlich sich zu zeigen,
Ungebeugt im Schicksalssturm zu steh'n,
Durfte Jupiter vom Himmel steigen
Saß zu Tische mit den Sterblichen.

Wer wohl wird der Fabel Sinn nicht deuten
Die in den verklung'nen Götterzeiten
Menschen oft im Bund mit Göttern zeigt?
Wenn der Held, der Ilion beschirmte
Ob Achill auch seine Leichen türmte,
Eins mit Mars der Griechen Scharen beugt?
Mit Latonas hellumlockten Sohne
Wandert Pindar durch den heil'gen Hain;
Jungfrau'n mit der Unschuld Lilienkrone
Weiht Diana zu den Nymphen ein.

Ja, dem Weisen, dem vor seiner Seele
Aufgegangen war der Wahrheit Helle,
War sie rein die alte Götterwelt.
Stolz, der Fabel höhern Sinn zu fassen
Mußt er wohl dem Volk die Fabel lassen
Das an ihr mehr, als der Wahrheit hält.
Seine Götter sah er ohne Hüllen,
Dachte, wirkte wie der Götter Sohn;
Nahm die Gottheit auf in seinen Willen,
Und sie stieg von ihrem Weltenthron.

Die Alpe
An G.

Wie du ragst, du Riesenalpe,
Starr und schön hinauf zum Himmel
Aus dem dumpfen Weltgetümmel
Aufträgst in die rein're Zone,
Die kristall'ne Königskrone!
— Ach der öden Majestät!
König! der auf einem Throne,
Weil er König, — einsam steht!
Diese hohe Felsenmassen
Kann kein' Sterblicher erfassen;
Unerreichbar — abgeschieden
Stehst du schöne Riesenalpe,
Allzuhoch dem Wandernsmüden,
Der nach deinem Gipfel ringt.

Sieh den Hügel grün bewachsen
Dort in jener Niederung;
Menschen siehst du fröhlich treiben,
Auf der kleinen Höhe bleiben,
     Lustig ist dort Alt und Jung.

Ihn bespühlt die klare Welle,
Plaudert ihm was Liebes vor;
Und an jeder grünen Stelle
Schießen Blümlein wild hervor.
Mädchen pflücken seine Blumen,
Kinder hüpfen auf und ab;
Einsam bleibt erst dann der Hügel,
Geht sein Schmuck im Herbst zu Grab.

Wie — so einsam, Riesenalpe!
Menschen nicht an deinem Herzen?
Wie ein starres Bild der Schmerzen
Ragst du in die stumme Nacht,
Angestaunt in deiner Größe —
Unerreichbar — ach — der Liebe,
Wenn sie's auch zum Gipfel triebe.
Schaust du über Wolken gleich,
Tritt dein Fuß der Erde Reich! —

Aber sieh, der Tag bricht an!
Tal und Hügel noch im Dunkeln
Bleicher schon die Sterne funkeln,
Heilig Licht aus fremder Zone
Rötet die kristall'ne Krone
     Und verklärt dein hohes Haupt.

Und der Himmel selber weinet
Seine Wolken dir ans' Herz.
Nimmer schaust du erdenwärts;
Und du fühlst in jeder Frühe,
Daß der Lichtkranz ew'ger Rosen
Stets zuerst dein Haupt umblühe!
Riesenalpe! — Kußgerötet!
Ach! vom Kuß des Sonnengottes —
Hat dich gleich sein Kuß getötet,
Ist dein Tod ein süßes Schweben
Wohl in ein unsterblich Leben.

