weiter
 

Drittes Buch
 

Entsagung
O dürft' ich ruhn in deiner Liebe
Deine Augen
Du bist so schön
Du hast an mich gedacht
Verschwiegene Liebe
Im Frühling
Gondelfahrt
Zwischen den Zeilen
So bist du mein
Nur dies Eine
Brautschmuck
Vorgefühl der Seligkeit
Bitte
Im Baptisterium zu Pisa
Mißmut
Befreiung
O ja, du liebes Herz, hast Recht
An eine Orange
Guter Rat
Die Rose im Zimmer
Das Schwalbennest
An eine Philosophin

 

Entsagung


Ob all die Ander'n mich verkennen,
    Von dir möcht' ich verstanden sein,
Dich möcht' ich Freundin, Schwester nennen,
    Mit jedem Namen keusch und rein.

Dir möcht' ich Alles, Alles sagen,
    Was mich bewegt in Leid und Lust,
Ausschütten möcht' ich all mein Klagen,
    Mein Jubeln all in deine Brust.

Was oft, gesandt von Himmelsmächten,
    Für Wonneschauer mich umweh'n —
Was oft in schlummerlosen Nächten
    Mich ängstigt — dir möcht' ich's gesteh'n.

Wie es gekommen, daß mein Streben
    Gebrochen ward im Siegeslauf,
Daß ich verachte Welt und Leben —
    Dir deckt' ich Alles auf.

Und wenn ich so mein Hoffen, Bangen
    Dir unverhüllt entgegentrug,
Nicht Mitgefühl würd' ich verlangen;
    Daß du mich kennst, wär' mir genug.

Doch ach! wie sollst du jemals schauen
    All meines Wesens tiefsten Kern?
Du fragst mich nicht, und mein Vertrauen
    Dir aufzudringen — sei mir fern!

So will, so muß ich denn entsagen —
    Und besser auch, du ahnest nicht,
Wie viel ein Dichterherz kann tragen
    An Schmerz und Freude — bis es bricht!

O dürft' ich ruhn in deiner Liebe!

O dürft' ich ruhn in deiner Liebe,
    Von deines Geistes Hauch umkos't!
Wohin mich auch die Woge triebe —
    Obzwar nicht Glück, doch fänd' ich Trost.

Denn Glück ist nur an deiner Seite,
    Von der ich selber mich verbannt,
Noch Einmal nach der blauen Weite
    Von heißer Sehnsucht übermannt.

Wo Südens gold'ne Früchte reifen,
    Hofft' ich dich zu vergessen — nein!
Würd' ich in fernste Ferne schweifen,
    Allüberall gedächt' ich dein!

Nun quält mich Zweifel und Verlangen
    Am paradisisch holden Ort:
Hast du mein fliegend Blatt empfangen?
    Erwiderst du's mit güt'gem Wort?

Es ist so viel des Leid's auf Erden,
    Die Freude ein so selten Ding!
Und sag' einmal: geliebt zu werden
    Hälst du es wirklich so gering?

Deine Augen

In' Wasser schau' ich gerne,
    In's Feuer gern hinein;
Am liebsten aber schau' ich
    Wohl in die Augen dein.

Die sind so tief und träumend,
    Wie stille Wasserflut,
Die sind so funkensprühend,
    Wie rege Feuersglut,

So dunkel und doch so helle,
    So ernst und doch so mild,
Als  strahlt' aus schlummerndem Meere
    Der sinkenden Sonne Bild.

Du bist so schön

Du bist so schön! An dich gebunden
    Verfolg' ich dich den ganzen Tag;
Du aber schiltst, daß ich die Stunden
    So ungenützt verschwenden mag.

O glaube mir: ich bin nicht müßig,
    Wenn meine Blicke auf dir ruh'n!
Der größten Taten werd' ich schlüssig,
    Bereit zu höchstem Dichter-Tun.

Von stolzen Plänen, selt'nen Dingen
    War Geist und Herz noch nie so voll;
Nur weiß ich nicht, wann zum Vollbringen
    Ich Zeit und Muße finden soll.

Ein Mittel gäb's: daß ich allmählig
    Mich deiner Nähe sacht entwöhn' —
Doch ob entfernt auch, schau' ich selig
    Dein Bild allein. — Du bist so schön!

