Lied einer jungen Ehefrau
Nach dem Englischen
Wien im April 1785
Lang warb Alcid um meine Gunst.
Mein Herz zwar schlug ihm laut entgegen:
Allein vertraut mit Amors Kunst,
Tat ich verschämt, wie Mädchen pflegen.
Wenn er mir schmachtend Liebe schwur,
War ich zum Schein zerstreut und flüchtig,
Und wagt' er auch ein Küßchen nur,
So hieß es: junger Herr, hübsch züchtig!
Vergebens hört' ich ihn betrübt
Dem Schicksal meine Härte klagen;
Denn wenn man noch so feurig liebt,
Man darf's aus Sittsamkeit nicht sagen.
Bat er oft gar zu ungestüm
Um dies und das, so scholt ich tüchtig
Ihn aus, und gab halblächelnd ihm
Die Lehre: junger Herr, hübsch züchtig!
Doch allgemach erhielt Alcid
Mein Herz, nach dem er lang gegeizet.
Ach aber welch ein Unterschied!
Seit uns der Priester traute, reizet
Ihn auch die höchste Gunst nicht sehr,
Und sonst war ihm ein Blick schon wichtig.
Nun sträub' ich mich gewiß nicht mehr;
Denn jetzt ist er nur allzuzüchtig.
Der Bär und die Krähe
Wien im Heumond 1785
Ein alter Bär, den die Musik
Des Jagdhorns einst aus seinem Walde jagte,
Erholte nach und nach sich von der Angst, und wagte
Hübsch sachte sich nach seinem Hain zurück.
Bei seiner Ankunft war die erste seiner Sorgen,
Sich nach dem Eichbaum umzusehn,
In dessen hohlem Bauch er sich beim kalten Wehn
Des Wintersturmes oft verborgen.
Als er der Eiche nahe kam,
Entdeckt' er mit Verdruß und Gram
Auf einem Zweig ein Nest voll junger Krähen.
Du Metze! fing er flugs die Mutter an zu schmähen,
Was hast du hier auf meinem Baum zu tun?
Fort! packe dich von dannen ohne Zaudern!
Denn deiner Fratzen stetes plaudern
Und zwitschern ließe mich den ganzen Tag nicht ruhn,
Und falls mich auch ihr Lärm nicht molestierte,
So müßt' ich stets in Sorgen sein,
Ob deine junge Brut nicht etwan obendrein
Mir auf den Kopf herab hofierte.
Der Bär schloß seine Rede kaum,
So fing die alte Kräh' ihr Recht auf diesen Baum
Durch manchen Grund vor Meister Petzen
Weitläufig an in's Licht zu setzen.
Doch der erboste Bär vertrug
Nicht gerne Widerspruch. Er kletterte die Eiche
Hinan mit Brummen, und erschlug
Die junge Brut mit einem Streiche.
Gespornt von Wut und Rachbegier,
Flog Mutter Krähe nun zum Jäger, und entdeckte
Ihm das verwilderte Revier,
Wo sich der alte Bär versteckte.
Der Jäger wandert' alsobald
Mit seinen Doggen in den Wald,
Und fand den armen Petz in seines Baumes Lücke.
Vergebens sucht der Bär dem Tode zu entfliehn:
Die tapfern Hunde fassen ihn
Erbarmungslos bei der Perücke.
Vertrage dich mit jedermann,
Um niemands Haß auf dich zu laden;
Denn wer dir auch nicht nützen kann,
Kann doch in manchem Fall dir schaden.
Der beruhigte Geliebte
Nach dem Lateinischen des Joannes Secundus
Wien im Sommermond 1785
Weil ich, ein Feind von heuchlerischem Zwang,
Mein trunknes Herz der Liebe süßem Hang,
Den Regungen des Blutes überlasse,
Weiht man mich laut dem allgemeinen Hasse:
Es feindet mich der düstre Murrkopf an,
Weil sich dem Ernst der steifen Urgroßväter
Mein freier Sinn nicht sklavisch fügen kann,
Und fliehet mich gleich einem Missetäter.
