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Quelle:

Fels und Aster
Franz Isidor Proschko
Dichtungen

Leipzig 1849
Bei Barth und Schulze
Wien: Bei Schmidt und Leo
Der Reinertrag ist dem Blinden-Institute zu Linz in O.Ö. gewidmet.

— Nicht des Beifalls arme Gaben,
Nur dein Gefühl und Gottes Hand
Führt über Irdische erhaben
Dich in der Sphären Wunderland!
                                   Tidge.
 

Fels
 

Das Brandmal
Des Kaisers Wort
Das Schachspiel
Des Kaisers Träne
Die Alpenhütte
Der Kranz
Echo
Der Würfel
Himmels-Sprache
Der Stehauf
Die Kaiser-Eichen
Der Unsichtbare

Das Brandmal

Das war des Kaisers Siegel, beseht es rings am Rand:
"Der Unschuld Schutz" sein Wahlspruch, der d'rauf geschrieben stand;
Das hielt er in den Händen zu Innsbruck in dem Saal,
Da tönt mit einem Male der Feuerglocke Schall;

Und auf der Marmortreppe, da rennt und drängt es; bleich
Ruft Kämmerer und Page: Herr Kaiser rettet euch!
Doch Karl steht, ein Felsen, um den die Brandung schäumt,
Und lächelnd spricht er: "oft schon war die Gefahr erträumt!

Stand einstmals bei Pavia im Feuer als es galt,
Und Feuer war's, womit ich den Rotbart gut bezahlt." —
Der Kaiser spricht's — da lodert der Flamme heller Schein
Und donnernd stürzt von oben ein Teil der Decke ein. —

Betäubt sinkt er zur Erde und weiß nicht wie es kam,
Daß ihn ein kühner Recke schon auf die Schultern nahm,
Der war, ein Salamander, gebrochen durch die Glut,
Und rettete den Kaiser mit raschen Jugendmut.

War auch verbrannt die Wange, trug auch ein Mal die Stirn,
Sie kühlt sich der Tiroler im Schnee auf seinem Firn! —
Da standen um den Kaiser die Schranzen starr und stumm,
Doch Karl, erwacht zum Leben, sieht sich im Kreise um:

"Geraten habt ihr Alle, — geholfen habt ihr nicht!
Nur Einer half — wo ist er? zu lohnen sei uns Pflicht."
Da neigen sich die Pagen: "nicht Einer kannte ihn,
Wir sahen ihn nur kommen, wir sahen ihn nur flieh'n."

Das Wort war kaum gesprochen, da drängt sich dicht heran
Des Volkes wirrer Haufe, und mitten wankt ein Mann,
Und tausend Stimmen donnern ein mächtiges Gebot:
"Der hat den Brand geschleudert — mit ihm zum Feuertod!"

Der Kaiser winkt zur Ruhe — das Volk tritt scheu zurück,
Der Wettersturm verhallet — das war des Kaisers Blick,
Das war der Blick des Kaisers, so sanft, so streng, so mild,
Der fiel jetzt auf des Täters erbärmlich Jammerbild.

Verbrannt an Aug' und Stirne sank der betäubt in's Knie,
Indes das Volk, das wilde, nach seinem Blute schrie;
Doch Karl der Gerechte nimmt hier ein ernstes Wort:
"Dem Kläger und Beklagten geziemt ein gleicher Hort.

Und zeiht ihr des Verbrechens den bleichen Wundenmann,
So sprecht, wer sah ihn schleudern den Brand? — er sterbe dann!" —
""Erlauchter,"" spricht verneigend der Älteste der Stadt,
""Wohl Keiner von uns Allen betraf ihn auf der Tat;

Doch trägt ein Mal die Stirne, dies Mal ist uns bekannt,
Es ist von Henkers Eisen ein Zeichen eingebrannt:
Das Zeichen der Galeere — Mordbrennern ist's gemein,
D'rum meinen wir selbander, der muß' der Täter sein!

Verbrannt sind seine Kleider, sein Antlitz starr und bleich,
Die Schuld, Herr, liegt erwiesen — die Gnade steht bei Euch.""
Der Kaiser steht erschüttert: "Mensch deine Tat wiegt schwer!
Was trieb dich?" —und der Bleiche spricht leise: ""Liebe, Herr!""

Und strebt empor und winket den Kaiser dicht heran,
""Die Liebe zu dem Besten der Herrscher hat's getan!""
D'rauf neigt er müd' die Stirne hin zu des Kaisers Brust:
""Seh't das Galeerenzeichen — dann tötet mich nach Lust!""

Das Brandmal schaut der Kaiser — und lies't — und tief gerührt
Ruft er: "Mir hat die Vorsicht den Retter zugeführt!
Der Unschuld Schutz — mein Wahlspruch, stand auf des Siegels Rand,
Jetzt steht er auf der Stirne, d'rein grub ihn Gottes Hand!

