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Quelle:

Frühlings Gruß
Doktor Puff Rudolph Gustav
Novellen und Gedichte

Graz 1841, 1842, 1845, 1846
Druck und Papier von den Andreas Leykam'schen Erben.

Gedichte
 

An meine Reisefreunde
Erinnerungen an Klagenfurt
Phalänen
Lebt wohl
Aus den Abschiedsklängen lieber Freunde
Stillstand
Weihe der Frauen
Gleich und Gleich
Cyanen
Vorbei
Wechsel

 
Kain
Der Totengräber
Nesseln
Die drei Weine
Das Waisenkind

 

An meine Reisefreunde
1841

Oft war ich hin durch ferne Flur gezogen
Mit warmer Brust, mit seelenfrohem Blick;
Dem Schiffer gleich, der über blaue Wogen
Entgegenfährt dem längst ersehnten Glück.
Was mich beengt, was mich da quält im Leben,
Es mußt' wie Nebel sich vom Pfade heben.

Der Römer Pracht in längst verblühten Gauen,
Der Ritter Stolz auf Felsen schroff und kühn;
Der Hirten Glück auf blumenhellen Auen,
Manch Denkmal von der Väter frommen Sinn,
Und Alpenhöh'n und Meergestade grüßen
Das mag doch wohl die Pilgerfahrt versüßen!

Die mich gekannt in solchen Weihestunden,
Die mich begrüßt als herzlich frohen Gast,
Die mit der Freundschaft Zauberton gebunden
Des Wand'rers Flug, des munt'ren Sängers Hast:
Euch gilt mein Gruß, den fernen Lieben allen,
O, mög' er nie in Eu'rer Brust verhallen.

So manche Blume, die Ihr mir geweihet,
Ist noch verwelkt ein lieber Abschieds-Strauß,
Der sich in jedem Frühlings-Gruß erneuet,
Bis einst der Pilger ruht im stillen Haus,
Mag seinen Staub der Winter kalt verzehren,
Der Lenz wird freundlich seine Blüten ehren.

D'rum Gruß und Glück den warmen Herzen allen
Die mich gekannt im kalten Lebensspiel,
Den Freunden, die wie Sterne leitend strahlen,
Wenn Larven gaukeln um des Pfades Ziel,
Wie ist so schnell die Bürde abgenommen,
Heißt Freunde Ihr den Wanderer willkommen.

Erinnerungen an Klagenfurt
1841

                              I.
        Wanderungen durch die Stadt

Sei mir gegrüßt mit deinen lichten Hallen,
Sei mir gegrüßt im sanften Morgenglanz,
Wie um die Jungfrau helle Schleier wallen,
Prangt rings um dich der Berge luft'ger Kranz,
Ein deutsches Haus mit Toren unverschlossen,
Begrüßest Du den wandernden Genossen.

Wohin soll ich die frohen Blicke wenden,
Den Türmen zu? dem Drachenmonument?
Den Tempeln, die so reich an Künstlerspenden,
Den Hügeln, rings von Kirch' und Burg gekrönt?
Soll ich vor den Palästen forschend weilen,
Soll ich zum See, zum flutenden, enteilen?

Ein Teppich von Smaragd sind deine Fluren,
O Karnien, an Silberströmen reich,
Wohl heben sich gewaltiger Ahnen Spuren,
Auf Bergen rings, fast altem Stickwerk gleich,
In Mitten liegt, so reich an Lust und Wonne,
Die Hauptstadt als erhab'ne Perlenkrone.

Soll irrend ich mich hin und her begeben?
Bin ich ein Fremdling denn in diesem Land?
Wo Freunde wert der Freundschaft für mich leben,
Wo mir den Erstlingskranz die Muse wand?
Die Freunde will ich herzlich nun begrüßen,
Frisch auf, sie in die Arme schnell zu schließen.

                   II.
     Auf Du und Du an M. . . .

Da standen wir hoch am Turme,
Zu Füßen die freundliche Stadt,
Vor uns den Kranz der Alpen
Weit über der wogenden Saat.

