weiter
Quelle:
Gedichte
Ernst Rauscher
Klagenfurt 1861
Druck und Verlag von Johann Leon
Vorwort
Ich lag auf sonniger Höhe
Mit träumerischem Sinn,
Da trat im Abendfrieden
Die Muse vor mich hin;
Und wie mit warmen Strahle
Fühlt' ich mein Haupt berührt,
In eines Tempels Mitte
Sah ich mich eingeführt.
Sie aber mit gütigem Lächeln,
Und Blumen in der Hand,
Sie sprach: "Nimm diese Blüten
Als meiner Liebe Pfand,
Und willst du treu mir dienen
Nach vieler Jahre Flucht,
Folgt aus die zarte Blüte
Vielleicht — die gold'ne Frucht."
Aufstreben
Vieles hat mich schon begeistert,
Wenig hab ich noch bemeistert —
Und das Wenige nicht gut —
Was nicht ist — will ich erstreben,
Tätigkeit ist wahres Leben —
Und ich fasse wieder Mut!
Glanzlos will ich nicht vergehen,
Reich' ich auch nicht zu den Höhen
Einer Sonnenpracht!
Will nicht an dem Boden kleben,
Kann ich mich zum Lichte heben
Aus der öden Nacht.
Ungesehen liegt im Staube,
Jedem Tritte da zum Raube,
Auch der schönste Wurm —
Doch des kleinen Glühwurms Leuchte
Löschet nicht die Nacht, die feuchte,
Löschet nicht der Sturm!
Fliegt das Auge zu den Sternen
Nach den ungemess'nen Fernen
Fällt wohl auch der Blick —
Von des Himmels Sphärentanze
Zu des Würmchens stillem Glanze
In den Strauch zurück! —
Geliebten Ortes Wiedersehen
So ist es denn gestillt mein langes Sehnen!
Auf diesem Boden darf ich wieder wallen —
Aus dem geweihten — und mit Freudetränen
Die Erde küßend möcht' ich niederfallen.
Erinnerung umkreis't mit stillen Flügeln
All' diese freien, gottgeweihten Höhen,
Wie zum Empfange mir von allen Hügeln
Fühl' ihren Atem ich entgegenwehen!
O meiner Kindheit freundlich stille Wiege!
Der aufgewachte Jüngling grüßt dich wieder —
Du kennst ihn nicht — verändert sind die Züge,
Und anders tönen jetzo seine Lieder!
Aus diesen Feldern bin ich hingeschweifet,
Noch ohne Denken — darum ohne Sorgen —
Zum Jüngling ist das Kind herangereifet,
Zum hellen Tage ward der Dämm'rungsmorgen.
Ja damals noch von frischem Mut beseelet
Ließ ich mich schaukeln von der Freude Wellen,
Wie viel hat dem Verlangen schon gefehlet —
Seitdem ich trinke nicht aus allen Quellen!
O meiner Kindheit freundlich stille Wiege!
Wie träumt es hier sich ach! so göttlich süße —
Wenn ich an dich mich innig liebend schmiege
Hinüber in verlor'ne Paradiese!
Fremdes Land
Von dem Berge an der Grenze
Schau' ich gern ins fremde Land,
Da erscheinet fremd auch Alles,
Alles scheinet unbekannt.
Mit geheimnisvollem Schleier
Ist noch Alles zugedeckt —
Hinter seinen dunklen Falten
Ist so Schmerz, als Lust versteckt.
Und ein Ahnen sagt, was nimmer
Ich im Heimatlande fand,
Sicher werd' ich's unten finden
In dem unbekannten Land!
Kränkung
Das ist es, was mich also kränkt,
Daß ach, so schnell die Zeit enteilt,
Daß, noch vom Jetzt nicht satt getränkt
Schon in dem Einst die Seele weilt.
Die schönste Stunde, jahrelang
Herbeigesehnt und heiß erfleht,
Sie gleichet einem kurzen Klang,
Er kommt, beglücket, und verweht!
Waldespfad
Auf waldumschloß'nem Pfade
Da weht die Luft so kühl,
Doch draußen auf der Straße
Da ist es heiß und schwül.