Das Siegel sank in's Feuer — das Sprüchlein sank in's Blut,
So seht, was ein Tiroler für seinen Herrscher tut!
Er wagt' für mich sein Leben — wie lohn' ich ihm es wohl?
Wohlan, ich lohn's dem Lande — mein Herzschild sei Tirol!"

Des Kaisers Wort

In seinem Arbeitskabinett
Beim ersten Morgenglanz'
Sitzt Östreichs Kaiser-Majestät,
Sitzt Östreichs Herrscher Franz.

Da tritt vom Vorsaal still herein
Ein Mann im Silberhaar;
Sankt Pöltens Bischof ist's, der sein
Geliebter Lehrer war.

Der Kaiser, edel, ernst und mild,
Reicht gnädig ihm die Hand;
Des Bischofs Blick fällt auf ein Bild
An der Tapetenwand.

Sein Mund verstummt, das Herz wird voll,
Der Kaiser lächelt still,
"Ei, lieber Bischof, kennt ihr wohl
Den Mann dort im Profil?" —

Tief neigt der Bischof sich und spricht:
""Mich ehr't mein Herr fürwahr,
Dies Bildnis stellet, irr' ich nicht,
Sankt Pöltens Bischof dar!""

"Ei, wie Ihr doch daneben schießt,"
Ruft Franz mit heitern Sinn;
"Der Mann in jenem Bilde ist
Der Erzbischof von Wien!" — —

Das Schachspiel

Es kündet die Gasse wohl auf und ab
Der Wächter die Mitternachtsstunde,
Schon wirbelt die Eule am sumpfigen Grab,
Schon halten die Elfen die Runde.

Da glimmt noch ein Lämpchen mit sterbendem Schein,
Geteilt in zwei schwindelnde Flammen,
Am bunten Schachbrett, da sitzen allein
Zwei ernste Gestalten beisammen.

Der Eine mit hellem Feuerblick,
Als wollt er mit durstigen Zügen
Der weiten Erde unendliches Glück,
Ein Krösus im Arme wiegen —

Der Andere, mit stechenden Augen blitzt
Hervor aus den dräuenden Brauen,
Auf der Lippe ein seltsames Lächeln sitzt,
Erregend ein unheimlich Grauen.

Das Antlitz, wohl ist's eine Büste von Stein
D'rauf Todesruhe sich malet; —
So sitzen die Beiden am Schachbrett allein
Vom flackernden Lämpchen bestrahlet.

Wer deutet das bleiche, das seltsame Paar,
Der eine mit strahlendem Blicke,
Der Jüngling ist's — mit dem Auge so klar,
Er spielt mit dem bösen Geschicke.

Er spielt mit dem Dämon, der ernst und kalt
Des Lebens Brettchen umkreiset,
Der ihm mit des Lasters Eisengewalt
Die Steine des Lebens entreißet.

Acht starke Steine — die ziehen voran,
Voran auf dem farbigen Brette,
Acht herrliche Steine — sie brechen die Bahn,
Sie deuten der Vorsätze Kette.

Die Kette, die ehern, gewaltig und stark
Das Schifflein des Lebens umwindet,
Aufrüttelt des Jünglings nerviges Mark,
Die Tat mit dem Willen verbindet.

Dem Willen? — ei seh't wie der Dämon schnell
Acht andere Steine gefunden,
Acht Leidenschaften — wie Wind und Well'
Sind die Vorsätze alle verschwunden;

Und rasch mit dem Springer dem König Schach!
Schach! tönt es — Schach! von zwei Seiten,
Der Springer der Selbstsucht ewig wach
Will Sturz dem König bereiten.

Der aber weicht schnell vom bedrohten Feld
Drob ist die Gefahr nicht geringer,
Die Wollust, der ärgste Dämon der Welt,
Erscheint als der zweite Springer;

Greift an den König im neuen Sturm
Und sucht sein Spiel zu verwirren,
Da flieht er zur Rechten — stellt vor den Turm
Der Religion, zu rochieren.

Die strahlenden Springer, die mächtigen Zwei,
Die weite Felder bestreichen,
Der Fleiß und die Mäßigkeit treten herbei
Und die Wollust muß schnöde entweichen. —

Hochtrabend vor ihren König hin,
Mit Kronen aus Rosen und Nesseln,
Stellt sich die gewaltige Königin,
Die Hoffart — verbergend die Fesseln,

Die Fesseln, mit denen sie jeden umstrickt,
Der sich der Gleißenden weihet;
O seht! wie sie stolz auf die Läufer blickt,
Die sich ihr zur Seite gereihet.