Und Burgen und Kirchen in Fülle
Auf manchem Gipfel erhöht,
Darüber die Schar der Wolken
Als goldenes Banner weht.

Die Sonne blitzte heiß strahlend
Vom Spiegel des Sees zurück,
Doch leuchtete wärmer die Freundschaft
Im tauumflorten Blick.

Da hing er an meinem Arme,
Den ich liebte seit manchem Jahr,
Den nie noch mein Auge gesehen,
Der dem Herzen so nahe doch war.

Hoch oben die milde Sonne,
Weit um die warme Natur,
Vernahmen von seligen Lippen
Der Freundschaft heiligen Schwur.

Wohl hämmert die Mittagsstunde,
Doch rascher hämmert das Herz,
Sei mir Bruder in Freud' und Liebe
Sei mir Bruder in Trauer und Schmerz!

Und fest wie der Turm durch die Wolken
Streb' du zum Himmel hinauf,
Und wie ich dich küsse viermal
Nach aller vier Winde Lauf,

So laß uns fördern das Gute,
Laß uns wirken all' überall,
Und schirmen den pochenden Busen
Durch der Freundschaft heiligen Wall.

So sprach er, die Küsse verflogen,
Doch in des Herzens Ruh:
Da rief es mit Cherubsstimme
Für ewig: auf Du und Du!

Mag der Frühling rauschen aus Osten,
Mag mich sengen des Südens Glut,
Mag der Zephir mich sanft umkosen,
Eh' das Herz im Winterschlaf ruht:

Mir klingen die heiligen Worte
Im Traum', wie im Wachen zu;
Auf ewig bleiben wir Brüder,
Für ewig: auf Du und Du!

                        III.
            Champagner Abend

Heischt ihr Blüten nur vom Lenze,
Ach, wie toll die Menschen sind,
Auch der Herbst bringt seine Kränze,
Auch der Herbst scherzt weich und lind.
            Grollen die Stürme.
            Flugs zum Pokal,
            Bachus beschirme
            Rüstig den Saal.
Perle Champagner, perle in Funken;
Lieder und Liebe hoch! Freunde, getrunken.

Meint ihr, in der Heimat gebe
Es nur Freunde — Rebenblut,
Meint ihr, hinter'm Ofen lebe
Sich's allein nur warm und gut?
            Kommt nur und grüßet
            Kärnten mit mir,
            Rebensaft fließet
            Herzlicher hier.
Perlet Champagner glühend hinunter,
Lieder und Liebe hoch! Freunde, nur munter.

Sucht ihr wohl in Prunkgemächern
Je ein herzlich Männerlied?
Sucht ihr es bei tollen Zechern,
Die der Kranz der Charis mied?
            Tolles Vermuten!
            Lieder und Wein
            Können bei guten
            Freunden nur sein.
Perlet Champagner frisch durch die Kehlen,
Lieder und Liebe hoch! glühende Seelen.

Freunde hab' ich hier gefunden,
Hab' als Bruder sie begrüßt,
Schönste meiner Lebensstunden,
Die mir Gruß und Kuß versüßt!
            Fröhlicher Abend,
            Champagner Glut,
            Lockend und labend
            Männlicher Mut.
Perlet Champagner lustig im Kreise,
Denk ich der Kärntner herzlicher Weise.

Phalänen
1841

                  I.
           Nachtgruß

Des Lebens schrillende Töne,
Die wirren, sind endlich verrauscht,
Es perlen der Wehmut Tränen,
Von Spöttern unbelauscht.

Fahr' Torenjacke vom Tage,
Fahr' hin in den Schrank der Nacht,
Wohl mir und meiner Klage,
Wir trösten uns unverlacht.

Wenn blitzend das Spiel des Lebens
Im fröhlichen Sonnenglanz sprüht,
Da suche ich, ach, vergebens
Mir Glanz und Licht für's Gemüt.

Doch, wenn der Dämmerung Schleier
Sich sanft um Gräber zieh'n,
Die Sterne in milder Feier
Am dunklen Himmel immer glüh'n:

Da wird's in mir so helle,
So rein wie Morgenglanz,
An grauser düstern Stelle
Erblühen Rosen zum Kranz.