Du hast an mich gedacht

Und wieder einsam und allein,
    Dem Leben abgekehrt,
Von ungewohnter Sehnsuchtpein
    Auf's Neu' das Herz verzehrt!
Da ward ein Blatt, von deiner Hand
    Geschrieben, mir gebracht,
Darauf zu lesen deutlich stand:
    Du hast an mich gedacht!

O holde Botschaft, liebes Wort!
    Labsal in Mißgeschick!
Seitdem erklingt es fort und fort,
    Wie tröstliche Musik;
Ich flüst're selig es in's Ohr
    Der stillen Mitternacht,
Und sprech's mir noch im Traume vor:
    Du hast an mich gedacht!

Wie neues Weh die trübe Flut
    Der Schmerzen aufgewühlt —
Da hast du — o wie zart und gut! —
    Tiefinnerst mitgefühlt;
Im Dunkel, das mich rings umschließt,
    Hast du ein Licht entfacht —
Ob mich die ganze Welt vergißt,
    Du hast an mich gedacht!

Verschwiegene Liebe

Und magst du's auch nicht zeigen,
    Ich weiß, du bist mir gut,
Was deine Lippen verschweigen
    Sagt deiner Wangen Glut:
Dies Erröten und Erblassen,
Dies plötzliche Sichfassen
    Ist recht, wie Liebe tut.

Auch du hast längst im Grunde
    Durchschaut mich sicherlich,
Ob auch aus meinem Munde
    Kein Liebeswort noch schlich;
Dies Lauschen und Verstehen,
Dies stille Dichnursehen
    Spricht klar: ich liebe dich!

Wie lange soll's noch bleiben
    So zwischen dir und mir?
Dir will's die Brust zertreiben,
    Mir sprengt's das Herze schier;
Was wir nicht selber wagen,
Das Wort für uns zu sagen —
    Ist Niemand, Niemand hier?

Im Frühling

Was Alles durch den Sinn mir geht,
    Wenn ich im Freien streife,
Vom Frühlingsatem angeweht
    Was ich da web' und weife!

Gedanken knospen dichtgedrängt
    Wie an dem Baum die Blätter,
Mein ganzes Wesen lau umfängt
    Ein brütend Schöpfungswetter.

Es sprudelt, fächelt, treibt und quillt
    Rings ein befruchtend Walten,
Die Phantasie, das Herz erschwillt
    Von Bildern und Gestalten.

Und seh' ich nah und näher zu,
    Was in mir bebt und zittert,
Ach! immer Liebe! bist es du,
    Die wonnig mich umwittert!

Du, die zu neuer Lebenslust
    Die kalte Welt entzündet,
Und ahnungsvoll in tiefster Brust
    Mir höchstes Glück verkündet:

Zu sagen, was da still und stet
    Im Geiste kommt zur Reife,
Wenn ich vom Frühlingshauch umweht
    Durch Wald und Felder schweife!

Gondelfahrt

Will ich die Seele recht erhellen —
    Gedenke ich der schönen Zeit
Da ich dich lockte auf die Wellen,
    "O komm', die Gondel ist bereit!"

Du folgtest, halb mit Widerstreben,
    Als gält's Entführung oder Flucht —
O sanftes Wiegen, leises Schweben,
    Wo uns kein spähend Auge sucht!

So tief zu senken war's vonnöten
    Des Schirmes aufgespanntes Dach?
Ich aber sah dich doch erröten,
    Als ich von Lieb' und Sehnsucht sprach.

Paläste, Inseln, Kirchen zogen
    Vorbei im gold'nen Sonnenschein —
Aufmerksam hast du jeden Bogen
    Betrachtet, jeden Marmorstein.

Nur manchmal hast du zugewendet
    Dein Antlitz mir, der dich nur sah,
Nur dich belauschte, ungeblendet
    Von all der Scönheit fern und nah.

Doch bald, wie zagend und erschrocken,
    Vor meinem wonnedrunk'nen Blick,
Wegschautest du, und schwiegst, die Locken
    Anmutig schüttelnd in's Genick.

O wie viel mehr gab mir dies Schweigen,
    Als Worte je vermochten, kund!
Ich fühlt' es tief: du bist mein eigen,
    Geknüpft für immer unser Band!

