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Gedichte 1
 

Der verpachtete Parnaß
An Nadinen
Der Barde und der Minnesänger
An meinen kranken Freund Leon
König Arnulphs Hasenjagd
Über Leons Tonsur
Astronomische Observationen eines Dorfpfarrers
Auf die Entzündung des Pulverturms in Wien
Über den Tod eines Stutzers
Ix und Ypsilon, ein Dialog
Liebeslied
Lob des Weins
An Klarissen
An Herrn Blumauer
Parodie von Hamlets Monolog
An Themiren
Lied der Treue
Grabschrift eines Kleingläubigen

Der verpachtete Parnaß

Furth nächst Göttweig im Herbstmond 1775

Der Musengott war lange schon
      Auf seine Jünger böse,
Weil am geweihten Helikon
      Beim steten Mordgetöse
Der zügellosen Dichterschar
Kein kluges Wort zu sprechen war.

Des Morgens Herold, Vater Hahn,
      Entkroch dem stillen Bette
Der Henne kaum, so hörte man
      Auch schon die tolle Mette,
Oft trieb der scythische Tumult
Apollen von dem Bücherpult.

Er ließ sich von Thaliens Hand
      Den Fliegenwedel reichen,
Und zwang die Herrn, bis an den Rand
      Des Pindus zu entweichen:
Allein beim nächsten Morgenrot
Geriet er in die alte Not.

Einst ward dem Gott der Kopf so warm,
      Daß er in's Weinhaus eilte,
Wo Bacchus oft mit seinem Schwarm
      Die halbe Nacht verweilte.
Bon soir, sprach Thyrsiger, mon Cher!
Silen! lang' einen Sessel her!

Sprich, Bruder Phöbus! was, beim Styx!
      Bringst du für neue Zeitung?
Freund! sprach Apoll nach einem Knicks
      Mit Mienen voll Bedeutung,
Ich hab' es hin und her bedacht,
Ich gebe den Parnaß in Pacht.

Für hundert Stück Zechinen bist
      Du heuer Herr der Dichter,
Und was für dich ein Hauptpunkt ist,
      Du wirst durch neun Gesichter,
Die Momus selbst sich nicht erkühnt
Zu tadeln, Tag und Nacht bedient.

Ha! schrie der Traubenvater auf,
      Der Handel läßt sich hören:
Ich gebe dir den Handschlag drauf.
      Topp! ohne viel zu schwören!
Was gilt's? beim nächsten Festtagsschmaus
Sieht mir der Pindus anders aus.

Stracks rief er seiner Dienerschaft,
      Den Satyrn und Mänaden,
Und gab Befehl, den Rebensaft
      Hübsch hurtig aufzuladen,
Und Evoe! nun ging's im Nu
Dem steilen Dichterhügel zu.

Der ganze Pindus lief, als man
      Den Zug ersah, entgegen,
Wie, wenn dem Hafen Schiffe nahn,
      Die Warenträger pflegen.
Willkommen, Nektar! nur herab!
Rief man, und lud die Fässer ab.

Der Wein lag kaum im Keller fest,
      So hatten auch, beim Plunder!
Die Herrn Poeten schon den Rest,
      Und plötzlich stand, o Wunder!
Wo man sonst Lorbeerwälder sah,
Ein ganzer Hain von Reben da.

Nun war alltäglich Bachanal:
      Man soff sich halb zu Tode.
Ein derber Rausch beim Abendmahl
      Ward allgemach zur Mode.
Da schleuderte man Teller, Topf
Und Krug einander an den Kopf.

Oft sucht' ein trunkner Dichterling
      Ein Küßchen zu erschleichen:
Allein die keusche Mus' empfing
      Den Faun mit Backenstreichen.
Wie hurtig schlich mit seinem Lohn
Das junge Herrchen sich davon!

Die Musen wollten anfangs noch
      Vom Traubensaft nichts hören:
Bald aber ließen sie sich doch,
      Bescheid zu tun, betören.
Pfui, Mädchen, pfui! besorgt ihr nicht
Ein kupferfarbiges Gesicht?

Die rasche Pachtzeit strich vorbei,
      Und Phöbus kam nun wieder:
Schon fern durchdrang ihm das Geschrei
      Der Säufer Mark und Glieder.
Er trat, vor Ärger starr und stumm,
In sein entweihtes Heiligtum.

Seit dieser Zeit versucht' er zwar
      Gelindigkeit und Strenge:
Allein noch tönen immerdar
      Unbändige Gesänge
Von Nektarglut und Traubennaß
Herab vom taumelnden Parnaß.

Wem immer nur ein Reimchen glückt,
      Prahlt in den schalsten Jamben,
Daß ihm der Wein den Kopf verrückt:
       Es hagelt Dithyramben,
Und mangelt Wein, so stimmet man
Beim Wasserkrug ein Zechlied an.

 
An Nadinen
Nach Horazens dreizehnter Ode im ersten Buch
Wien im Wintermond 1775
 
Quintus Horatius Flaccus
Liber I Carmen XIII


 
        Wenn dich mein Ohr den Schwanenarm,
Den Rosenhals Amynts, Nadine, preisen höret,
        Wie fühl' ich dann mit bangem Harm
Von reger Eifersucht mein pochend Herz empöret!

        Die Farbe weicht, es starrt mein Blut:
Manch Tröpfchen, das geheim zur Wange niedergleitet,
        Verrät in mir die wilde Glut,
Die, langsam nagend, sich bis in das Mark verbreitet.