Die Läufer der Hoffart — die Torheit der Neid
Nicht bessre kann sie erküren;
Wie beide so willig und beide bereit
Der Königin Winke vollführen!

Wohl sucht sie mit emsigen sorgsamen Sinn
Den König schnell zu verstecken,
Den langsamen König — wohl kenn't ihr ihn,
Den Müßiggang will sie verdecken.

Den Vater der Laster — das volle Horn,
Den Garten der wuchernden Sünden,
Der bösen Taten strömenden Born,
Den Baum aus des Erebus Gründen. —

So wogt denn und waltet das seltsame Spiel,
Und fällt die Hoffart auch nieder,
Ein Stein der Leidenschaft ringt sich an's Ziel
Und wird zur Königin wieder.

Nun steht der König des Jünglings allein,
Die Kämpfer sind alle gefallen,
Der mächtige König — das Herz — doch nein!
Er ist nicht verlassen von Allen;

Und ob auch der Dämon den Türmen winkt,
Der Verzweiflung schwindelnden Türmen,
Und ein auf den König des Lebens dringt,
Das letzte Feld zu erstürmen,

Noch steht sie die Königin mit ihrer Kron',
Die Hoffnung, sie schlägt sie ja alle,
Zwei Türme, die Wahrheit, die Religion,
Sie bringen die andern zum Falle. —

Hast Jüngling wacker die Hände gerührt,
Des Dämons Steine bezwungen;
Hast rastlos den Kranz, der dem Sieger gebührt,
Mit schönem Eifer errungen;

Und ruft nun der Meister sein "Matt" darein,
Und ist dein Stündlein verronnen,
Und rückst du den letzten — den Leichenstein,
So freu' dich — dein Spiel ist gewonnen!

Des Kaisers Träne

Der Kaiser sah so trübe auf's weiße Blatt herab,
Das schweigend ihm der Schreiber zum Unterzeichnen gab;
Der Kaiser sah so trübe herab auf's weiße Blatt,
Dort stand mit schwarzen Lettern: "den Tod verdient die Tat!"

Still nimmt er d'rauf die Feder von seinem Sekretär,
Setzt an — doch nein — er kann nicht, der Zug wird ihm zu schwer;
Ernst mahnen die Gesetze — mild ist des Kaisers Sinn,
Er zagt nicht mehr, und schreibet die ersten Züge hin.

Sieh' da, was fiel auf's Blatt hin, wie Tau der Blumentrift?
Es ist des Kaisers Träne, sie löscht des Kaisers Schrift; —
Ei sieh', ruft er, und schleudert die Feder hin zur Erd',
Die Schuld sühnt ja die Träne — Pardon sei ihm gewährt!

Die Alpenhütte

Rettet! Rettet! der Lawine eisiger Guß — dann dumpfer Fall —
Wo erst noch ein blühend Leben — liegt ein Leichentuch im Tal. —
Sennermädchen stand am Brunnen, schäkernd mit dem weißen Lamm,
Sah den Tod nicht Flocken türmen auf des Berges weißen Kamm;
Hündchen wedelt an der Türe — Kätzchen sonnt sich auf dem Dach —
Lebensfrische! — Grabesstille! — Glöcklein weint den Grabsang nach. — —

Mütterchen im finstern Stübchen tief umhüllt von eis'ger Nacht,
Forscht nur nach der Kleinen Häuptern — alle hat der Herr bewacht!
Alle schließt sie in die Arme; bei des Herdes matten Licht
Fleht sie zu dem Allerbarmer: "Herr, verlaß die Deinen nicht!"—
Stunden fliehen — Mutter betet — Kindlein flieh'n an ihre Brust:
Mütterchen, bringt uns kein Morgen wieder Licht und Frühlingsluft?

"Kindlein, harret nur ein Weilchen; ach, es wird ja wieder licht!
Wenn die weiße Leichendecke vor dem Sonnenstrahle bricht,
Wenn des Glöckleins Notgeläute in die weiten Berge dringt
Und der Älpler emsig Graben uns ersehnte Hilfe bringt." —
So getröstet schläft der Knabe, schlaft das Mädchen lächelnd ein —
Ach und nur die arme Mutter fühlt sich schauerlich allein! —

Schon drei Tage sind verstrichen — und der Vorrat aufgezehrt,
Den die kleine Hütte fasset: "Herr, dein Wille hat's beschert,
Willst du, Vater, daß ich ende hier in grauser Hungersqual,
O so rette diese Kleinen — sende deinen Sonnenstrahl,
Daß er dieses Eis zerschmelze, eh der Kindlein Herz erstarrt;
Siehe, wie die Unschuld hoffend auf der Allmacht Hilfe harrt!"

