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Blüten der Einsamkeit
 


I.

Einsam muß die Stunde sein,
Wo Gedanken gern gedeih'n,
Einer Schattenblume gleich;
Muse liebt ein einsam Reich.

Einsamkeit! auf deinem Schoß'
Wiegt das Musenkind sich groß,
Lauschend deinem stillen Quell
Wird der Blick ihm gotteshell!

Wo die Tanne einsam rauscht
Hab' ich's schweigend abgelauscht,
Das Geheimnis der Natur,
Folgend ihrer leisen Spur.

Einsamkeit! wie bist du schön,
Ruhend auf den Alpenhöh'n,
Hingestützt in deine Hand
Weithin blickend in das Land

Wo der Wildbach drängend schwoll,
Ward das Herz mir weit und voll,
Einsamkeit! im Felsental
Traf mich oft dein milder Strahl!

Mit gespannter Schwinge kreist
Einsamkeit! dein stiller Geist
Hoch als Geier in der Luft,
Wo das Felsenecho ruft.

Einsamkeit! du singst allein
Mir des Herzens Stürme ein,
O wie säuselst du so lind!
Sei mir hold — dem Musenkind!

II.

Nun aus der Tiefe meiner Schmerzen
Tauch' frohen Sinnes ich hervor,
Der Sturm, er schlummert in dem Herzen,
Das ihn doch jüngst heraus beschwor.

Die Stunde will ich froh genießen —
So lang ihn noch der Schlaf umfängt,
Magst ruhig Bach des Lebens fließen,
Bis wieder Well' auf Welle drängt!

Ich seh' in dir den Himmel blauen
Der ersten leichten Jugendzeit,
In deine Tiefen niederschauen
Ach! lehrt uns nur die Einsamkeit!

Einst warst du rein und klar und eben
Du heller Spiegel aus Kristall,
Bis dich verfinstert hat das Leben
Aus seinem Sumpf, mit trübem Schwall!

Nun soll die Einsamkeit dich hellen,
Bis wieder mir entgegenbricht
Aus deinem Silber, deinen Wellen
Ein lachend Menschenangesicht!

III.

Einsamkeit! die alles Große
Keimend du im Schoße trägst!
Deine Kinder sind Kolosse,
Die du treu am Busen hegst.

Und sie saugen Riesenkräfte
Sich, an deiner Riesenbrust,
Schwellend dringt in ihre Säfte
Schöpfungs- und Zerstörungslust.

Einsamkeit! aus deinen Tiefen
Schwebte Gottes Geist dahin
Wie aus Wogen, die entschliefen,
Sturmbeschwingte Möwen zieh'n.

Einsam hat er ausgesonnen
Seinen großen Schöpfungsplan,
Einsam hat er Monden, Sonnen
Hingezirkelt ihre Bahn!

Einsam nur hat seine Muse
All' das Riesenwerk vollbracht,
Einsam hat er an dem Guße
Menschlicher Gestalt gedacht.

Einsam schuf er seiner Werke
Größtes Werk — das Menschenherz,
Mit der hohen Duldungsstärke,
Mit der Fülle Lust und Schmerz.

IV.

Ich sah sie wieder—als sie vor mir stand,
Da war's, als ob des Lebens schönste Zeit
Sie mir als Engel hätte zugesandt,
Zu bringen der Erinn'rung Seligkeit,
Ihr Auge sprach vom stillen Glück,
D'rum trüb' mir Träne! nicht den Blick.

Und als sie mir die Hand gab, freundlich mild
Und zu mir sprach den unbefang'nen Gruß,
Nicht ahnte sie, wie da ihr himmlisch Bild
Mich mahnt' an des Entsagens bittres "Muß"
Ist ihr nur freundlich das Geschick,
Trübt mir die Träne nicht den Blick.

Nicht Liebesworte bebten mir vom Mund'
Als ich die Hand ihr ach! so warm gedrückt,
Doch hätte sie in meines Herzens Grund
Der ersten Liebe frühe Glut erblickt,
Ihr Auge sprach von ihrem Glück,
D'rum Träne! trüb' das meine nicht!

V.

Es ist so süß — so schmerzlich süß
Des Lebens Freuden zu verachten
Und selber sich das Paradies
Mit kaltem Stolze zu umnachten!

Den Kranz, den uns die Stunde flicht
Von sich zu schleudern, trotzumgürtet
Zu trinken aus der Schale nicht,
Mit der die Stunde uns bewirtet.

Die Lippe, die dem Kuß sich beut,
Die ros'ge, unberührt zu lassen,
Die holde Hand, die uns erfreut
Mit sanftem Drucke, nicht zu fassen.

Den Freuden, die der Sehnsucht oft
So eigensinnig widerstreben,
Wenn sie uns nahen unverhofft,
Freiwillig kein Gehör zu geben!

Zu zeigen, daß man, wie ein Mann
Des Lebens Gaben, karg gemessen,
Entsagend auch verachten kann
Und mit Verachtung auch — vergessen!