Wie duften hier die Bäume —
Wie duftet hier das Laub —
Doch draußen aus der Straße
Da wirbelt trüber Staub.
Das Grün ist so erquickend,
Von Ferne, in der Näh',
Das Weiß der Straße blendet
Und tut dem Auge weh'.
D'rum laßt ihr guten Mächte
Mich stets im Walde geh'n,
Und auf der breiten Straße
Die Andern gaffend steh'n!
In den Bergen
Wie konnt' ich hoffen im Felsental
Solch' schöne Blume zu finden?
Wie konnt' ich hoffen der Liebe Strahl
Im kalten Gebirg' zu empfinden?
Und doch o Mädchen — ich sah ja dich
Und hab' dich im Stillen besungen,
Es ist dein Blick ja so wonniglich,
So warm in's Herz mir gedrungen!
So staunt der Jäger wohl, wenn ihm glüht
Die Rose vom Felsen entgegen,
Denn keine Blumen mehr aufgeblüht
Glaubt er auf so frostigen Wegen!
Geist des Liedes
Wem Natur, als ihrem Kind,
Ein empfänglich inneres Leben,
Dem hat sie auch, mildgesinnt,
Sängergabe beigegeben.
Was dem Körper Speis' und Trank
Ist das Lied mir dem Gemüte
O Natur Du — habe Dank,
Habe Dank für deine Güte!
Kein Gedanke, kein Gefühl,
Aus dem Innersten geboren,
Keine Regung, noch so still,
Geht, gesungen, mir verloren.
Wenn im Weh'n der raschen Zeit
Jedes Äußere verschwindet,
Sicher, für die Ewigkeit
Bleibt der Seele Bau gegründet!
Sah ich auch die Gegenwart
Zur Vergangenheit zerstieben,
Ist, ein Wesen höh'rer Art
Stets, das Lied zurückgeblieben.
Wenn die Zeit aus Freud' und Leid
Sich das Totenkleid gewoben,
Hat sich aus dem morschen Kleid
Doch des Liedes Geist erhoben!
Und nur der, den Bangigkeit
der Empfindung je gedrücket,
Ahnet, wie zu rechter Zeit
Ein gefühltes Lied erquicket!
Wanderung im Gebirge
Wand're nur fort,
Die Luft ist so kühl,
Es winket das Ziel,
Kehr' nicht oft ein,
Schreite frisch drein,
Von Ort zu Ort
Wand're nur fort!
Das Wasser stürzt durch's wilde Tal,
Es zu verlassend eilend.
Ob meinem Haupte wölben die Berge sich
Als wollten sie
Stürzen auf mich!
Ich bin so allein —
Natur ist so groß —
Sie nimmt mich auf ihren felsigen Schoß;
Ihr erhabener Gang,
Er macht mir so bang!
Sie schließet mich ein,
Ich bin so allein!
Am Felsen dort
Wie hingerettet
Vor'm Elemente
Hängt die Wohnung
Des Menschen,
Denn überall wohnt er!
Wie fürchterlich schön
Ist der Zorn der Natur,
Wie ein heiliger Schwur —
Tönt dort vor der Wand
Des Wasserfalls Band,
Verschleiernd die Höh'n
So fürchterlich schön!
Doch Mensch! ohne Dich
Was sollte das Spiel?
Sich selbst unbewußt?
Du bist geschaffen
Es zu bewundern.
Aufgefaßt muß alles sein
Von geistigen Wesen,
Vom Erden-Menschen
Bis zum höchsten der Geister,
Der in der Nähe
Der Gottheit!
Verzagen
Wo rett' ich hin, euch traute Klänge,
Gehegt mit jugendlicher Glut —
Aus diesem wimmelnden Gedränge,
Aus dieser trüben Menschenflut?
So kehret denn, woher ihr kamet,
So kehrt in's eig'ne Herz zurück,
Und bringet auch, was ihr ihm nahmet:
Der Kindheit unbefang'nes Glück.
