Phäeton
"Wohl, verbluten muß aus tausend Wunden
Erst die erdenkranke Menschlichkeit,
Eh der Geist, des Erdendrucks entbunden,
Auffliegt zur Unsterblichkeit."
An der Hand das gold'ne Spiel der Saiten,
In dem Auge ahnungsschwere Nacht,
Schauend in die nebelgrauen Weiten
Hält der Sänger seine geist'ge Wacht.
Und des Auges ewiggleiches Starren
Löst sich nun in heiße Tränen auf
Und zum Himmel, zu dem sterneklaren
Fliehet sein geflügelt Wort hinauf.
"Die du oft der Seele Ruf vernommen,
Wenn sie in der sternelosen Nacht
Dich gesucht, von Zweifeln schwer beklommen
Höre jetzt mich, tiefverhüllte Macht!
Wie in ewig trauriger Verbannung
Irrt der Geist in engbegrenzter Haft,
Trägt in sich der frühern Heimat Ahnung
Und die hingebrochne Götterkraft.
Ewig flieht mir in dem Erdentale
Hin der süßen Lebensfreuden Dank;
Und die Sehnsucht nach dem Ideale
Macht die sterblich morsche Hülle krank
Flügel diesem unruhheißen Sehnen!
Flügel gib mir ewig hehre Macht!
Aufzuschweben aus dem Tal der Tränen,
Aus der langen Erdenmacht! —
Sende denn, o sende mir ein Zeichen
Daß der Geist göttlicher Natur,
Hergebannt aus jenen Sternenreichen
In die finst're tote Weltenflur.
Jene Kraft verleih' mir, jene Fülle,
Die der göttlich stolze Mut verlangt!
Und des Liedes Göttlichkeit enthülle
Mir den Traum von jenem Heimatland!"
Und vernehmlich klingts im Sturmeswehen
"Unglückseliger! was forderst Du?
Willst du deinen Untergang erflehen?
Weh! dein Wunsch führt dich dem Orkus zu
War dir nicht der Götterabkunft Ahnung
Bürge schon der göttlichen Natur?
O! der Wahrheit feuerhelle Mahnung
Blendet deine ird'schen Augen nur.
Denn des Erdgebornen Kraft erreichet
Nimmermehr den stolzen feur'gen Mut
Und die Glut, die Himmelsflammen gleichet
Ist des Phönix heil'ge Todesglut.
Wohl verbluten muß aus tausend Wunden
Erst die erdenkranke Menschlichkeit,
Eh' der Geist, des Erdendrucks entbunden
Auffliegt zur Unsterblichkeit."
Und es schwieg, und aus des Sängers Blicken
Zuckt es wie ein stolzer Freudenblitz,
Und durchschauert wie vom Sturms-Enzücken
Schaut er selig auf zum Göttersitz
Seines Wunsches selige Gewährung
Zittert froh in allen Nerven nach;
Nur die ersten Worte der Erhörung,
Nicht der Warnung sind im Geiste wach.
In die Saiten greift mit Hast der Sänger
Mit des Liedes heil'ger Wollust ein
Rastlos folgend seinem inn'ren Dränger,
Wahrheit soll nur seine Dichtung sein.
Zephir leicht, halb lockend, halb entfliehend,
Winkt der Liebe göttliche Gestalt;
Und vor Sehnsucht nach der Göttin glühend
Wird zum Lied die magische Gewalt.
Unerreichbar mit dem luftgewebten
Geisterherzen schwebt die Liebe fort
Und des Sängers heiße Tränen bebten
Und zur Wahrheit wird das Geisterwort.
Immer aufwärts nach des Lichtes Räumen,
Rang der Geist nach des Olympos Höhn;
Doch das Herz begann in diesen Träumen
Schwindelnd in der Höhe zu vergehn!
Und des Sängers Augen wollten brechen,
Aufzulösen schien sich die Natur,
Gleich, als wollte sie im Tode rächen
Den an ihr gebrochnen Schwur. —
Sieh — da flammt vom hohen Göttersitze
Jäh hervor der todesschwang're Strahl,
Und das Herz entseelt von diesem Blitze
Liegt nun ruhig unter'm Totenmal. —
Also einst in Hellas schönen Fluren
Fand den Tod der kühne Phäethon,
Da er kämpfend mit den zwei Naturen
Brünstig flehte zu Hyperion.
Gottbegeistert, zu den Sternenlanden
Trägt ihn auf des Gottes Viergespann,
Doch da bricht die Kraft dem Staubverwandten,
Tot entstürzt er aus des Himmels Bahn.
Die seligen Augenblicke
An M.
Steig zum Himmel, trunkne Seele!
Im Frohlocken stirb mein Herz!
Auf den Flügeln ew'ger Freude —
Ach — entflieh dem starren Schmerz.
