zum Index
zurück
Quelle:
Zeitlosen
Johann Otto Prechtler
Neue Gedichte
Wien 1855
Album österreichischer Dichter 2
Gedichte
In stiller Stunde
Im Vaterhause
Sonnenwende des LebensEine Perle für eine Rose
Der Tod der Romantik
In stiller Stunde
Was senkst du kummerschwer und bang dein Haupt,
Als sei des Lebens Inhalt ausgekostet?
Als sei dem Herz, das an den Lenz geglaubt,
Weil noch kein Lenz, vom Winter schon durchfrostet?
War's Frühling doch in dir — wenn außen nicht, —
Und trieb dein Herz nicht auch im Sturme Blüten?
War nicht dein Geist ein blühendes Gedicht, —
Ein Rätsel freilich, das sie nicht errieten!
Wer hat dich ganz erkannt, so froh als trüb,
Mit deinen Tugenden, mit deinen Schwächen?
Wo ist der Freund, der treu an's Ende blieb?
Wohl nur du selbst — um mit dir selbst zu sprechen!
Was ich der Welt in meiner Dichtung gab,
Es ist so viel für mich — für sie so wenig!
Die eig'ne Seele schließt die Rechnung ab,
Auf meiner Muse doch bin ich ein König!
Und war das Eigene auch minder wert,
Mir ward die Kraft, das Bess're zu erfassen!
Früh hatte mich ein guter Geist gelehrt,
Das Hohe lieben — das Gemeine hassen!
Du warst und bist mir Alles — Mutter Kunst!
So ganz geliebt, wenn auch nur halb begriffen;
Wie gern entsagt' ich oft des Lebens Gunst,
In dein geheimnisvolles Meer zu schiffen!
Erreicht' ich's nicht, ist mir's vielleicht versagt,
In's Innerste des Heiligtums zu dringen:
So hab' ich doch gewacht, als es getagt,
Und hörte da die Memnonsäule klingen.
Und meine Seele sog die Klänge ein,
Und hat nicht Raum mehr, Nied'res zu empfangen;
So bau' ich mich mit meinen Göttern ein,
Und laß die Welt nach ihrer Kost verlangen.
Nicht stolz und kalt, als ob mir selbst genug,
Gesteh' ich gern, des Bessern zu bedürfen;
Doch will ich nicht aus Hinz und Kunzens Krug, —
Aus Hebe's Schale will ich Nektar schlürfen.
Und schau' — sie kommen an des Lebens Herd,
Und lassen ihren Zögling nicht verschmachten,
Die Meister all', die mich schon lang gelehrt
Die Welt erkennen — lieben — und verachten!
Sie zu verachten, die da früh und spät
Euch dingt zu Rädern ewigen Erwerbens;
Die Welt zu lieben, die nicht untergeht
Inmitten alles Werdens — alles Sterbens.
Was Großes, Schönes je ein Geist gebar,
Was im Gemüte Gutes je entsprossen,
Ob's kommen wird — ob's ist — und ob es war,
Wird von der Seele dreifach froh genossen!
So läuternd, selbstbewußt, dein besser Teil,
Erkennend und erkannt im Kreis der Guten,
Gib dich zur Ruh', mein Herz, — bald wirst du heil. —
Wenn nicht — so sollst du wie ein Held verbluten!
Im Vaterhause
Nach langem Fernsein
Sei mir gegrüßt und selig geküßt,
Wie kaum ein Weib der Erde,
Du heilige Scholle, du heiliger Staub
An meinem Vaterherde!
Ach, deine Blumen schauen mich an
Wie kleine verzauberte Schwestern;
Die Schwalben flüstern mir Grüße zu
Aus ihren liebheimlichen Nestern.
Wir haben zusammen Ein Vaterhaus,
Gemeinsam die dieselbe Wiege;
O möcht' es auch einstens das Plätzchen sein,
Wo ich begraben liege!
Hier scheint mir die Welt noch schön und rein,
Rein mir die Seele wieder;
So flüstern mir zu im Strauch und Baum
Die altbekannten Lieder.
Mir ist's als hätt' von den Bäumen all'
Auch keiner mein vergessen;
Sie rauschen so sanft um dieselbe Stell',
Wo einst der Knabe gesessen.
Der Bach, der hinter dem Hause fließt,
Schwätzt noch dieselben Märchen;
Mir ist, als erklänge die blaue Luft
Noch von denselben Lerchen.
Vom Kirchturm tönt noch so fromm wie einst
Die alte Vesperglocke;
Es scheint sich zu kräuseln auf meinem Haupt
Des Knaben gold'ne Locke.
Und Alles ist noch so wie es war
An meines Lebens Schwelle;
Die alte Mutter, die Natur,
Sitzt noch an derselben Stelle.
Und schaut mich an so warm und so tief,
Als wollte sie zu mir sagen:
Ich bin die Einzige, die dir treu
In guten und schlimmen Tagen.
Ich bin die Liebe! o fürchte nicht,
Daß sie dereinst erkalte!
Und wenn dich die ganze Welt verläßt, —
Ich bleibe dir die alte!
Sonnenwende des Lebens
Ein jeder Sterbliche hat Einen Tag,
Wo liebend ihn die Himmlischen umrauschen;
Du fühlst es an des Herzens höher'm Schlag, —
Da heißt es: ihrer heil'gen Mahnung lauschen!
Wenn du's versäumst — wenn du sie nicht verstandst
Sie kommen nie zum zweiten Male wieder;
Wenn du den Segen ihrer Näh' empfandst:
Sie träufeln ihn für's ganze Leben nieder!
So haben auch, ich fühl es klar und tief —
Umschauert mich die hohen Unsichtbaren;
Mir war's, als ob es meine Seele rief
Inmitten nah' geahnter Geisterscharen.