        Ich brenne, wenn, vom trunknen Streit
Entstellt, dein Busen oft unbändig sich beweget,
        Und mit verwegner Lüsternheit
Der Satyr einen Kuß dir auf die Lippe präget.

        O traue nicht der Leidenschaft
Des Flüchtlings, dessen Herz ein dauernd Bündnis scheuet,
        Und der den Kuß, den in den Saft
Des Nektars Cypris taucht, so faunenhaft entweihet!

        Beglücktes Paar, das Unbestand
Und Leichtsinn nie entzweit, das Hadersucht nicht kennet,
        Und dessen festes Liebesband
Gott Amor erst am Rand des Schattenreiches trennet!

 
        Cum tu, Lydia, Telephi
cervicem roseam, cerea Telephi
        laudas bracchia, vae, meum
fervens difficili bile tumet iecur.

        Tum nec mens mihi nec color
certa sede manet, umor et in genas
        furtim labitur arguens,
quam lentis penitus macerer ignibus.

        Uror, seu tibi candidos
turparunt umeros inmodicae mero
        rixae sive puer furens
inpressit memorem dente labris notam.

        Non, si me satis audias,
speres perpetuum dulcia barbare
        laedentem oscula, quae Venus
quinta parte sui nectaris imbuit.

        Felices ter et amplius
quos inrupta tenet copula nec malis
        divolsus querimoniis
suprema citius solvet amor die.

 
Der Barde und der Minnesänger
Wien im April 1776

Ihr Götter, helft! ein Waldgott, dünket mich,
Und Don Quixot' aus Mancha raufen sich.
Welch eine Szene! Laßt uns näher gehn! . . .
Ei! hab' ich je was Tolleres gesehn,
So strafe Venus mich mit einem Kuß
Von Chloens welken Lippen! Bergelfuß,
Der Barde, balgt mit Niethard Effterkrum,
Dem Minnesänger, sich aufs Blut herum.
Ein alter Kranz von Eichenblättern laubt
Sich bardenhaft um Bergelfußens Haupt:
Sein schnurrend Instrument, die Harfe, hängt
Ihm auf dem Rücken: seinen Leib umfängt
Ein Bärenfell. Den süßen Niethard schmückt
Ein Panzer, dessen Glanz das Aug' entzückt:
Der bunte Schild, den seine Linke führt,
Ist minniglich mit Hulda's Bild geziert,
Für die er lebt und webt. "O edles Paar!
Was soll der Zwist? verschonet euer Haar
Und eure Fäuste!" — "Kühner Fremdling! wir
Entscheiden nach den Dichterrechten hier
Den Wert und Vorrang unsrer Lieder. Doch
Du kommst uns wie gerufen: weile noch!
Du sollst der Schiedsmann sein." Sie setzten ganz
Vertraulich nun, der Barde seinen Kranz,
Und seinen Schild der werte Rittersmann,
Zum Wettpreis auf, und Bergelfuß begann:

Auf! reichet mir die Leichenrute
Und Odins Schlachthemd von der Wand!
Mich lüstet's, ha! nach Armyrs Blute,
Den Tyr den Schiffweg hergesandt.

Hulda! dir nur bin ich pflichtig,
Keinem Fräulein sonder dir;
Wank und Trug verschwör' ich: züchtig
Traun! ist meine Kußbegier.

Kommt, Klingenröter, Flammenschwinger,
Zu Gonduls Hagel lad' ich euch:
Kommt, schickt den feigen Metverschlinger
Hinab nach Hela's Schlangenreich!

Deine preislichzarten Hände
Und dein Mündlein sind fast schön:
Wonnespenderin! ohn' Ende
Wollt' ich dir in's Äuglein sehn.

Da soll in Nastronds Mördertiefen,
Wo Lok, der Göttertäuscher, heult,
Ihm Drachengift in's Antlitz triefen,
Bis Skoll einst Imers Licht ereilt.

Hei! wie wär's mir so behäglich,
Bötst du mir den Minnekuß!
Und wie ächzt mein Sang so kläglich,
Weil ich soldlos minnen muß!

"Genug, beim Herkules! genug für jetzt,
Sonst berst' ich vor Entzücken. So ergetzt
Mich oft das Säuseln eines Sturmwinds nicht,
Als Bergelfuß, dein göttliches Gedicht.
Wie wenn Megärens Schoßhund, Cerberus,
Den Husten hat (des weiteren Erebus
Entfernteste Gewölbe schütteln sich,
Wenn er sich räuspert) so erschüttert mich
Ein jeder Ton von dir. Und Niethards Lied
Fließt lieblich fort, wie man ein Bächlein sieht
Gar sanftiglich durch Wüsteneien hin
Sich schleichen. . . . Allerliebst! Verzeiht,ich bin
Nicht kühn genug, den Urteilsspruch zu tun.
Gehabt euch wohl, und laßt die Fäuste ruhn!"

An meinen kranken Freund Leon
Wien im Mai 1778

Ich bin gesund: wie steht's mit dir, mein Lieber?
Ist's wirklich Ernst, daß dich ein böses Fieber
Drei Tage schon nicht aus dem Bette läßt?
Ei, Freund! das ist ein arger Hausarrest.
Und wär's nur noch in trüben Wintertagen,
Da ließe sich's viel leichter übertragen:
Allein im Lenz, im anmutvollen Lenz
Ist allerdings ein solches Akcidenz
Ein Streich, bei dem selbst Epiktet, die Zierde
Der Stoiker, ein bißchen fluchen würde.

