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Die Sonne über diese Erde deckt
Zum ersten Male wieder warmen Glast.
Da singt ein Vögelein irgendwo versteckt,
Und silbermüde ihren dunklen Ast
Die starke ewiggrüne Fichte reckt
Und schüttelt ab die schwere Sternenlast.
Die schollert in die Gründe und sie weckt
Den traumgefangenen ersten Seidelbast.

 

 
III. Das Jahr

 


Die Sonne über diese Erde deckt
Zum ersten Male wieder warmen Glast.
Da singt ein Vögelein irgendwo versteckt,
Und silbermüde ihren dunklen Ast
Die starke ewiggrüne Fichte reckt
Und schüttelt ab die schwere Sternenlast.
Die schollert in die Gründe und sie weckt
Den traumgefangenen ersten Seidelbast.

* * *

Tief im Walde. Schwere Schneelast
Niederdrückt die Föhrenäste . . .
Doch die Sonne schickt schon Boten,
Ladend zum Versöhnungsfeste.

Nieder fällt vom Zweig die Schneelast,
Und es schollert in den Gründen,
Und von meiner Seele fallen
Meine Sorgen, meine Sünden.

"Te absolvo", spricht der Frühling,
Blumen kommen aus der Erden . . .
Lieben will ich . . . ich will gut sein,
Will zum Kinde wieder werden!

Fern am Berge steht der Heiland,
Wo das Abendrot entglommen,
Und er winkt mir und sagt leise:
"Laßt die Kleinen zu mir kommen".

* * *

Ich weiß nicht, meine Lieder
Die schliefen lang und bang,
Nun meine Seele wieder
Aufflügelt zum Gesang.

Der Nebel ist verzogen
Von der verschneiten Wand —
Auf himmelblauen Wogen
Der Frühling fährt ins Land.

* * *

Es trägt der Strom die allerletzten Schollen,
Kannst du ihr Flüstern, Knistern wohl verstehn:
Der Frühling kam, die Sonne siegt, wir wollen
Als blaue Wellen zu dem Meere gehn.

Vom kahlen Ast die allererste Meise
Singt zagend schon ihr erstes Frühlingslied,
Es ist die alte, immer neue Weise,
Die kinderstill in alle Herzen zieht.

In dunkelm Blau erblühen die Violen,
Durch grüne Gräser geht ihr süßer Duft,
Der Erde erstes heiliges Atemholen
Verzittert in der sonnengold'nen Luft.

* * *

Und die Sonne scheint so klar,
Weiden tragen Seidenhaar;
Bei den ersten Kätzchen
Hält das erste Bienenpaar
Leis das erste Schwätzchen:

"Kennst du diesen warmen Hauch?"
""Eija, freilich, ja!""
"Denk dir, dort am Krammetstrauch
Blüht schon Erika."
""Komm, wir fliegen zu dem Busch,
Dort ist prächtig wohnen.""
"Paß nur auf: mit einem Husch
Kommen Anemonen."

Und sich auf der Erde eint
Hoffnung, Kraft und Sehnen;
Und die Sonne nicht mehr scheint,
Hinter einer Wolke weint
Still sie Freudentränen.

* * *

Die Kinder tragen hohe Stecken
Mit wintergrünem Buchsgewand,
Mit grauen Kätzeln von den Hecken,
Mit braunen Bretzeln, Zuckerwecken
Und manchem seidenbunten Band.

Und alle frommen Wundersagen
Von Licht und Blütenseligkeit,
Von Brot, das für die Not gedeiht:
Des Frühlings Bannerträger, tragen
Die Kinder in die neue Zeit.

* * *

Nun hinweg das Müde, Kranke;
Bin des Frühlings Untertan!
Webt hoch über mir das blanke
Pfirsichblütenfiligran.

Bienensummen, Blütenregen
Ließ vergessen, was ich litt,
Und das Glück an allen Wegen
Bettelt leise: "Nimm mich mit" . . .

* * *

Wird vom jungen Sonnenbrand
Nirgends Schnee gelitten,
Geht der Frühling übers Land
Mit den Blumenschritten.
Wenn vom Eise sich befrei'n
Herzen und Gewässer,
Dünken uns die Mägdelein
Schöner viel und besser.

