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Von den dichtbeblühten Fliedern
Will ich einen Kranz dir brechen
Und dich dann in meinen Liedern
Heilig sprechen.
 


IV. Weib

 


Meine Träume weh'n um gold'ne Zinnen
Einer fernen wohlbekannten Stadt.
Geigentöne durch den Abend rinnen
Von dem Glück, das nur die Liebe hat.

Bei dem letzten Abendrotversprühen
Frage ich den Himmel goldenweit,
Ob dort oben, wo die Wolken glühen,
Mehr noch ist von Menschenseligkeit.

* * *

Ich habe dich schon irgendwo gesehen,
Du schlanke blanke unschuldvolle Maid,
Wo war es nur — es war vor langer Zeit . . .

Ich weiß es wohl — du trugst ein weißes Kleid
Und ließest deine goldnen Haare wehen,
Auf goldnen Wolken schienest du zu gehen,
Dein Auge war wie heute sonnenklar —
An deinen Schultern, Kindchen, aber war
Ein großes blankes Silberflügelpaar.

Nun weiß ich es, wo ich dich einst gesehen —
Als ich noch nicht auf dieser Erde war.

* * *

Du bist im Maienglanz gekommen
Aus einem Land, wo Lilien sind.
Du hast mich bei der Hand genommen. —
Und ich? — ich folge wie ein Kind.

Es fliegen über uns die Tauben,
Ein Glänzen rings und Blühen ist . . .
Und ich? — ich kann es nimmer glauben,
Daß du von dieser Erde bist.

* * *

Und handinhand mit dir ich ging,
Als einst der Flieder niederhing.

Der Flieder bog die Zweige tief
Und ferne eine Amsel rief.

Wir sprachen leise manches Wort —
Auf einmal war es still am Ort.

Es hatte uns kein Mensch gesehn,
Wir mußten voneinandergehn.

Der Flieder verblühte — weiß nicht warum —
Und auch die Amsel wurde stumm.

* * *

Du bist mein helles Sonnwendkind,
Du bist so jung und schlank;
Du bist nicht, wie die andern sind,
Du bist so blond und blank.

Das Märchen deiner Seele ist
So bald und leicht erzählt:
Es klingt, daß du ein Engel bist,
Dem nur die Schwinge fehlt.

* * *

Seliger Tag — im stillen Garten
Die Rosen knospensprungbereit.
Sie mußten lange, lange warten
Und blühen auf zur rechten Zeit.

Seit Jahren ließ ich sie verblühen,
Ein liebearmer, stiller Mann.
Heut' weiß ich Locken, wo verglühen
Die allerschönste Rose kann.

In deine Haare Purpurflammen
Die allerschönste Rose gibt . . .
Der Herrgott gab uns doch zusammen,
Weil wir so heilig uns geliebt.

* * *

Wir redeten von Capris Wunderleuchten
Und von Florenz in seinem Rosenkranz,
Und plötzlich funkelte in deinen feuchten
Meertiefen Augen dunkler Märchenglanz.

Wir redeten von weißen Marmorstiegen,
Von schönen Frauen am Altanenrund; —
Und plötzlich alle Heimatstimmen schwiegen,
Und mit uns redete das Wunderland:

Von Moses, welcher Gottes Worte kündet,
Von Michelangelo, der ihn erschuf,
Wie in der Nacht sein Opferfeuer zündet
Zu Gottes Preis der flammende Vesuv. —

Es kamen triumphierende Cäsaren,
Es donnerte der Legionen Schritt,
Mit finstern Stirnen trotzige Barbaren
In schweren Eisenketten zogen mit.

Ein andres Bild: — Des gold'nen Schmucks entledigt
Haben Toscanas schöne Frauen sich;
Die Flamme loht . . . Savonarola predigt,
Wie Gott so groß und streng und fürchterlich . . .

Es funkeln blutbesudelte Tiaren,
Es wehen Flammenstöße durch die Nacht,
Indes vom Himmel sich, vom sternenklaren,
Abhebt der Peterskuppel dunkle Pracht.

Ein andres Bild: — Unter den Lorbeerbäumen
In einer wilden Rosenherrlichkeit,
In der die schönsten Fürstentöchter träumen,
Singt Tasso, wie Jerusalem befreit. —

Wir hörten fernher des Meeres Canzonen
Und sahen der Palazzi Marmorpracht,
In denen stolze Medicäer wohnen,
Aufleuchten durch die zauberische Nacht. —

Wir sahen Gondeln gleiten im Canale
Und hörten süße Liebesworte bald, —
Und bald das mächtig wirkende Finale,
Das mahnend anstimmt der Zypressenwald.

