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III.
Lieben

 


I.

Und wie mag die Liebe dir kommen sein?
Kam sie wie ein Sonnen, ein Blütenschnein,
kam sie wie ein Beten? — Erzähle:

Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los
und hing mit gefalteten Schwingen groß
an meiner blühenden Seele . . .

II.

Das war der Tag der weißen Chrysanthemen, —
mir bangte fast vor seiner schweren Pracht . . .
Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen
tief in der Nacht.

Mir war so bang, und du kamst lieb und leise, —
ich hatte grad im Traum an dich gedacht.
Du kamst, und leis wie eine Märchenweise
erklang die Nacht . . .

III.

Einen Maitag mit dir beisammen sein,
und selbander verloren ziehn
durch der Blüten duftqualmende Flammenreihn
zu der Laube von weißem Jasmin.

Und von dorten hinaus in den Maiblust schaun,
jeder Wunsch in der Seele so still . . .
Und ein Glück sich mitten in Mailust baun,
ein großes, — das ists, was ich will . . .


IV.

Ich weiß nicht, wie mir geschieht . . .
Weiß nicht, was Wonne ich lausche,
mein Herz ist fort wie im Rausche,
und die Sehnsucht ist wie ein Lied.

Und mein Mädel hat fröhliches Blut
und hat das Haar voller Sonne
und die Augen von der Madonne,
die heute noch Wunder tut.

V.

Ob dus noch denkst, daß ich dir Äpfel brachte
und dir das Goldhaar glatt strich leis und lind?
Weißt du, das war, als ich noch gerne lachte,
und du warst damals noch ein Kind.

Dann ward ich ernst. In meinem Herzen brannte
ein junges Hoffen und ein alter Gram . . .
Zur Zeit, als einmal dir die Gouvernante
den "Werther" aus den Händen nahm.

Der Frühling rief. Ich küßte dir die Wangen,
dein Auge sah mich groß und selig an.
Das war ein Sonntag. Ferne Glocken klangen,
und Lichter gingen durch den Tann . . .

VI.

Wir saßen beide in Gedanken
im Weinblattdämmer — du und ich —
und über uns in duftgen Ranken
versummte wo eine Hummel sich.

Reflexe hielten, bunte Kreise,
in deinem Haare flüchtig Rast . . .
Ich sagte nichts als einmal leise:
"Was du für schöne Augen hast."


VII.

Blondköpfchen hinter den Scheiben
hebt es sich ab so fein, —
sternt es ins Stäubchentreiben
oder zu mir herein?

Ist es das Köpfchen, das liebe,
das mich gefesselt hält,
oder das Stäubchengetriebe
dort in der sonnigen Welt?

Keins sieht zum andern hinüber.
Heimlich, die Stirne voll Ruh
schreitet der Abend vorüber . . .
Und wir? Wir sehn ihm halt zu. —

VIII.

Die Liese wird heute just sechzehn Jahr.
Sie findet im Klee einen Vierling . . .
Fern drängt sichs wie eine Bubenschar:
die Löwenzähne mit blondem Haar
betreut vom sternigen Schierling.

Dort hockt hinterm Schierling der Riesenpan,
der strotzige, lose Geselle.
Jetzt sieht er verstohlen die Liese nahn
und lacht und wälzt durch den Wiesenplan
des Windes wallende Welle . . .

IX.

Ich träume tief im Weingerank
mit meiner blonden Kleinen;
es bebt ihr Händchen, elfenschlank,
im heißen Zwang der meinen.

So wie ein gelbes Eichhorn huscht
das Licht hin im Reflexe,
und violetter Schatten tuscht
ins weiße Kleid ihr Kleckse.

In unsrer Brust liegt glückverschneit
goldsonniges Verstummen.
Da kommt in seinem Sammetkleid
ein Hummel Segen summen . . .


X.

Es ist ein Weltmeer voller Lichte,
das der Geliebten Aug umschließt,
wenn von der Flut der Traumgesichte
die keusche Seele überfließt.

Dann beb ich vor der Wucht des Schimmers
so wie ein Kind, das stockt im Lauf,
geht vor der Pracht des Christbaumzimmers
die Flügeltüre lautlos auf.

XI.

Ich war noch ein Knabe. Ich weiß, es hieß:
Heut kommt Base Olga zu Gaste.
Dann sah ich dich nahn auf dem schimmernden Kies
ins Kleidchen gepreßt, ins verblaßte.

Bei Tisch saß man später nach Ordnung und Rang
und frischte sich mäßig die Kehle;
und wie mein Glas an das deine klang,
da ging mir ein Riß durch die Seele.

Ich sah dir erstaunt ins Gesicht und vergaß
mich dem Plaudern der andern zu einen,
denn tief im trockenen Halse saß
mir würgend ein wimmerndes Weinen.

Wir gingen im Parke. — Du sprachst vom Glück
und küßtest die Lippen mir lange,
und ich gab dir fiebernde Küsse zurück
auf die Stirne, den Mund und die Wange.

Und da machtest du leise die Augen zu,
die Wonne blind zu ergründen . . .
Und mir ahnte im Herzen: da wärest du
am liebsten gestorben in Sünden . . .


XII.

Die Nacht im Silberfunkenkleid
streut Träume eine Handvoll,
die füllen mir mit Trunkenheit
die tiefe Seele randvoll.

