zurück

weiter
nächster Gedichtband
 

VII.
Mütter

 


Ich sehne oft nach einer Mutter mich,
nach einer stillen Frau mit weißen Scheiteln.
In ihrer Liebe blühte erst mein Ich;
sie könnte jenen wilden Haß vereiteln,
der eisig sich in meine Seele schlich.

Dann säßen wir wohl beieinander dicht,
ein Feuer surrte leise im Kamine.
Ich lauschte, was die liebe Lippe spricht,
und Friede schwebte ob der Teeterrine
so wie ein Falter um das Lampenlicht.

= = =

Mir ist oft, daß ich fragen müßt:
Du, Mutter, was hast du gesungen,
eh deinem blassen, blonden Jungen
der Schlaf die Wangen warm geküßt?

Hattest du damals sehr viel Gram?
Und weißt du, wie du aufgesprungen,
wenn deinem blassen, blonden Jungen
im tiefen Traum ein Weinen kam?

= = =

Ich gehe unter roten Zweigen
und suche einen späten Strauß.
Weiß nicht vor Glück wo ein und aus,
mir ist so neu, mir ist so eigen:
Mein Lieb ist müd und ist zu Haus.

Jetzt ist mein Mädel erst recht eitel,
seit sich sein Mieder weiter zieht,
und seit ein Wunder ihm geschieht:
Bald hat es breite braune Scheitel
und sitzt und singt ein Wiegenlied.

= = =

Leise weht ein erstes Blühn
von den Lindenbäumen,
und, in meinen Träumen kühn,
seh ich dich im Laubengrün
hold im ersten Muttermühn
Kinderhemdchen säumen.

Singst ein kleines Lied dabei,
und dein Lied klingt in den Mai:
     Blühe, blühe, Blütenbaum,
     tief im trauten Garten.
     Blühe, blühe, Blütenbaum,
     meiner Sehnsucht schönsten Traum
     will ich hier erwarten.
     Blühe, blühe Blütenbaum,
     Sommer wird dirs zahlen.
     Blühe, blühe, Blütenbaum.
     Schau, ich säume einen Saum
     hier mit Sonnenstrahlen.
     Blühe, blühe, Blütenbaum,
     balde kommt das Reifen.
     Blühe, blühe, Blütenbaum,
     meiner Sehnsucht schönsten Traum
     lehr mich, ihn begreifen.

Singst ein kleines Lied dabei,
und dein Lied ist lauter Mai.

     Und der Blütenbaum wird blühn,
     blühn vor allen Bäumen,
     sonnig wird dein Saum erglühn,
     und verklärt im Laubengrün
     wird dein junges Muttermühn
     Kinderhemdchen säumen.

= = =

Und reden sie dir jetzt von Schande,
da Schmerz und Sorge dich durchirrt, —
o, lächle, Weib! Du stehst am Rande
des Wunders, das dich weihen wird.

Fühlst du in dir das scheue Schwellen,
und Leib und Seele wird dir weit —
o, bete, Weib! Das sind die Wellen
der Ewigkeit.

Der blonde Knabe singt:

Was weinst du, Mutter? Ist das Spind
auch bettelleer, — sei gut!
Ich bin dein blondes Kronenkind,
und du hast Edelblut.

Ich schaute ja, du weißt es nicht, —
wie du so oft noch spät
beim morgenmatten Lampenlicht
dein Königskleid genäht.

So bist du eine Königin,
und sei nicht bang und zag —
und bis ich erst krafteigen bin,
kommt unser Königstag.

Die Mutter:

"Liebling, hast du gerufen?"
Es war ein Wort im Wind.
"Wie viele steile Stufen
sind noch bis zu dir, mein Kind?" —
Da fand ihre Stimme die Sterne,
fand aber die Tochter nicht.

Im Tale in tiefer Taverne
löschte ein letztes Licht.


Manchmal fühlt sie: Das Leben ist groß,
wilder, wie Strüme, die schäumen,
wilder, wie Sturm in den Bäumen.
Und leise läßt sie die Stunden los
und schenkt ihre Seele den Träumen.

Dann erwacht sie. Da steht ein Stern
still überm leisen Gelände,
und ihr Haus hat ganz weiße Wände —
Da weiß sie: Das Leben ist fremd und fern —
und faltet die alternden Hände.