Des Malers Nacht

                  
Wer es glaubt, dem ist das Heil'ge nah.
                                                              Schiller


Überm Wald hängt schwere Nacht;
Und ein ewig Sturmessausen,
Wildverworrnes Blätterbrausen,
Geht durch ihn mit wilder Macht.
Wo des Waldstroms finst're Welle
Schäumend an die Felsen treibt,
Und in wilder Zornesbrandung,
Donnernd in die Tiefe stäubt;
Da in Sinnen tief verloren
Stand der finst're Maler Kurt,
Sah' hinab, wo dumpfverworren
Die gestürzte Welle murrt.
Auf den blassen, schönen Zügen
Schien ein heil'ger Schmerz zu liegen,
Und die dunklen Augen ruhten
Starr auf den gebrochnen Fluten
"Flut! was zieht dich so hinunter? —
Herz! was zieht dich so hinauf? —
Welle folgt dem dunklem Drange, —
Herz zehrt sich in Sehnen auf.
Wasser, wollt nicht schläfrig rinnen
Durch der Wiesen grünen Schoß,
Müsset grollen, schäumen, donnern,
Nur im Todessturze groß.

Seele, willst nicht feige liegen
An des frohen Lebens Brust,
Sehnst dich mit dem Stoff zu ringen
Ewig wechselnd Qual und Lust." —

Also in des Waldstroms Brausen
Rufet Kurt die Worte hin.
Doch der Wald will ewig sausen
Und die Welle Nebel sprühn. —
Abwärts lenket er nun die Schritte
In des finstern Waldes Mitte,
Und es weicht das wilde Grausen
Nun im warmen Frühlingsbrausen.
Weiche, süße Blumendüfte
Hauchen die beseelten Lüfte
Und des Stromes dumpfer Fall
Weichet milder Quellen Schall.
Süßes Bangen — dunkles Ahnen
Sänftiget des Malers Schmerz,
Wunderliche Klänge locken
Tief ihn in des Waldes Herz.
Wohl der Pfad wird wüst und wüster,
Dornen ritzen sein Gesicht,
Doch fühlt er sich fortgezogen,
Und ihn schreckt das Dunkel nicht.
Zauberische Lieder weinen
Durch des Waldes grüne-Nacht,
Und zu einer Felsengrotte
Hat ihn nun der Pfad gebracht:
Matter süßer Dämm'rungsschimmer
Fließet aus dem Felsenhaus,
Und des Waldes schöne Nymphe
Ruht da von dem Singen aus. —

"Waldeshort! du süße Nymphe!"
— Spricht sie nun der Maler an —
"Sag! wo bin ich? was erschau' ich?
Ist es Wahrheit? ist es Wahn?
Heilig Ahnen hebt die Brust!
Bin wir meiner kaum bewußt."

Und mit klaren, weichen Blicken
Schaut ihn nun die Nymphe an —
"Fremdling!" — spricht sie silbernleise
"Bist am Ziele deiner Reise,
Und es ist zu deinem Himmel
Dir die Pforte aufgetan."

"O so laß mich! — ruft der Maler
Von der Ahnung süß durchschauert
Nymphe komm, — und führe mich!"

"Sterblicher! noch warn' ich dich! —
Wessen auch das Ew'ge sah,
Dessen letzter Tag ist nah,
Den Erkornen ihrer Macht
Geben nie die Götter wieder
In des Lebens öde Nacht.
Laß mich! ja den Göttern eigen!
Alle Erdenwünsche schweigen —
Nur die Himmelssehnsucht wacht!"

Und sie nimmt des Malers Hand —
Und es weicht der Grotte Wand; — —
Diamant'ne Säulen tragen
Ihrer Kuppel prächt'ge Last,
Und ein zauberischer Schimmer
Blendet seine Augen fast.
Süße Wohlgerüche fließen
Durch des Tempels stille Runde —
Ferne Harfentöne küssen
Zu des Lebens letzte Wunde.
Da erschaut sein dürstend Auge
Nun der Schönheit Götterbild,
Und von seinem Blumenthrone
Lächelt es so freundlich mild.
Und er kennt in diesen Zügen
Nun der Ew'gen Angesicht,
Wie es im Verklärungsschimmer
Ihm das Herz in Sehnsucht bricht.

Und er schaut mit sel'gen Blicken
Nach der stummen Göttin hin.
Und er stirbt in dem Entzücken
Rettet nicht der Schmerz noch ihn.
Endlich aller Furcht entbunden
Stürzt er nach der Huldgestalt.