Denn ach! der Traum, den ich geträumet,
Er ist schon lange nun vorbei —
Daß ich vom Meere, das da schäumet,
Ein auserwählter Tropfen sei.
Ein Tropfen bin ich wohl im Meere,
Wie er zur Wellenbildung dient,
Der in die allgemeine Leere
Hinüberfließet, und — zerrinnt.
Darum laß das Schwärmen, laß das Sinnen,
Es ist ja deiner Seele Qual —
Denn einmal muß der Traum zerrinnen,
Wenn spät auch, aber doch einmal!
Mahnung
Denkst du der Zeit, wo ländlich stiller Frieden
Im Schoße der Natur uns noch umfing?
Wo uns, vom Schicksalsarm noch nicht geschieden,
In heit'ren Freuden jeder Tag verging?
Da war's — in einer schönen Abendstunde,
Als ich mit dir den Bund des Herzens schloß —
Und "Freund" — das schöne Wort — von uns'rem Munde,
Zum ersten Mal von uns'ren Lippen floß!
Wie schritten wir, dann Arm in Arm geschlungen,
Vertraulich sprechend, oft den Wald entlang,
Wenn schon die Nacht mit heil'gen Dämmerungen
Die Berge und das stille Tal umschlang; —
Und aus der Tiefe dann des Flußes Wogen
Heraus zu uns erklangen — ahnungsvoll —
Indes am dunkelblauen Himmelsbogen
Des Mondes sanfte Silberscheibe schwoll!
Und von des Anblicks Größe überwunden
Still saßen wir — und drückten uns die Hand.
Wohl mir o Freund! ich hatte Dich gefunden,
Den ich verstanden, — und der mich verstand!
Aus deines Herzens immer lauterm Schlagen
Sprach bald mir die verwandte Harmonie,
Was mich zu dir zog — konnte ich nicht sagen,
Es war ein Geisterzug der Sympathie!
Dämmerung
Öfters, wenn ich sinnend stehe,
Deucht mir, daß die ganze Welt
Um mich her — ein Traum — vergehe,
Den kein warmer Hauch beseelt.
Nebelbilder flieh'n und schreiten
Hin, vor meiner Seele Blick;
Zukunft und Vergangenheiten
Zeigt mir offen das Geschick.
Tiefer Dämmerung Schatten sinken
Nieder, in das dunkle Tal —
Und vom nächt'gen Himmel blinken
Sterne schon mit bleichem Strahl.
Ist's mir doch, als könnt' ich lauschen
Ferner Fluten dumpfem Chor,
Wie der Zukunft Wogenrauschen
Durch der Zeiten Felsentor!
Wie so ahnungsvoll, beschaulich
Wirkt die Stunde auf den Geist,
Wenn die Dämm'rung, still und graulich,
Um der Erde Schlummer kreist!
Da erst, wenn des Tages Schimmer
Hold verschwimmt in duft'ge Nacht,
Ist des Geistes Auge immer
Mir am hellsten aufgewacht.
Sei o Dämm'rung mir willkommen,
Wenn den Tag dein Schleier dämpft
Ist mit seinem Strahl verglommen
Jeder Kampf auch — ausgekämpft!
Schmiege mich der Erde näher
Wie das Kind der Mutter an,
Sterne mögen hoch und höher
Oben geh'n die ew'ge Bahn!
An mein Gemüt
Daß du doch immer ruhen magst
Du stürmisches Gemüt!
Daß es in dir doch ewig fort
Mit gleichen Kräften glüht!
Und was dich drängt und was dich treibt
Weißt du ja selber kaum
Ob's Leben oder Wesen hat?
Ob's nur ein leerer Traum? —
Bist du das Spielwerk, das die Welt
Einherträgt aus der Flut?
Bist du das Meer, in dessen Schoß
Die Welt, ein Spielwerk, ruht?
Es dünkt der Schiffende sich fest,
Wenn er stromabwärts zieht,
Indes das Ufer wechselnd ihm
Und schnell vorüberflieht!
An die Sterne
O ihr Sterne! Boten Gottes!
