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Gedichte
Ernst Rauscher

Wien 1864
Verlag von Herm. Markgraf
Druck von A. Leykam's Erben in Graz.

                                                                             Zueignung
 

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Holdsel'ge Frau, vielsüße Augenweide,
Genossin, treue, meiner Tage du!
Mein größtes Kleinod, köstlichstes Geschmeide,
Lust meiner Seele, meines Herzens Ruh!
Du, deren Namen ich mit Glanz bekleide,
Dir eigne ich dies Buch der Liebe zu,
Dem du, wie meinem ganzen Sein und Leben,
Gestalt und Inhalt, Wert und Reiz gegeben!

Des Lenzes einsam Sehnen und Verlangen,
Den ahnungsvollen, knospenden Beginn
Der Neigung, in des Sommers Ernte-Prangen
Der gold'nen Stunden reichlichen Gewinn;
Freiwill'ger Trennung herbstlichtrübes Bangen,
Im Winterfroste treuerprobten Sinn —
Kurz! alle unsrer Liebe Jahreszeiten
Besinge ich auf den gewohnten Saiten!

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Das Glück der Liebe sing' ich, jener wahren,
Die immerwachsend nur an Kraft gewinnt;
Nicht jener schwächlichen, die mit den Jahren
Im Sande der Gewohnheit träg verrinnt;
Die stillen Freuden will ich offenbaren
Des eignen Herdes. Wollt ihr mildgesinnt
Mir diesen schirmen, freundliche Penaten,
Dann mag ich and'rer Freuden wohl entraten!

So leg' ich denn in deine Hände nieder
Gesammelt, was ich früher Stück für Stück
Dir weihte; triffst du auch Bekanntes wieder —
Ich weiß, du kehrest gerne doch zurück
Zu den Entstehungstagen dieser Lieder,
Und fühlst mit mir: Ein ewigneues Glück
Im dauerlosen, wechselnden Getriebe
Der Außenwelt bleibt einzig nur die Liebe!

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Frühling

 


I.

Soll ich hoffen? darf ich trauen?
    Dieser Wärme, diesem Licht?
Das vom klaren, ätherblauen
    Himmel auf die Erde bricht?

Dieses träumerische Weben
    Um der Berge Silberthron,
Ach! wer kann mir Antwort geben?
    Kündet es den Frühling schon?

Will die lieben Veilchen fragen —
    Scheue Horcher an der Tür
Steh'n sie lauschend, doch sie wagen
    Immer noch sich nicht herfür.

Schüchtern prüft die kleine Kehle
    Vögelein am dürren Baum,
Aber schon aus voller Seele
    Aufzujauchzen, wagt es kaum.

Müde wallt der Fluß hinunter,
    Von des Eises Last befreit,
Murmelt, noch nicht völlig munter:
    Ist es wirklich Wachenszeit?

Auge, Mund, in vollen Zügen
    Labet euch an Luft und Licht,
Aber laß' dich nicht betrügen,
    Vorschnell Herze! traue nicht!

      II.
     Der Frühling frägt

Weht es nicht von Wald und Wiese
    Eigen, schöpferisch dich an? —
Stummer Sängermund! erschließe
    Dich vor meinem Zauberbann!

Bin ja doch gekommen wieder,
    Ob ich nie zu kommen schien,
Bin der Frühling, ohne Lieder
    Heißest du mich diesmal zieh'n?

Mein' ich doch, es leuchtet herrlich
    Noch, wie sonst, mein erstes Grün!
Wird dein junges Herze schwerlich
    Müßig nur betrachtend glüh'n?

     III.
   Der Dichter antwortet

Lieder hatt' ich, holder Dränger,
    Liebliche, für dich bereit,
Harrte deiner bang und bänger,
    Aber ach! du bliebest weit!

Hast dich endlich eingefunden,
    Nur zu spät! Der volle Drang
Ist vorüber, mir entschwunden
    Lied auf Lied, bevor ich's sang.

Mußt' ich ohne deinen Schimmer
    Klang- und sehnsuchtsvoll verglüh'n,
Böser Säumer! magst du nimmer
    Unbesungen jetzt verblüh'n!

IV.