— — Du warst so still. — Mir aber war, es stände
Jung Beatrice da im weißen Kleid
Und reichte zitternd mir die weißen Hände
Und führte mich durch Zeit und Ewigkeit.

* * *

Heut muß ich aus dem Haus hinaus,
Heut muß ich von den Mauern los.
Es ist für dieses kleine Haus
Mein Glück zu groß, mein Glück zu groß.

Am Feldrand zögert still mein Schritt,
Daß keine Blume er zertritt,
Kein Käfer unter meinem Fuß
Sein Sommerleben lassen muß.

Durch's Ährengoldmeer weht der Wind,
Der Himmel ist so wunderblau;
Ich weiß ein lockengoldnes Kind,
Dem ich in Himmelsaugen schau'.

Die Welt ist schön, der Himmel weit,
Mein Herz ist voller Seligkeit,
Die Sonne sinkt mit rotem Schein.

Ich wand're in das Haus zurück.
Es ist ja für mein großes Glück
Der ganze Himmel viel zu klein.

* * *

Liebchen, sieh' das rote Meer
Rosen durch die Gärten fluten,
Und die Sonne himmelher
Ihre Strahlenkraft verbluten.
Reich' mir deine weiße Hand,
Wandle mit mir her:
Führ' dich ins gelobte Land
Durch das rote Meer.

* * *

Ganz einfach ist's: "Es kann einmal nicht sein!"
Und doch so glänzend war der Sommertag!
Mein Glück ist aus. — — Das finstere Gewölk
Am Hochkar bringt uns einen Wetterschlag.

Den Berghut auf und dann den Bergstock her,
Der lang verstaubt im Ofenwinkel stand. —
Warum ich fort bei diesem Sturme geh'? —
Behüt dich Gott und gib mir deine Hand.

Von Alpenrosen eine Sage geht,
Sie locken her des Blitzes lohe Glut. —
Die Blitze zucken, aufwärts steige ich
Und stecke Alpenrosen an den Hut.

* * *

Ich war dir gut mit meiner ganzen Seele,
Bis jene wundersame Mondnacht kam.

. . . Ich sorgte treu, daß dir das Glück nicht fehle,
Daß in dein Auge sich kein Schatten stehle,

Bis jene wundersame Mondnacht nahm
Die blanke Unschuld aus der jungen Seele.

Was nützt es, daß ich jetzt mich selber quäle,
Und daß an meine Türe pocht die Scham . . .

Ich war dir gut mit meiner ganzen Seele,
Bis jene wundersame Mondnacht kam.

* * *

Einst hat die Nacht geredet
In Märchenträumerei
Von einem Menschenherzen,
Das ganz mein eigen sei.

Ein Flüstern ging und Leuchten
Um meine Liegestatt;
Die Nacht hat so viel Stimmen,
So viel sie Sterne hat.

Jetzt ist sie stumm geworden
Und bang und schwarz und leer;
Die Nacht hat keine Stimmen
Und keine Sterne mehr.

* * *

Märchenbleich die Tale liegen.
Die Johanniskäfer fliegen
Sternenstill und sternenklar:
Grüße sind's aus Himmelsferne
Und ich flechte sie als Sterne
Zitternd dir ins dunkle Haar.

Käfer flimmern, Sterne funkeln,
Und mit deinen wunderdunkeln
Augen staunst du in die Nacht . . .
Und sie rauscht wie leise Seide,
Und wir wissen alle beide
Nicht, was uns so selig macht.

* * *

Uns im Herzen klang der reinste Glaube,
Uns im Herzen klang das höchste Hoffen,
Und der Mond als eine reine Taube
Flog am Himmel, welcher sternenoffen.

Und ich sprach zu dir von unsrer Liebe,
Und wir gaben zitternd uns die Hände,
Und es sank herab vom Sterngetriebe
Eine Seligkeit, die ohne Ende.

Als ich dann von dir war fortgegangen,
Hat es keuschen Silberglanz geregnet —
Und es ist mit grellgeschminkten Wangen
Eine freche Dirne mir begegnet.

Die Laternenlichter auf den Straßen
Glänzten blutrot, wo die Gossen fließen,
Wie der Sünde Augen, die vergaßen,
Ihre Lider in der Nacht zu schließen.

* * *

Weißt du, wie auseinander wir gegangen?
Wir haben uns die Hände nicht gegeben.
Der Flieder blühte unter Sternenprangen —
Ein Abschied schien es für das ganze Leben.

Es loh'n empor die toten roten Flammen,
Die gleichen bleichen Sterne blicken nieder,
Und du und ich sind wiederum beisammen,
Ich träume wieder alte Fliederlieder.