Da kommen viel Bilder gezogen
Vom Sternenhimmel herab,
Da steigen auf Regenbogen
Die Träume zum Himmel vom Grab.

Ei hört' ich manchen oft sagen:
Wen sprichst du, du bist ja allein?
Als dürften Sänger und Klagen
Nicht redende Freunde sein!

Als dürft' sich der Geist von den Ketten
Des Alltagsjoches befreit
Auf Traumesschwingen nicht retten,
Die nur die Nacht ihm verleiht.

                  II.
        Meine Kammer

Alpenstücke, Schwerter, Bilder,
Karten auch von manchem Land,
Sind hier, wie bei Nachbar Trödler,
Buntgemischt an jeder Wand.

Wie könnt ihr auch Geister bannen?
Bücher seh' ich vielerlei;
Welke Blumen auch in Menge,
O, ihr macht wohl gar Arznei?

Also meinte jüngst ein Fremder,
Als er meine Kammer sah;
Wo so viel, nur mir doch wertes
Meinem Aug' und Herzen nah.

Wohl ein Arzt bin ich geworden,
Hab' Anatomie studiert,
Wenn das Schicksal die Lanzetten
An dem Herzen mir probiert.

Dort die Blumen, welk und düster,
Blüh'n wohl auf um Mitternacht,
Wenn mir Freund' und Freundin steigen
Aus dem Grab, das sie bewacht.

Zog ich denn nicht jene Rose
Ihr vom blonden Lockenhaar,
Als sie blaß im Leichentuche,
Stumm vor mir im Sarge lag.

Jene Nelken, grau verwittert,
Sammelt ich am Hochzeits-Tanz,
Rosmarin doch dort und Veilchen
Aus des Freundes Totenkranz.

Tränk' ich sie mit meinem Tränen,
Weht um sie Erinnerung,
O, dann blüh'n allmählig wieder
Sie mir duftend schön und jung.

Dann sind sie mir die Arzneien,
Wenn bei Bergstock, Bild und Schwert,
Oft mir durch die alten Wunden
Flammenschmerz auf's Neue fährt.

Trödeltand mag's Vielen scheinen,
Was mir doch so wert und lieb,
Weil's dem frostigen Beschauer
Fremd und unerklärbar blieb.

Oft muß ich den Geist wohl bannen,
Tobt er in des Kerkers Kluft,
Bis ihn einst der große Meister
An den Tag des Lichtes ruft.

Trödeltand wird Alles werden,
Wenn der große Trödler Tod
Mich zu Fürst und Bettler bettet,
Zwischen Nacht und Morgenrot.

                  III.
     Mein blinder Nachbar

Zur Rechten, da lärmen im Wirtshaus
Die Gäste beim saueren Wein,
Und singen sich närrische Lieder
Bis tief in die Nacht hinein.

Wohl spähet der schielende Wächter
Durch's Fenster in's tolle Haus,
Doch machen sich die da innen
Ob des Wächters gar wenig daraus.

Und nahet die Stunde der Geister,
Sind die Lichter all' ausgetan,
Da fasset Wächter und Zecher
Die Sehnsucht nach Ruhe an.

Sie schleichen durch's finstere Städtchen
Gar sittlich, gelassen und still,
Die Lichter der Kneipe erlöschen
Und aus ist das tolle Spiel.

Und sanft vom Hause zur Linken,
Weht herüber der Harfe Klang,
Bald weich wie Lieder des Schlummers,
Bald feurig wie Hochgesang.

Bald flötend in süßer Sehnsucht
Wie Philomelens Schlag,
Bald weinend in Tönen des Schmerzes
Wie blutige Totenklag.

Bald aufwärts schwebend wie Wolken,
Vom Abendgold verklärt,
Bald freudig wie heilige Hoffnung,
Des ewigen Lichtes wert.

Das ist mein seltsamer Nachbar,
Der rühret die Harfe so weich,
Sind auch seine Augen erloschen,
Er sieht doch in's Himmelreich.

Wohl schweigt er am rauschenden Tage,
Den doch sein Auge nicht sieht,
Und harfnet im Dunkel der Nacht erst,
Wenn rings das Leben verglüht.