Heimatlüfte — blaue Wellen
Fluten an die kranke Brust;
Ihre liebewunden Stellen
Küsset zu der Liebe Lust.
Und der blaue, reine Äther
Senkt sich heut mit seinem Frieden
Tief ins Herz des Schmerzensmüden.
Und d'rin tönts so süß und klar:
Gleich dem fernen Abendläuten,
Gleich dem Klingen heller Saiten,
Und wie Vögelsang der Frühe;
Wie das Plätschern lust'ger Brunnen
Wie der grünen Zweige Flüstern —
Und jetzt wird es laut und lauter
Wie das Rauschen in den Wäldern,
Brausen in den Ährenfeldern,
Und wie Sturm durch Lilienbeeten
Süß und schaurig, wie auf Heiden
Elfen ziehn zu nächt'gen Freuden.
Wunderlich und fremd und prächtig
Wie der Meereswogen Donner —
Und aus all' dem Wonnebangen
Ringt das süße Kind: "Verlangen"
Sich an deine Seele hin;
Streckt die Händlein dir entgegen,
Sich dir an die Brust zu legen.
Und du hörst es leise weinen,
Weinen, wie die Engel weinen,
Ohne Schmerz die hellen Tränen,
Perlen, wie sie in der Auster,
Nur gebiert das tiefste Sehnen,
Perlen, deine Stirn zu schmücken,
Namenlos geliebtes Weib!
Zartes Epheu! süße Pflanze,
Ranktest dich um deine Ulme,
Schlangst in deinem grünen Kranze
Immer aufwärts dich mit Zagen,
Bis du deine letzten Zweiglein
Um des Baumes Herz geschlagen.
Hast den grünen Liebesknoten
Nun in Sehnsucht festgeschlungen —
Unzertrennlich — unbezwungen,
Und im Sturm und Frieden sein.
Sei willkommen, Liebesreife!
Sei gegrüßt denn, süße Blume!
Neige dein geliebtes Haupt,
Das der Tau hernieder träufle,
Schüttle sanft der Sehnsucht letzte —
Liebe Schmerzensträne ab.
Der Liebe Fluch und Segen
Komme wieder, alte Flammenliebe!
Dunkles Drängen! sehnsuchtsheiße Triebe!
Graunverwandte, ernste Götterlust
Komm in deiner zaub'rischen Begleitung
Hier mein Herz! —ich weih' es deiner Leitung!
Halte Einzug in der Brust!
Was du seist — das ich so wild ersehne,
Abgott meiner glüh'ndsten Jugendträne!
Unerbittlich tief-verhüllte Macht!
Ob der ew'ge Himmel deine Wiege,
Ob der Wahnsinn mit der schönsten Lüge
Dich gezeugt in lebensfeinder Nacht; —
Komm, erschein' in deiner Zauberhelle,
Daß des Blutes schläfrig müde Welle
Wieder flammend zucke durch das Herz!
Rüttle auf die schlafversunk'nen Geister —
Die Gedanken suchen ihren Meister —
Ihren starren Zwingherrn Schmerz.
Füll' sie aus des Abgrunds schwarze Leere!
Gib dem wilden, uferlosen Meere,
Gib der Sehnsucht ein bezwingend Band;
Doch das ist der Götter Fluch und Segen,
Daß der Drang sich muß im Herzen regen,
Und das Ziel auf ewig fern gebannt.
Gleich dem Kinde, dessen blöde Tränen
Arme Spiele, Flitterwerk versöhnen —
Leicht gestillet ist das Menschenherz.
Gib ihm seiner armen Sehnsucht Bilder —
Und sein Blut schlägt schon im Pulse milder —
Vor dem Glück der Liebe flieht der Schmerz.
Aber dessen Schifflein liegt geborgen
Mit den kleinen Freuden, kleinen Sorgen,
Sehnt sich nicht mehr in die weite Flut.
Für ihn ist das Leben abgeschlossen, —
Das einst feurig durch sein Herz geflossen,
Rinnet matt — des Lebens Blut.
Nicht so leicht mit milder Lust zu letzen,
Längst verfallen strengeren Gesetzen,
Ist des Sängers Herz — sein Geist.
Um der stummen Ewigkeit zu reifen,
Muß er nach versagten Gütern greifen,
Bis er seinen Banden sich entreißt.
Die der Freuden süße sie verleihet,
Die das Herz zum heil'gen Frieden weihet,
Die die wild'ste Kraft zu sänft'gen weiß,
Sie, die Liebe wird in seinem Herzen
Nur der Dämon seiner Flammenschmerzen,
Ihre Küsse brennen wundenheiß.
Was das Auge still gesucht im Weinen,
Die das Herz erwählte zu den Seinen,
Friede, den es selber nie gefühlt;
All' das Sehnen, all' das dunkle Ahnen,
All' sein Lieben, und der Lieder Mahnen,
Warum ists nur fern in Reiz gehüllt?