Weh' der Zauber ist verschwunden
Durch die Lüfte trägts ihn nieder,
Und er ist im Walde wieder.
Tage kamen — Tage schieden
Und es floh des Malers Frieden,
Seiner Augen frühres Feuer
Losch im sanften Tränenschleier,
Und er irrte traurig stumm
In dem alten Walde um.
Und der stillen Sehnsucht Gluten
Zehrten auf des Lebens Keim,
Und mit seligem Verbluten
Rang das arme Herz geheim —

Wieder wie in jener Nacht
Füllte sich des Mondes Scheibe,
Und der Maher einsam wacht.
Die erloschnen Augen ruhten
Auf den Bildern seiner Hand.
Draußen zog in nächt'ger Stille
Schon der Frühling übers Land

Und ein Bild — das letztgemalte —
Hing noch an der Staffelei;
Traurig lächelnd schauts der Maler
Und ihm springt das Herz entzwei:

"Eitles Ringen! wie vermessen!
Ruft er schmerzlich lachend hin, —
Das Geschaute zu verkörpern
Das Empfundne auch zu denken,
Den Gedanken in die Form
Starrer Regel einzuschränken!
Fahre hin — du Schattenleben!
Ewig nie dem Urbild gleich! —
Augen, die ihr es gesehen
Löschet aus, und schließet euch!
Seit ihr seinen Reiz gesogen
Ist die Welt schon ausgebrannt, —
Dürre Fläche — Nacht — und Asche
Ihre Freuden — Kindertand.
Ach zurück zum Göttersaale
An der Ew'gen reine Brust
Fühl ich mir das Herz gezogen
In verderblich sel'ger Lust.
Dich Erinn'rung heil'ger Nacht
Trag ich als Vampir im Herzen,
Und es bricht in Götterschmerzen
Als ein Opfer deiner Macht.
Lös' — ich fleh's — die letzten Bande
Augen löscht im Tode aus!
Sehn' mich aus dem Erdentande
Wieder nach dem Felsenhaus."

Eh' die Nacht noch war geschieden,
Fand der Maler seinen Frieden.

Die Wellen der Liebe

               
"Und die Wellen des Gefühles steigen,
                     Und in Tränen strömt der Liebe Schmerz."


Ja, es gibt auf Erden eine Liebe,
Die das Herz mit Himmelsreizen schmückt,
Die verbrüdernd rein're Menschenseelen,
Wie ein Lichtpunkt durch das Leben zückt.
Ja, — sie ist kein Traum des jungen Herzens
Und sie ist der Ewigen Symbol;
Alles Böse muß ja da verschwinden.
Wo die Liebe Wurzel fassen soll.

Wag' es Niemand, dem die ew'gen Mächte
Ein erhaben fühlend Herz geschenkt,
Über Liebe sich emporzuflügeln
Über sie, die keine Macht beschränkt!
Wähnst, du könntest in den Schlaf sie singen,
Sie entseelen mit des Geistes Blitz?
Armer! in geheimer Stille gründet
Liebe fester nur den ew'gen Sitz.

Willst zurück du ihre Blüte zwingen,
Die da strebt ans Tageslicht hinaus.
Breitet sie die tausenfachen Wurzeln,
Nun allmächtig in dem Herzen aus.
Glühender an inn'rer Kraft geworden
Klammert sie sich brünstig an das Herz,
Daß die Wellen des Gefühles steigen,
Und in Tränen strömt der Liebe Schmerz.

Die Frühlingsbraut

                
"Die Rose liebt Licht und kosende Luft,
                 Und haucht in den Sturm den reichsten Duft."

Was spreitest die Schwingen du, Königsaar?
Was glüht dein Auge so sonnenklar?
Wohin gewandt ist's vom hohen Horst,
Der weit überragt der Berge Forst?

"Ich spreite die Schwingen und schlage die Luft,
Was kümmert den Aar die Waldesgruft?
Hinunter zieht mich die Erde nicht.
Der Adler buhlet um Sonnenlicht."