Und ich verstand der fremden Sprache Klang,
Ich las der Wolken schöne Hieroglyphen;
Mein Herz sog ein des Himmels Sphärensang,
Und die Dämonen schwiegen in den Tiefen.
Und auf ein weißes Blatt der Seele war
Wie von der Unsichtbaren Hand geschrieben:
"Nur das ist dein, was deine Seele klar,
Was sie als schön erkannt, darf sie auch lieben.
Es ist ihr, die einst war in Gottes Haus,
Erinnerung des Göttlichen geblieben,
Und über dieser Erde Nacht hinaus
Fühlt sie zum Urquell sich zurückgetrieben.
Doch an die Scholle selber feßle nicht
Die schleierlosen, himmlischen Gestalten;
Was deiner Seele leuchtet als ein Licht,
Wird deinen Sinnen sich zum Brand entfalten.
D'rum stelle nicht das Ideal als Recht
Genüber den Gesetzen dieser Erde!
Nie zwingst du — nie das göttliche Geschlecht
Frondienst zu tun an deines Lebens Herde!
Willst du den Göttern trotzen — nun versuch's!
Was sie nicht geben, kann die Kraft sich nehmen;
Geraubter Segen ist ein Teil des Fluch's,
Womit sie jeden Trotz der Erde lähmen!
Bau' und beherrsche du die inn're Welt,
Und laß' die and're ihre Bahnen rollen!
Nur, was wir fühlen, ist uns frei gestellt,
Nicht, wie wir handeln, — frei macht hier das Sollen!
Eine Perle für eine Rose
Ich hab' einen Schatz, der Perle gleich,
In der Muschel liebheimlich gebettet;
So lange der mein, bin ich froh und reich,
Vor des Herzens Verarmung gerettet.
Ich hüte die Perle mit heiliger Scheu,
Als stünd' auf der Muschel geschrieben:
Kein lüsterner Wunsch macht vom Banne mich frei,
Du sollst meine Reinheit nicht trüben.
Und lockt auch der Schatz, um morgen und heut
Manch' flüchtige Wunde zu heilen:
Er ist nur für Leben und Sterben bereit,
Ich kann die Perle nicht teilen.
Und leert' ich dafür den Becher der Lust,
Der Sinne berauschendste Freuden:
Ich fühlte mich tiefer Entwertung bewußt,
Vermöcht' ich's, den Schatz zu vergeuden!
Der Schatz ist die Liebe, die Perle mein,
Im heiligen Schmerze geboren;
Vergeudet' ich nur ihren zitternden Schein:
So wär' auch die Perle verloren.
Doch geb' ich sie hin, vor Wonne still,
Für eine jungfräuliche Rose,
Die blühen und duften und sterben will
In meines Herzens Schoße!
Der Tod der Romantik
So lebe wohl, du hast es vollbracht!
Wo deine Schauer und Wonnen?
Man lebt nur am Tag, und tot ist die Nacht,
Das Reich der Träume zerronnen!
Sie haben verscheucht dich mit Hohn und Spott,
Dich, Amme der edelsten Dichter;
Verstand ist jetzt der einzige Gott,
So Dichter zugleich als auch Richter.
Du wendest dein Antlitz, — noch flattern von fern
Die Falten des weiten Gewandes;
Dann gehst du unter — ein bleicher Stern —
Am Saume des deutschen Landes.
Und geknickt und verachtet, die Kinder, sie geh'n,
Die an der Brust dir gelegen;
Es kann sie und will sie schon Niemand versteh'n,
Es fehlt ihnen Liebe und Segen.
Sie scheiden mit dir: Die Sage, das Lied
Von rettenden Feen und Elfen,
Das liebliche Märchen, schon lange verblüht!
Die Welt weiß sich selber zu helfen!
Und den süßen, teuren Gestalten all'
Folgt weinend und zögernd die Jugend!
Die Poesie ist ein leerer Schall,
Unglaube: die erste Tugend.
Natur ist — Stoff für die Wissenschaft,
Geschichte — bringt Zahlen und Namen;
Und Poesie verwertet die Kraft
In modernen, kraftlosen Dramen.
Was zwingt ihr den Sternen Bedeutung auf?
Den Blumen Leben und Seele?
Und sagt, daß der Quellen und Ströme Lauf,
Das Meer uns — Wunder erzähle?
Was Stern heißt, gehört in die Astronomie,
Die Blumen zerfallen in Klassen;
Im Meer ist viel Salz — nicht Poesie,
In den Wellen kein Lieben und Hassen.
Was legt ihr die alte, die dunkle Zeit
Auf der Dichtung richtende Waage,
Und leiht der klaren Empfindung von Heut'
Das Gewand der albernen Sage?
Was gescheh'n — ist gescheh'n! dafür tradiert
Ein bestellter Professor — Geschichte;
Und nur das Gemüt, das ewig irrt,
Sucht Bedeutung sich auf im —Gedichte.
Vor Allem lasse die Bühne ab,
Vom Born der Romantik zu nippen!
Sie spinne das wirkliche Leben ab,
Und bringe uns — Daguerreotypen!
Sie zeichne die Menschen, so wie sie sind,
Nicht, wie sie sein könnten und sollten.
Im "Carlos" weht noch romantischer Wind,
Ideal wird Schiller — gescholten.
Laßt Frühling und Liebe im Liede ruh'n
Und auch des Vaterland's Ehre!
Und tut mit Anstand, wie Alle tun,
Und widmet euch — dem Verkehre!
Die Welt braucht nicht mehr der Poesie,
Der Romantik nicht mehr, ihrer Amme:
Entzünde denn fürder das Genie
Das Gras an der göttlichen Flamme!