Wie die Alpen in dem Abendlichte,
Ferne glüh'n wie göttliche Gesichte,
Wenn Hyperion sie scheidend küßt.
Also scheinen meines Glückes Sterne
Lieblicher in unerreichter Ferne
Heiliger, wenn drob die Träne fließt.
Wesen, die im Fabellande wohnen,
Legen ab des ew'gen Reizes Kronen,
Zwing' ich sie zum ird'schen Herd herab!
All' ihr Zauber ist hinweggeschwunden,
Wunderbar der Grazie entbunden
Spiegeln sie das Ewige nicht ab.
Darum komm' — ich fleh's mit glüh'nden Tränen —
Sturmvertrautes — unerfüllbar Sehnen
Liebe! — wenn der Name mich nicht trügt!
Komm und leuchte mit der Glut des Schmerzens
In den Abgrund meines Herzens,
Wo des Geistes tote Fülle liegt.
Fahret wohl, ihr Freuden! stiller Friede!
Denn ich bin des matten Lebens müde —
Leicht entrat ichs um den höhern Preis.
Nimm das Herz zum Opfer — mag es bluten!
Mag es sich verzehren in den Gluten!
Wenn ich reich die stolze Seele weiß.
Frühlings-Mitternacht
Still ruht das Tal!
Die Welt hängt sanft am weichen Kuße der Nacht!
Und leise pocht das Herz der Mutter Natur.
Ein heilig Schweigen liegt auf Hain und Flur,
Und um das All
Schlingt seine dunklen Arme das Gebirge.
Die Welle schleicht verhallend hinab am Uferrand,
Und blitzt — und verschwindet und glüht wie Feuer.
Die Blüte schläft.
Und im Schlafe fährt sie träumend empor,
Und nickt mit geschlossenem Aug',
Wenn die weiche Luft leise die Schläferin küßt.
Der Liebe Vogel girrt das langgezog'ne, weiche,
Wollustatmende Lied in Nacht und Hain —
Und klagt und weint und haucht den Liebesodem
Langsam — sinnelösend — verhallend aus.
Laßt mich vergehn?
In meinem Entzücken vergehn!
Jetzt faß' ich den ewigen Geist!
Flügle mich, Mainacht, zu Ihm!
Frühlingszauber
Brich auf mein Herz! erschließ dich Liebesblume!
Erwach' auch du vom Winterschlaf, mein Lied!
Weih' wieder ein das Herz zum Heiligtume,
Wo noch die alte, heil'ge Flamme glüht.
Du sonn'st dich wieder an dem stillen Ruhme,
Am Kranze, der in heil'gen Nächten blüht.
Und Mädchen, Blumen, Lüfte, Mai und Lieder,
Sie legen froh ans alte Herz sich wieder.
Geh nur zu Grab, erloschner Greis; was wollen
Die morschen Knochen, und der tote Blick?
Dein Reich ist aus — und dein ohnmächtig Grollen
Verkümmert nicht mehr unser junges Glück.
Stirb Winter; stirb, vergessen und verschollen!
Der junge Lenz bringt milderes Geschick.
Stirb morscher Greis, gib die Gefang'nen wieder
Die Blümlein, Vögel, Quellen, Lüfte, Lieder.
O säume nicht, gib uns den Blumensegen,
Geliebter Lenz in erster Liebesnacht,
Wo sich die Bäume wunderlieblich regen,
Und jeder Zweig ein Blütenkind gebracht.
Die Morgenluft stürzt zitternd mir entgegen
Und legt sich schmeichelnd an das Herz und lacht.
Das aber regt sich wunderlich beklommen,
Als wollt' auch da ein ew'ger Frühling kommen.
Ja, müdes Herz, auch du wirst nun genesen,
Der Frühling auch wird Arzt und Helfer sein.
Und ist der Winter stürmisch auch gewesen,
Der Frühlingshimmel wird ja blau und rein.
Ich hab' es in den Sternen einst gelesen,
Und damals noch war ja der Glaube mein!
So hoff' ich, wie ich glühend sie ersehne,
Vergeltung für die schwerste Jugendträne.
Du reizende Gefährtin meiner Tage,
Der Götter Mild' und ihres Zornes Kind,
Du süßer Grund von meines Liedes Klage
Durch Lust verletzt, und nur durch Schmerz gesühnt.
Du Liebe — leg' auf deine ernste Waage,
Der Freuden Teil auch, eh' mein Lenz verrinnt.
Des Tau's genug empfing der Liebe Blume,
Des Gottes Strahl noch nicht im Heiligtume.
Darum, wenn je im seligen Erkennen
Marie, dein Herz in Liebe zu mir schwoll,
Umschlinge mich, um nie dich mehr zu trennen,
Und hänge fest an mir, und liebevoll.