Wie? soll ich wohl, wenn ich mit heißem Arm
Den Schwanenhals Amaliens umschlinge,
Und so vor Lust halb mit dem Tode ringe,
Voll Ängstlichkeit mich kümmern, ob der Schwarm
Milzsüchtiger und finstrer Sauertöpfe
Nichts arges denkt? Ihr albernen Geschöpfe!
Wie könnt' ich das? An meiner Trauten Brust
Macht Wonne mich mir selber unbewußt.
Mit Lächeln hört' Amalie mich jammern.
Und hurtig kam sie auf mich zugerannt
Gleich einem Reh, mit ihrer Lilienhand
Sich an den Hals des Klagenden zu klammern.
Dann folgt' ein Kuß, so süß, so wonnevoll,
Als einer je zur feierlichen Stunde
Geheimer Nacht aus Cypris Nektarmunde,
O Kriegesgott! auf deine Lippen quoll.
Was fürchtest du, sprach sie voll Huld, die strenge
Gerichtsbarkeit der unbiegsamen Menge?
Sei gutes Muts! mein Tribunal allein
Hast du, o Freund, in diesem Fall zu scheun.
Amor und der Tod
Nach dem Lateinischen des Sautel
Wien im Jänner 1786
Der Tod, ein alter hagrer Mann,
Traf einst zur Nachtzeit auf der Reise
Den jungen kleinen Amor an.
Ein Regenguß, der eimerweise
Aus einer Wetterwolke drang,
Und Rheens irdenes Gehäuse
Dem Weltmeer ähnlich machte, zwang
Die zween berittnen Bogenschützen
Vor einem Gasthof abzusitzen.
Weil es kein klügres Mittel gab,
Als willig hier zu übernachten,
So legten sie die Köcher ab,
Und ließen sich ein Ferkel schlachten.
Nachdem ihr kleiner Abendschmaus
Verzehrt war, zogen die zween Gäste,
Vor Schlummer gähnend, die durchnäßte,
Vom Regen schwere Kleidung aus,
Versenkten tief sich in ein niedlich,
Beblümtes Bett, und pflegten friedlich
Des Schlafes, der mit raschem Flug
Sie bald in's Reich der Träume trug.
Die Wirtin, der der blinde Bube
Samt dem verdorrten Greis, der ihn
Begleitete, verdächtig schien,
Schlich nun aus Neugier in die Stube.
Sie steckte bald in Amors Pack,
Bald in des Todes Mantelsack
Die mit dem feinsten Brillenglase
Zu diesem Zweck verseh'ne Nase,
Und leert', als sie die Köcher fand,
Aufs Tischchen, wo die Lampe stand,
Die Pfeile forschend hin, als plötzlich
Der schelmische Beelzebub
Kupido träumend ein entsetzlich
Geheul in seinem Bett erhub.
Betroffen las sie nun in Eile
Die blindlings ausgeleerten Pfeile
Zusammen, die beim matten Schein
Der Lampe sich so arg verwirrten,
Daß in Kupidens Köcherlein
Des Todes Pfeile sich verirrten,
Und manches Pfeilchen Amors sich
Mit in des Todes Köcher schlich.
Seit diesem feinen Abenteuer
Sieht man, daß gleich dem jüngsten Freier,
Der Graukopf nun um Liebe wirbt,
Und oft zu früh der Jüngling stirbt,
Weil jetzt der Tod aus seinem Köcher
Kupidens Pfeil' auf alte Schächer
Aus Irrtum oft zu schleudern pflegt,
Und mit des Knochenmannes Pfeilen
Der kleine blinde Gott zuweilen
Dem Jüngling Todeswunden schlägt.
An einen Rangsüchtigen
Wien im Mai 1786
Bene qui latuit, bene vixit.