Aber auch die Mägdelein
Gleichen Zauber haben,
Schließen in die Herzen ein
Lieber junge Knaben.
Und der Wind herüberträgt
Kuckucksruf vom Walde,
Uns so Knab' wie Mädel frägt:
Kuckuck sag', wie balde?

* * *

Die weißen Elsen blüh'n am Pfade,
Sind schwer von ihrer Silberlast,
Und mich erfüllt die Sonnengnade,
Daß du mich nicht vergessen hast.

Bin heute lang mit dir gegangen
Und weiß es wohl, wie gut du bist — —
Dann hab' ich dir die Hand gegeben,
Als wär's ein Abschied für das Leben —

Dann ging ich durch das Elsenprangen,
Um Frühlingsfrieden zu empfangen,
Bis dorthin, wo ein Friedhof ist.

* * *

Der Herrgott gibt sein Lichtgebot
Dem gold'nen Sonnenstrahle:
Nun mach' die Erde grün, blau, rot,
Als wie zum ersten Male!

Er selber malt bei Tag und Nacht,
Um Blüten zu verschwenden,
Und eine reiche Falterpracht
Ins Himmelblau zu senden.

Und hat er alles das getan,
Dann klingt's im Himmel droben,
Er fängt mit seinen Vögeln an,
Die Lieder einzuproben.

Dann setzt er sich ans Himmelstor
Und hält die Hand ans alte Ohr,
Daß er die Liederchöre
Beglückter Menschen höre.

* * *

Die Zeit ist da! Es schwinden alle Härten,
Die Bäume fangen wieder an zu sprechen,
Und duftend schwirrt es auf in allen Gärten
Und junge Mädchen junge Rosen brechen.

Die Zeit ist da! Es schwinden alle Sorgen,
Die Menschen wieder von der Liebe sprechen
Und glauben wieder an den neuen Morgen,
Und junge Seelen junge Rosen brechen.

Sternübersternt ist jeder Ast,
Es wird dem Apfelbaum zu schwer,
Drum gibt er seine Silberlast
Dem goldnen Frühlingswinde her.

Und halmenhoch im Wiesenland
Der stolze gelbe Hahnfuß steht,
Als hätt' in eines Gottes Hand
Als blanken Goldstaub ausgesät.

Die Schwalben bringen Halm um Halm,
Und fliegen zu und fliegen ab,
Und singen Jenen einen Psalm,
Der ihnen eine Heimstatt gab.

Und aus dem tiefsten Waldgerott
Klingt ein verträumter Vogelruf:
Kuckuck, wo bist du, lieber Gott,
Der alle diese Schönheit schuf?

* * *

Das wird ein Ostersonnentag
Voll Aprikosenblütenweh'n.
Die Bienen kunden, wo im Hag
Dereinst die ersten Rosen steh'n.
Vom Himmel sinkt ein Lerchenschlag;
Ins Herz die Osterklänge gehn,
Doch nur ein heiliges Auge mag
Die lichtversunknen Lerchen sehn.

* * *

Wenn Ostern kommt in Blütenzier,
Muß ich vom Südland singen,
Von den Glyzinien über mir,
Die blaue Bogen schlingen.

Als brächten Spezereienduft
Zum heiligen Grab die Frauen,
Weht Veilchenatem in der Luft
Und flügelt ob den Auen.

Und die Zypresse dunkel spricht
Das alte Lied vom Tode,
Und vom erstandnen Gott das Licht
Anstimmt die große Ode.

So selig schnell die Weile zieht,
Wie eine Himmelsstunde,
Und jede rote Rose glüht
Wie eine Heilandswunde.

* * *

Die Fliederbäume stehn in Dolden
Und junge Menschen gehn zu zwei'n,
Der Frühlingshimmel, ostergolden,
Schenkt allen einen Heiligenschein.

Die Menschen Liebe sich geloben
Und reichen sich zum Bund die Hand,
Und also sichert der da droben
Der Erde ewigen Bestand.