Du siehst sie ja in meinen Blicken brennen
Die Liebe, die durch deine leben soll.
O wag' es mein zu sein, geliebt vor Allen,
Bist meinem Stern, und seinem Glück verfallen.
Laß dich's nicht irren, wenn mein Herz im Zorne
Der süßen Welt der Liebe oft vergißt,
Es ist mein Fluch, daß nur verletzt vom Dorne,
Das Herz die volle Rose, an sich schließt.
Es ist mein Fluch, daß nur das Langverlorne
Des Schmerzens willen, mir so heilig ist:
Drum wag' es Mädchen, — willst du mich umfangen,
Zu drücken in dein Herz der Liebe Bangen.
So komm und sink im seligen Ermatten,
An meine sehnsuchtwarme treue Brust!
Es wird das Herz dir alles ja verraten,
Behorchen kannst du jedes Leid und Lust.
Kannst Aufschluß haben, über jene Schatten,
Die ein- und auszieh'n — allen unbewußt.
Kannst das geheimste Räderwerk belauschen,
Hörst selbst den heil'gen Lebensbronnen rauschen.
Komm — und sei mein! und mit dem warmen Lenze
Zieht auch der Geist des Liedes wieder ein!
Der Charitinen seelenvolle Tänze,
Der Musen Spiel wird wieder mich erfreun.
Frisch blühen wieder die vergeß'nen Kränze,
Und alte Lieder tönt der heil'ge Hain! —
Und Mädchen, Blumen, Lüfte, Flut und Lieder
Sie legen froh ans alte Herz sich wieder.
Waidmann und Schiffer
Fremde, nie verstandene Entzücken
Schaudern mich aus jenen Welten an.
Schiller.
1.
Auf der Alpe, hochgehoben,
Sitzt der Jäger ernst und stumm;
Unter ihm des Wildbachs Toben,
Über ihm der Sternendom.
Auf die Büchse hingelehnet
Starrt er in die Berge hin —
Und sein dunkles Auge lodert,
Und sein Herz schlägt wild und kühn.
Sein Gewand trägt manche Lücken,
Wundgeritzt ist Fuß und Arm;
Doch den Waidmann kann's nicht drücken,
Rinnt das Blut auch herzenswarm.
Sennerin kommt hergegangen,
Grüßt den Waidmann freundlich mild,
Streichelt kosend seine Wangen,
Hat ihm bald das Blut gestillt.
"Wilder Jäger! unstet, flüchtig,
Kannst nicht lassen die Gefahr! —
Immer wandern — jagen — töten —
Und dein Auge wird nie klar.
Immer durch die Wälder streifen,
Steigen in die finst're Schlucht —
Seh' dein Aug auf Gletschern schweifen,
Wo es fremde Blümchen sucht.
Willst nicht heim zur stillen Klause,
Hirtlich in der Alpen Flur! —
Friede winkt dir nur zu Hause,
In Alswithas Auge nur!"
""Weib! o laß — o laß mich jagen,
Streifen durch des Forstes Grauen,
Schweifen, wo die Gletscher ragen,
Fremde Blümlein dort zu schauen.
Fassest nicht das wilde Sehnen,
Nicht das Drängen meiner Brust;
Nicht, warum die Augen brennen,
Fremde Qual ist's — Fremde Lust!
Finst're Wälder — tiefe Schluchten
Sind nicht einsam, bin dort gern;
Geister such' ich, die mich suchten
Ihren Sklaven — ihren Herrn. —
Blümlein auf der Gletscher Kronen
Plaudern ihr Geheimnis aus;
Und die klaren Alpenbronnen
Locken in's kristall'ne Haus.
Wenn das Rot erblüht im Osten,
Wenn's vom Kelch des Abends fließt,
Muß ich seine Strahlen kosten,
Die dein liebend Aug' vermißt
Auch die Nacht gehört den Geistern,
Nur dem Herzen bleibt sie stumm;
Nacht und Abgrund — Licht — und Höhe
Bleiben Wen'ger Heiligtum!"" —
Auf Alswithas Wangen rinnen
Perlen stiller Liebesschmerzen;
Und ihr Herz an Waidmanns Herzen
Weinet fort im trüben Sinnen. —
"Will mit dir zieh'n! wilder Jäger!
Dünkt's dir heimisch nicht allhier! —
Wandern — jagen — wachen — suchen
Blümlein holen auch mit dir.
Will die frommen Tierlein lassen
Auf der Weide ganz allein —
Kann ich dich — nur dich umfassen —
Wirds mir übrall heimisch sein!"
Waidmanns Aug' schwillt auf von Tränen
Und die Büchse kollert hin
"Weib, nimm hin mein wildes Sehnen!
Liebe — bleibt doch Siegerin.