Und die Fittige klingen, der Aar fleugt auf,
Zum Sonnenlicht trägt er sein Herz hinauf.
Ob ihre Strahlen auch tötend glüh'n —
Zur Sonne — zur Sonne fleugt er hin. —

Was flatterst du auf ins helle Blau
Du kleine Lerche der Früblingsau?
Wohin wohl trägst du dein frommes Lied,
Das aus der Brust dir so rastlos flieht?

"Ich prüfe die Schwingen und segle hinan.
Und über die Wolken geht meine Bahn,
Die Erde ist meine Heimat nicht,
Ich sehne mich nach reinerem Licht."

Auf kleinen Flügeln so zagend, so kühn
Erhebt sie ihr Herz zur Königin;
Wohl schwindet die Kraft und wie's Herz ihr bricht,
Entflattert ihr Lied zum Sonnenlicht.

Was greifst du so rasch in der Saiten Gold,
Du Sänger der Liebe, dem Liebe nie hold?
Was flüstern die Töne jetzt heimlich und traut,
Verwandt jetzt der nächtigen Sturmesbraut?

"Ich greif in die Saiten mit Ungeduld
Ich buhle um einer Rose Huld.
Die Rose liebt Licht und kosende, Luft
Und haucht in den Sturm den reichsten Duft.

Gehoben ist mir das Herz so kühn!
O liebe mich, blühende Träumerin!
Ich fühle des Adlers unendliche Glut,
Ich habe der Lerche kindlichen Mut.

Ich werbe um dich, wie die Welle liebt,
Wenn sie den Kuß am Blümlein gibt,
Wohl weiß sie, daß sie vergeblich wirbt,
Weil sie entrafft in den Fluten stirbt.

Ich werbe um dich, wie die Welle buhlt,
Wenn sie gehoben von Ungeduld
Umarmt den Fels mit brünstigem Mut, —
Bis sie zurückstiebt in ihre Flut.

Ich werbe um dich wie das Lüftchen wirbt,
Das in dem Busen der Rose stirbt.
Nicht kehrt es heim mit dem süßen Raub,
Sein Grab ist der Rose Blumenstaub.

Ich werbe um dich, wie der Sturmwind freit,
Umsaust er die Eiche im Liebesstreit
Und wankt auch in seiner Umarmung sie —
In's Herz der Eiche doch dringt er nie.

Ich werbe um dich, wie die Waise liebt,
Der die Fremde nicht Liebe der Mutter gibt,
Sie klammert sich an, mit feuchtem Blick,
Bringt keinen Kuß der Liebe zurück.

Ich werbe um dich wie der Jüngling freit,
Der entflammt von der Liebe Unendlichkeit
An's Herz preßt stürmisch die zürnende Maid,
Bis ihm ihr Auge die Flucht gebeut. —

Logen
Poetische Gemälde-Galerie

                       I. Seebild

Wild übers Meer wälzt sich die Wolkennacht,
Und wütend der Sturm wie der Teufel lacht;
Der Himmel stöhnt auf unter Feuerwunden —
Und Bellen schallt wie von zahllosen Hunden.

Zu Füßen des Mastbaums mit blassem Gesicht
Lieb Röschen weinend zusammenbricht;
Sie drückt das Gesicht in der Mutter Schoß —
Der Sturm löst die blonden Locken los.

Lieb' Mutterauge starrt himmelan: —
Lieb' Mutterherz fleht die Götter an —
"Ihr furchtbaren Herrscher in Sturm und Flut!
O, bergt mir mein einziges liebstes Gut!"

Die Wolken verstürmen — der Mond bricht hervor
Und sanfter klingen die Wellen im Chor! —
Lieb' Röschen ist bei den Göttern geborgen —
Im Mutterschoße ruht tot sie am Morgen.

                       II. Seebild

Die Sonne sinkt hinab ins Meer —
Die Wellen blühen so rosig und hehr;
Und auf der unendlichen stillen Flut
Der unermeßliche Himmel ruht.