O, möcht' er lange noch harfnen,
Seine Töne sind auch das Licht,
Das mir in die Tiefen der Seele
Wie heilige Ahnung bricht.

Ist auch sein Auge verschlossen,
Das Herz sieht der Töne Lauf,
Im Tod schließen Andere die Augen
Er aber tut sie dann auf.

                IV.
      Stammbuchblätter

So manche herzliche Zeile
Aus fernem, fernem Land,
So manches Bild, wohl gezeichnet
Von lieber von zärtlicher Hand,
So mancher Wunsch für die Zukunft,
So mancher Vergangenheit Traum,
Die bilden in flüchtigen Blättern
Eine Welt hier im engen Raum.

Oft zaubern sie schön're Tage
Wie Frühlingshauch mir zurück,
Oft treiben sie unwillkürlich
Die Tränen mir in den Blick,
Die Blätter sind friedlich beisammen,
Die Freunde sind längst zerstreut.
Und mancher schläft müßig im Grabe,
Der sich tätig des Lebens gefreut.

Die das Kränzchen glühender Rosen,
Ihr Ebenbild schüchtern gemalt,
Ist längst als ewige Rose
In's ewige Tempe gewallt.
Der Freund, der diese Zeilen geschrieben,
Von ehelicher Harmonie,
Ist seinen eigenen Zeiten
Geworden zur Parodie.

Der von Herz und ewiger Freundschaft,
Von treuem Brudersinn sprach,
Der könnt' es nicht leicht überleben,
Mißt die Tat seinen Worten nach.
Nur Manche, die in schlichten Versen
Versprachen das Wiederseh'n,
Die wollen als gute Geister
Mich freundlich noch jetzt umweh'n.

Ruh' friedlich im Kästchen beisammen,
Du liebe vergangene Welt,
Die zaub'risch in heiteren Träumen
Von besseren Zeiten erzählt,
Wo noch der Lenz statt der Blätter
Mir blühende Freunde gereicht,
Jetzt hab' ich wohl viele der Blätter,
Doch Freunde — nicht Einen vielleicht.

Lebt wohl
1841

Es ist ein reger Trieb in edlen Seelen,
Der sie zum Dank für jede Wohltat drängt,
D'rum wollten wir die Abschiedsstunde wählen
Zum Ausdruck des, was uns're Brust beengt.

Aus den Abschiedsklängen lieber Freunde

Es ist ein reger Trieb in edlen Seelen,
Der leitet sie im Sturm der Lebensnacht,
Der weiß die Kraft, die flüchtige, zu stählen:
Er heißt Gefühl, vom Geiste treu bewacht.
Der lehrt allein das schöne Ziel erkennen,
Wenn es auch fern am Sternendome hängt,
Er darf den Freunden jenen Zauber nennen,
Der sie zum Dank für jede Wohltat drängt.

D'rum wollten wir die Abschiedsstunde wählen
Für Das, was sanft das weiche Herz bewegt,
Wer kann die Worte für die Liebe zählen,
Die weh und froh im bangen Herzen schlägt.
So lebt denn wohl ihr unvergess'nen Lieben,
Und denkt, wenn einst der letzte Mittag sengt:
Die Glut der Freundschaft ist in's Herz geschrieben,
Zum Ausdruck des, was unsre Brust beengt.

Stillstand
1842

Auf dem Pfad' der Weihe strebte
Glühend aufwärts einst dein Sinn,
Und ein Liedersturm entschwebte
Deiner Harfe freudig kühn.

Und nun plötzlich dies Verzagen,
Dies Verstummen, blöd und arg,
Hört' ich einen Freund jüngst sagen,
Der mir keinen Vorwurf barg.

Frag' die Knospe, ob als Rose
Sie zu duften wohl vergaß,
Wenn im Lenz in ihrem Schoße
Tötend schon die Raupe saß.

Frag' den Aar, warum er hemmet
Auf zur Sonne seinen Flug;
Wenn ein Pfeil, ein gift'ger, lähmet
Seiner Schwingen raschen Zug.