Es baut der Mond im Fluß die goldne Brücke,
Und fragend wir uns in die Augen sehen —
Führt dieser goldne Pfad zu unserm Glücke,
Und wagen wir's, auf Wogen hinzugehen?

* * *

Es war in einer klaren Nacht.
Da hab' ich ihn so heiß geküßt,
Da hab' ich Gott so gut gedacht,
Daß alles er verzeihen müßt'.

Es war in einer klaren Nacht.
Da hat das Glück mich heiß geliebt,
Da hab' ich nicht daran gedacht,
Daß Sünde es und Sühne gibt.

Da kam der klare, blanke Tag.
Die Leute weichen scheu mir aus,
Und niemand mit mir reden mag . . .

Das Kind, das ich am Arme trag',
Hat Augen licht und Locken kraus
Und schaut so froh den klaren Tag.

* * *

Da liegt dein Bild — es ist vom Weine naß,
Zertreten liegt am Boden deine Rose,
Das Spiel ist aus — vorüber ist die Pose . . .
Noch einen Schluck . . . und dann beginnt der Spaß,
Der uns hinabführt in das Abschlußlose.

Es klingt ein Roßgetrappel unterm Tor:
Ein Wagen ist's, bespannt mit schwarzen Fohlen.
Die Stiege schleicht's empor auf leisen Sohlen,
Der Böse ist's — vierspännig fuhr er vor,
In seine Mitternacht mich abzuholen.

* * *

Vor Jahren war's. An dem Marientag
Erglänzte blau der weite Himmelsbogen,
Zeitlosen blühten rings im fahlen Hag;
Vom Kirchturm sind die Schwalben fortgezogen
In ferne Lande, wo in Abendgluten
Nachtrosen gleich die Tempelkuppeln glüh'n,
Und wo in heiligen, ewig stillen Fluten
Des Glückes blaue Wunderkelche blüh'n.

Das war der Schwalbenflucht Marientag.
Es kam das Licht in hellen Sonnwendwogen,
In denen scheues Sensendengeln lag,
Indes die Astern einen Sommer logen.
Feldeinsam gingen wir und glückverloren
Durch eine goldenrote Abendstund',
Und heilige Eide ohne Worte schworen
Wir überselig beide Mund an Mund.

Das war am herrlichen Marientag.
Von Blättern wehte es, von müden, falben,
Im Abend starb der Sensendengelschlag,
Schon waren fort die allerletzten Schwalben.
Wir merkten's nicht, — die Schwalben bringen Glück . .
Mir haben sie das meine mitgenommen.
Ich hoffte treu, sie bringen es zurück,
Wenn sie vom Sonnenlande wiederkommen.

Was nützt es heut', wenn ich die Schwalben frag:
Wo habt mein stilles Glück ihr hingetragen?
Heut' leuchtet wieder ein Marientag,
Doch keine einzige will Antwort sagen.
Sie fliegen hin, wo in den Abendgluten
Nachtrosen gleich die Tempelkuppeln glüh'n,
Und wo in heiligen, ewigstillen Fluten
Der Glückes blaue Wunderkelche blüh'n.

* * *

Das was ich bin, den müden Mann,
Der nie ein Lied mehr singen kann,
Der keine Tat mehr hat vollbracht,
Den keine Tat des Lebens freut,
Noch deren Unterlassung reut, —
Den Mann hast du aus mir gemacht.

Der ganz vergaß des alten Drangs,
Dem Gut und Böse gleichen Klangs
Und gleicher Farbe Tag und Nacht,
Der sich nicht schert um Lust und Not,
Der nur mehr wartet auf den Tod —
Den Mann hast du aus mir gemacht.

* * *

O schwiege doch die Sehnsucht still. —
Wo will das hin, wie soll das enden?
Den Frühling meiner Seele will
Ich einem guten Menschen spenden. —
O schwiege doch die Sehnsucht still.

Mir ist's, als ob durch Frühlingsräume
Ich einem Kinde rufen müßt':
"Ich habe reiche Rosenträume,
Und Küsse, die ich nie geküßt,
Und Lieder, die ich nie gesungen,
Und Kronen, überedelsteint,
Die keine Stirne noch umschlungen,
Und Träume, die noch nie geweint."

Ich wandre fort und träume so:
Müßt ich zum End' der Erde gehen,
Es muß am Wege irgendwo
Ein Kind mit weißen Händen stehen.
— O, wenn ich diese Unschuld fände,
Da wollte ich sie fragen still,
Ob sie mir geben ihre Hände
Und meinen Frühling haben will?

So wandre ich mit meinem Traum
Bis an der Ewigkeiten Saum. —