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In dieser großen Felseneinsamkeit
Vergeht die Sorge und erstarrt die Zeit;
Und über diesen grauen Schroffen
Stehn lichtverströmend, wolkenweit
Des Himmels goldne Tore offen.
 


VIII.
Hoch oben

 

Zu Pichlers Gedenken
Botschaft
Morgengang
Mahnung
Erst-Ersteigung
Der alte Mann
Weiße Alpenrosen
Bernhardstal
Bergwanderung
Sonnenchrist
Vor vierzig Jahren
Weihe
Vor einem Jahr
Entschluß
Allein
Morgen
Es war einmal
Bernina
Gottesworte
Selbstwerdung
Gelöbnis
Als mir der Pickel brach
Erkenntnis
Angst
Kirchtag
Der Gletscher leuchtet
Winteralpenrosen

Zu Pichlers Gedenken


"Macht mir die Fenster auf! — Noch einmal will
Ich meiner lieben Heimat Berge sehen." —
Du schautest lange hin . . . und wurdest still,
Denn einer kam, den niemand hörte gehen.

Nun schlägt kein Hammer an die Steine mehr,
Daß er daraus der Vorwelt Wunder löse,
Und Lieder singt Dein Mund uns keine mehr
Von Deutschlands Sendung und von Deutschlands Größe.

Nun schläfst Du lang und hast nicht viel versäumt,
Du wärst zu gut für diesen Schwarm von Knechten,
Der Burentraum ist auch nun ausgeträumt
Über des Volks in Kot getretnen Rechten.

Und Deine Fahne, unser Schwarzrotgold,
Die Du getreu fürs Vaterland getragen . . .
Ein jeder Schranze ihr Verachtung zollt
Und wird dafür nicht ins Gesicht geschlagen!

Angeberei und Heuchelei sich drängt
Auf unserm Kämpferwege an die Strecke
"Und an dem weißen Gotteslamme hängt
Sich fleißig mästend noch die schwarze Zecke.*

In fremden Fesseln liegt der rote Aar,
Dem wir die Treue haben zugeschworen,
Und ein Befreier, wie es Hofer war,
Ist noch dem armen Lande nicht geboren.

*Pichlers eigene Worte

* * * *
Ich will hinaus aus dieser Niedertracht,
Ich schreite hin auf Deinen Felsenwegen
Und einsam gehe ich dem Licht entgegen.

Hoch bei den Zirbeln erst wird Rast gemacht,
Wo Zundern halten die Lawinenwacht,
Um einen Kranz Dir auf das Grab zu legen.

Botschaft

Das Schneehuhn hat den Hermelin
Des weißen Winters abgelegt,
Ins graue Trümmerkar dahin
Es die ergraute Schwinge trägt.

Der Bergbach ist nicht mehr gebannt,
Nicht mehr er stürzend stille steht,
Es ist die ganze Felsenwand
Aurikelgoldstaubübersät. —

Auf einmal kommt die Wundernacht. —
Aus ihrer reichen weißen Pracht
Löst einen Stern ein Engel leis,
Und läßt zur Erde sinken sacht
Das allererste Edelweiß.

Morgengang

Ich gehe durch die Sternenstille
Und weiß es, daß die Sonne steigt
Und daß der Seele bester Wille
Den Weg mir in die Höhe zeigt.

Wie Silberschlösser stehn die Firne,
Nach denen mich die Sehnsucht lenkt,
Ich fühle, daß sich auf die Stirne
Die Krone eines Glückes senkt.

Mahnung

Weißschollender Lawinendrang
Ist längst ins Tal getost,
Nun ist der steile Bergeshang
Ganz überalpenrost.
Nun trank in sich Vergißmeinnicht
Das helle Himmelsblau,
Nun säte Soldanellen dicht
Am See die Mondscheinfrau.

Nun ist am Fels das erste Eis
Glanztropfend abgetaut,
Nun ist das Schneehuhn nimmer weiß,
Ist felsengrau ergraut.
Nicht mehr ins Tal die Gemse steigt;
Vom lichtumblitzten Riff
Schrillt gellend, wenn Gefahr sich zeigt,
Des Wächters Warnungspfiff.

Es funkelt in dem Bergmahdgrün
Dunkle Brunellenglut,
Als lägen schwere Tropfen drin
Von des Erlösers Blut.
Siehst du des Gottes Sonnenschein?
So steige auf zum Knott.
Nun, Mensch, laß deine Menschen sein,
Und sprich mit deinem Gott.