Wie Kinder eine Weihnacht sehn
voll Glanz und goldnen Nüssen, —
seh ich dich durch die Mainacht gehn
und alle Blumen küssen.


XIII.

Schon starb der Tag. Der Wald war zauberhaft,
und unter Farren bluteten Zyklamen,
die hohen Tannen glühten, Schaft bei Schaft,
es war ein Wind, — und schwere Düfte kamen.
Du warst von unserm weiten Weg erschlafft,
ich sagte leise deinen süßen Namen:
Da bohrte sich mit wonnewilder Kraft
aus deines Herzens weißem Liliensamen
die Feuerlilie der Leidenschaft.

Rot war der Abend — und dein Mund so rot,
wie meine Lippen sehnsuchtheiß ihn fanden,
und jene Flammen, die uns jäh durchloht,
sie leckten an den neidischen Gewanden . . .
Der Wald war stille, und der Tag war tot.
Uns aber war der Heiland auferstanden,
und mit dem Tage starben Neid und Not.
Der Mond kam groß an unsern Hügeln landen,
und leise stieg das Glück aus weißem Boot.


XIV.

Es leuchteten im Garten die Syringen,
von einem Ave war der Abend voll, —
da war es, daß wir voneinander gingen
in Gram und Groll.

Die Sonne war in heißen Fieberträumen
gestorben hinter grauen Hängen weit,
und jetzt verglomm auch hinter Blütenbäumen
dein weißes Kleid.

Ich sah den Schimmer nach und nach vergehen
und bangte bebend wie ein furchtsam Kind,
das lange in ein helles Licht gesehen:
Bin ich jetzt blind? —

XV.

Oft scheinst du mir ein Kind, ein kleines, —
dann fühl ich mich so ernst und alt, —
wenn nur ganz leis dein glockenreines
Gelächter in mir widerhallt.

Wenn dann in großem Kinderstaunen
dein Auge aufgeht, tief und heiß, —
möcht ich dich küssen und dir raunen
die schönsten Märchen, die ich weiß.


XVI.

Nach einem Glück ist meine Seele lüstern,
nach einem kurzen, dummen Wunderwahn . . .
Im Quellenquirlen und im Föhrenflüstern
da hör ichs nahn . . .

Und wenn von Hügeln, die sich purpurn säumen,
in bleiche Bläue schwimmt der Silberkahn, —
dann unter schattenschweren Blütenbäumen
seh ich es nahn.

In weißem Kleid; so wie das Lieb, das tote,
am Sonntag mit mir ging durch Staub und Strauch,
am Herzen jene Blume nur, die rote,
trug es die auch? . . .

XVII.

Wir gingen unter herbstlich bunten Buchen,
vom Abschiedsweh die Augen beide rot . . .
"Mein Liebling, komm, wir wollen Blumen suchen."
Ich sagte bang: "Die sind schon tot."

Mein Wort war lauter Weinen. — In den Äthern
stand kindisch lächelnd schon ein blasser Stern.
Der matte Tag ging sterbend zu den Vätern,
und eine Dohle schrie von fern—

XVIII.

Im Frühling oder im Traume
bin ich dir begegnet, einst,
und jetzt gehn wir zusamm durch den Herbsttag,
und du drückst mir die Hand und weinst.

Weinst du ob der jagenden Wolken?
Ob der blutroten Blätter? Kaum.
Ich fühl es: du warst einmal glücklich
im Frühling oder im Traum . . .


XIX.

Sie hatte keinerlei Geschichte,
ereignislos ging Jahr um Jahr —
auf einmal kams mit lauter Lichte . . .
die Liebe oder was das war.

Dann plötzlich sah sies bang zerrinnen,
da liegt ein Teich vor ihrem Haus . . .
So wie ein Traum scheints zu beginnen,
und wie ein Schicksal geht es aus.

XX.

Man merkte: der Herbst kam. Der Tag war schnell
erstorben im eigenen Blute.
Im Zwielicht nur glimmte die Blume noch grell
auf der Kleinen verbogenem Hute.

Mit ihrem zerschlissenen Handschuh strich
sie die Hand mir schmeichelnd und leise. —
Kein Mensch in der Gasse als sie und ich . . .
Und sie bangte: Du reisest? "Ich reise".

Da stand sie, das Köpfchen voll Abschiedsnot
in den Stoff meines Mantels vergrabend . . .
Vom Hütchen nickte die Rose rot,
und es lächelte müde der Abend.

XXI.

Manchmal da ist mir: Nach Gram und Müh
will mich das Schicksal noch segnen,
wenn mir in feiernder Sonntagsfrüh
lachende Mädchen begegne . . .
Lachen hör ich sie gerne.

Lange dann liegt mir das Lachen im Ohr,
nie kann ichs, wähn ich, vergessen . . .
Wenn sich der Tag hinterm Hange verlor,
will ich mirs . . . Indessen
singens schon oben die Sterne . . .


XXII.

Es ist lang, — es ist lang . . .
wann — weiß ich gar nimmer zu sagen . . .
eine Glocke klang, eine Lerche sang —
und ein Herz hat so selig geschlagen.
Der Himmel so blank überm Jungwaldhang,
der Flieder hat Blüten getragen, —
und im Sonntagskleide ein Mädchen, schlank,
das Auge voll staunender Fragen . . .
Es ist lang, — es ist lang . . .