* * *

's ist einer jener frühlingsfrohen Tage,
Der in die träumerische Seele brennt
Die eine feierliche Menschheitfrage
Nach einem Heim, das keine Ahnung kennt.

Lenztrunkne Hummeln läuten im Jasmin,
Und zaghaft steht das Glück an jedem Wege
Und weist dir freundlich, wird die Sehsucht rege,
Allüberall ein leuchtendes Wohin.

* * *

Der Sonne Rosenpfade zu betreten,
Des Mondes bleiche Silbersichel bebt;
Erst wenn die Menschen aufgehört zu beten,
Sie über ihre stille Heimstatt schwebt.
Erst wenn die Menschen ihre Augen schließen,
Läßt sie die Silberträume niederfließen,
So schön wie sie kein Sonntagskind erlebt.

* * *

Und die Sonne steigt im Fernen,
Und ein Glanz von Paradiesen
Strömt aus purpurgoldnen Minen.

Margeriten in den Wiesen
Tragen in den Silbersternen
Morgenrote Taurubinen.

Eine Lerche, eine frohe,
Steigt empor zur Sonnenlohe,
Durch die Himmel weht ihr Schlag —

Und sie ist im Glanz versunken,
Und sie jubelt funkentrunken,
Wie am ersten Schöpfungstag.

* * *

Heut bin ich gangen mitten ins Treid,
In die goldne Unsterblichkeit.
Habe so manchen Halm getreten,
Mußte zum lieben Herrgott beten:
Vergib mir die Sünde, die ich tat,
Und richte wieder auf die Saat.

Durch die goldenen Halme lohn
Sah ich die Totenblume Mohn,
Die Kornblume sagte: dem Himmel vertrau,
Der ist ewig und ist wie ich so blau,
Und wegen der Halme, die du zertreten,
Sollst du nicht bangen, sollst du nicht beten.

Heut bin ich gangen mitten ins Treid,
In die goldne Unsterblichkeit.

* * *

Hand in Hand geht man im Walde,
Du mein blondes Sommerkind;
Danken wir dem blauen Tage,
Das wir so voll Sehnsucht sind.

Sommerhochamt: Lichterfunkeln,
Wälderweihrauch, Klängewehn,
Und den Kelch erhebt die Liebe
Gnadenspendend, ungesehn.

Laß dich küssen und wir schauen
Tiefbeseligt ins Gesicht. —
Und der Wald mit Orgeltönen
Heilig, heilig, heilig spricht.

* * *

Das waren goldne Sonnwendzeiten!
Es schimmerte der Buchenwald,
Und über uns die Finken freiten,
Der Kuckuck frug: wie bald, wie bald?

Die Sonne hat in diesen Stunden
Ihr Gold verloren ganz und gar.
Ich habe wieder es gefunden,
Mein blondes Kind, in deinem Haar.

* * *

Heut' war ich drunten bei dem Wasserfalle;
Da blühte still die blaue Akelei,
Da stand die dunkelblaue Teufelskralle
Und eine Wasserjungfer flog vorbei.

Ich ging am Waldrand zu der großen Linde,
Die war durchzittert von dem Vogelsang,
Und Flockenstaub verirrte sich im Winde,
Unhörbar schritt ein Schnitter seinen Gang.

Am Roggenfelde stand er, um zu lauern,
Bis sich der erste rote Mohn erhebt,
Daß leise schon des Todes Fieberschauern
Durch alles Gold der Fruchterfüllung bebt.

* * *

Holunderbusch mich überdacht
Und blütenreich mich rings umdoldet,
Indes des Abends Flammenpracht
Den ganzen Fichtenwald durchgoldet.

Und immer mehr verloht die Glut
Und immer größer wird die Stille,
Und immer kindlicher der Mut
Und immer heiliger der Wille.

* * *

Es steht das Korn in vollem Gold,
Es glüht der Mohn wie Blut und Brand,
Des Segens schwere Woge rollt
Auflodernd übers Ackerland.

Und gleich dem Mohn die Sonne blüht,
Die an den Abendbergen steht; —
Ein Schnitter, den kein Auge sieht,
Von einem Hügel niedergeht.