Da ist kein Ufer erreichbar dem Blick —
Das Land trat in ewigen Fernen zurück.
Und selber des Meeres weit fliehender Saum
Verrinnt in den Himmel, bemerkbar kaum.

Am Strande sitzt die nordische Maid
Verloren in Sehnsucht und Herzeleid;
Will das Schiff mit freiem Auge entdecken,
Das heim soll bringen den flüchtigen Recken.

Alswitha! du starke, nordische Maid!
Verlier am Strande nicht länger die Zeit!
Im Süden — bei nächtlichen Liebeleben
Hat Wingolf Alswitha längst aufgegeben.

                       III. Seebild

Bei stummer Nacht auf schwarzen Wogen
Kommt durch die Flut ein Schiff gezogen —
Auf dem Verdeck' steh'n geharnischte Ritter
Sie ziehen wohl aus zum Schlachtgewitter.

Und als das Schiff nun vorüberschwimmt,
Man lautes Singen und Klingen vernimmt
Und ob auch der Wind durch das Tauwerk pfeift
Der Gesang mit dem Winde herüberstreift:

"Ihr Männer von Morven! des Vaterlands Macht!
Seid Feuersäulen in blutiger Schlacht!
Wenn Fingal erwacht, so prüft er das Schwert,
Obs in der Halle der Rost nicht verzehrt!"

Am Felsen hoch steht der Bardengreis,
Wild flattert sein Haar, sein Bart, schneeweiß
Die Harfe rührt er mit starker Hand —
Doch alsbald das Bild im Nebel verschwand.

                       IV. Waldbild

"Seid ermattet, schöne Donna,
Laßt euch auf den Rasen nieder!
Auch die Roße werden müder —
Lassen sie im Grase weiden!

Abgeschlossen ist der Talgrund
Vögelsang schallt laut im Grünen;
Und die Bächlein die da rinnen
Lullen Euch in süßen Schlummer."

Und das Haupt in seinem Schoße
Ruht die Donna, weiß und blühend
Und des Ritters Auge, glühend,
Weilt entzuckt auf ihren Reizen.

Und die Vöglein zirpen leiser
Und die Brünnlein fliehen schweigend
Und der Ritter sanft sich neigend
Küßt Madonnas schöne Lippen.

                        V. Waldbild

Im tiefen Walde zur nächtlichen Stunde
Da lagern Zigeuner in ihrer Runde;
Die Feuer lodern, — der Kessel dampft —
Des Hauptmanns Roß in den Boden stampft.

Am Felsen steht er in seltsamer Tracht,
Sein Auge blitzt wie die Fackel der Nacht; —
Und dennoch — ob auch verbrannt und wild
Sind seine Züge doch edel und mild.

Umlauert von Wachen auf grünem Rain
Sitzt Vater Rollos lieb Töchterlein;
Der Hauptmann versprach gegen hundert Pfund
Die Beute zu bringen dem Grafen zur Stund.

Schön Judith weint, der Häuptling schaut hin;
Hätt selber das Mädchen gern zu Gewinn. —
Da schwingt er sich plötzlich auf sein Roß,
Führts Mädchen zurück in des Vaters Schoß.

                        VI. Stadtbild

Gassen ein wälzt sich's und Gassen aus,
Zu allen Fenstern schaun Leute heraus
Die Jungens lärmen — die Weiber weinen,
Und alle sehn auf den Unglücklichen Einen.

Auf einem Armensünderkarren
Kommt er, umgeben von Wach' gefahren,
In grober Leinwand mit seiner Kette —
So geht's hinaus zur Sünderstätte.

Wild glotzt sein Aug aus den buschigen Braunen,
Daß rings die Männer und Frauen staunen, —
Wildtrotzig wirft er die Lippen auf —
Da trifft sein Blick aus ein Fenster hinauf.

Da erbleicht und schwankt der wilde Gesell —
Und sinkt in den Karren zurück zur Stell.
Und wißt ihr, wer dort am Fenster war?
Es war die Mutter, die ihn gebar!