Der Gondolier, schon hoch in Jahren,
    Er sah so freundlich, ernst und treu —
Man merkte wohl: solch Paar zu fahren
    Es war dem Alten nicht mehr neu!

Zwischen den Zeilen

Kannst du noch zweifeln
Kleinmütig Herze?
Sieh doch die stummen,
Sprechenden Zeichen!
Wenig nur scheint es,
Was sie verkünden,
Ach! und dies Wenige
Trocken und kalt nur; —
Aber blick' näher,
Sinniges, scharfes
Auge der Liebe!
Zwischen den kalten,
Trockenen Zeilen
Lies mit Entzücken
Selige, süße
Liebesgewißheit!

So bist du mein

So bist du mein — kaum kann ich's glauben —
    Und jeder Zweifel ist gelöst!
Dein süß Geheimnis dir zu rauben,
    Wer hat den Mut mir eingeflößt?

Und du, die Schüchterne, die Stille,
    Die wie ein Rätsel sich verschloß —
Wie kam es, daß dein scheuer Wille
    Sich plötzlich so beredt ergoß?

Was nach und nach, doch unaufhaltsam,
    Uns mächtig zu einander zwang,
Was endlich uns ergriff gewaltsam,
    Es war ein tiefster Seelendrang.

Wie lang die Knospe sich verdecke;
    Sie öffnet sich zuletzt, es bricht
Der Quell, verborgen manche Strecke,
    Einmal hervor an's gold'ne Licht.

So ist denn auch für uns gekommen
    Die liebliche Erfüllungszeit,
Da, nimmer schweigend und erklommen,
    Im Wort sich das Gefühl befreit.

Drum fließe nun von Mund zu Munde
    Der Strom der Rede voll und klar,
Und was zu unterst auf dem Grunde
    Geruht — nun werd' es offenbar!

O blick' mich an recht lange, lange
    Mit deinen Augen sanft und klug!
Dem Kusse biete Mund und Wange,
    Die nie noch schön're Rosen trug!

Ach! so berauscht von Lenz und Liebe
    Dahinzuträumen Tag um Tag —
Beglückend und beglückt — was bliebe,
    Das sich das Herz noch wünschen mag!

Nur dies Eine

Nicht in Prosa, nicht in Reimen
    Soll ich dir was Schönes sagen?
Soll's im Stillen, im Geheimen
    Künftig nur zu denken wagen?

Also sprachst du, hocherglühend,
    Heftig, wie du nie gewesen,
Als dein Auge, feuersprühend,
    Mein zu dreistes Lied gelesen.

Ach! so lieblich war dein Grollen,
    Halb im Ernste, halb im Scherze —
Hab' ich wirklich schweigen wollen,
    Nimmer brächt' ich's über's Herze.

Geh' mit mir darum, o gehe
    Nicht zu strenge in's Gerichte!
Was ich hör' an dir, und sehe,
    Alles wird mir zum Gedichte.

Nur dies Letzte, nur dies Eine
    Laß dir, Liebste noch gefallen!
Künftighin im Mondenscheine
    Sing' ich mit den Nachtigallen.

Brautschmuck

Nach Schätzen, die im Tiefen schimmernd liegen,
Nach Gold und Perlen trägst du kein Begehren —
Solch eitlen Zierrat's magst du gern entbehren,
Nur durch den eig'nen Reiz gewohnt zu siegen!

Der Steine Edelste — wie schwer sie wiegen —
Vermögen deine Anmut nicht zu mehren;
O dennoch wolle ihnen nicht verwehren,
Sich innig dir um Hals und Arm zu schmiegen!

Erlaubt doch auch die königliche Rose
Dem Taudemanten sich ihr aufzudrücken, —
Die keines Schmuck's Bedürft'ge, Mangellose!

Wohl würde sie auch ohne ihn entzücken —
Er aber funkelt stolz im Lichtgekose,
Von ihr geschmücket, die er glaubt zu schmücken.

Vorgefühl der Seligkeit

Und forderst du mich auf, dir zu vertrauen,
Was Vorgefühl der Seligkeit im Leben —
So sag' ich dir: bei süßer Töne Beben
Ein schönes Frauenangesicht zu schauen!