Erst-Ersteigung

Hab' auf eigne Kraft vertraut,
Bin ein keckes Blut:
Edelweiß und Edelraut
Trag ich auf dem Hut!

Sturmwind und Lawinengraus
Machen mich nicht stehn,
Schlag mir selbst die Stufen aus,
Die zur Höhe gehn.

Unbesteiglich willst du sein,
Stolzer Felsenknauf?
Über Eis und Felsgestein
Stürmt der Wille auf.

Wo vor mir noch keiner war,
Steh ich stolz und frei,
Und mir scheint, ich träume gar,
Daß ich König sei.

Eine Fahne hisse ich,
Welche winkt dem Blitz,
Und ergreife feierlich
Meinen Kronbesitz.

Unter mir ist alle Welt,
Über mir ist nichts
Als der Freiheit blaues Zelt
Und der Gral des Lichts.

Horch! Der Weltentwicklungssang:
Wie Gefahr auch prunkt,
Held ist, wer der Welt errang
Einen Gipfelpunkt!

Einen neuen Gipfel soll
Weisen jeder Mann,
Wo die Menschheit, irrtumvoll,
Besser werden kann.

Neue Höhen, Menschen schaut,
Weise euch mein Mut! . . .
Edelweiß und Edelraut
Trag ich auf dem Hut.

Der alte Mann

Das war der alte Mann. — Die Sagen zogen
Um ihn den bunten Märchenregenbogen,
Zu seinen Füßen rastete die Zeit,
Zu seinen Häupten ist die Ewigkeit.
Kein Wasserfall von seinen Wänden sprüht,
Auf seinen Felsen keine Blume blüht,
Kein Vogelschrei erschallt von diesem Knott,
Hier herrscht ein fremder, unbekannter Gott:
Der alte Mann — die Jäger gehn vorbei,
Und rollt ein Stein, bekreuzigen sie sich schon.

Die Sage spricht: Steinbock und Gemse flohen
In ihrer Angst zu ihm, dem Alten, Hohen,
Dann wars vorbei mit Todesangst und Jagd.
Es hat kein Jäger sich hinaufgewagt . . . . .
Nur einmal wars — da fand der Flintenknall
In seinen Schroffen einen Widerhall,
Und schweißend floh die Gemse felsenauf,
Der Schütze folgte mit dem Doppellauf.
Ein Hirte hörte einen zweiten Schuß
Und fand den Stutzen — das war der Sage Schluß.

Das war der alte Mann — Ich war der junge:
Die Sehnsucht flog mit ihrem Adlerschwunge
Auf seiner Türme allerhöchsten Stein —
Ein toter Schütz vermodert dort allein. —
Es war in mir Verlangen nach dem Grau'n,
Dem unbekannten Gott ins Aug zu schau'n! —
Denk an den Schütz, der alte Senner spricht,
Steige hinauf — doch wieder kehrst du nicht.
Und als ich aufstieg durch das Felsgerungs,
Der Senner betete ein Bitt für uns.

Das war mein erster Schritt ins Unerforschte,
In jene Welt, wo alle Zeit vermorschte. —
Und endlich stand ich hell im Sonnenschein
Auf seiner Felsen allerhöchstem Stein. —
Nun sah ich Gott von einem Hochaltar,
An dem vor mir noch nie ein Priester war,
Und sah in seine schöne Welt hinein; —
Und Gott sprach leise: Was du siehst, ist dein.
Es war so still und licht und feierlich —
Wie nie im Leben hab gebetet ich.

Und hätt ich nun den toten Mann gesehen —
Ob er Verlangen trug, hinabzugehen,
Zu Menschennöten in die kleine Zeit.
Aus Gottesnähe, aus der Ewigkeit,
So hätte ich den toten Mann gefragt. —
Ich aber hätte sicher nicht gezagt,
Hieß' es zu sterben hier auf diesem Stein;
Ich schaute in die Abendglut hinein,
Ich dächte mir, wer diese Schönheit sah,
Kann sterben, denn das Himmelreich ist nah.

Weiße Alpenrosen

Kennst du die Alpenrosen nicht?
Sie blühen und sterben ganz allein,
Indes die roten Schwestern, blütendicht,
Austrinken allen Abendsonnenschein.

Lang magst du suchen droben überwald;
Es kann sie finden nur ein Sonntagskind —
Sie blühen fremd und bleich und sterben bald,
Weil sie aus einem Märchenlande sind.