Ovid
Freund, willst du Toren gleich, die, um vergnügt zu sein,
Der wandelbaren Gunst des blinden Glücks bedürfen,
Erträumter Möglichkeit und täuschenden Entwürfen
Der Zukunft deine Tage weihn?
Sei klüger, und genieß des Daseins kurze Frist,
Statt sie mit nichtigen Phantomen zu verträumen!
O sieh! der Lenz beginnt. Sieh, wie den Ahornbäumen
Das jugendliche Laub entsprießt!
Horch! Lerch' und Nachtigall verkünden rings umher
Den frohen Wonnemond hell trillernd durch die Lüfte:
Der Weste lauer Hauch, der Blüten Balsamdüfte
Sind Boten seiner Wiederkehr.
Sieh! alles, was sich regt, was auf beblümter Flur,
Im hohen Lustrevier, im Wasserreiche lebet,
Was rings im weiten Raum der Schöpfung Odem hebet,
Freut sich der Anmut der Natur.
Die Freude beut auch dir ihr reiches Füllhorn dar:
Laß nach der Größe Tand des Stolzes Knechte dürsten!
Vergnügen sei dein Ziel, nicht schnöde Gunst der Fürsten,
Die stets des Grams Gefährtin war!
Sieh jenen Höfling an! des Sturzes Bild umschwebt
Prophetisch seinen Blick: der bangen Ahnung Leiden
Verbittern stündlich ihm die unbefangnen Freuden,
Die der nur kennt, der sorglos lebt.
Drum zähme deinen Wunsch! leb' als ein freier Mann!
Was man nicht sehnlich sucht, vermißt man ohne Sorgen.
Der Weise läßt durch nichts sich fesseln, was ihm morgen
Des Zufalls Laune rauben kann.
Auf ein schlechtes
Gemälde
des Grafen Cagliostro, dessen Kopf sich in einer
widernatürlichen Wendung zu weit rückwärts drehte.
Straßburg im Heumond 1786
Mit Billigkeit verrückte man
Dir hier den Kopf, du schlauer Scharlatan!
Denn du hast Tausenden das nämliche getan.
Parodie
von Horazens neunzehnter Ode im zweiten Buch.
Augsburg im Heumond 1786
Ich sah (ihr Enkel, ohne Scherz!)
Heut nachts im Traum den Eifrer Merz
Den Predigtstuhl besteigen,
Sah Küchennymphen, halb zerdrückt
Von Handwerksjungen, unverrückt
Ihr Ohr zur Kanzel neigen.
Potz Blitz! wie weidlich klopfte nicht
Der wackre Kämpfer das Gezücht
Der Ketzer auf die Finger!
Mir gellen, traun! die Ohren noch:
"Ach schone," rief ich, "schone doch,
Du tapfrer Schnupftuchschwinger!
Ich will ja glauben, daß die Hand
Des Papstes zum gelobten Land,
Wo Milch und Honig fließen,
Den Schlüssel hat, um allen Herrn
Sektierern und Schismatikern
Das Pförtchen zu verschließen;
Will glauben, daß du bibelfest
Der Protestanten Drachennest
Schon halb, wie Spreu, zerstäubtest,
Und manchen armen Pastor schon
Durch deiner Stimme Donnerton
Auf immer übertäubtest.
Du bändigst, großer Traumaturg!
Halb Augsburg, Ulm und Regensburg,
Ja fast das ganze Schwaben,
Und keiner von der Ketzerbrut
Vermag mit aller seiner Wut
Dir je was anzuhaben.
Du hautest Luthern, welcher sich
Den Vatikan so freventlich
Zu stürmen unterstanden,
Und seiner Jünger Riesenschwarm
Mit deinem orthodoxen Arm
Totalitär zu Schanden.