Du dauerst mich, o armer Patient!
Indessen wir, das blaue Firmament
Ob unserm Haupt, im grünen Prater sitzen,
Mußt du daheim im warmen Pfühle schwitzen.
Statt deines Kleists und Bürgers liegt ein Wisch
Von Recipe auf einem Nebentisch:
Statt Lottens sitzt, mit einer Staatsperücke
Belastet, dir der Arzt auf dem Genicke:
Statt eines Tranks von frischem Haberbier
Bedient man dich mit einem Elixier.

Ihr Götter, helft! Zeus, Juno, Athenäa,
Apoll, Merkur, Mars, Bacchus, Cytherea,
Und wie ihr baß nach Rang und Dignität
In Griechenlands und Roms Legenden steht,
Helft meinem Freund; sonst traun! bei meiner Ehre!
Sonst schimpf ich laut auf eurer Priester Lehre,
Und falle stracks dem Bardenglauben bei.

Doch Scherz und Ernst! nimm fleißig Arzenei,
Und halt Diät; denn sieh da! zum geringsten
Erwart' ich dich, mein Trauter, diese Pfingsten.
O komm gewiß! Erdbeeren harren dein,
Dick angeschwellt mit Bisambergerwein.

König Arnulphs Hasenjagd
Wien im Herbstmond 1778

Im Jahr des Heiles, ungefähr
      Achthundert Fünf und Neunzig,
Griff König Arnulph zum Gewehr:
Es folgt' ihm nur ein kleines Heer,
      Doch an Bravur war's einzig.

Fern, sprach er, in der Römer Land
       Ist Meuterei entstanden:
Auf, Kinder! laßt in's Kriegsgewand
Gehüllt, uns mit bewehrter Hand,
      Walt's Gott! den Unfug ahnden!

Dies Aufgebot war Groß und Klein
       Gar lieblich zu vernehmen.
Dortorts, rief man, wächst süßer Wein:
Kommt, laßt uns guter Dinge sein!
      Den wollen wir schon zähmen.

Nun fördert Arnulph sich, zu ziehn
      Wohl gegen Welschlands Grenzen.
Schon kommt er bis nach Florenz hin,
Und allerwärts empfängt man ihn
      Mit tausend Reverenzen.

Nur bei den stolzen Römern war
      Ihm Tür' und Tor verriegelt.
Sie aufzubieten, fandt' er zwar
Zween Boten: doch das gute Paar
      Ward schimpflich fortgeprügelt.

Erbost rief Arnulph: "Habt ihr so
      Das Völkerrecht in Ehren?
Ihr Lotterbuben! lichterloh
Soll eure Stadt mir flammen! . . . O!
      Ich will euch Mores lehren.

Auf, Brüder! zähmet das Geschmeiß!
      Laßt uns die Stadt berennen!"
Potz Blitz! nun ward den Römern heiß:
Der Stadtrat sprang, als ob der Steiß
      Schon anfing' ihm zu brennen.

Für diesmal galt wohl auch fürwahr
      Kein Zaudern und Besinnen;
Denn sieh! der Deutschen wilde Schar
Sucht schon, trotz jeglicher Gefahr
      Die Wälle zu gewinnen.

Wohl sieben Stunden kämpfte man
       So derb von beiden Seiten,
Daß ringsum Blut wie Wasser rann,
Bis allgemach die Nacht begann
      Den Schleier auszubreiten.

Genötigt wendeten nunmehr
      Die Deutschen die Standarten,
Und Arnulph, sinnend hin und her,
Beschloß, ein glücklich Ungefähr
      Im Lager abzuwarten.

Rom, das den Feind schon für verzagt
      Und mutlos hielt, verlachte
Des Königs Heer, bis eine Jagd
Urplötzlich, wie die Chronik sagt,
      Dem Spott ein Ende machte.

Ein Rammler aus dem nahen Hain
      Sprang schüchtern vor den Wällen
Der Stadt umher, und hinterdrein
Ein Spürhund und mit derbem Schrein
      Ein Schwarm von Weidgesellen.

Halb Rom, vom heftigen Rumor
      Der Jagenden betroffen,
Lief, ohne Hut und Roquelaur,
Ripsraps beim Tempel aus, und Tor
      Und Angel blieben offen.

Der König sah am Horst hinab
      Der Flüchtigen Gedränge,
Halt! rief er, laßt vom Hasen ab!
Was soll euch Einer? dort bergab,
      Dort kriegt ihr eine Menge.

Nun ging's aus einem andern Ton.
      Seht! spornstreichs galoppieren
Die Jäger nach: doch ferne schon
Hört man die Memmen um Pardon
      Und Gnade lamentieren.

Bewegt ward Arnulph, frank und frei
      Sie alle heimzuschicken:
Doch ließ er, Rom zu Schimpf und Scheu,
Von Fünfzigen je Zwei und Zwei
      Mit Hasenschwänzen schmücken.

Wenn solche Ordenszeichen heut
      Zu Tag noch Sitte wären,
So würd' auch wohl zu unsrer Zeit
Manch liebes Söhnchen aus dem Streit
       Damit nach Hause kehren.


Über Leons Tonsur
Wien im Weinmond 1778

Aequam memento rebus in arduis
Seruare mentem.