Die Unsterblichkeit zu künden
Und des künft'gen Morgenrotes
Hoffnung leise zu entzünden!
Ist's mir doch, ob Töne rauschten,
Her in heiligen Akkorden:
"Allen, die den Tönen lauschten,
Ist Unsterblichkeit geworden."
Bauet für entfloh'ne Geister
Ihr nicht auf die gold'ne Leiter,
Wo sie suchend ihren Meister
Vorwärts dringen weit und weiter?
O gewiß! von eurem Strande
Fühl' ich Rettungs-Lüfte wehen,
Dort in neue Lebens-Bande
Wird der Geist gefügt sich sehen!
Was er ahnend sich zu träumen
Hier noch mochte kaum getrauen,
Wird er in der Wahrheit Räumen
Hell und wahr und wirklich schauen!
Augen, die von goldnen Tränen
Sanften Mitleids übergehen
Seid ihr, — Sterne! wer voll Sehnen
Soll nicht euren Blick verstehen?
O ihr sprecht so still bedächtig
Durch die Nacht! — von irdischen Zungen
Ward so überzeugungsmächtig
Meine Seele nie bezwungen!
O ihr Sterne! Gottes Boten!
Die Unsterblichkeit zu lehren
Und das Herz der morgenroten
Lebenshoffnung zuzukehren!
Weihestunde
Stunden gibts, in denen mächtig
Mich Erinnerung umweht,
Wo ein stilles Deingedenken
Mich ergreift, wie ein Gebet!
Und dein Bild mit warmem Strahle
In der Brust vorüber zieht,
Wie wenn über'm stillen Tale
Eine Sommerwolke flieht.
Feiernd die geweihte Stunde
Hält der Lauf des Lebens an,
Das, mit dir im stummen Bunde,
Meine Seele erst begann.
Von Erinnerung bestrahlen
Will sich's lassen — um sodann
Weihevoller fortzuwallen
Die voraus bestimmte Bahn.
Freud'ger, sanft an Sonnenstellen
Zögert ja der Fluß hinab,
Früh genug entgegen schwellen
Wird er seinem Schattengrab!
Ja, du hast mit Licht bekränzet
Meine frühe Lebensflut,
O wie schön war sie beglänzet
Die nunmehr so schattig ruht!
Heimreise
Nun geht's der lieben Heimat zu
Mit leichtem Sinn, mit frohem Mut!
O welch' Gefühl der sel'gen Ruh'
Bewegt mich nun mit stiller Glut!
Es scheint der Mond so silberklar
Hernieder auf die stille Welt,
Indes die Seele immerdar
Mir rege Sehnsucht wach erhält!
Schon ist's mir, wie wenn still bewegt
Und flüsternd ging' die nächt'ge Luft —
Vom Gruß, den sie entgegen trägt
Aus meiner Heimat Waldesduft.
Und weiter geht's von Ort zu Ort,
Stets höher ist mein Herz geschwellt,
Indes die Seele immerfort
Mir rege Sehnsucht wach erhält!
Was ungestüm mein Herz begehrt
Vom fremden, vielgeträumten Glück,
Wie es sich jetzt so gerne kehrt
Zum lang Verlassenen zurück!
Denn nunmehr ist's mir hell und klar
Ja — in der Brust ist uns're Welt,
Daß nur die Seele immerdar
Mir rege Sehnsucht wach erhält!
Lied
Lasset doch das ew'ge Klagen
Von entschwundner Zeit,
Seufzet nicht von schönern Tagen
Und Vergänglichkeit.
Daß die Nacht den Tag verdränge
Und der Tag die Nacht!
Hat uns jener nur Gesänge,
Diese Schlaf gebracht!
Diese Rose muß verwehen,
So ergeht der Bann,
Daß an ihrer Stelle stehen
Eine neue kann.
In der Luft mit leisem Beben
Stirbt der Saite Ton,
Noch mit neuem freud'gen Leben
Klingt ein neuer schon.
Wog' aus Woge, Well' aus Welle
Drängt im Weltenmeer,
Saht' ihr's schon an einer Stelle
Darum wellenleer?