Da will so recht die Seele dir zertauen
Im Strom der Wellen, die sich senken, heben,
Vergeistigt wird dein Wünschen, Wollen, Streben,
Du wandelst schon in Paradieses Auen!

Nun denke! wenn Ein Tropfen aus den Meeren
Der Harmonie, Ein Strahl der Schönheitssonnen
So innig mag dein ganzes Sein verklären —

Wie unbeschreiblich sind des Schauens Wonnen
Beim himmlischen Zusammenklang der Sphären
Im ew'gen Geist, der aller Schönheit Bronnen!

Bitte

Wenn ja bei meinem Lied in stärker'n Schlägen
Das Herz dir pocht in ungeahntem Glücke,
So laß' mich wissen, daß es dich entzücke,
Und geh' mit warmen Worten mir entgegen!

Zur Erde nieder fällt die Flut als Regen,
Damit sich jene neu mit Blumen schmücke —
Und wenn ich dir der schönsten eine pflücke,
Wirst du sie schweigend wohl bei Seite legen?

O glaube mir! Ich stelle dies Begehren
Nicht, weil mich Dichtereitelkeit verblendet;
Ein ewiges Gesetz mag sich bewähren!

Im Lobe, das dein holder Mund mir spendet,
Muß mein Gedicht zu mir zurücke kehren:
Dann ist sein stiller Kreislauf erst vollendet!

Im Baptisterium zu Pisa

Drei Töne schlägst du an in der Rotunde —
Horch! wie sie aufwärts durch die Kuppel schweben,
Und mehr und mehr vergeistigt sich verweben
Im Einigen Akkord zu inn'gem Bunde!

Das ist kein Klingen mehr aus ird'schem Munde!
Gesang der Seligen, verklärtes Leben
Sind diese Töne, Seraphime geben
Antwortend aus der Höhe Himmelskunde.

Und wie sie leis' und leiser jetzt verhallen —
O daß uns Flügel, ätherleichte, fehlen
Den allzu rasch entschwund'nen nachzuwallen!

Dereinstens aber werden uns're Seelen
— Nachdem des Körpers Fessel abgefallen —
Den ew'gen Harmonien sich vermählen.

Mißmut

Wie kommt's, daß ich von Lieb' und Lust umgeben,
In Trauertiefen meine Seele senke?
Und in die Einsamkeit die Schritte lenke,
Wo mich der Ruhe Geister still umschweben!

Es ist vorbei — ich kann mich nimmer heben,
Wie ich mich rüttle, drehe auch und renke —
Freud'los ist Alles, was ich fühl' und denke,
Der Mut gebrochen, und gelähmt das Streben!

Dem Schiffer gleich' ich, der, weil er vergebens
So oft hinausgesteuert auf die Wogen,
Den Kahn für immerdar an's Land gezogen.

Wohl schäumt zu Füßen mir die Flut des Lebens;
Doch ach! an meinen Kräften nagt Verzagen,
Und keine neue Fahrt will ich mehr wagen!

Befreiung

Vom Trübsinn, den ich schlecht genug verhehle,
Mit linden Worten suchst du mich zu heilen,
Mit sanfter Hand die Wolken zu zerteilen
Auf meiner Stirn', du liebevolle Seele!

Wohl weiß ich selber ach! wie schwer ich fehle,
So stumm in deiner Nähe zu verweilen —
— Mir ist, als ob mit unsichtbaren Seilen
Ein Dämon mir zuschnürte Brust und Kehle. —

Doch nur Geduld! — Wie hart er mich bedränge
Mit Gaukelbildern düst'rer Weltgeschicke;
Nicht mag er widersteh'n dir auf die Länge:

Besiegt von deiner Stimme, deinem Blicke,
Flieht er in meines Herzens tiefste Gänge,
Und frei erheb' ich wieder das Genicke!

O ja, du liebes Herz, hast Recht

O ja, du liebes Herz, hast Recht
    Mit deinem edlen Grollen:
Die Welt ist nicht so schwarz und schlecht,
    Wie sie uns lehren wollen!

Wer wird so töricht sein, das Licht
    Der Sonne zu verneinen,
Weil sich auch tiefer Schatten flicht
    In ihrer Strahlen Scheinen?