Soll ich wandeln auf und nieder?
    Soll ich hier im Wäldchen ruh'n?
Pflück' ich Blumen, dicht' ich Lieder?
    Lenz, o Lenz! was soll ich tun?

Dieser Lüfte laues Wehen
    Schaukelt mich, ein duftend Meer,
Zwischen Schaffen, Müßiggehen
    Wunderseltsam hin und her.

All' dies Weben, Quellen, Blühen,
    Säuseln, Summen rings um mich
Weckt ein tatenlustig Glühen
    Mir im Busen mächtiglich!

All' des Himmels Glanz und Blauen,
    All' der Wiesen saft'ger Schein —
Ladet Auge nur zum Schauen,
    Seele nur zum Träumen ein!

Jeglich tun, zu wenig kräftigt
    Und erquickt es Herz und Sinn,
Und ich bin zu viel beschäftigt,
    Wenn ich völlig müßig bin!

Also schwank' ich im Gemüte,
    Zwischen Ja und Nein gestellt,
Wie das leichte Blatt der Blüte,
    Eh' es auf die Erde fällt.

V.

In diesen Frühlingstagen
    Nichts Köstlicheres baß!
Als liegen mit Behagen
    Im hohen Wiesengras'!

Von mancher leisen Stimme
    Gar wundersam umschwirrt,
Da siehst du, wie die Imme
    Den Halmenwald durchirrt.

Und schaust du nach den Lüften,
    In's grüne Saatenmeer —
Urplötzlich kommt ein Düften,
    Du weißt es nicht woher.

Es duften wohl die Elfen,
    Es duftet wohl der Klee,
Auf fernen Bergesfelsen
    Zerschmilzt der letzte Schnee.

Du sinnest in die Ferne,
    Auf Dörfer, Hügel, Höh'n,
Du sinnst — und dächtest gerne
    Gedanken, groß und schön!

Doch, kaum gedacht, zerfließen
    Sie all', wie Blütenduft,
Wie dort auf Alpenriesen
    Der Schnee in blauer Luft!

VI.

Nun grünen schon die Weiden
    Den Bach hinab, hinauf —
Das Veilchen schlägt bescheiden
    Die blauen Augen auf.

Schon grünt, dem Blicke Wonne,
    Der höchste Bergeshang,
Der Fluß im Strahl der Sonne
    Spürt neuen Wanderdrang.

Im Wald und in der Aue
    Umirr' ich, wie im Traum,
Wie hell der Himmel blaue,
    Ach! ich beacht' es kaum!

Ich geh' am Weg verdrossen,
    Mir ist es gleich wohin —
Von all' den jungen Rosen
    Ist keine nach meinem Sinn.

Ein Jeder scheint 's zu wissen
    Und läßt mich gern in Ruh',
Warum muß ich dich missen,
    Vielsüße Rose du!

Im allgemeinen Triebe
    Wird nur mein Herz nicht warm,
O Frühling ohne Liebe,
    Wie bist du doch so arm!

VII.

Für holde Minnestunden
    Das wär' so recht die Zeit!
Viel Tage sind entschwunden
    Mir schon in Einsamkeit.

Ach! wüßt' ich wo im Tale
    Ein abgelegen Haus!
Ich zöge tausend Male
    Wohl leichten Sinn's hinaus.

Und wär' mit rotem Munde
    Ein trautes Lieb dort mein —
Ich wollte wohl zur Stunde
    Der frohste Sänger sein!

Doch so, in Frühlingstagen
    Ein unbeglückter Mann,
Stimm' ich das alte Klagen
    Von Neuem immer an:

Für holde Minnestunden
    Das wär' so recht die Zeit!
Viel Tage sind entschwunden
    Mir schon in Einsamkeit.

VIII.

Auf moosigem Felsen am Bache,
    Vom Hauche des Waldes umweht
Still sitz' ich, wie dünket die Sprache
    Der Wellen mich so beredt!

Ich mag in der Seele vertauschen
    Gedanken gar mancherlei —
Zu jedem die Wellen mir rauschen
    Die passende Melodei.

Ich denk' an das rosige Tagen
    Der Kindheit, auf Alpenhöh'n —
Die Wellen, sie klingen wie Sagen,
    Wie Märchen, so zauberschön!