                                     Horat.

Ei, Meister Gottlieb! fangt doch an,
      Mal freundlich drein zu gucken!
Ihr seht ja aus, als zwänge man
      Euch Herlinge zu schlucken.

Wer kann, wenn Ihr es für und für
      So treibt, in Euch sich finden?
Ihr schleicht herum, als solltet Ihr
      Erlahmen und erblinden.

Pfui doch, Gevatter, pfui! entsagt
      Dem späten Spintisieren!
Was nützt's, daß Ihr Euch selber plagt?
      Es hilft doch kein protestieren.

Müßt Eure Scheitel schmücken sehn
      Mit einem Zopfperückchen;
Denn denkt, so kahl herumzugehn,
      Das wär' ein feines Stückchen.

Zwar säh' ich dies mein schwarzes Haar,
       So jämmerlich verschnitzeln,
Ein solcher Streich würd' unfehlbar
      Auch mich gar höchlich kitzeln.

Allein mit Gunst! den weisen Mann
      Macht kein Geschick verlegen:
Er stellt, wenn er's nicht ändern kann,
      Dem Unglück Trost entgegen.

Seht! geht's Euch mal wie Absalon,
      (Habt Euch's doch wohl notieret,
Was man in Parua schon davon
      Uns zu Gemüt geführet,

Als wir als Diktatoren dicht
      An dem Katheder saßen,
Und, um den Judenstaat uns nicht
      Viel kümmernd, Kirschen aßen?)

Ihr könnet dann gar säuberlich
      Dem Lanzenstoß entrinnen:
Ihr lasset die Perück' im Stich,
      Und tummelt Euch von hinnen.

Drum, wie gesagt, ermannet Euch,
      Und hängt nicht stets die Ohren!
Ihr habt ja doch kein Königreich
      Durch Euern Zopf verloren.

Seid froh, daß Ihr der Todsgefahr
      So leichten Kaufs entkommen,
Und diesmal mit dem Büschlein Haar
      Der Tod fürlieb genommen.

Astronomische Observationen eines Dorfpfarrers
Zum Behuf gewisser Ehemänner seines Kirchsprengels.
Wien im April 1779

Kommt Kinder, die ihr wissen wollt,
Was über euern Köpfen rollt,
Wie's steh' um Sonn - und Mondenlicht,
Hört eures Pfarrers Unterricht!

Der Erde Nachtlicht, wie bekannt,
Wird Luna, oder Mond genannt,
Und was euch oftmals Kraut und Kohl
Versengt, heißt Sonne, fiue Sol.

Der Mond, ni fallor, stellet zwar
Zum Schein den Herrn vom Hause dar:
Doch muß er, wie in unsrer Welt,
Meist tun, was seinem Weib gefällt.

Kaum steigt Frau Sonn' in ihrem Lauf
Am hohen Himmel stolz herauf,
So macht der arme Hauspatron
Sich über Hals und Kopf davon.

Denn seht! wie sie einherspaziert,
Mit goldnen Spitzen schamarriert,
Indes ihn, um und um befleckt,
Ein Kleid von Flittersilber deckt.

Sie gönnt ihm keine beßre Tracht,
Und dennoch schämt in ihrer Pracht
Die Stolze seines Anzugs sich:
Dies kränkt den Armen bitterlich.

Er läßt, wenn sie sich drob entzwein,
Sich oft in einen Zweikampf ein:
Doch geht er stets den Abend drauf
Blutrünstig und verschwollen auf.

Bei solcher Wirtschaft, dächte man,
Sei's um den Nachwuchs schlecht getan:
Allein sie brüten, wie ihr seht,
Von Sternen eine Quantität.

Und dieses ganze Sternenheer
Muß nachts Herr Mond oft kreuz und quer,
Gleich einer alten Kindermagd,
Spazierenführen, bis es tagt.

Denkt, wie ihn all das quälen muß!
Und trotz dem steten Hausverdruß
Sieht einen doch der gute Mann
Fast immer lieb und freundlich an.

Drum, liebe Christen, die ihr hier
Versammelt seid, denkt für und für,
Wenn Zank und Hausverdruß euch quält,
Was euer Pfarrer euch erzählt!

Tragt's mit Geduld! Fiel doch dem Mond,
Der hoch in Gottes Lüften wohnt,
Und stolz auf unsern Erdenkloß
Heruntersieht, kein besser Los.

Auf die Entzündung des Pulverturms in Wien
Wien im Brachmond 1779

Noch steh' ich da, verwirrt, betäubt und bange,
        Mit starren Augen, leichenblaß,
Die Füße schwach und wankend, Stirn' und Wange
        Von kaltem Angstschweiß naß.

Denn ach! ich sah die schreckliche Verheerung,
        Wie unter Prasseln Stein und Kloß,
Emporgetrieben durch des Pulvers Gärung,
        Hoch in die Lüfte schoß.

Ich sah, wie ringsum, gleich ergrimmten Schloßen,
        Die Kugeln unter Wut und Graus
Mit donnerndem Geknalle niederschossen
        Auf Garten, Feld und Haus;

Sah aufgeschlitzt die Mauern der Gebäude,
        Der Dächer Giebel eingedrückt,
Die Flur mit Schutt bedeckt, und Buch' und Weide
        Wie schwaches Rohr zerknickt.

Noch hallt das Schrein der Säuglinge, das Wimmern
        Der Mutter, die ihr Kind verlor,
Der bange Todeslaut der unter Trümmern
        Zerquetschten mir im Ohr.