Zwar wähnt das böse Luthertum,
Es stünd' um unsrer Kirche Ruhm
Weit besser, wenn du schwiegest:
Allein wer kann in Deutschland nun
Den Ketzern allen Einhalt tun,
Wenn du sie nicht bekriegest?
Dich würde selbst, wenn du den Mund
Nur öffnetest, der Höllenhund
Nicht wagen anzublecken,
Und, wedelnd mit dem krausen Schwanz,
Die Zehn, o schrecklicher Popanz
Der Ketzer! sanft dir lecken."
Der ketzerische Dorfjunge
Nach dem Französischen
Linz im Heumond 1786
Der beleibte tonnenschwere
Dorfvikar Spiridion
Fragte bei der Christenlehre
Veiten einst, ob Gottes Sohn
Gleichfalls Gott sei, wie der Vater.
Nein, sprach Veit, der nicht, Herr Pater!
Wie? rief, vor Entsetzen bleich,
Der Vikar, ei! wer, zum Plunder!
Lehrte dich solch Zeug? Kein Wunder
Wär' es, Gott im Himmelreich
Lähmte spornstreichs dir die Zunge.
Sachte, sachte! sprach der Junge,
Macht nur kein so wild Gesicht!
Noch bis jetzt ist er es nicht:
Doch sollt' einst der Vater sterben,
Dann vermut' ich, Herr Kaplan,
Daß es ihm als nächstem Erben
Ganz gewiß nicht fehlen kann.
Fastenlied
Linz im März 1787
Dorinde, sieh, die Zeit der Maskeraden
Ist nun entflohn,
Und Komus zieht, mit Geigen schwei beladen,
Betrübt davon.
Reumütig schleicht der frommen Magdalenen
Zerknirschte Schar,
Des Himmels Zorn durch Beten zu verlohnen,
Nun zum Altar.
Manch loses Kind, dem noch vom Wirbeltanze
Die Wangen glühn,
Wallt sittsam jetzt mit seinem Rosenkranze
Zur Kirche hin.
Die Priesterzunft ergreift nun statt der Flasche
Den Weihbrunntopf:
Das Laienvolk trägt statt des Puders Asche
Auf deinem Kopf.
Der süße Herr, der stolz die Silberflocken
Des blanken Schnees
Durch sein Gesicht beschämet, hört erschrockern:
Tu puluis es
Die Kirch' ertönt von Psalmen, Litaneien
Und Bußgeschrei,
Und sieh! auch du Dorinde, stimmst dem Schreien
Der Büßer bei.
Mir aber, Kind! mir predigst du vergebens
Von Buße vor:
Gern fleht' auch ich um Besserung des Lebens
Mit dir empor.
Gern wollt' ich mich, hätt' ich nur was zu büßen,
Mit dir kastein:
Doch, züchtige Vestalin! mein Gewissen
Ist leider rein.
O möchtest du mir eine kleine Sünde
Mir zugestehn!
Dann solltest du mich willig, o Dorinde,
Als Büßer sehn.
Das beängstigte
Kammermädchen
Nach dem Englischen
Linz im Sommermond 1787
Pfui, Junker! sein Sie doch bescheiden! . . .
Nur klug! . . . Ich kann das Ding nicht leiden . . .
Sie reißen mir ja das Gewand
Vom Leibe fort da mit der Hand! . . .
So hilft denn gar nichts? . . . Je! ich glaube,
Sie sind besessen . . . Ei, potz Blitz!
So schonen Sie doch meiner Haube! . . .
Nur nicht so kindisch, Junker Fritz!
O Himmel, hilf mir aus dem Zimmer! . . .
Nun, nur gemach! . . . Sie werden immer
Verwegner. . . . Wird kein Ende sein? . . .
Bei meiner Treu'! ich werde schrein . . .
So hören Sie doch auf zu küssen! . . .
Zum Plunder! ist denn keine Ruh? . . .
Ich möchte fluchen. . . . Ei, so schließen
Sie wenigstens die Türe zu!
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