Will nicht fürder rastlos jagen,
Fern sein immer Tag und Nacht;
Fahre wohl du wildes Wagen —
Mich besiegt hat — Liebesmacht."
Waidmann geht nun froh zur Klause,
Ruht an warmer Liebesbrust;
Und er wird im stillen Leben
Süßen Friedens sich bewußt;
Steigt nicht wieder in die Schluchten,
Treibt mit Geistern nicht Verkehr,
In dem Wald' dem lichtverfluchten,
Sieht ihn keine Dämm'rung mehr;
Jagt wie lust'ge Jäger jagen,
Heimisch an dem kleinen Herd. —
"Liebeskuß nur kannst du tragen, —
Doch der Geisterkuß — verzehrt!"
2.
An dem Ufer, weit hinschauend
In die unermeß'ne See,
Sitzt der Schiffer, ernst und einsam,
In der Brust der Sehnsucht Weh! —
Schäumend schlägt die weiße Brandung
An die Küste seiner Landung,
Und der Sturmwind orgelt wild,
Übers weite Meergefild.
Halbzerschlagen schwankt die Barke
Auf den Wellen auf und ab;
Finstertrotzig schaut der Starke
In das wüste Wogengrab.
Fischermädchen kommt gegangen, —
Ängstlich liebend koset sie
Ihres Fährmanns braune Wangen —
Doch es trifft sein Blick sie nie.
"Wilder Segler! — s' will mich dünken,
Deine Braut sei wohl die See?
Jetta mag am Strande winken —
Kümmerst dich nicht um ihr Weh.
Fischerhäuschen ist so wohnlich;
Dennoch kehrst du nicht mehr ein;
Willst bei deiner ungetreuen,
Tückisch stillen Meerfrau sein.
Wohl ist dir selbst, zürnt sie bitter,
Ruft sie furchtbar das Gewitter
Über dein geliebtes Haupt;
Hörst nicht mehr mein stilles Weinen,
Ich verließ um dich die Meinen,
Hast mein Herz dir wild geraubt,
Einsam bleib' ich stets am Strande,
Dich empfängt die weite See;
Treibt's dich auch manchmal zum Lande,
Rührt dich nicht mein stummes Weh.
""Weib! o laß mich — kanns nicht ändern,
Meine Heimat ist die See! —
S'treibt mich fort zu fremden Ländern —
Kann nicht hören auf dein Weh.
Meeresschauer — Wogenrauschen
Haben mich verlockt von dir;
Süß ist's seiner Stimmen lauschen,
Geisterstimmen sind sie mir.
Inseln tauchen auf und nieder,
Ziehen meine Barke hin;
Und ich kehr euch eh' nicht wieder,
Bis ich Herr der Inseln bin.
Wie ein Freund aus Geisterscharen
Dünkt der Sturm mir, der da braust;
Wie ein Brautbett mir die Woge,
Die vor mir hinunter graust.
Nixen flüstern ihre Lieder
Auf der nächt'gen Fahrt mir zu,
Tauchen auf, und tauchen nieder,
Singen's Meer zur süßen Ruh,
Heimisch bin ich auf den Wogen,
Heimisch, glüh'n sie purpurrot;
Kommt der Möwen Schwarm geflogen
Heimisch, auch in Sturm und Tod;
Den Verlockten ruft dein Weinen
Nimmermehr in's Fischerhaus! —
Meer! du zählst mich zu den Deinen!
Aus dem Festland zog ich aus!"" —
Jetta starret blaß und traurig
In die finst're See hinaus,
Und die Möwen schrillen schaurig,
Und die Sterne löschen aus.
"Laß mich heim — ich kann nicht schauen
Ungetreuer! deine Braut!"
Sie erfaßt ein fremdes Grauen,
Und erstickt der Stimme Laut.
Fährmann ist hinausgeschwommen
Auf der Barke kühn und wild,
Doch er ist nicht mehr gekommen —
Hat sein Sehnen bald gestillt. —
Sänger und
Frühlingsnächte
Tief ruht die Nacht auf Wald und Wies' und Auen,
Und leichte Nebel kriechen durch die Flur,
Geschloß'nen Aug's mit minnigen Vertrauen
Schläft an der Brust des Frühlings die Natur;
Im fernen Ost' will noch kein Morgen grauen,
Noch weilt der Mond im sternigen Azur!
S'ist alles still! — nur aus der Blumenwiege
Entfliehen leise, stille Atemzüge.
Da geht durch diese träumerische Stille
Der Geist des Frühlings gottgesendet hin,
Sein warmer Odem zittert durch die Kühle,
Und wo er hintritt muß ein Leben blühn;
Er löst mit Ehrfurcht seiner Braut die Hülle,
Schlingt in die Arme seine Schläferin.
Sie fühlt den Liebeskuß auf ihrem Munde,
Und süßbesiegend naht die Schäferstunde.