Auch Menschen blühen bleich und still, allein,
Im Auge tragend einen fremden Schein,
Die spielen nicht der andern frohe Spiele,
Erstreben nicht der andern hohe Ziele,
Auf dieser Welt nicht Glück erwerben sie,
Und dann an ihrem Heimweh sterben sie.

Heut stieg ich auf, wo über das Gestein
In Funken splitternd Wasserfälle tosen,
In tiefverborgner Felsennische drein
Fand ich die weißen Wunderalpenrosen.
Ich taufte sie mit einem Funkenstrahl
Und trug sie nieder in das tiefe Tal.

Ich weiß ein Kind, dem klingen ferne Glocken
In seine Seele tiefes Heimatweh;
Ich lege segnend auf die dunklen Locken
Den firnenweißen Alpenrosenschnee.

Du träumst wie ich von einem andern Leben,
Drum sollst du deine weiße Hand mir geben,
Dann wandern wir den weiten Weg entlang
Bis in den roten Sonnenuntergang,
Und wandern schweigend, wandern Hand in Hand
Und wandern weiter bis ins andre Land.

Bernhardstal
(Lechtal 1897?)

Tief der Waldstrom donnert in den Klüften,
Und er sucht, wie er sich Weg erzwinge.
Droben Sonne . . . Sonne! In den Lüften
Lieben sich zwei freie Schmetterlinge.

Sommerglück, es spannt sich durch die Tannen
Ein Gewirre deiner goldnen Fäden —
Kann der Seele Heiligstes nicht bannen,
Denn den Herrn der Lieder hör' ich reden.

Bergwanderung

Das ist ein Tag zum Höhenstreben!
In Morgenflammen glüht das Land,
In Einsamkeiten wollen geben
Wir wieder uns die treue Hand.

Ich will die Sternenblume brechen,
Die von der Felsenzinne nickt,
Das Auge soll drei Worte sprechen,
Wenn es ins Aug des andern blickt.

Am höchsten Knauf vom Felsaltare,
Da lös ich dir die Locke, Kind,
Und weiß dann nicht mehr, was die Haare
Und was die Sonnenstrahlen sind.

Sonnenchrist

Durchs Alpenhochtal muß ich gehn
Zur höchsten Firnenflamme,
Dann fühl ichs durch die Seele wehn,
Daß ich dem Licht entstamme.

Und alles lasse ich zurück:
Getier und Ackerkrume,
Die Menschen mit dem Leid und Glück,
Zuletzt Gestein und Blume.

Und gerne leiste ich Verzicht,
Ich kann ja alles haben
Da droben in dem Sonnenlicht
Urweltlich eingegraben.

Denn alles, was geworden ist,
Liegt noch im Sonnenstrahle.
Also versteht der Sonnenchrist
Das Wunderwerk vom Grale.

Und steh ich am vereisten Knott,
Vom Sonnenglanz umflossen,
Mit Feuerarmen hält mich Gott
Ans Vaterherz geschlossen.

Vor vierzig Jahren
Zu Hermann von Gilms Todestag. 31. Ma1 1864 – 1904.

In steilen Runsen lagen weiße Lahnen,
Am Felsen blühten goldne Primelglocken,
Und in den Wiesen große Enzianen
Den blauen Kelch erschlossen lichterschrocken.
Die Alpenrose war bereit zu blühen,
In ihrem braunen Mieder quoll es rot,
Da hörte man ein Vogelsingen ziehen
Aus weiter Ferne, daß der Dichter tot.

Der Dichter, der auf schroffen Felsengraten
Die Blume pflückte, die er hat besungen,
Der Mann der freitiroler Liedertaten
In fremdem Land hat ihn der Tod bezwungen.
Der Mai klang aus — mit ihm das Dichterleben,
Unter die Schollen der "Verschollne" sank; —
Und Veilchen sollt ihr auf das Grab ihm geben,
Ein deutsches Lied noch als den letzten Dank.

Es war zu Linz — heut sind es vierzig Jahre:
Den Sarg des Gilm senkt man zur Erde nieder.
Es stand die Sängerschar wohl an der Bahre,
Doch sie blieb stumm — sie hatte keine Lieder!
Die deutsche Zwietracht ließ die Lieder schweigen;
Da — horch — auf einmal heller Vogelsang
Sinkt auf das Grab hernieder aus den Zweigen:
"Wenn auch die Menschen keine Lieder haben,
Wir Vöglein singen, denn man soll begraben
Den deutschen Dichter niemals ohne Klang".