                        VII. Stadtbild

In der langen öden Gasse
Steht des Komandanten Haus;
Nacht ist's — und der Wächter rufet
Rüstig seine Stunden aus.

Oben in den düstern Zimmern
Liegt der alte Degen krank;
Und drei ehrliche Soldaten
Halten Nachtwach' auf der Bank.

Durch die lange Gasse schreitet
Schallend ein gar hag'rer Mann;
Und der Posten, pflichtbefohlen,
Hält ihn vor dem Tore an.

Wer da? schallt es durch die Nacht hin —
Finster sagt der Mann; "Gut Freund!"
Wohl! Passiert! — Schon ist er oben —
Und das Zügenglöcklein weint.

                        VIII. Ruinenbild

Um Mitternacht im geräumigen Saal
Da sitzen die Ritter in Eisen und Stahl;
Das ist König Arthur's Tafelrund,
Wie sie bestand einst zur selben Stund!

Sie sitzen beisammen — doch reden sie nichts
Den seltsamen Gästen an Stimme gebricht's —
Sie setzen den Becher an ihre Lippen —
Und scheinen kaum am Rande zu nippen.

Ein Skalde tritt ein in langen Talar
Mit weißen wallenden Bart und Haar;
Der rührt die Harfe und singet Weisen,
Drob nicken die Ritter in Stahl und Eisen.

Da tönt es Ein Uhr vom nahen Turm —
Weg ist die Runde geführt wie im Sturm.
Nur Eulen flattern im Saale scheu —
Das Mondlicht streift im Fliehen vorbei.

                        IX. Winterbild

Tiefer Schnee liegt auf den Straßen,
Und er dröhnt vor starrer Kälte,
Und die Bäume kahl und zitternd
Strecken aus die nackten Arme.

Abend wirds — im kleinen Städtchen
Glüh'n vom Lichte schon die Fenster,
Und vom Kirchturm tönt das Ave,
Und die lieben Leute beten.

Draußen vor dem Tor noch wandert
Zu der Stadt ein Invalide,
Eingeschrumpft die alten Wangen
Und bereift den weißen Schnurrbart.

Gläsern schau'n die alten Augen
Und er kaut an altem Brote —
Und durchs Tor geht er, erfroren, —
Scheint er gleich schon fast gestorben.

                         X. Winterbild

Auf den Bergen stürmt und schneit es
Und der Wolf heult durch die Nacht
Und die Wolken gehen tiefer,
Und kein Stern am Himmel lacht.

In der düstern Försterstube
Sitzt der Jäger starr und stumm;
Und einförmig tickt die Wanduhr,
Hunde kauern rings herum.

Und der Waidmann schaut so finster,
Und ihn graust's allein zu sein;
Hat kein Weib und keinen Bruder —
Haust im Bergland ganz allein.

Und ans Fenster schleicht's mit Heulen —
Und der Wolf lugt grimm herein;
Donnernd kracht des Jägers Büchse,
Und die Fenster schmettern ein!

                        XI. Südlandsbild

Am einsamen See von Bergen umschlossen
Wie aus silberner Muschel hineingegossen,
Da steht eine Muttergotteskapelle —
Da kniet ein Pilger an heiliger Stelle.

Unendliche Wehmut liegt auf dem Gesicht —
Kennt ihr das zehrende Heimweh nicht?
Er sieht die Himmelskönigin an,
Daß sie heim ihn führe auf glücklicher Bahn.

Wohl ist es so schön im herrlichen Süden!
Doch seit er vom heimischen Norden geschieden
Hat ihm im fremden blühn'den Land
Die Glut des Heimweh's im Herzen gebrannt.

Wohl gibts nicht im Süden Gespenster und Grauen
Kann harmlos hinauf in die Bläue schauen;
Doch selbst nach Nordlands Schaudern wieder
Seh'n ich mich heim — in den Kreis meiner Brüder!