Und wie die Braut im seligen Vergehen
Dem Geist des Frühlings in die Arme sinkt,
Und süßberauscht von seines Atems Wehen
Der Küsse wollustreiche Flammen trinkt, —
Da regt sichs rings — ein heilig Auferstehen,
Da Lebenskraft durch alle Keime dringt;
Und heilig zuckts durch tausend Blumenherzen —
Sie brechen auf in sel'gen Liebesschmerzen.
Da kriecht ein Blütchen in die weiße Hülle,
Errötend vor der buhlerischen Luft;
Die Rose saugt in ihres Busens Fülle
Als süßen Raub von ihr den Himmelsduft;
Das Veilchen selbst in abgeschied'ner Stille
Schaut auf, verlangend, aus der kleinen Gruft;
Der unsichtbare Keim im tiefsten Grunde
Er lebt — und regt sich —liebt zu dieser Stunde.
Und wenn das Mondlicht mit verliebten Blicken
Nun manche Nacht auf Tal und Hügel floß,
Und nun der Lenz mit weinendem Entzücken
Zum letztenmal die schöne Braut umschloß;
Da will sich Alles seinem Nichts entrücken,
Und üppig drängt sich's aus der Erde Schoß.
Der Morgen dämmert über'm Paradiese,
Und Frühling ists in Wald auf Au' und Wiese!
So, wenn das Herz im göttlichen Vergehen
Dem Geist der Kunst froh in die Arme sinkt,
Und süß berauscht von seines Atems Wehen
Die Flammenküsse der Begeist'rung trinkt.
Da regt sichs tief — ein heilig Auferstehen,
Da Lebenskraft durch alle Adern dringt,
Und heilig zuckts durchs Chaos der Gedanken,
Aufdämmerts dort, wohin die Strahlen sanken.
Aus ihrer Wolke tritt das Kind der Feen,
Den goldnen Stab in lilienweißer Hand.
Hier schlingen sich die blauen Bergeshöhen
Um ein verborgnes Tal im Morgenland.
Dort badet sich die Nixe in den Seen,
Legt ihre Schleier an den Uferrand,
Da liegt die kronumglänzte Königsleiche
Dort rauscht den Freiheitssang die deutsche Eiche.
Und wenn das Herz im seligen Ermatten
Schwer atmend in den letzten Küssen glüht,
Da regt die Nacht sich von blutlosen Schatten,
Der Jungfrau'n Chor zur öden Hora zieht.
Die Glocken wimmern, und es blinkt der Spaten
Und Rosmarin die tote Brust umblüht.
Dort liegt ein Held verwundet in dem Moose —
Aufbricht am Herzen wild die blut'ge Rose. —
Und wenn nun so, den Vöglein gleich, die Lieder,
Aufflattern von der warmen Sängerbrust;
Da wirds im Herzen voller Frühling wieder,
Und neu erwacht die stolze Liederlust.
Ein Adler auch, berauscht vom Sieg der Hyder
Schießt jubelnd auf, der höhern Kraft bewußt.
Und überm Liederlenz im ew'gen Glanze
Schwebt die Unsterblichkeit mit ihrem Kranze.
Malchens Tänzer
Es schwirren die Geigen — Trompeten schallen,
Entzückte Paare vorüber wallen;
Im seligen Taumel entwirrt sich der Reigen,
Um noch verschlungener sich bald zu zeigen.
"Mein Fräulein! — unendlich reizendes Kind!
Ich lad' Euch zum Tanz — der Reigen beginnt!" —
Schön Malchen schwebt in des Tänzers Arm, —
Sie fliegen dahin — ihr Blut wird warm.
— ""Mein Tänzer fliegt wie die Gazelle leicht
Den hat noch keiner im Tanz erreicht!"" —
"Mein Fräulein — ich bitte — im innern Saal
Ruft zur Galoppe Trompetenschall!"
Sie stürmen dahin in taumelnder Lust —
Das glüh'nde Gesicht an des Tänzers Brust,
Das Herz aufschauernd im stürmischen Klopfen,
Von Stirn und Locken tauen die Tropfen.
"""Dein Tänzer fliegt wie die Gazelle leicht,
Doch hat's ihm stark das Gesicht gebleicht;
Dein Tänzer ist gar ein wilder Geselle!
Ich möchte nicht sein an deiner Stelle!
Schau' mal sein Aug', es schaut ohne Glut —
Die Wang' ist so bleich, als hätt' er kein Blut;
Die Falten so scharf im schwarzen Gewand —
Ich gäb' ihm zum Tanze nicht meine Hand."""
"Mein Fräulein! ich bitte — der Tanz beginnt!
Dich hab ich erseh'n heut, reizendes Kind!"
Schön Malchen kann ihm nicht widersteh'n, —
Muß nochmal mit ihm den Reigen geh'n! —
"""Dein Tänzer ist rasend — der wird nie müd, —
Sieh, Mädchen, wie dir die Wange glüht!