Ha! welch ein Anblick! Ach! auf jeder Seite
        Der gräßlichen Verwüstung Spur:
Hier Leichen, dort noch wild im Todesstreite
        Die kämpfende Natur.

Ein Unmensch ist's, den nicht die schwarze Szene
        Des Elends zum Erbarmen zwingt,
Dem sanft und mild des Mitleids edle Träne
        Nicht in das Auge dringt.

O sieh! wie rang Theresens Sohn die Hände,
        Und stand voll bittern Jammers da,
Als er, umringt von Reihn zermalmter Wände,
        Das wilde Schauspiel sah!

Sein Blick entdeckt ein Schlachtfeld voll von Toten:
        Doch klomm er mit entschloßnem Sinn
Von Schutt, auf Schutt, und sandte seine Boten,
        Zu retten, her und hin.


Gott lohn' ihm für die väterliche Liebe!
        Gott lohn' ihm! Hohe Dankbegier
Füllt jedes Herz, und mit dem wärmsten Triebe
        Der Inbrunst bitten wir:

Erhalt ihn uns! verleih ihm deinen Segen,
        O Gott, und deiner Allmacht Schutz!
Dein Engel sei auf allen seinen Wegen
        Der Hüter seines Muts!


Über den Tod eines Stutzers
Wien im Heumond 1779

Weint, ach! weint, ihr süßen Herrchen!
Ritter Marcipan ist tot.
Seht! hier liegt das arme Närrchen,
Ähnlich einem Liebesgott.

An Erfindung neuer Moden
Für das ganze Stutzerreich
Tat's von allen Stadtpagoden
Keine weit und breit ihm gleich.

Sagt, wer duftete von süßen
Wohlgerüchen je so sehr?
Und wer liebte Leckerbissen,
Met und Zwieback so, wie er?

Held Achill, der Trojens raschen
Hector einst Respekt gelehrt,
Ward als Kind im Styx gewaschen,
Und mit Löwenmark genährt.

Aber Marcipans Frau Mutter
Tauchte diesen kleinen Tropf,
Glaub' ich, in ein Faß voll Butter
Oder in den Honigtopf.

Sirup, Milchkoch, süße Süppchen,
Zuckersäftchen aller Art
Klebten unserm lieben Püppchen
Immer an dem Pflaumenbart.

Sieh! drum ward der Held so schwächlich,
Wie von Gips ein Wackelmann,
Zart und niedlich und zerbrechlich,
Gleich dem feinsten Porzellan.

Mußt' er in der Traufe gehen,
So zerfloß er, gleich dem Salz:
Blieb er in der Sonne stehen,
So zerrann er euch, wie Schmalz.

Und dies Püppchen mußte fallen!
Ach! ein Kork, den ungestüm
Des Schampagners Kraft mit Knallen
Ausstieß, fuhr an's Näschen ihm.

Leblos sank das arme Närrchen
Von dem samtnen Stuhl hinab:
Weint, ach! weint, ihr süßen Herrchen!
Weint an eures Helden Grab!


Ix und Ypsilon, ein Dialog
Bei Gelegenheit der jetzigen Rechtschreibungsunruhen
in Deutschland.
Wien im Mai 1780

                            
X.
Freund Ypsilon, mein teurer Nachbarsmann,
Was hast du vor? warum im Reiserocke?
Warum versehn mit diesem Wanderstocke?
Wozu das Haar in einen Kadogan
So pilgerlich hinaufgeschlagen?
Sag an mein Freund, wo geht die Reise hin?

                             
Y.
Ach, Nachbar Ix! laß dir mein Schicksal klagen,
Und sprich, ob man in diesen Tagen,
Wo die Verbeßrungssucht von Hamburg bis nach Wien
Gleich einem Strom sich anfängt auszubreiten,
Wo jedermann an Sprach' und Glauben sägt,
Feilt, glättet, zwacket, stutzt und eggt,
Um Tresp' und Unkraut auszureuten,
Bis gar zuletzt kein Weizen übrig bleibt,
Urteile, Freund, ob man in diesen Zeiten
Den Undank nicht aufs höchste treibt.
Ich diene nun schon unter Deutschlands Fahnen,
Wie du wohl weißt, so manches lange Jahr,
Ließ nie zu meiner Pflicht mich mahnen,
Ging allenthalben hin, wo ich zu brauchen war.
Mein stolzer Vetter! hielt's jederzeit für Schande,
Der letzte Mann im Glied zu sein:
Ich trabte stets statt seiner hinterdrein,
Und nun zum Lohn jagt man mich aus dem Lande.

                             
X.
Du dauerst mich: doch, Freund! man legt dir viel zur Last;
Man nennt dich einen schlauen Griechen,
Der Parasiten gleich, im Anfang nur als Gast
Ganz demutsvoll ein Plätzchen sich erschlichen,
Und nun nicht loszubringen sei.
Man hält dich überdies für völlig überlei,
Und Meister I, aus deutschem Stamm geboren,
Ist wirklich schon an deine Stell' erkoren.

                             
Y.
Mich wundert nur, o Nachbar, daß man dich
Nicht ebenfalls von Haus und Hof verdrungen;
Bist du nicht auch in Griechenland entsprungen?
Wärst du nicht auch entbehrlich, so wie ich?