Weihe

In das Firnbachtosen ein
Alpenglockentöne schwellen;
Selig bin ich und allein
Hoch bei Speik und Gratbrunellen.

Stürzend noch ein Stein verrät,
Über mir ist Leben rege;
Eine freie Gemse geht
Einsam ihre Sonnenwege.

Gottes Wunder schlingen sich
Unter mir in bunter Reihe;
Gott verleiht mir feierlich
Seines Lichtes Priesterweihe.

Vor einem Jahr

Vor einem Jahr! — Die ersten Alpenrosen
Erglühten an dem bergverlornen See,
Über der Felsenstirn, der regungslosen,
Lag eine Krone blanker Firnenschnee.
Am Ufer flüsterten die Soldanellen
Die frohe Kunde, daß die Sonnwend kam,
Und Märchenlieder sangen mir die Wellen
Vom Königskinde, das den Hirten nahm.

Ich glaubte sie. — Und immer schöner, reiner
Tönte der wundersame Zaubersang,
Als würde nie befehlen der Verneiner,
Daß in den Lüften sterbe dieser Klang.
Und sprach zu mir: "Du sollst die Blumen brechen
Und sollst sie bringen einer blonden Maid,
Und sorge nicht, die Blumen werden sprechen!"
So rauschte es in Märchenseligkeit!

Die Wellen sprachen von der giebelreichen,
Ehrwürdig-alten, kleinen Bürderstadt,
Von hellen Locken, die dem Golde gleichen,
Und einer Maid, die diesen Goldschatz hat.
Und Alpenrosen, Enzian, Brunellen
Und blauer Speik ich um den Bergstock wand . . .
Und immer lockender die blauen Wellen
Erzählten von des Glückes goldnem Land.

Der Bergstrom stürzte tosend in die Tiefe,
Und seinen Wellen folgt' ich ohne Rast.
Mir war, als ob des Schicksals Stimme riefe:
"Nun ist genug, was du gelitten hast,
Du hast geglaubt, gehofft und endlich werde
Auch dir beschert, woran sie glücklich sind!"
Die Wellen redeten von einem Herde,
Von einem Weibe und von einem Kind.

Und durch den Hochwald bin ich ausgezogen
Und zwischen Tannen zeigte sich das Tal,
Als himmelhoch die Abendwolken flogen,
Flammendurchglüht vom letzten Abendstrahl.
Ich ging durchs Städtchen. — Abendglocken klangen,
Und in dem winkeligen, alten Haus
Bin über dunkle Stiegen ich gegangen
Und brachte einer blonden Maid den Strauß.

* * * *

Ein Jahr verging . . . Die Alpenrosen blühen
Und Märchen trägt der Bergsee an den Strand,
Und wieder greift ins flammenrote Glühen
Der Alpenrosen frevelnd meine Hand.
Doch nicht zum Strauß will ich sie heute binden.
Ich glaube nicht mehr an das Märchenreich:
Im Bergstrom laß ich lachend sie verschwinden;
Wo er die Blüten hinträgt, gilt mir gleich. —

Entschluß

Ich will in Sturm und Wetter gehn,
Mir ist der Sonnenschein verhaßt,
Dem Grauen in das Auge sehn
Und unter Felsen halten Rast.

Und wenn die Hochwelt bebt und stöhnt,
Vielleicht schweigt in der Seele still,
Wenn es der Donner übertönt,
Was nicht zur Ruhe kommen will.

Allein

Allein zum Berge lasset mich,
Dort kann ich meines Herrgotts Wort verstehn:
Es läßt der große Weltenmeister sich
Nur einer frommen Menschenseele sehn.
Hab ich mit silbergoldner Edelraut
Den altverschoßnen Berglerhut umkränzt,
Spricht er aus jedem Sonnenstrahle traut,
Der auf meinem Eisenpickel glänzt.

Und steh auf einem Eismeergipfel ich,
Und geht der Blick zum andern Meere fort,
So spricht er leise, licht und feierlich
Der Allmacht und der Freiheit großes Wort.
Und wenn der Donner wütend widerklingt
Und schwerer Hagel auf die Schroffen braust
Und in der Faust der Pickel sprüht und saust,
Sagt er: Ich bin es, der die Erde zwingt.

Wenn unter mir das Wetter sich verlor,
Und über mir erglänzt das ewige Licht
Und wenige Blitze zucken noch empor,
Dann sagt er leis: Dir galt mein Zürnen nicht.
Und manchmal schenkt er einen Heiligenschein
Dem Schatten an der grauen Wolkenwand,
Und windet aus den Sonnenstrahlen ein
Siebengefärbtes wundersames Band.