Frag' den Reiter, was im Jagen
Ihn und seinen Renner hält;
Wenn, so weit die Blicke tragen,
Ekler Sumpf den Pfad verstellt.

Antwort in des Sängers Blicke
Findest Du, o Freund, gewiß,
Dem der Haß in arger Tücke
Frech das Saitenspiel zerriß.

Weihe der Frauen
1845

Die Stunden verrauschen,
Die Jahre entflieh'n,
Und was sie umtauschen,
Muß wieder verblüh'n.

Und andere Normen
Im wechselnden Tanz,
Und andere Formen
Umspielet ihr Kranz.

Die Eichen zerstäuben,
Vom Sturme gefällt,
Im Wirbelwind-Treiben
Die Wunder der Welt;

Doch wieder vereinet
Mit Macht sie die Zeit,
Und lieblich erscheinet,
Was ordnend sie reiht.

Was zierlich dann schmücket
Die herrlichen Frau'n,
Erfreuet, entzücket,
Im Schönen zu schau'n.

Das Schöne und Wahre
Allein darf besteh'n,
Ob flüchtig die Jahre
Wie Töne verweh'n.

Wenn Kosen und Lieben
Und Zauber verblüht,
Sind treu stets geblieben
Verstand und Gemüt;

Die meistern und bauen
Am Throne der Welt,
Der doch nur für Frauen
Die Dauer behält;

Denn sie nur befehlen
Mit Geist und Gemüt,
Als Sterne im hellen,
Im Herzensgebiet.

Gleich und Gleich
1845

Wie lockt den Blätterschmuck, die Blüten,
Den Farbenglanz, der Sonne Strahl
Mit heißem Kuß auf Lenz und Tal,
Daß sie wie Neuvermählte glühten!

Wie bebt der Saite, kaum erklungen,
Zu ihrer Lust, zu ihrem Ach
Der gleiche Ton leis' zitternd nach,
Wie Elfenspur vom Tau durchdrungen.

Was zieht den West zum Schmuck der Kränze,
Was kost mit ihm der Blütenduft,
Verweht in die verwandte Luft,
Stirbt er beglückt im jungen Lenze?

So will des Herzens Gunst erwerben
Das gleiche, das verwandte Herz,
Will mit ihm teilen Lust und Schmerz,
Will mit ihm lieben — mit ihm sterben.

Cyanen
1845

Ihr lieben blauen Kronen,
Nun seid ihr welk und matt,
Wohl wie des Mädchens Hoffen,
Das euch gewunden hat.

Senkt die geknickten Häupter,
So senkte sie den Blick,
So das Cyanen-Auge
Im letzten Mißgeschick.

Da fielen meine Träume
Wie welke Blüten ab,
Ich lege euch mit ihnen
Als Opfer auf ihr Grab.

Mahnt mich der klare Himmel
An ihrer Augen Glanz,
So denke ich auch sehnend
An den Cyanen-Kranz.

Vorbei
1845

                       I.

Einen Kuß, mein blondes Mädchen,
Gönne noch dem Wandersmann;
Wenig' Wochen und im Städtchen
Geht die schönste Hochzeit an.
Und er ging. Und bunte Gäste
Lud der Vater scherzend ein,
Beim erzwung'nen Hochzeitfeste
Seiner Tochter froh zu sein.
Und erteilet war der Segen
Und die Hand war nimmer frei;
Doch das Herz ruft laut entgegen:
Mit der Lieb ist's auch vorbei.

                    II.

An dem Ruder der Galeere
Zieht der Sklav' mit matter Hand,
Vor der Seele steht das hehre,
Steht das schöne Vaterland.
Und er denkt mit feuchten Blicken:
Selige Vergangenheit!
Weh', da ächzt sein blut'ger Rücken
Zwischen Denken — Ruderzeit.
Jetzo nah'n wie Sturmesvögel
Feindesschiffe — donnern kühn;
Der Galeere Mast und Segel
Splittern leicht wie Spreu dahin.
Unten Wellen — oben Gluten,
Ringsum der Verzweiflung Schrei!
Nur der Sklav' küßt froh die Fluten;
Leben, Knechtschaft sind vorbei!