                             
X.
Hm! du hast Recht: doch ich begnügte mich,
Und habe nicht wie du nach jedem Platz gerungen.
Ich hielt mich still, ließ selten nur mich sehn,
Bloß um dem Falkenblick des Neides zu entgehn.

Wer klug ist, wird sich nie um allzuviel bewerben;
Man kommt dabei am Ende stets zu kurz:
Erschlichne Macht war einst der Tempelherrn Verderben,
Und jüngst der Jesuiten Sturz.
Wärst du wie ich von Ehrsucht frei geblieben.
Man hätte nie aus Deutschland dich vertrieben.

                             
Y.
Zu spät kommt nun dein wohlgemeinter Rat.
Zwar schützt mich noch Kanzlist und Advokat,
Die jederzeit mir hold und günstig waren:
Doch Philolog, Poet und Rezensent
Und Pädagog sind wider mich entbrennt,
Sind fest gesinnt, ihr Ansehn nicht zu sparen,
Bis Deutschland ganz sich in die Acht erklärt.
Nun sprich, wo soll ich hin? Mein Griechenland ernährt
In seinem Schoß unwissende Barbaren:
Italiens beblümtes Paradies
Darf ich mit keinem Fuß betreten:
Auch Frankreich, ob es schon nicht völlig mich verwies,
Hat meiner doch nur halb und halb vonnöten.
Du, England! warst von jeher mir geneigt,
Zu dir will ich Verstoßener mich kehren.
Ha! deine Sprach', aus deutschem Stamm erzeugt,
Ist gastfrei, Fremden hold, und hielt mich stets in Ehren.
O nimm mich auf, du freie Nation!
Du Sitz der Duldsamkeit! du edles Albion!

Liebeslied
Wien im Herbstmond 1780

Ich labe gern an deinen holden Wangen,
An deinem Mund, o süßes Klärchen, mich,
Kann stundenlang an deinen Blicken hangen.
Bin in der Welt nie froher, als um dich.

Ich mag so gern an deine Brust mich schmiegen,
Die sich empor zu meiner Wange bläht,
Und lauschen so in wonnigem Vergnügen,
Bis spät der Mond am hohen Himmel steht.

Denn süß, o süß sind treuer Liebe Freuden:
Das blinde Glück mag seinen Überfluß,
Mag Ruhm und Macht, an wen es will, vergeuden!
Mir genügt ein Blick, ein Händedruck, ein Kuß.

O laß uns stets in trauter Eintracht leben,
Bis einst derTag, der trübe Tag, erscheint,
An dem zugleich der Erde wir entschweben,
Und eine Gruft im Tod uns noch vereint!

Lob des Weins
Wien im Herbstmond 1780

O du, der du an mancher Tafelrunde
Mir Wonne gabst, o königlicher Wein!
Beseele mich, und laß mit frohem Munde
Mich deines Lobs entzückten Herold sein!

Du offenbarst des Heuchlers schlauste Lügen,
Machst, Göttersaft! den Freund uns doppelt wert,
Und füllst das Herz mit traulichem Vergnügen,
Das Liebe selbst nicht halb so dauernd nährt.

Der Liebe Glut erkaltet mit den Jahren:
Ihr süßer Rausch fliegt nur zu bald dahin,
Indes o Wein, noch Männer, grau an Haaren,
Trotz Schlag und Gicht, von deinem Feuer glühn.

Du stärkst den Geist, gibst Nahrung und Gedeihen,
Und strömest Kraft in alle Glieder mir,
Du tröstest mich, wenn Sorg' und Gram mir dräuen,
Und meinen Mut, wem dank' ich ihn, als dir?

Drum sei mein Freund! Von deiner Glut begeistert,
Wandr' ich beherzt durch's Labyrinth der Welt,
Bis einst der Tod der alles übermeistert,
Auch mich dem Schwall der Schatten zugesellt.

An Klarissen
Wien im Weinmond 1780

Klarisse! wie? ich hätte mich
So sträflich je an dir vergangen?
Ich nährte je nach fremden Wangen
In diesem Busen ein Verlangen?
Leichtgläubige! man täuschet dich.

Entzieh dein allzuwillig Ohr
Dem lügenzüngigen Gerüchte!
Die unverdächtigste Geschichte
Zeigt oft der Neid in falschem Lichte,
Und stellt für Wahrheit Lügen vor.

Laß deines Herzens Zuversicht
Von bösen Zungen nicht betören!
Mich soll Verleumdung nie empören:
Mit kaltem Gleichmut werd' ich hören,
Was Bosheit von dir arges spricht.

Drum sprich, soll Zwietracht und Verdruß
Auf ewig unsre Lieb' ersticken?
O nein! schon schlägt dies Händedrücken
Mir Frieden vor, und mit Entzücken
Nehm' ich ihn an in diesem Kuß.

An Herrn Blumauer
Johannstein am Sparbach im Mai 1781

Als rings bepflanzt mit wolkennahen Türmen,
Das stolze Wien mir aus den Augen kam,
Und, vor der Glut der Sonne mich zu schirmen,
Der Brühl mich drauf in seine Schatten nahm,
Verband ich mich bei mehr als zwanzig Göttern
Mit einem Eid: die Sonne sollte nicht
Zum zweitenmal den Berg herüberklettern,
Es läge denn das stattlichste Gedicht,
So elegant, wie meines Wissens keiner
Im deutschen Reich, als etwan Unsereiner,
Zu schreiben pflegt, an dich, o Freund! bereit.