Und drei Tage neu verstreichen — keine, keine Rettung mehr? —
Auf die kleine Sennerhütte drückt des Schnee's Wucht so schwer,
Aufgezehrt die letzte Krume — hungernd fleht das Kind um Brot,
Auf der Mutter falbem Antlitz kämpft das Leben mit dem Tod;
Und sie drückt die bleichen Kleinen an die seufzerschwere Brust:
"Könnt' ich euch mein Herzblut geben, o so gäb' ich es mit Lust!"

Und noch einmal will sie suchen, will sie forschen krank und schwach,
Ob nicht noch ein dürres Krümchen unter dem geborstenen Dach,
Denn im Herzen dämmert immer ihr ja noch der Hoffnung Licht,
Und sie lispelt: "Allerbarmer! Du verläßt die Deinen nicht!
Rette sie in deiner Gnade! — Horch! da dröhnt ein dumpfer Schall,
War das nicht am Hüttenherde? klang das nicht gleich einem Fall?"

Hoffnungsbebend eilt die Mutter, daß sie rasch zum Herde seh' —
Aus des Sturzschnee's kalter Wolke — windet sich ein kleines Reh — —
War gelangt nach Futter scharrend auf des Eises lose Schicht,
Die nun unter seinen Läufen in der Hütte Schornstein bricht.
War zum Mal gesandt den Kleinen von des Allerbarmers Hand,
Dessen Engel an der Seite der verlass'nen Kinder stand. —

Und wie freundlich nun von oben Tageshelle strahlt herab,
Und des Festmahls Rauch zur Rettung in die Luft Signale gab —
Und wie schon nach wenig Stunden aus der lang verschloss'nen Gruft
Menschenlaut und Menschenliebe, die Verlass'nen freudig ruft;
Weint die Mutter mit den Kleinen, die sie in die Arme schließt:
"Herr, o Gott, du bist am nächsten, wo die Not am größten ist!"

Der Kranz*

Hoch ragt an der Themse des Königs Zelt,
In der Fürsten strahlendem Kreise
Sitzt stolz der Herrscher der Inselwelt,
Verteilend den Siegern die Preise:

"Dem Stärksten der Starken werde der Kranz
Um das Haupt des Königs geflochten,
Dem Mann, der im blutigen Waffentanz
Wie ein grimmiger Löwe gefochten!"

*Graf Heinrich von Sachsen, genannt der Eiserne, hielt sich am Hoflager
König Eduard
III. in England auf, und wußte sich die Gunst desselben
auf eine solche Art zu erwerben, daß er den Neid der englischen Fürsten
erregte, welche sich durch das "deutsche Gräflein", wie sie ihn nannten,
zurückgesetzt glaubten.


Und hervor aus der Edlen Kreise winkt
Der König den stattlichen Ritter,
Und reicht ihm den Kranz; die Drommete klingt,
Doch die Fürsten, sie lächeln gar bitter:

"Ei, seht, wie der wackere König sich müht,
Das deutsche Gräflein zu ehren,
Und wie er die Fürsten fast übersieht
Ob dem rauhen, sächsischen Bären," —

Doch, ob auch manch' giftiger Blick ihn traf,
Den Wackeren kümmert das wenig,
In der Fürsten Kreis tritt der deutsche Graf,
Und empfängt den Kranz von dem König.

Das Kampfspiel beginnt, in die Schranken sprengt
Der Graf mit verwegenem Mute;
Da schallt es: "Kein britischer Fürst vermengt
Sein Blut mit dem gräflichen Blute!"

Und in die Schranken stürzet ein Leu,
Und peitscht mit dem Schweife die Erde,
Der eiserne Graf aber, ruhig und frei,
Steigt ab vom bäumenden Pferde;

Und er hört, wie es laut vom Balkone erscholl!
"Ist er gleich dem Löwen an Würde,
So schont der Fürst den Fürstlichen wohl,
Den der Kranz als den Edelsten zierte!"

Stolz lächelt der Graf, tritt frei und keck
Zum Löwen; der fletschet die Zähne;
Der Graf nimmt den Kranz vom Haupte sich weg,
Und drückt ihn dem Leu auf die Mähne. —

"Dem Edelsten werde die edelste Zier,"
So spricht er mit leuchtenden Blicken,
"Wer edler noch ist, der nehme ihn hier
Und möge sein Haupt damit schmücken!"

Der Graf sieht rings im Kreise sich um
Die Fürsten, sie stehen beklommen,
Und schleichen davon beschämt und stumm;
Den Kranz hat Keiner genommen. —

Echo

Auf Heliopolis Trümmern,
Wo die Katarakte sich bricht,
Stand der gallische Cäsar
Das Hütchen tief im Gesicht.