Es sinken die Wimper mir nieder,
    Ein liebliches Bild steigt empor —
Die Wellen, sie singen mir Lieder
    Wehmütiger Sehnsucht vor!

Vorüber! entgegen nur munter
    Der Zukunft mit junger Kraft!
Die Wellen, sie tönen hinunter
    Geheimnisvoll, rätselhaft!

Erquick' dich am lenzigen Strahle
    Und denke der Gegenwart nur!
Die Wellen, sie brausen zu Tale,
    Ein Freudengesang der Natur!

IX.

Von außen kommt ein Schimmer,
Daß mich auf meinem Zimmer
   Die Ungeduld befällt,
Ich schnell in's Freie dringe,
Als gält' es große Dinge
   Zu schaffen in der Welt!

O wie nach langem Harme
Die Erde nun im Arme
    Des Lenzes lächelnd schwärmt!
Im Sonnenglanz hinunter
Der Fluß zur Reise munter
    Die Wogen dehnt und wärmt!

Viel tausend Blüten nicken
Mit kind'schen Neugierblicken
    In's Leben schon herein;
Doch müßen sie noch säumen,
D'rum wiegt zu süßen Träumen
    Der Abendwind sie ein!

Am liebsten mag ich schauen,
Wie dort des Himmels Blauen
   Zerstiebt in eitel Duft,
Von fernen Bergeszinken
Da weht es wie ein Winken
   Zu mir her durch die Luft.

Gedanken nahen eigen —
Die Sonne will sich neigen
    Und sieht auf ihrer Bahn
Entfernt vom Heimatherde
Auf straßenreicher Erde
    Wohl manchen Wandersmann.

Das sind der Sehnsucht Tage,
Die stets mit lautem Schlage
    Mein Herz begrüßt so gern;
Mir träumt von fremden Dingen,
Weh mir! nun hör' ich klingen
    Ein Posthorn gar von fern!

X.

Wohl zieht durch alle Räume
    Mit blühendem Geleit
Der Lenz, doch meine Täume
    Sie werden nicht Wirklichkeit!

Wohl drängen aus dem Laube
    Die Knospen frisch empor;
Doch bleibt mein Herz zum Raube
    Der Sehnsucht, nach wie vor!

Wohl grünen neu die Triebe
    Der Lieb' und Zärtlichkeit;
Vergebens! meine Liebe
    Sie wohnet gar so weit!

XI.

Wie mußt du doppelt lieblich
    Jetzt anzuschauen sein
In diesen Blütetagen,
     Des Frühlings Schwesterlein!

Wie plötzlich rasch erblühend
    Im wärmer'n Sonnenstrahl,
In Jugendganz erglühend
    Durchwandelst du das Tal!

Es grämen sich die Rosen,
    Daß schöner noch das Rot,
Von dem sie selbst umflossen,
    Auf deinen Wangen loht.

Die Knospen tun am Strauche
    Wetteifernd sich herfür,
Den Wunsch mit süßem Hauche
    Zu wecken, voll Begier.

An deiner Brust zu nicken,
    Will jede gern allein
Von deinen güt'gen Blicken
    Die Auserkor'ne sein.

Ein Lüftchen, das zu necken
    Die Veilchen geschäftig war,
Es kommt, sich zu verstecken
    In deinem duft'gen Haar.

Es sehnt sich dir entgegen,
    Luft, Blume, Sonnenlicht,
Mir träumt auf fernen Wegen
    Von deinem Angesicht.

Mein Herz will nicht erfreuen
    Der Erde Schmuck und Zier;
Muß denken stets vom Neuen
    Das Eine nur bei mir:

Wie mußt du doppelt lieblich
    Jetzt anzuschauen sein
In diesen Blütetagen,
     Des Frühlings Schwesterlein!

XII.

    Mild und milder
Wird die Luft mit jedem Tag,
    Gold'ne Bilder
Tauchen auf durch Zauberschlag.

    Denn die müden
Wolken zogen über Tal,
    Aus dem Süden
Kam der Lenz, so früh zumal!

    Wie sich offen
Rings ein neues Leben rührt,
    Süßes Hoffen
Einmal noch mein Herz verführt.

    Und es lauschet —
Wie mit ahnungsvollem Schall
    Zukunft rauschet,
Ein entfernter Wasserfall