Ruh aus doch — und tanze nicht fürder so wild,
Dein Tänzer hat mich mit Grau'n erfüllt!
So tonlose Stimme hört' ich noch nicht!
Unheimlich bewegt er den Mund, wenn er spricht; —
Ach!! da ist er wieder! — o Malchen vernimm!
Und tanze nicht fürder wieder mit ihm!"""
"Mein Fräulein—ich bitte —heut seid Ihr mein!
Ich kann ohne Euch, Erwählte, nicht sein!" —
Schön Malchen kann ihm nicht widersteh'n,
Muß nochmal mit ihm den Reigen geh'n.
So schwindet die süße, verderbliche Nacht,
Im ewigen Reigen zugebracht.
Der bleiche Tänzer verläßt sie nicht,
Noch ist ja ferne das Morgenlicht.
"Mein Fräulein — ihr seht etwas blässer aus —
Bereit steht mein Wagen, — ich führ' euch nach Haus"
Er nimmt die Ermüdete stark am Arm,
Und führt sie hinaus durch den tollen Schwarm.
"He Alter! fahr rasch! eh der Morgen graut,
Muß heim sein bei mir die blasse Braut!"
Der Wagen rollt fort bis zum Friedhoftor,
Da hebt Schön Malchen ihr Haupt empor.
Der Schwarze grinst — das Mondenlicht
Schaut wunderlich auf sein Totengesicht. —
""Ach! Jesus Maria! wer seid Ihr?! Gott!!
Dumpf klappert's: "Dein Tänzer war heut — der Tod."
Fern durch die Nacht schallt Posaunenton —
Vom Sarge flattert die Jungferkron!
Dumpf kollert die kalte Erde hinab.
Und unter Musik schließt sich das Grab.
Der verwundete Hirsch
Durch den Wald in raschen Sprüngen,
Mit den Augen tränentropfend,
Mit dem Herzen, furchtbar klopfend,
Flieht der angeschoß'ne Hirsch.
Und der Pfeil steckt tief im Herzen,
Und es blutet wild die Wunde;
Ferne bellen noch die Hunde,
Und das Hüfthorn schallt im Wald.
Wenn der Pfeil wär' aus der Wunde,
Strömte nach das Schmerzensleben!
Doch er wills nicht feige geben,
Leben selber mit dem Schmerz.
Sieh, der Pfeil steckt tief im Herzen,
Tief in meiner Liebeswunde; —
Willst du, daß ich so gesunde? —
Dann ist Lieb und Leben tot.
Der Scheideweg
An *
Lebe wohl! Glück deinen Segeln!
Schiffer, der nach Osten schifft!
Mögen hold dir sein die Winde,
Stolzer Fährmann, sturmgeprüft!
Denn zu anderen Gestaden
Fliegen meine Wimpel hin;
Segle, Träumer, denn zum Osten —
Laß mich immer westwärts ziehn!
Weiß der Vogel, was ihn treibt,
Südwärts seinen Flug zu richten?
Seinen Fittig muß er spreiten
Wenn der inn're Dränger mahnt,
Nach des Südens ew'gen Weiten. —
Nach dem Norden unverwandt
Muß der Kompaß ewig schauen;
Wohnt im Norden auch das Grauen
Auch das Grau'n hat seine Lust.
Das geahnte — heißersehnte —
Das gesuchte Land wird Heimat; —
Doch des Paradieses Zauber
Fremd der eig'nen Fantasie —
Und die ungeträumte Freude —
Ach! sie wird zur Heimat nie!
Segler, der im glüh'nden Osten,
Sucht der Liebe Zauberhaine,
Und im Zauberhain den Frieden —
Fahre wohl — wir sind geschieden!
And're Fluten, and're Sterne
Winken mir — dem Liebemüden,
Ja — nach Westen schwimmt mein Schiff.
Träume du im Arm der Liebe
Träum' auf ihren Blumenbetten:
Auf den übertünchten Gräbern,
Freu' dich deiner Rosenketten!
Nenn's nicht Liebe, was so tief
In den Abgrund der Gedanken
Was so hoch zum Sternenhimmel
Mich mit wilder Lust geführt.
Nenn den Gott nicht, der mich treibt,
Wenn's ein Gott ist, dessen Nähe
Sich verkündigt durch ein Wehe!
Ihm verfallen bin ich und gezwungen
Ihn zu lieben, zu verehren,
Und den Gast, wenn er sich ladet,
Mit des Lebens Keim zu nähren.
Schilt mich nicht, als ständ's bei mir
Ihm den Rücken nur zu kehren —
Nein, bei Gott! ich kanns nicht wehren,
Daß den ungebetnen Gast,
Brünstig stets mein Herz umfaßt.