Und vor ihm die grauen Massen,
Die manches Jahrtausend geseh'n,
Und unten die schweigenden Heere
Auf des Niles gesegneten Höh'n.

Echo! ich will dich fragen,
Rief er, was beut mein Geschick,
Wird immer vom sonnigen Wagen
Mir strahlen das leuchtende Glück?
Wie schlingt sich mein Pfad durch das Leben?
Und Echo rief: eben!

Dort jene gewaltigen Heere,
Ich winke und sie steh'n!
Dort jene Gallionen im Meere —
Wie stolz ihre Flaggen weh'n!
Liebt mich von den Tausenden Keiner?
Und Echo tief: Einer!

Laß hören mich seinen Namen,
Laß sehen sein Auge so mild,
Streu' des Vertrauens Samen
In's Herz mir mit seinem Bild;
O reiche den Zaubertrank!
Und Echo rief: Bertrand!

Wohlan denn, die letzte der Fragen
Nenne mir Echo das Ziel,
Den Platz, den ich werde erjagen,
Im irdischen Treiben und Spiel,
Mein letzter Stern — strahlt er helle? nah?
Und Echo rief: Helena!

Der Würfel

Noch spät in der Mitternachtsstunde kehrt
Der Priester zur stillen Kapelle,
Die Labung, von der er dem Kranken beschert,
Zu bergen an heiliger Stelle;

Und wie er tritt in den friedlichen Raum,
Wo der Feind zum Freunde gebettet,
Da traut er wohl seinen Sinnen kaum,
Ein Bild hält sein Auge gekettet:

Am Marmor, der prunkend die Taten trägt
Des Staubes im modernden Schreine,
Lehnt sinnend ein Bettler, der schwenkt und wägt
Einen blanken Würfel am Steine.

"Was störst du mit frechen gottlosen Spiel
Die heilige Ruhe der Toten,
Hat nicht die Erde des Raumes viel
Der schnöden Spielsucht geboten?" —

""Herr! ob Ihr auch zürnend über mein Spiel
Im heiligen Eifer errötet,
Die Toten, die schlafen da unten still,
Und ich — ich habe — gebetet. —

Wohl seht Ihr den Würfel in meiner Hand
Ihn bilden sechs glänzende Seiten,
Und was ich am Würfel so sinnend fand,
Das will ich Euch gerne bedeuten:

Seht hier in die Fläche, so weiß wie Schnee
Ein schwarzes Auge gegraben,
Es spricht: aus heiliger Sternenhöh',
Verteilet Ein Gott seine Gaben,

Ein Auge wacht liebend für eine Welt,
Ein Weg führt den Wand'rer zum Ziele,
Ein Schritt ist es nur, der die Bahn verfehlt,
Doch folgen dem Einem oft viele. —

Drum seh' ich das Eine Auge an,
So hör ich's im Herzen wohl sprechen:
'Ein Auge habe für fremden Wahn,
Doch Zwei für die eigenen Schwächen!'

Und wieder wend' ich den Würfel dann,
Zwei Augen glänzen entgegen,
Zum Guten, zum Bösen führt eine Bahn,
Der Mensch zieht auf zweifachen Wegen.

Wohl denk' ich zwei strahlender Sonnen dabei
Im eisigen Erdengetriebe,
Sie machen das Menschenherz groß und frei
Die großen Gebote der Liebe!

Und dreh' ich den Würfel und seh' ich gereih't
Drei Augen auf glänzender Fläche:
Erhabenes Bild der Dreieinigkeit,
Nicht faßt dich die menschliche Schwäche!

Und dreh' ich den Würfel dann wieder um,
Und zähle Vier schwarze Ringe,
So mahnen sie mich wohl ernst und stumm:
Gedenke der vier letzten Dinge!

Und wie die Fünf Augen in's weiße Bein,
So grub' der himmlische Bote,
Der Glaube, in's Herz des Christen ein:
Der Kirche fünf erste Gebote.

Und tritt einst zum Bette des Sterbenden hin
Der Engel, den Blick zu umnachten,
Dann will ich noch einmal mit freudigem Sinn
Den blanken Würfel betrachten.

Sechs Augen zählt dann noch der scheidende Blick,
Sechs Tage der Saat, sie verrinnen,
Der siebente bringt nun die Ruhe zurück,
Nun möge die Ernte beginnen!

Nun wendet den Würfel des Meisters Hand,
Und dreht ihn nach allen Seiten;
Doch weil er ihn gleich und eben fand,
Wird seinen Stand nichts bestreiten.

Bedenk ich nun, was der Würfel mich lehr't,
Die bleiche Wange sich rötet,
Die Ruhe der Toten — nicht ist sie gestört,
Sie schlummern — ich habe gebetet!""