* * *

Glanz und Gold in allen Fluten,
Glanz und Gold im Ährenfeld,
Denn die Sonne im Verbluten
Schenkt ihr letztes Gold der Welt.

Treu der alten Ordensregel
Fern ein Abendläuten bebt,
Und am See das letzte Segel
Leise in das Dunkel schwebt.

* * *

Tief im Kornfeld rote Flammen,
Totenblüten, roter Mohn,
Und wir gingen still zusammen,
Gott allein — der weiß davon.

Und im Abendlichtverflämmern
Still ich deine Hand ergriff,
Als der Tod im letzten Dämmern
Lautlos seine Sense schliff.

* * *

Auf stillen Purpursohlen ging
So hoch des Abends Schweigen,
Das Sonnengold in Früchten hing
So tief von allen Zweigen.
So still und schwer der Segen war,
Das war ein tiefes Neigen,
Als ging' der Herrgott unsichtbar
Durchs goldne Abendschweigen.

* * *

Nichts als Rosen und Jasmin,
Drüber Schmetterlinge kreisen,
Von den blauen Hängen zieh'n
Ferne Wanderburschenweisen.

Wipfelrauschen, feierlich. —
Und ein Duft weht von der Linde,
Und zwei Herzen finde ich
Eingeschnitten in die Rinde.

An der Gartenmauer steht
Sehnsuchtsvoll die junge Nonne . . .
Und am Himmel droben geht
Feierlich die Sonnwendsonne.

* * *

Die blassen Blumen neigen
Die Häupter still und bang,
Es geht des Abends Schweigen
Den blauen Wald entlang.

Im Sonnenblutverfließen
Stirbt leise hin der Tag
Und stille Schatten schließen
Des Glückes Sarkophag.

* * *

Ruhig starb der Sommertag
In den Wolken goldumsäumt,
Und die Seele leise träumt,
Was wohl morgen kommen mag.
Und die Wälder rauschen sacht
Und die Grillen musizieren,
Und am Himmel breitet ihren
Sternenmantel aus die Nacht.

* * *

Ein heller Funkenkranz sich flicht
Vom Waldgebüsch zum Felsenknott,
Lohend aus jeder Flamme spricht
Zu uns des Lichtes ewiger Gott.

Und du, o Mensch, in solchen Tagen
An Gottes Liebe willst verzagen?

Im Wald sich kleine Funken reih'n
Zum leichtbeschwingten Sommertanz.
Und jedem Sonnwendkäferlein
Gibt Gott von seinem Sonnenschein,
Ein Stück von seinem eig'nen Glanz.

* * *

Vom Himmel her ein Leuchten geht
Und kommt ein Glanz geflossen . . .
Die Nacht stieg von der Berge Rand
Und hat mit ihrer dunkeln Hand
Im himmlischen Narzissenbeet
Die Blüten aufgeschlossen.

* * *

Vor einem Jahr: — Wir gingen Hand in Hand,
Und rings um uns war voller Erntesegen,
Die Liebe ging mit uns durch's Sommerland
Und Sonne lag auf allen unsern Wegen.

Ich träumte Glück und Glanz und Ewigkeit
Und ein Sichgutsein bis ins Grenzenlose —
Ich sah sie nicht, sie stand im Felde weit,
Die erste violette Herbstzeitlose.

Ein Jahr ist um und ich bin ganz allein,
Am Waldesrand die Hirtenfeuer glühen,
Die Schwalben suchen neuen Sonnenschein.
Im ganzen Felde Herbstzeitlosen blühen.

* * *

Jetzt noch dunkelblaue Luft,
Sonnenfäden, Früchteduft,
In der Höhe Schwalbenflüge . . .
Aber bald das Sangverhallen,
Lichtersterben, Blütenfallen,
Südenzu die Vögelzüge.
Langsam taumelt Blatt auf Blatt
Nieder in die Ruhestatt.
Stille wird's im weiten Hag,
Und der Mensch voll Sommerglück
Schaut erinn'rungsbang zurück . . .
Plötzlich mahnt ein Glockenton:
"Deiner lieben Toten klag',
Heut ist Allerseelentag."
Und die Kerzen brennen schon . . .