Wer möchte wohl am Rosenstrauch
    Nur auf die Dornen zeigen,
Und von dem süßen Reiz und Hauch
    Der vielen Blüten schweigen?

Was uns erfreut, und was uns quält,
    Die Wonne und die Plage,
Die Helle und das Dunkel hält
    Sich immerdar die Waage.

Ein Balsam ist bereit im Lauf
    Der Zeit, für jede Wunde,
Es heben sich am Ende auf
    Die Glücks- und Unglücksstunde.

Und ob auch Zwietracht, Haß und Zorn
    Auf Erden grimmig wüte;
Quillt unversieglich doch der Born
    Der Menschenlieb' und Güte.

Darum — du liebes Herz! hast Recht
    Mit deinem edlen Grollen:
Die Welt ist nicht so schwarz und schlecht,
    Wie sie uns lehren wollen!

An eine Orange

Goldfrucht, süßduftende, o wie mächtig
Weckt dein Anblick mitten im Winterschneesturm
Sehnsucht mir im Busen nach deiner Heimat
                    Ewigem Lenzhauch!

Nach dem lichtumflossenen Hain Siziliens,
Wo dich unter Scherz und Gesang gepflückt einst
Ach! vielleicht ein reizendes, schwarzgelocktes
                    Ländliches Mädchen.

Abend war's, kein Wölkchen im Himmeltiefblau,
Spiegelklar erglänzte die See, durch's Laubwerk
Spielend, goß die Sonne auf braune Wangen
                    Wärmeren Purpur.

Aber sieh! aus zierlichem Glaskorb nimmt dich
Jetzt die deutsche, nordische Hausfrau, sorgsam
Löst sie deine Hülle, und reicht dich freundlich
                    Mir zum Genuß hin!

Unermüdlich wirbelt der Schnee an's Fenster —
Träumt' ich? — Fort ihr Träume des Südens! Hier auch
Lächelt zauberinnig aus treuen Augen
                    Ewiger Lenz mir!

Guter Rat

Nennst du ein Fleckchen Erde dein,
    Ein liebes Herz dazu —
O so genieß' dein Glück in Ruh'!
    Und — muß es nicht geschieden sein —
So geh' ihm nicht von der Seite,
    Laß nimmer dich locken in's Weite!

Mag wandern, den nicht Liebesglut
    In süßen Banden hält,
Der seine Sach' auf Nichts gestellt!
    Doch ist dir eigen Weib und Gut —
So magst du daheim im Treuen
    Des holden Besitzes dich freuen!

Hier steht dein Haus, hier liegt dein Hort,
    Was willst du fern von hier?
Ein Frevel will's mich dünken schier!
    Und — warte nur! — kaum bist du fort —
So folgt dir schon auf dem Fuße
    Die quälende Sehnsucht — zur Buße.

Die reißt mit ungeduld'ger Hand
    Den Becher dir vom Mund,
Begleitet dich durch Tal und Schlund,
    Erklimmt mit dir die Felsenwand,
Und läßt keine Blume dich pflücken,
    Die traurige Stunde zu schmücken.

Und als Gefährtin deinem Gang
    Schleicht sich die Sorge nach,
Die hält bei Tag und Nacht dich wach,
    Und flüstert ängstlich, lispelt bang:
Wer weiß, was von dir nicht gesehen,
    Für Unheil indessen geschehen!

Ach! Sehnsucht, Sorge — böse Zwei —
    Sie geben dir nicht Rast,
Bis nicht in blinder Taumelhaft
    Du an der schönsten Schau vorbei
Zurückeilst die Wege und Straßen
    Zum Ort, den du eben verlassen.

Wohl dir! wenn da noch Alles ist,
    Wie's war, bevor du zogst,
Wenn — während du die Welt durchflogst —
    Nicht räuberisch, mit Hinterlist
Das Schicksal dich schlug mit Verluste,
    Dieweil 's in der Ferne dich wußte!

Nennst du ein Fleckchen Erde dein,
    Ein liebes Herz dazu —
O so genieß' dein Glück in Ruh'!
    Und — muß es nicht geschieden sein —
Fahr' fort, unter eigenen Bäumen
    Die Träume der Liebe zu träumen!