Himmels-Sprache

Tief schlummert das Heer — der Nachtgeist sinkt
Herab auf die schweigenden Meere,
Im hohen Gezelt von Trabanten umringt,
Wacht Rudolf der Adler im Heere;

Und still in die Räume des Weltalls schaut
Der gottbegeisterte Seher,
Und wie er Zahlen auf Zahlen baut,
Da tritt der Kaiser ihm näher:

"Nicht schmettert der Tuba weitschallender Ruf,
Nicht rasselt der Panzer am Schwerte,
Nicht donnert der Rosse gewaltiger Huf,
In Frieden schlummert die Erde; —

Doch will von den Bildern des Lichtes umweht
Das Auge den Schlummer nicht finden,
So mag es am Dome mit Sternen besät,
Die Tiefen der Gottheit ergründen!"

""Die Tiefen der Gottheit? sie schauest du nie,""
Spricht sanft der ägyptische Seher,
Und ob die Aeone zum Tropfen entflieh',
Kein Forschen führet dich näher.

Doch was der Urgeist mit flammender Hand
In strahlende Fernen geschrieben,
Der Kranz, den die Vorsicht den Hoffenden wand,
Die Deutung ist uns geblieben."" —

"Wohlan denn," ruft freudig der Kaiser, "du sollst
Mir lichten die nächtigen Zonen,
Und wo du das herrlichste Bild mir entrollst,
So will ich dich kaiserlich lohnen!" —

Und der Weise spricht — und deutet hinauf:
""Was hoffend im Busen wir nähren,
Es steht geschrieben im Sternenlauf,
In der Welten strahlenden Sphären.

Auf Nacht! und breite den Mantel aus,
Den Meisterhände durchwehen,
Laß mich in dem schimmernden Weltenhaus
Die toten Gestalten beleben!

Dort rollt in ewigen Bahnen vorbei
Der Zwillinge Sternbild am Himmel,
Vereint durch der Sterne unendliche Reih'
Zieh'n sie durch das bunte Gewimmel.

So zog die Zeit mit dem Raume fort,
Da braust durch die Fernen sein "Werde",
Und auf des Meisters lebendiges Wort
Geschaffen ward Himmel und Erde!

Und Liebe durchstrahlte den mächtigen Bau,
Und Weisheit fesselt die Kräfte,
Da blickte der Mensch in das ewige Blau,
Die Tugend nur war sein Geschäfte. —

Doch sieh, wie am östlichen Himmelszelt
Des Scorpions Flammen sich winden,
So kam die tötende Sünde zur Welt,
Die Tochter aus Erebus Gründen!

Und flammte mit blutigen Feuerschein,
Und wuchs zur Riesenlawine,
Da stürzten der Gottheit Altäre ein,
Ihr Tempel ward zur Ruine.

Da trübte, wie Stier und Widder dort flammt,
Die Wildheit des Redlichen Tage,
Die Ephemere dem Himmel entstammt,
Wog zu leicht auf der göttlichen Waage.

Da sandte der Urgeist den Wassermann,
Und öffnet die Schleusen der Meere,
Noch strebte der Staub zum Himmel hinan,
Da schwand sie die Ephemere!

Doch sieh dort den Krebs und Steinbock ziehn,
Die Wendekreise der Erde,
So waltet von Erdkreis zu Erdkreis hin
Der Liebe allmächtiges "Werde!"

Die Jungfrau kam von der Allmacht gesandt,
Da sprangen die ehernen Riegel,
Da sank aus des Allerbarmenden Hand
Des Bundes heiliges Siegel;

Und frei ist wieder der Mensch und groß,
Und darf den Allgütigen ahnen,
Unsterblichkeit ist sein herrliches Los,
Unendlichkeit sind seine Bahnen!

Verfleugt auch der Staub wie Wind und Spreu,
Was dort in den Fernen geschrieben,
Es ist dem Herzen ewig neu,
Ein Denkmal der Hoffnung geblieben.

D'rum kommt einst der Schütze — der Tod heran,
Und schwinden dem Auge die Sterne,
So strahlet die Sonne des Lebens dann
In ewiger lichtvoller Ferne." —

Der Magier schweigt — in die Fernen entrückt
Steht der Kaiser sinnend und lange,
Wohl hat ihn die Deutung hoch entzückt,
Eine Träne glänzt auf der Wange;

Und der Kaiser nimmt, wie's im Herzen ihm wogt,
Eine Perle, wohl wert Millionen:
"Du hast die Perle dem Auge entlockt,
So mag diese Perle dich lohnen!"

Der Stehauf

Was will dort wohl der lebensmüde,
Der gute alte Invalide?
Er sucht am Markte her und hin,
Es steht ihm nichts nach seinem Sinn.