* * *

Und wenn die Buchen noch so bluten
Und wenn das Vogellied verdirbt
Und wenn der Sonne Abendgluten
In schweren grauen Wolken stirbt,
Es kommen wieder gold'ne Garben
Und wieder wird der Sommer Tat:
Siehst du denn nicht der Hoffnung Farben
In dunkelgrüner Wintersaat?

* * *

Und du fragst, warum ich leide?
Als ob ich das selber wüßte;
Weil das letzte Sonnenfunkeln
Dort die Abendberge küßte,
Weil sie wiederum geschnitten,
Meiner Seele reife Saat,
Weil die Schwalben an dem Kirchturm
Halten ihren Reiserat,
Weil ein Kind mit Unschuldaugen
Bettelt — ein verlornes Kind,
Weil ans Fenster hat getragen
Mir ein rotes Blatt der Wind.

* * *

Das war in der Septembernacht
Ein Lichterineinanderfließen,
Es war, als wollte sich die Pracht
Der Lebensblume mir erschließen;
Als ob der Gott für dich und mich
Die Weltensatzung schriebe —
Die Seele sagte feierlich
Das Gotteswort: Ich liebe.
Und als das Wort zum Himmel drang,
Da machten in dem Lobgesang
Die Engel eine Pause . . .
Ich aber wanderte noch lang
Durch blaue Nacht am Bergeshang
Und trug mein Glück nach Hause.

* * *

Schwalben zu der Reise sich bereiten,
Von den Bäumen, die die Äste breiten,
Falbe Blätter sinken leise hin;
Und wie nie erklung'ne gold'ne Saiten
Flimmernde Marienfäden zieh'n.

Von den braunverfahlten Hügelleiten
Gestern noch ein Hirtenfeuer schien,
Von den halbverkohlten letzten Scheiten
Siehst du noch die letzten Schwehlen flieh'n.

Feierlich die stillen Tage gleiten
In das blaue Meer der Ewigkeiten
Und dir ist, als solltest du niederknien.

Sensendengeln kommt aus blassen Weiten,
Es verklingt — du weißt es nicht, wohin.

Einen Wand'rer hörst du leise schreiten;
Dunkle Vögel schwebend ihn begleiten,
Buchen ihm die Purpurdecken breiten,
Bald vom Himmel sinkt sein Hermelin . . .
Jenen großen König aller Zeiten,
Kennst du ihn?

* * *

Der Herbst mit seinem Funkellaube,
Mit seiner bangen Vogelflucht
Macht, daß ich immer wieder glaube,
Daß mich in Fernen Einer sucht.

Der Herbst mit seinem letzten Liede,
Mit seinem weiten Sonnenmeer,
Sagt mir, daß Himmelsglanz und Friede
Ja auch für mich erschaffen wär'.

Der Herbst mit seiner stillen Tiefe,
Er macht mich still, er macht mich fromm; —
Mir ist's, als ob der Eine riefe,
Der mich schon lange suchte: "Komm!"

* * *

Nach dem Süden hat gewendet
Wieder sich der Schwalben Flug,
Segen hat der Herbst gespendet
Und es rauscht der Baum: Genug.

Und die Früchte niedersinken
In das letzte Gras hinein,
Ferne glänzt ein Sensenblinken
In dem Abendsonnenschein.

Von der Schmiede durch das Dämmern
Es ein Doppeltönen trug; —
Schmiede, sagt, was müßt ihr hämmern? —
"Eine Sense, einen Pflug."

* * *

Große gelbe Sonnenblumen
Schauen zag der Sonne nach,
Und der Pflug mit müden Krumen
Für die Wintersaaten brach.

Vor dem Fenster wilde Reben,
Weil der Tod im Garten schlich,
Mit dem Purpur sich umgeben,
Und sie sterben königlich.

* * *

Es starb die allerletzte Krokusblüte,
Als fürchte sie sich vor den ersten Flocken.