Ewig Kommen und Entschwinden
Werden und Vergehen!
Ewig Trennen und Verbinden
Tod und Auferstehen!
Darum laßt die ew'ge Klage
Von Vergänglichkeit!
Webt doch aus dem Stoff der Tage
Ewigkeit ihr Kleid!
Entschluß
Den Zagenden will ich nicht spielen
Und nicht den Hoffnungsvollen,
Nicht nach dem eig'nen Busen zielen
Und nicht dem Schicksal grollen.
Es mögen mir die Lebenstage
So wie sie sind — vorüberfliehen,
Die Zukunft quäle keine Frage
Und dem Vergang'nen sei verziehen!
Doch will ich mit dem Tantals-Mahle
Der Sehnsucht, mich nicht mehr begnügen,
"Ich trinke aus gefüllter Schale
Sei's Nektar, Gift, in durst'gen Zügen".
Was ich nicht lassen kann
Was ich nicht lassen kann?
An dich du holdes Bild zu denken,
In jene Zeit mich zu versenken,
Wo meiner Liebe Traum begann.
Was ich nicht lassen kann?
Des Busens tief geheimes Weben,
Dem treuen Freunde hinzugeben,
Mit ihm zu geh'n auf gleicher Bahn.
Was ich nicht lassen kann?
Im Strom des Liedes auszufluten,
Den Schmerz in Tönen auszubluten,
Den träumend sich dies Herz ersann.
Was ich nicht lassen kann?
Zu singen, sinnen und zu lieben,
Von Sehnsucht — Schöpfungsdrang getrieben,
Das ist's, was ich nicht lassen kann!
Warum ich singe?
Ich singe nur, vom Geist getrieben,
Der Muse, der ich mich geweiht,
Erst wenn kein Ton zurückgeblieben,
Dann fühlt die Seele sich befreit!
Umsonst! ich kann ihn nicht bezwingen
Des Herzens schwellenden Erguß,
Wenn mir von selbst die Saiten klingen,
So sing' ich — weil ich singen muß!
Kann ich den Drang des Geistes hemmen,
Der mächtig mir im Innern lebt?
Versuch's den Riesenstrom zu dämmen,
Der sehnsuchtsvoll zum Meere strebt!
Versuch's, wie an dem Silberflügel
Der Wogen, deine Kraft zerschellt!
Und spottend über Joch und Zügel
Er donnernd aus den Ufern schwellt!
So wie der Stoff an Ätnas Mündung,
So, mir im Busen angehäuft,
Liegt das Gefühl — bis mit Entzündung
Die Glut der Stunde es ergreift.
Die eingeschlossenen Stürme grollen,
Das ist der Himmelsmuse Gruß!
Da gilt kein Wählen, gilt kein Wollen,
Ich singe, weil ich singen muß!
Philosofis
Zerlegt den Strahl in seine Farben,
Ich will am Ganzen mich erwärmen,
Ich wollte nimmer mit Euch darben
Und mich mit Euch zu Tode härmen!
Ihr möget nach den Duft-Molekeln
Der Rose, krit'schen Geistes spüren,
Doch ich will, ohne viel zu mäkeln
Sie selbst, getrost zur Nase führen!
Frag' und Antwort
"Wie kommt's, daß bald der Einen,
Der Andern bald dein Lied geweiht?
Nein — nimmer kann ich einen
Mir diese Unbeständigkeit!"
"Die Lilie glüht im weißen Licht,
Die Rose im roten Kleide,
Und weil so hold mir jede spricht,
Drum besing' ich — beide!"
Wärst du bei mir!
Wärst du bei mir — zum Heiligtume
Ward da mein Herz, voll sel'ger Ruh'
Da schloß den Kelch der Sehnsucht Blume
So sanft und still befriedigt zu!
All' meinen Frieden dankt' ich dir
Wärst du bei mir!
Wärst du bei mir — des heißen Strebens
Glutvoller Strom hemmt' seinen Lauf
Und nur der Quell des reinen Lebens
Sprang freud'ger mir im Busen auf,
Und brach an's gold'ne Licht — zu dir
Wärst du bei mir!