Ei seht doch jetzt den guten Alten,
Ein Spielzeug in den Händen halten,
Ein kleiner Stehauf — — wie geschwind
Hascht doch darnach das alte Kind! —

"Ihr lacht darob, ihr guten Leute,
Und meinet, meine Jahrmarktsbeute
Sei nur ein eitles Kinderspiel —
Wißt, dieser Stehauf gilt mir viel!
Das gute Bürschlein war ja wohl
Im ganzen Leben mein Symbol.

Seht, als ich noch ein Knabe war,
Da lief ich mit der Buben Schar,
Und war ein leichter loser Junge,
Stets aufgelegt zu Spiel und Sprunge;
Da lernt' ich wenig, und die Zeit
Verrann mir in Untätigkeit;
Da kauft am selben Markte hier
Der Vater einen Stehauf mir,
Den stellt er mir vor's Bett und sprach:
""So wirst du früh zur Arbeit wach!"" —
Und ich, ein aufgeweckter Knabe,
Begriff, was das zu sagen habe;
So oft ich vor dem Schlafengeh'n
Den Stehauf sah am Bette steh'n,
Schlief ich mit dem Gedanken ein:
""Ein solcher Stehauf mußt du sein!""
Steh auf! träumt ich zur Morgenstunde,
Und sie trug für mich Gold im Munde. —

Und als ich dann zum Jüngling wuchs,
Von Mark ein Leu, von Aug ein Luchs,
Da stand der Feind der Grenze nah —
Und als ich da den Stehauf sah,
Rief ich: Steh auf mein Vaterland,
Die Fahne vor! das Schwert zur Hand!
Da kämpft' ich in den Reihen auch
Nach guten alten deutschen Brauch!
Bis wir den Feind vor uns getrieben,
Und unser Deutschland uns geblieben! —

Und dann, als ich in spätern Tagen
Oft schwer des Lebens Last getragen,
Wenn mir der Mut gesunken ist,
Da rief's in mir: Steh auf, o Christ!
Und wenn ich wohl den Pfad verließ,
Den mich die Tugend gehen hieß,
Und auch als Mensch gefallen war,
Da rief's im Innern mir oft klar:
Steh auf! — Steh auf! und ich stand auf
Und seht — so war mein Lebenslauf
Durch einen Blick auf dieses Ding,
Das euch erscheint so gar gering,
Vor manchem Irrwahn, manchem Leide
Bewahrt. —
Nun ich vom Leben scheide,
Und bald der Friedensengel mir
Da oben weis't mein Standquartier:
Nun will ich noch vor allen Dingen
Nach Hause mir den Stehauf bringen;
Den stell ich vor das Bett mir dann,
Seh' ihn zuletzt noch einmal an —
Dann wird er mir zum Troste sagen:
""Ob sie dich auch zu Grabe tragen,
Hier ist geschlossen zwar dein Lauf,
Doch ruft die Allmacht dort: Steh auf!""

So achte du nichts für gering,
Belehren kann dich jedes Ding.

Die Kaiser-Eichen

Als kaum das Lied der Lerche
Im bunten Hain erschallt,
Da zieht mit Pfeil und Bogen
Der Graf hinaus zum Wald;

Und frische Lüfte wehen
Dem Jäger in's Gesicht,
Und aus dem dunklen Forste
Der Sechzehnender bricht.

"Auf Tummler!" und in's Dickicht
Bricht sich der Graf die Bahn,
Strebt vor — da hält er plötzlich
Die straffen Zügel an:

Auf harten Stein und Moose
Liegt da ein Jammersohn,
Und heischet eine Gabe
G'en "tausend Gotteslohn!"

"Herr! eh' Ihr Jagdlust pfleget,
Seh't meine Wunden an;
Was Ihr getan dem Armen,
Das habt Ihr Gott getan!"

Der Graf steigt ab vom Pferde,
Und hemmt des Rappen Lauf:
"Mein Sohn, die Pflicht der Liebe
Wiegt kein Vergnügen auf!"

Und reicht ihm seine Kette
Aus schwerem Golde hin,
Und will dem Dank des Armen
Zum Forste schnell entflieh'n.

Der aber hält den Grafen
Und blickt ihn weinend an:
"Was Ihr getan dem Armen,
Das habt Ihr Gott getan!

Drei stolze Eichen breiten
Ihr Laubdach über Euch,
So mögt Ihr durch sie werden,
Gesegnet, groß und reich!

Die Schwelle Eures Glückes
Mög' diese Eiche sein;
Und jene hülle wieder
Das höchste Glück Euch ein!

Und diese bring' nach Stürmen
Euch die ersehnte Ruh,
Und nehmt den Dank des Armen
Und Gottes Lohn dazu!" —

Da blitzt im Aug' des Grafen
Ein Tränlein hell und klar;
Und aus der Zeitenurne
Entfloß so manches Jahr.