Die Rose im Zimmer

Holde Rose! Knospe gestern,
    Heut' enthüllt in vollster Pracht,
Neidest du nicht deine Schwestern,
    Denen gold'ne Freiheit lacht?

Kein verliebter Falter gaukelt
    Duftberauscht um deinen Schoß,
Kein gelinder Zephyr schaukelt
    Hin und her dich mit Gekos'.

Nie in deine Purpurkreise
    Senkt sich wonnig Himmelstau,
Nie zu deiner Schönheit Preise
    Schallt Gesang in Flur und Au.

Vom Gewände rings umfangen,
    Frischem Leben abgekehrt,
— Magst du noch so herrlich prangen —
    Ach! wie bist du Mitleid's wert!

"O laß ab, mich zu bedauern!
    Rühme lieber doch mein Glück,
Sehne mich aus diesen Mauern
    Zu den Schwestern nicht zurück.

Mögen West und Falter nippen
    Auch an ihren Kelchen geh'n;
Süßen Hauch von weichen Lippen
    Fühl' ich selig mich umweh'n.

Augen fühl' ich mich durchscheinen
    Mild wie Maiensonnenglut,
Und von Händen, weißen, kleinen
    Mich getränkt mit kühler Flut.

Und nicht könnt' mich so beglücken
    Die Bewund'rung einer Welt,
Als der Einen still Entzücken
    Mir mit Stolz den Busen schwellt!"

Das Schwalbennest

Was fliegt ihr zwitschernd aus und ein?
    Was soll diesGeh'n und Kommen?
Was sucht ihr Schwalben hier zu Zwei'n,
    Ihr Traulichen, ihr Frommen?

Ei! ja — ich merk' — es gilt nicht nur
    Den Frühling mir zu künden,
Ihr wollt in meines Hauses Flur
    Ein stilles Heim euch gründen?

Wohlan! Vom Herzen für und für
    Gegrüßt an meiner Schwelle!
Ein Brettchen über jener Tür
    Aufnagle ich zur Stelle.

Da möget ihr in meiner Hut,
    In meines Friedens Schutze
Die Wiege bau'n der jungen Brut,
    Jedwedem Feind zum Trutze!

Doch wie? — der Glocke bauchig Rund
    Umfliegt ihr allerwegen? —
Schon seh' ich euch auf ihr den Grund
    Zu eurer Wohnung legen.

Wenn das Metall dann dröhnt und bebt
    Und baumelt hin und wieder —
Und was ihr mühsam drangeklebt,
    Zertrümmert fällt hernieder?

O nein! ihr guten Tierchen, seid
    Doch nicht so Unvernünft'ge!
Daß euer Leben frei von Leid,
    Bedenket euch das Künft'ge!

Wir klugen Menschen — freilich sind
    Nicht um ein Haar gescheiter —
Verlassen uns auf's Schicksal blind
    Und schaffen sorglos weiter.

Am Meeresufer, am Vulkan,
    Am droh'nden Gletscherrande,
Da siedeln wir getrost uns an
    Und knüpfen Liebesbande.

So sei es denn! fahrt immer fort
    Zu mauern und zu bauen,
Wo's euch gefällt — hier oder dort,
    Mit gläubigem Vertrauen!

Verstumme euch zu Lieb' solang
    Der Glocke eh'rne Zunge!
Es bringe keine Hand am Strang
    Die Ruhende zum Schwunge!

Daß unerschüttert, felsenfest
    Sich eure Burg erhebe,
Das Glück mein Haus und euer Nest
    Für alle Zeit umschwebe!

An eine Philosophin

Das krause Rätsel dieses Lebens,
    O laß' es ruh'n — wir lösen's nicht,
An dem Jahrtausende vergebens
    Die Weisheit sich den Kopf zerbricht,
Laß' uns nicht sinnen, raten, fragen,
    Wo Keiner Antwort je gewußt —
Wir sind nun einmal da, zu tragen
    Des Lebens Weh', des Lebens Lust!

Wie Vieles auch vom Weltgetriebe
    Sich dunkel nur begreifen ließ' —
Ein Klares gibt es doch: die Liebe
    Und dieses Ein' ist uns gewiß
Auf Erden und in Geisterlanden,
    Geahnten über Raum und Zeit,
Denn Herzen, die sich Einmal fanden,
    Die finden sich in Ewigkeit.