Wärst du bei mir — ist auch die Muse
Mir leisen Schrittes stets genah't,
Sie, die stets deinem holden Gruße
Begeist'rung abgelauschet hat,
Und jedes Lied schöpft' ich aus dir
Wärst du bei mir!
Wärst du bei mir — dann wär' ich nimmer
Hart aus der Liebe Reich verbannt!
O hätt' ich ihren Zauberschimmer
Doch länger — oder nie gekannt!
Und wieder ruhig würd' es hier
Wärst du bei mir!
Einem Freunde
Leb' wohl — auf abendstillen Wegen
Der Reise, hab' ich dein gedacht,
Als ich der Heimat zog entgegen,
Wohin's mich zog mit süßer Macht;
Und als ich's dachte — trat die Sonne
Aus der Umwölkung grauem Flor
Mit abendlicher stiller Wonne
Urplötzlich in das Tal hervor.
Doch bald umzog die glanzumhauchten
Gebirge falber Dämmerschein
Und sie verschwammen und sie tauchten
In dunklem Schoß der Nacht hinein;
Und vor der schlummertrunk'nen Seele
Des Freundes Bild lebendig steht,
Umflossen von der Morgenhelle
Der Freundschaft, die nie untergeht
Nun ist es Nacht — die Sterne grollen,
Sich flüchtend in der Wolken Schoß,
Des Flußes Wogen lauter rollen,
Eintönig — ewig schlummerlos;
Beglückter, als ich bin gekommen,
Und reicher scheid' ich fort von hier,
Das Teuerste hab' ich genommen:
Denn deine Freundschaft geht mit mir!
Naturgeschichte
I.
Sieh' wie im tiefen Dunkeln,
Wohin kein Lichtstrahl bricht,
Ein dämmernd stilles Funkeln
Zu deiner Seele spricht!
Im düstern Felsenkranze
Trifft dich der Geist des All's
Mit dem beredten Glanze
Des schimmernden Kristalls.
Es ist die erste Lohe
Der stummen Poesie,
Die dem Gestein die hohe
Natur, als Sprache lieh!
II.
Schon höhern Ausdruck findet
Natur im Blumenwort,
Womit sie sich verkündet
So reich an jedem Ort!
Die zartesten Gebilde
Hat sie zu Tag gebracht,
Seit Farben dem Gefilde
Zum Schmucke sie erdacht!
Lebendiger' Bewegen
Gibt uns die Blume kund,
Duftatmend schon sich regen
Siehst du den Rosenmund!
III.
Und noch nicht stille stehet
Natur in ihrem Gang,
Nach höhern Stufen gehet
Ihr göttlich' mächt'ger Drang.
Beseeltere Gestalten
Erblickt das Auge schon,
Des Lebens höchstes Walten
Es äußert sich im Ton!
Schon singt im Busch und Flieder
Die erste Nachtigall
Der Liebe erste Lieder
Durch's weite Weltenall!
IV.
Und nun dir Mensch! vom Stempel
Der Gottheit selbst beglückt,
Wie er aus diesem Tempel
Zum Schöpferauge blickt!
Er ist's, der göttergleiche
Mit göttlichem Geschick,
Natur und ihre Reiche
Durchdringt sein Geistesblick.
Er hebt sich frei und freier
Bewußt der Ewigkeit
Und greift in seine Leier
Und singt: Unsterblichkeit!
Du hast geliebt!
Du hast geliebt — mir sagt's das stumme Sehnen,
Das innig dir im schönen Antlitz ruht,
Mir sagt's der Strom zurückgedrängter Tränen
Und deiner Wangen wärm're Purpurglut!
Der Mund, der schmerzlich lächelt — und vergibt —
Du hast geliebt!
Wie von dem Tag', der leise kaum verklungen,
Die letzte Rose noch im Westen blüht,
So noch von deiner Liebe Dämmerungen
Die Abendröte still in dir verglüht
Und einmal selig noch den Blick dir trübt —
Du hast geliebt!