Auf einmal neuen Glanz der Herbst versprühte,
Vor seinem Leuchten war ich fast erschrocken.
Auf einmal war mir Frühling im Gemüte,
Mit einem wundergläubigen Frohlocken
Dacht' ich an blaue Augen, blonde Locken
Und an den Herrgott, der sie mir behüte.
Und tiefbeseligt zog ich wegentlang
Und fand am traumerwachten Bergeshang
Die Himmelschlüssel und die Osterglocken.
Voll Osterglauben wand ich Osterglocken,
Voll Himmelshoffen fügte ich zum Kranz
Die Himmelschlüssel dir für deine Locken.
Und mit mir ging der Frühling Schritt auf Tritt:
Ich brachte dir den jungen Frühling ganz,
Und auch die Liebe brachte ich mit.

* * *

Das waren leuchtende Oktobertage;
Die Sehnsucht weht durch's weite Tal hinaus,
In jedem Herzen regte sich die Frage:
Wo glänzt empor des Glückes goldnes Haus?

Und ich ging suchen, folgte diesem Leuchten,
Und immer härter, karger ward das Licht —
Auf einmal aber schlugen mir die feuchten,
Die weißen Winterflocken ins Gesicht.

* * *

Es stehen Ebereschenbäume
An dem Rand der fahlen Weide
Und sticken rote Beerenträume
In des Himmels blaue Seide.
Und ein Wort will fernher wehen
Und sagt uns, daß der Tod gekommen.
Nur die Ebereschen stehen,
Als hätten sie es nicht vernommen.

* * *

Von weißen Astern bleiche Blätter fallen,
Die Sonne blutend an den Bergen steht
Und aus der Kirche totenkühlen Hallen
"Erlöse uns" . . . verzittert ein Gebet.
Von einem Felde wird ein Sensenschallen,
Das letzte, in das stille Dorf verweht.
Die frommen Beter aus der Kirche wallen,
Der Totengräber zwischen Hügeln geht
Und frägt: wer ist der erste von euch allen?

* * *

Das sind die lichten Spätherbsttage
Mit heller Frage, greller Klage,
Mit Gruß aus weiten Ewigkeiten.
Ich bin so stumm, ich bin so still,
Die leichenbleichen Zeiten schreiten,
Ich will und weiß nicht, was ich will.

Des Friedhof's Eisenkreuze schimmern,
Und stille tilgt des Todes Hand
Mit des Novemberreifes Flimmern
Die Namen, welche darauf genannt.

* * *

Buchen bluten im Geschwehle
Müder Nebel, trüb und bleich,
Eine Sonne ohne Seele
Überblaßt des Todes Reich.

Längst vorbei ist Lieb' und Wonne,
Und es kam der Haß, die Not.
Eine Seele ohne Sonne
Tastet weiter bis zum Tod.

* * *

Die Morgenspitzen wollen nimmer glühen,
Denn immer ärmer wird der Sonnenstrahl,
Am Hang die letzten Felsenastern blühen,
Bekränztes Almvieh läutet in das Tal.

Der Nebel will vom Schropfenkopf nicht weichen,
Es sinkt aus ihm ein Sterneneinerlei,
Des Schneehuhn's felsengraue Schwingen bleichen,
Im Kare starb des Murmeltieres Schrei.

Nur aus den Tiefen tönt des Jägers Schießen,
Die Wände geben schwachen Widerhall. —
Wie lange darf ich frei noch niederfließen —
Denkt frierend sich der Felsenwasserfall.

Am Quellenbrunn, genannt zum kalten Wirte,
In Eiskristall erfriert der letzte Halm,
Der längst verstorb'ne ungetreue Hirte
Hütet das Geistervieh auf hoher Alm.

* * *

Die nebelnde Novemberblässe
Geht schweigend durch das kahle Land,
Zu einer stillen Totenmesse
Sind alle Bäume angebrannt.

Die Berge sind von Rauch umwoben
Und ihr Altarbild schaut man nie,
Die Sonne scheint so bleich da droben,
Als hätte keine Gnade sie . . .

* * *
Lautlos die Zeiten gleiten
Und alle Wasser ruh'n
Und blasse Engel schreiten
Auf Silberflockenschuh'n.
Dein Ohr hat nichts vernommen
Und nichts ersah dein Blick,
Und dennoch ist gekommen
Ein längst vergeß'nes Gück.