Da kam der Lenz, der Lerche
Hellwirbelnd Lied erschallt;
Da zog der Graf — als Kaiser
Hinaus zum dunklen Wald;

Und an des Forstes Grenze
Hält er den Rappen an,
Blickt um zu seinem Trosse:
"Wer hat mir das getan?

Hier standen einst drei Eichen
Mit grün belaubten Kamm,
Nur eine seh' ich wieder,
Wer fällte ihren Stamm?"

Tief neigt hier vor dem Kaiser
Der Jägermeister sich:
"Ich fällte diese Bäume,
Doch zürnet nicht auf mich!

Eh' Euch die deutsche Krone
Ward, durch der Fürsten Wahl,
Da schmückte man die Mauern
In Frankfurts Kaisersaal,

Und festigte die Türen
Und glättete die Wand;
Da fällt' ich jene Eiche,
Die ich im Forste fand.

Sie ward im Kaisersaale
Zur Schwelle — des Geschicks,
Sie ward — d'rum wollt nicht zürnen,
Die Schwelle Eures Glücks!"

Und sinnend blickt der Kaiser,
Und tief bewegt es ihn —
"Doch sprich, wo kam der zweite
Der Eichenstämme hin?"

"Herr! als Ihr einst voll Freude
Empfingt das Schicksals Lohn,
Und wiegtet auf den Armen
Den erstgebornen Sohn;

Da habt Ihr es gewillet,
Ich tat, wie Ihr befahlt,
Und fällte jene Eiche,
Die Ihr da meint im Wald.

D'raus ward des Knabens Wiege,
So wollt es das Geschick,
D'rum wollet mir nicht zürnen,
Sie barg ja Euer Glück!"

Da rötet sich die Wange
Des Kaisers, und er spricht:
"Noch steht der Eichen letzte,
Doch diese fälle nicht!" —

So schwanden viele Jahre,
Des Kaisers Haar ward grau,
Noch schwang die stolze Eiche
Ihr Haupt in's weite Blau;

So schwanden viele Jahre,
Des Kaisers Haar ward bleich,
Sein Leben schmückten Taten,
Sein Herz war groß und reich. —

Und als die letzten Blicke
Das Kaiserauge strahlt —
Da sank die letzte Eiche
Zugleich in seinem Wald,

Und brachte Ruh' dem Kaiser,
Dem Kaiser, den sie barg,
Stand in der Gruft zu Speyer,
Als Kaiser Rudolphs Sarg.

Der Unsichtbare

Des Weltmeers grüne Fluten säumte
An Cypern's Strand der Abendstrahl,
Der Stern entglomm, die Erde träumte,
Sankt Paulus stand am Meerestal.

Er predigte den großen Einen,
Des Hauch den Erdkreis überwacht;
Und rings ertönte stilles Weinen,
Die Herzen brach des Glaubens Macht.

Ein Fürst der Insel nur stand schweigend
Und lächelte still vor sich hin,
D'rauf vor Sankt Paulus sich verneigend
Spricht er: "Schön ist der Rede Sinn,

Hehr ist das Wort, das du gekündet,
Von Eines Allmacht sprachst du da,
Von dem, in welchen Alles mündet,
Was je der Zeitstrom keimen sah.

Dein Wort stürzt uns'rer Götter Tempel,
Du sprichst: Ein Gott gebeut dem Tod,
Und Alles trage seinen Stempel —
Wohlan, so zeig' uns diesen Gott!

Uns lächeln Götter von Altären,
Wo sich ihr Antlitz hold uns weis't,
Wo ist dein Gott? — in welchen Sphären?
Zeig' uns den Einen großen Geist!"

Ernst führt der Heil'ge durch die Mitte
Des Volkes, das dem Wort gelauscht,
Den Frager, und mit schnellem Schritte
Zum Felsen, wo die Brandung rauscht.

Dort weis't er ihm in Himmelsferne
Der Sonne scheidend Feuerrund:
"Blick auf zu jenem Tagessterne,
Dort wird dir meine Antwort kund!"

Doch jener senkt das Auge nieder:
"Mich drückt zu sehr der rote Strahl,
Und heb' ich auch die Wimper wieder,
Zu schwach ist nun mein Aug' einmal."

"Wie!" lächelt hier voll Engelsmilde
Der Weltapostel — "blendet schon
Die Sonne dich mit ihrem Bilde,
Dem Schemel erst von Seinem Thron?

Fühlst du nunmehr der Gottheit Wehen,
Den eitlen Wunsch, der dich beschlich?
Du willst den Herrn der Welten sehen,
Und schon sein Bote blendet Dich!"