                        XII. Winterbild

Komm Schwesterlein, komm in die Arme geschwind
In den finsteren Wald hinaus!
Drin toben die Räuber und plündern das Haus
Sie würden uns töten, du armes Kind.

Die Mutter ist weit, — sie ließ uns allein
S'ist alles voll Schnee und Eis!
Weh! hörst du? sie brechen die Kammer schon ein,
Mir selber wird kalt und wird heiß.

Wo's Käuzlein im Walde sein Nest erbaut
Da steht ein Gemäuer, alt und starr,
Dort birgt sich umschlungen das kleine Paar,
Und wagt nicht zu seufzen, zu atmen laut.

Der Wintermorgen blitzt über den Schnee,
S'ist alles erstarrt und voll Eis.
Da kauern die Kleinen, so weiß wie der Schnee
Und kalt wie das kalte Eis.

                        XIII. Seebild

Fern donnert die See, — der Sturm ist los —
Dumpf brandet es auf uns der Fluten Schoß
Die Wellen steigen und rollen laut,
Und finster die Nacht aufs Gewässer schaut.

Da schiffet ein Jüngling auf leichten Kahn,
Hinaus in den stürmenden Ozean;
Der Nachen stößt an's ersehnte Land —
Die Heimat der Liebe, — so heißt das Land.

Doch sein vergaß Schön Klärchen am Strand,
Sie hat ihr Herz von dem Jüngling gewandt
Da löst er den Nachen mit bleichem Gesicht,
Und schaut den Aufruhr im Meere nicht.

Wohl donnert die See — der Sturm ist los,
Wild brandet es auf, aus der Fluten Schoß;
Da treibt ein Nachen allein ans Land,
Eine andere Heimat der Schiffer fand.

Sestine
an Heloise

Wohl bist du schön in deiner Kräfte Aufruhr,
An deinem Zorn, Natur, und deinen Stürmen;
Wenn Wetter brausen durch die Frühlingslandschaft,
Das Meer zum Himmel dränget seine Wellen,
Und donnernd jetzt des Ätna helle Gluten
Gebären rings das furchtbare Entzücken.

Doch himmlisch mild erfaßt uns das Entzücken,
Wenn du verklärst nach dem gestillten Aufruhr
Den stillen Abend deiner Frühlingslandschaft;
Wenn süß erfrischt die Luft mit reinem Wellen,
Sanft spielend kühlt der Blumen inn're Gluten,
Und Friede herrscht nach den verhallten Stürmen.

So auch mein Geist erwachtest du in Stürmen,
Und deine Kraft greift in einem Aufruhr
Empfing vom Schmerz die namenlosen Gluten.
Doch du erliegst dem furchtbaren Entzücken;
Das glüh'nde Herz ersehnt die kühlen Wellen,
Wie ihren Tau die heiße Frühlingslandschaft.

Der Keime viel in reicher Frühlingslandschaft
Sie wurden reif an unnennbaren Gluten
Manch Blumenherz schloß auf sich nur in Stürmen
Und duftet reicher im Gewitteraufruhr.
Doch eine Blume reift nur am Entzücken
Am zarten Tau, an süßen Liebeswellen.

Wohl lang genug auf unwirtbaren Wellen
Kämpf ich mit ew'ger Leidenschaften Aufruhr,
Und nur mit Schmerzen malt' ich das Entzücken.
Soll sie nur sichtbar sein in ew'gen Stürmen
Der süßen Dichtung reiche Frühlingslandschaft
Ihr Licht nur saugen aus des Blitzes Gluten?

Die ihr mein Lied entflammt, geheime Gluten,
Stets aufgejagt von ew'gen Seelenstürmen,
O wandelt euch in freundliches Entzücken,
Daß friedlich säuseln meiner Liebe Wellen
Dem Bächlein gleich durch heit're Frühlingslandschaft,
Daß Einmal schweige jener inn're Aufruhr!

Du, die zum Aufruhr reizt der Liebe Wellen,
Gewähre nach den Gluten, nach den Stürmen,
Der Frühlingslandschaft milderes Entzücken!