                    III.

Durch des Vorhangs lose Falten
Späht die letzte Abendglut,
Malt dem Kranken Traumgestalten,
Der auf müdem Lager ruht.
Leise, leiser dringt das Weinen
Seinen Lieben noch in's Ohr,
Fast wie Glocken rufend scheinen,
Den das Wellengrab erkor.
Ruhig, wie der Künstler saget,
Daß die Uhr gebrochen sei,
Meint der Arzt: wozu geklaget,
Hm, mit Dem ist's doch vorbei;

Ach, vorbei! mit diesem Worte
Ziehen rasch vom stummen Haus,
Wie durch eine Riesenpforte,
Freude, Trost und Hoffnung aus.
Eines darf zurück nur bleiben,
Um sich selbst in's tote Herz
Mit dem Wort: Vorbei! zu schreiben,
Nur der letzte Arzt — der Schmerz.

Wechsel
1845

Mädchen, ei, du willst mir grollen,
Daß der Wechsel mich erfreut;
Grollest du den raschen Monden,
Wenn sich Jahr auf Jahr erneut?

Zürnest du den Lenzesblüten,
Die im Stundenkuß verweh'n?
Zankst du mit den Purpurwolken,
Daß sie auf und untergeh'n?

Mit den Wellen, mit den Lüften,
Die da kreisen rasch im Tanz,
Mit den Tönen, mit den Farben,
Mit der Iris heit'rem Glanz?

Sieh', dies waren meine Meister,
Die den Wechsel mich gelehrt,
Daß mein Lied, das heut' dich preiset,
Morgen eine And're ehrt.

Aber mehr als jene Meister
Warst du mir im Ernst und Scherz,
Denn du wechselst deine Tänzer,
Und mit jedem auch dein Herz.

Kain
1845

Wer mir kann die Kinder hassen,
Die der Herr doch selber ließ
Seine Segenshand umfassen,
Die erschuf das Paradies;
Wer mir kann die Blumen meiden,
Die als Opferschmuck Natur
Für den Höchsten streut bescheiden
Auf den Teppich jeder Flur;
Wer mir kann die Lieder schmähen,
Die der weichen Brust entstammt.
Sanft vom Herz zum Herzen gehen,
Weil sein Ohr zur Schmach verdammt:
Gleicht der nicht im wahren Sinne
Der Hyäne Zug für Zug,

Trägt er nicht vom Kain die Miene,
Der den Bruder frech erschlug?
Ist er wert nicht, daß ihn fliehe
Blume, Kind und Lied vereint;
Daß sein Grab verdorret glühe,
Unbesungen, unbeweint?

Der Totengräber
1845

Bin ein Landmann, der am Morgen
Emsig geht die Felder ab,
Wie viel Mühen, wie viel Sorgen
In der Welt doch um ein — Grab!
Was dem Reichen Schrank und Schrein,
Sargt für mich die Truhe ein.

Bin ein König, mir zu Füßen
Fällt der König wie der Knecht,
Meine Kammern ja umschließen
Ernst das modernde Geschlecht;
Manches Herz, gar gut und weich,
Freut sich in dies Königreich.

Perlen schimmern, Diamanten,
Vielen, nun vom Tau gestreut,
Die im Wachen niemals kannten,
Wie der Teilnahm' Träne freut.
Hoffnung-selbst, die Schmeichlerin,
Blüht als Maler im Friedhof d'rin.

Bin ein Gärtner, manche Pflanze,
Dieser rauhen Welt zu gut,
Sende ich zum Himmelsglanze,
Wo die Blüte sicher ruht;
Kühne Hand und frecher Blick
Schaudern vor dem Grab zurück.

Bin ein Gärtner; aufgeschlossen
Ist für Alle mein Asyl;
Was die Dummheit arg verstoßen,
Was der Haß verfolgen will,
Hat es mein Gebiet erreicht;
Seht, wie feig der Feind entweicht.

Unter meinem Schutze stehen
Marmortränen, Qual aus Erz,
Klag', in Versen anzusehen,
Ohne Denkmal Kopf und Herz,
Selbst der Hund, der treu allein,
Durft des Armen Tröster sein.