Doch da nun schon wir Dichter jederzeit
Beim Leienvolk für Lügenschmiede galten,
So ließ es denn auch meine Wenigkeit,
So sehr ich sonst der Mann bin, Wort zu halten,
Dem Handwerksbrauch zu Liebe, hübsch beim alten;
Denn wirklich hat bereits zum viertenmal
Die kühle Nacht nun Flächen, Berg und Tal
Und Feld und Wald mit Dunkel rings umhüllet,
Und doch ist noch mein Eidschwur unerfüllet,
Und blieb' es auch, hätt' ein Gewitter hier
In's Gartenhaus mich nicht hereingeschrecket,
Und hätte nicht der Donner über mir
Mein schlafendes Gewissen aufgewecket.
So höre denn, was meine Neubegier
Von Ort zu Ort auf meiner Fahrt entdecket.

So wie ich mich durch einen breiten Strom
Von wallendem Getreide durchgewunden,
Stand Medling da, wo Gänse, wie zu Rom
Im Kapitol, am Tore Wache stunden.
Von dannen gin'gs ganz sachte durch den Brühl,
Wo plötzlich links der Rest von öden Mauern
Auf einem Fels, zu dem man ohne Schauern
Nicht aufsehn kann, mir in das Auge fiel.
Hier hatten einst in jenen Ritterzeiten,
Als man bei uns Begier und Mut zu streiten
Noch höher hielt, als Wissenschaft und Witz,
Viel Herzöge von Östreich ihren Sitz.

Nun schlängelte die schmale Bahn sich mitten
Durch Klippen fort und durch das frische Grün
Des Wienerwalds, an Bächen, die mit Hütten
Umzingelt sind, bis zu dem Ziele hin.
Hier leb' ich nun so gänzlich abgeschieden
Von eurer Welt und ihren Plackerein,
Daß ich nicht weiß, wie's außer meinem Hain
Indessen geht, ob Krieg ist oder Frieden.

Heut morgens Freund! als kaum die Sonne sich
Den Berg empor an meine Fenster schlich,
Ging alsogleich die Reise nach der Klause
Zum heil'gen Kreuz. Hier zeigt vor der Karthause
Ein Kreuzgang sich, an Reiz und Anmut reich,
Und weniger dem Weg zur Schädelstätte,
Als einer Bahn zum Paradiese, gleich;
Denn links erhebt sich eine kleine nette
Einsiedelei, mit Bäumen rings besetzt:
Zur Rechten winkt die niedlichste Kapelle
Zur Andacht hin, wobei die schönste Quelle,
Rein wie Kristall, ein Rasenplätzchen netzt.

Im Stifte selbst fand ich mit Mißvergnügen
In einem Saal so manche Seltenheit
Bei Spielwerk oft, das höchstens Kinder freut,
Unordentlich, wie Kraut und Rüben, liegen.
Nebst andern ragt ein schöngeschnitztes Chor
Im Mittelpunkt des Tempels hoch empor,
Das einst ein Mönch, den, wie's so manchem gehet,
Kein guter Geist zur Reimerei entzückt,
Mit einer Art von Versen ausgeschmückt,
Wovon mir noch das Haar zu Berge stehet.
Lies sie nur selbst! kein Silbchen ist verrückt:

Psalle Deo soli, sed voci parcere noli.
Hic locus est flendi, locus est peccata luendi.
Hic sta, ne cesses, venient post tempora messes,
Post fletum risus, mera gaudia, plus paradisus.
Psalle, sed attento resonet nifi corde, memento,
Quod, licet os oret, frustra tua lingua laboret.
Hic memor huius eris, ne orando mente vageris,
Et nequo fraudes, domini pia cantica laudes.


Noch hätt' ich dir, mein Bester! vielerlei
Von Bonzenstolz, Verstellung, Gleißnerei,
Unwissenheit und feisten Ordensbäuchen,
Von kupfrigen Gesichtern und dergleichen
Artikeln mehr sub rosa zu vertraun.
Allein ich mag mir keinen Scheiterhaufen
Im Höllenpfuhl durch meine Zunge baun;
Was hat denn auch ein Leie drauf zu schaun,
Ob Mönche sich kasteien oder saufen?
Auch galoppiert bereits in vollem Lauf
Die düstre Nacht in ihrem Trauerwagen,
O Teuerster! den Horizont herauf,
Und zwinget mich, dir Lebewohl zu sagen.

Parodie von Hamlets Monolog:
Sein oder nicht sein?

Nach dem Englischen
Wien im Herbstmond 1781


Frein oder nicht? Das ist die Frage!
Ob's klüger ist, daß man im wilden Drang
Der Leidenschaft nach jeder Dirne jage,
Als daß man plötzlich lebenslang
Sich in den Pfühl des Ehebettes tauche,
Und all das Feuer da verhauche,
Das die Begier in unsern Herzen nährt? . . .
Frein! . . . was ist's mehr, als sich ein Weib zu nehmen?
Und durch ein Weib die Glut, die uns verzehrt,
Den Aufruhr der Natur, der stets im Innern gärt,
Und der, o Fleisch, dein Erbteil ist, zu zähmen,
Das ist, bei Gott! der wärmsten Wünsche wert.