Lächelst du ob deinem Schwärmer?
Zürnst du selber? laß es doch!
Aus den Armen der verhüllten,
Aus dem Zauber fremder Geister
Rettete kein Geist sich noch.
Sei gerecht — und weih mir Tränen,
Das es also ist — und bleibt!
Nicht mein Unglück sei dein Vorwurf!
Fühl' es — und bedenks nicht fürder,
Wie der stumme Gott mich treibt.
Sänger von der Liebe Milde,
Liebe fühlet auch dein Freund,
Wohl nicht mehr die stürmischwilde,
(Die hat lange ausgeweint) —
Aber was der Freude Tröpfchen
In das Aug der Liebe lockt,
Kann doch nie den Abgrund füllen,
Nicht die leeren Geisterhüllen
Mit dem Leben — eine Welt!
Uns're Geister, — uns're Götter
Trennen sich, wie unsre Wege!
Lebe wohl! Glück deinen Segeln!
Wo sich Ost und West mag scheiden
Muß sich Ost und West auch finden
Nach dem Ringgang, kühn getan,
In der Mitte uns'rer Bahn
Treffen wir gewiß uns wieder!
Abschiedsfeier
Einmal noch reich' mir die Nektarschale
Meines Lebens ernster Genius!
Einmal noch laß mich von deinen Lippen
Selig saugen den Begeistrungskuß,
Weinen noch die kühlendheißen Tränen
An des irdischen Entzückens Brust!
Einmal, Herz, noch schwelle, glühe, stürme,
Eh du tot — auf ewig ruhst.
Ewig ruhn — auf ewig, ohne Zuckung —
Fühlst du's, wie die dunkle Mahnung klingt?
Kindlein gleich im Mutterschoß geborgen,
Tief, — wohin kein finstrer Dämon dringt!
Ewig schlummern — ungestörten Schlummer —
Und der bösen wüsten Träume bar —
Staub und Moder — künft'ger Blumen Nahrung,
Und in Blumen wieder — was es war!
Darum, eh' des Abschieds Stunde nahet,
Stürz' ich, da der Jugend Flamme brennt,
Froh hinab mich in des Lebens Fluten,
Feurig ringend mit dem Element.
Im Entzücken schlinge die Zypresse
Sich ums stolze, jugendliche Herz;
Nicht dem müden, schwergekränkten Pilger
Nahe sich der bange Todesschmerz.
Nordisch Mädchen — mit den ernsten Mienen,
Um das Haupt den weißen Blütenkranz,
Mit dem Gottes Aufblick frommer Augen
Weinend — lächelnd im Verklärungsglanz;
Meine Muse— schwärmerische Schöne,
Reich' das Spiel, die heil'ge Flamme glüht!
Möchte einmal noch begeistert pflücken
Immortellen für ein würdig Lied.
Zauberin aus unbekannter Zone,
Fremd und dennoch heimisch überall,
Die mir's Herz zur Prüfung ihres Zaubers
Aus dem Lebenswarmen Busen stahl,
Meine Liebe — Einmal noch du Süße,
Laß aus deines Geisterreiches Schoß
Wahn und Glauben, Zweifel, Schmerz, Entzücken
Auf die kampfbereite Seele los.
Süße Stimmen, wohlverstand'nes Mahnen,
Heiligfremdes Lispeln der Natur,
Mutter, die die hohe Mutterliebe
Gibt für warme Kindesliebe nur —
Oft belauscht in den geheimsten Reihen,
In dem ewig schönen Wechselkleid,
Einmal noch laß mich an deinem Herzen
Weinen, weinen — ach! vor Seligkeit!
Veilchenduft und tiefe Himmelsbläue,
Rose, deine glühend volle Brust,
Sturmesklang und fernes Wetterleuchten,
Wölklein, das du fromm im Westen ruhst.
Bunter, wilder Blumentraum der Wiese,
Waldesrauschen, stiller Quellenklang,
Mondlichtswandeln über Wald und Heide,
Und am Morgen heller Lerchensang:
Alles, alles, was zu jeder Stunde
Aufkeimt, blühet, reift und welkt und stirbt,
All der Zauber der im Wechsel sieget,
Und um Liebe und Bewund'rung wirbt,
Alles, Alles nochmals mit Entzücken
Laßt mich schlürfen in der letzten Lust;
Selig, süßberauscht im glühnden Taumel
Alle Welt noch drücken an die Brust.
Will mich zu der großen Reise schmücken,
Schmücken! gleich als gings zum Brautgelag,
Einmal noch ein König sein auf Erden,
Stolz und froh sein gleich dem jungen Tag!
Myrthen, Lorbeer, Veilchen und Zypressen
Flecht' ich mir als Krone in das Haar;
So im Herzen stillen Gottesfrieden,
Tret ich, Tod, an deinen Festaltar!
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