Meine Herberg halt ich offen
Jedem, den der Weg gebracht;
Eines darf er sich erhoffen:
Eine lange — gute Nacht.
Besser, als im eig'nen Haus,
Schläft sich hier der Kummer aus.

Nesseln
1846

                  I.
    Hobelspäne und Pillen

Wen die Göttin Dummheit liebet,
Was er bildet, was er macht,
Wird zu eitlen Hobelspänen,
Torheitsbilder unbedacht.

Wen die Bosheit ringelnd gängelt,
Sieh', der dreht aus Blumenduft
Fein geformte gift'ge Pillen,
Haucht sie an mit Todesluft.

Wenn der Erste Tor und Weisen
Mit des Hobels Staub bewirft,
Sorgt der Zweite, daß aus Freuden
Gift die Unschuld selber schlürft.

Bleibt der Erste ungehobelt,
Ob er tausend Späne schafft:
Wird der Zweite nie gefährdet
Von des eig'nen Giftes Kraft.

Wird der Erste Kritikaster,
Wird der Zweite Rezensent,
Fällt der Erste — höhnt der Zweite,
An Pasquinos Bild gelehnt.

Freuet sich das Volk im Jubel,
Plumpt der Erste schnaubend d'rein,
Leise lächelnd wirft der Zweite
Bitt're Pillen in den Wein.

Wenn der Erste Lust und Liebe,
Fremde Schwächen ausposaunt,
Wird vom Zweiten Muhmen, Basen
Leis' die Lüge zugeraunt.

Brummt der Erste: an dem Torso
Fehle nur sein Hobel noch,
Wirft in Tizians Pracht der Zweite
Mit den Pillen Loch an Loch.

Weh' den Fluren, wo sie wandeln,
Freundschaft schimmernd Hand in Hand,
Denn als arge Gäste zeigen
Bosheit sich und Unverstand.

                 II.
   Geharnischt und offen

Seit geharnischte Sonette
Vater Rückert kräftig sang,
Nennt manch' Aftermusenzögling
Auch geharnischt seinen Sang.

Und von Briefen, wo der Harnisch
Alles, nur nicht Wahrheit schützt,
Und von Liedern, wo kein Funke
Herzkraft aus dem Helme blitzt:

Und von Kritiken geharnischt,
Rauscht's wie eine Zaubersaat,
Wie im Rüstsaal leer von Helden
Bess'rer Ahnen Eisenstaat.

Ist's so schwer denn, frei und offen
Ohne Panzer da zu steh'n,
Kühn, wie David den Philister,
In dem Harnisch anzuseh'n?

Ist denn minder schön die Quelle,
Die da rieselt, tanzt und springt,
Denn des Eises kalte Rüstung,
Die des Lenzes Kuß bezwingt?

Kann ein Strohdach mehr gefallen,
Als der Ähren Goldgewühl,
Mehr das Heu in schweren Bündeln,
Als der Blüten Farbenspiel?

Ohne Harnisch kämpfte, siegte
Uns'rer Ahnen Reckenstamm,
Auch erschlag'nen Eisenmännern
Weht des Mädchens Oriflam.

Offen glänzt der Strahl der Sonne,
Der den Tau von Blumen küßt,
Wenn das Langohr grau gepanzert,
Sinnverwandte Stoppeln frißt.

Ungetrübte, off'ne Wahrheit
Steht im Sturme ungeknickt,
Wenn im eig'nen Panzerhemde
Feige Lüge stumm erstickt.

                    III.
           Hund und Stock

Uns'rer Ahnen Stolz und Zierde,
Ihres festen Sinnes wert,
Waren Roß und Eisenbürde,
An der Linken blank das Schwert.

Uns'rer Jugend Schmuck und Zeichen,
Gebend jede Anlag' kund,
Herr und Knecht in sich zu gleichen,
Sind der Stock fürwahr und Hund.

Stand und Rang wird nur bemessen
Nach dem Stock, dem zweiten Ich,
Gerne Freund und Braut vergessen
Für ein Hündlein sicherlich.