Ha frein! . ein Weib! . ein Weib? . vielleicht auch einen Teufel!
Ei ja, da stockt's! denn daß so oft
Das zahmste Lamm als Gattin unverhofft
Den Wolfszahn zeigt, das ist der Zweifel,
Der manchem Jüngling schon den Mut zur Ehe nahm.
Ha! wer ertrüge sonst der Mädchen Sticheleien,
Der Metze frechen Blick, der Spröden Neckereien,
Der Buhlerin Verzug, verschmähter Liebe Scham,
Der Schönheit Übermut, die das Verdienft verhöhnet,
Und einen Gecken oft zu ihrem Günstling krönet,
Wär's durch ein Weib so leichtlich gut gemacht?
Sagt, wer ertrüg' es dann, so manche schwüle Nacht
Allein zu seufzen und zu sinnen?
Wer schlenderte schamlosen Buhlerinnen
Heißhungrig nach, erteilte nicht die Scheu
Vor etwas nach den Flitterwochen,
(Denn diese süße Zeit glitscht selten ganz vorbei,
So wird, o Liebe, dir bereits der Stab gebrochen)
Dem wankenden Entschluß den wohlgemeinten Rat,
Viel lieber sich auf dem bekannten Pfad
Des Junggesellenstands durch's Leben durchzuschlagen,
Als in die Wüftenei des Ehstands sich zu wagen? . . .
So machet Vorbedacht allein
Uns alle hagestolz, und daher sind die Wangen
Verliebter Mädchen insgemein
Bleich übertüncht von Sehnsucht und Verlangen,
Und Jünglinge, voll Mark und Saft,
Verschwenden ihre Jugendkraft,
Zum Trotz und Hohn der ehlichen Gesetze,
Am Busen einer feilen Metze.

 
An Themiren
Nach Horazens achter Ode im zweiten Buch
Wien im Wintermond 1781
 
II/VIII
Ulla si iuris tibi peierati


 
O hätten zur Strafe gebrochener Schwüre
Die Gotter ein einziges Härchen, Themire,
Dir jemals gekrümmet, so glaubt' ich aufs neue
               An weibliche Treue.

Doch jeglicher Meineid, durch den du den Himmel,
Beleidigst, verschönert dich, und das Gewimmel
Der Jünglinge mühet sich doppelt, vor allen
               Nur dir zu gefallen.

Vortrefflich gedeiht dir's, die Gottheit der keuschen
Diane durch sträfliche Schwüre zu täuschen,
Die Götter des ganzen Olympes durch Lügen
               Und Frevel zu trügen.

Cythere mit ihrem Gefolg und der kleine
Schalk Cypripor, welcher auf blutigem Steine
Sich Pfeile schärft, sehn dich mit lächelnden Blicken,
               Den Jüngling berücken.

Mit jeglichem Knaben reift auch dir ein neuer
Leibeigner: zwar dräuen die älteren Freier
Dir oft, dich zu fliehn, doch du missest von deinen
               Vasallen noch keinen.

Dein Reiz macht so manche von unseren Müttern
Für ihren milchbärtigen Herzenssohn zittern,
Und drohet der bangen Verlobten, ihr ihren
               Adon zu entführen.

 
Ulla si iuris tibi peierati
poena, Barine, nocuisset umquam,
dente si nigro fieres vel uno
               turpior ungui,

crederem: sed tu simul obligasti
perfidum votis caput, enitescis
pulchrior multo iuvenumque prodis
               publica cura.

Expedit matris cineres opertos
fallere et toto taciturna noctis
signa cum caelo gelidaque divos
               morte carentis

ridet hoc, inquam, Venus ipsa, rident
simplices Nymphae, ferus et Cupido
semper ardentis acuens sagittas
               cote cruenta.

Adde quod pubes tibi crescit omnis,
servitus crescit nova nec priores
inpiae tectum dominae relinquunt,
               saepe minati.

Te suis matres metuunt iuvencis,
te senes parci miseraeque nuper
virgines nuptae, tua ne retardet
               aura maritos

 
Lied der Treue
Wien im Man 1782

Schön sind die blumichten Matten,
Hold ist das blühende Reis,
Mild sind im kühlenden Schatten
Gaukelnd, die Lüfte des Mai's.

Aber dir weichen, o Beste!
Blumen und blühendes Reis,
Weichet die Milde der Weste,
Weichet die Anmut des Mai's.

Und o mein Alles! an Treue
Gleicht dir kein Weib in der Welt.
Arm bist du zwar: doch ich freie
Weder nach Würde, noch Geld.

Müßt' ich auch alles ertragen,
Wählen den schmählichsten Stand,
Brüdern und Freunden entsagen,
Fliehen mein mütterlich Land;

Müßt ich in Wildnissen wohnen,
Hätt' ich nur dürftige Kost
Täglich nur Wurzel und Bohnen,
Alles ertrüg' ich getrost.

Alles ertrüg' ich zufrieden;
Denn was dem Glücklichsten hier
Je das Verhängnis beschieden,
Alles das fand ich in dir.

Drum sollt' ich je dich verlassen,
Dich, die allein mir gefällt,
Dann mag der Himmel mich hassen,
Und mich verachten die Welt.

Grabschrift eines Kleingläubigen
Nach dem Französischen des Chevalier Parny
Wien im April 1782

Hier liegt ein Mann, der, als er lebte,
Stets zwischen Glaubenszweifeln schwebte.
Er ging, den Kopf von Skrupeln voll,
Aus dieser Welt, um von den Scharen
Im Reich der Toten zu erfahren,
Was man im Leben glauben soll.