Statt dem Holz auf kaltem Herde
Wärmt der Stock die leere Hand,
Und als liebster Duft der Erde
Würzt der Hund das Prachtgewand.

Bei Konzerten, Promenaden,
Ist der Stock des Dandy's Geist,
Wie Geschmack bei Serenaden
Laut der Hund für ihn beweist.

Ohne Stock nun keine Jugend,
Wie am Hund das Wissen liegt,
Denn mit Krücken geht die Jugend,
Seit sich schmeichelnd Treue schmiegt.

Heim zu kommen, dem Vergnügen
Gleicht doch keines auf der Welt,
Wenn der Hund in vollen Zügen
Zum bekannten — Hasen bellt.

Antitierqual zu verspotten,
Dem Genie, welch' Hochgenuß!
Schlägt der Stock mit Spitz und Knoten
Auch nur an den eig'nen Fuß.

Mag in's Leihhaus Alles wandern,
Stock und Hund ja bleiben frei,
Und was kümmert's jeden Andern,
Welcher Stock am Hund jetzt sei?

Von der Deichsel bis zur Rute
Wird das Holz zum Stock' verschnitzt,
Doch vor ihm, wie vor der Knute,
Mops und Pomer treu beschützt.

Wenn der Herr die Kost noch schuldet,
Die er mit dem Hund geteilt,
Ist's der Stock, der's nimmer duldet,
Daß der Gläub'ger sich beeilt.

Manchen kümmert nicht der Zweifel
An dem eigenen Verstand,
Droht doch jedem Tod und Teufel,
Der sein Hündchen blöde fand.

Wagt es, einen Hund zu treten,
Rache, tobt sein Schutzherr — Stock,
Rache, wollt' Ihr sorgsam retten,
Vor dem eklen Kuß den Rock.

Jedem Narren seine Schellen!
Jeder Mode — Zeit und Recht,
Doch statt Hund und Stock zu wählen,
Wie der Busta roher Knecht:

Gebt das Geld zur Kost der Armen,
Besser Mensch, als Hund zu sein!
Schiebt die Stöcke zum Erwarmen
In des Bettlers Ofen ein.

Die drei Weine
Nach dem slowenischen
1846

An des Hauses blanker Schwelle
Steht des Wirtes Töchterlein,
Stolz auf Vaters Trank, der helle,
Perlet in drei Fässern Wein.

Von dem Ersten um zwei Dreier
Nippen Geizhals – Bettelmann,
All' das Volk, das Zither, Leier
Nicht vom Herzen freuen kann.

Von dem Zweiten, silberwerten
Sieht sie oft die Wangen glüh'n
Wenn ihn Jüngling, Jungfrau leerten,
Denen Lieben — Leben schien.

Bei dem Dritten um den Taler
Sitzen Schlemmer gern und Dieb,
Denen Gold — ein schlauer Zahler —
Für Gewissensruhe blieb.

Darum steht mit stolzer Miene
Da des Wirtes Töchterlein,
Schenkt dem Gast nach seinem Sinne
Zu dem Krug sein Urteil ein.

Das Waisenkind
1846

An des Friedhof's dunkler Mauer,
Hoch aus Marmor glatt und fein,
Reich an Worten kluger Trauer,
Ragt ein schwarzer Leichenstein.

Tränen starren kalt und trügend
In dem Aug' der Genien;
Hat der Künstler falsch und lügend
Denn die Erben angeseh'n?

Was ihr Mund in Worten feiert:
Ihr erdichtetes Gefühl,
Hat der Meißel hier entschleiert,
Weil der Stein doch reden will.

An dem Grab', am weichen Flieder,
Kniet ein bleiches Waisenkind,
Kniet in stummer Andacht nieder,
Fromm, wie Gottes Engel sind;

Seine Worte, seine Klagen,
Und die dort am Monument;
Wollt Ihr doch den Himmel fragen:
Ob er ihren Abstand kennt?

Gold war für die Erben Habe,
Für das Waisenkind ein Herz,
Darum gleißend ihre Gabe
Und die seine — treuer Schmerz.