Und läßt er seine grauen Nebel wehn,
Verängstigt schmiegst du an die Felsen dich,
Dann läßt er dich das eine Wort verstehn:
Mein Menschlein sag, was willst du ohne mich?
— Allein will ich zum stolzen Berge fort
Und breche mir der Edelrauten Zier
Und warte auf des Herrgotts letztes Wort,
Das allerschönste: Kindlein, komm zu mir!

Morgen

Es weicht die Nacht. — In fahlen Rissen
Der Gletscher seine Spalten weist,
Über besiegten Finsternissen
Schwebt der Sonne heiliger Geist.

Und ich kann Welt und Himmel loben,
Weil beides meine Seele füllt,
Und wie ein König steh ich droben,
Vom Sonnenpurpur eingehüllt.

Es war einmal

Graue Felsen ohne Blumen,
Tote Halde ohne Tier,
Fruchtbereite Ackerkrumen
Liegen schweigend unter mir.

Auf des Urweltbuches Blättern
Ringelt sich ein Ammonit,
Und mir tönt in Marmorlettern
Gottes ewiges Schöpfungslied.

Bernina
(Schweiz 1900)

Die Sonne sank. — Die Berge glühen;
Auf einmal aber kommt die Nacht,
Läßt ihren Sternenglanz versprühen
Und hüllt die Welt in Silber sacht.

Es strömt von jeder Felsenlehne . . .
Die Berge schlafen, kinderstill,
Der Mond ist eine Silberträne,
Die aus dem Himmel fallen will.

Und die Natur singt als Vigilie
Ein wundersames, keusches Lied;
Der Gletscher, eine weiße Lilie,
Dem Sternenglanz entgegenblüht.

Gottesworte

Ich winde mir ein blaues Speikgeschmeide,
Und höre fern des Gemsenwächters Pfiff,
Und sehe funkeln aus des Himmels Seide
Den Sonnendemant, den der Herrgott schliff.
Und mögen sich die Menschen drunten streiten,
Nicht aufwärts dringt zu mir der schwache Ruf;
Auf meine Stirne laß ich niedergleiten
Die Krone, welche mir die Sonne schuf.

Bin ich ein Mensch? Gehör' ich noch zu Jenen,
Die drunten voller kleiner Bangnis sind
Und dran verschwenden ihre heiligen Tränen?
Nein, nimmermehr; ich bin ein Sonnenkind.
Die Sonne läßt die Strahlen mich umfliegen,
Weil ich gehorchte, als sie aufwärts rief,
Und läßt mit offnen Blättern vor mir liegen
Ihr allerheiligstes Geheimarchiv.

Ich stehe an der blauen Gletscherpforte,
Aus der ein Orgelklang des Höchsten weht,
Und lese dort der Ewigkeiten Worte
Von der Dreieinigkeit, die fortbesteht.
"Ich war dereinst Beherrscherin der Ede,"
So sagt das Eis. — "Ich bin," die Blume spricht,
Und meine Seele ruft zu Gott: "Ich werde,
Und werde wiederkehren in das Licht."

Selbstwerdung

Rings weite Bergesstille
Und schweigende Gefahr,
Nur Eigenkraft und Wille
Wird kämpfend offenbar.

Autorität, dein Prunken,
Mit dem du uns bedrängst,
Versunken ist's, versunken
In blasser Tiefe längst.

Die Sonne strahlt, die blanke,
Und an der Felsen Flucht
Steigt aufwärts ein Gedanke,
Der seine Heimat sucht.

Gelöbnis

Wenn an den blauen Gletscherspalten
Hoch über mir die Sonne steht,
Will ich die beiden Hände falten
Und leise sprechen ein Gebet.

Und will es feierlich geloben,
Daß in der Wünsche Raserei
Trotz Sturm und Wetter doch nach oben
Mein Weg zum Licht gerichtet sei!

Als mir der Pickel brach
(Kühtei 1897)

Da liegt der Pickel — abgeschlagen —
Es war des Schwunges Wucht zu groß;
Mich hätt' es bald hinabgetragen
In stiller Felsen dunkeln Schoß.

Du alter Pickel! — Durch die Kare
Gingst mit du auf den Felsenknauf,
Die Stufen zu dem Eisaltare,
Die bautest du dem Beter auf.

Du warst bei mir im Höhentosen,
Vom wilden Blitzgeflamm umloht,
Und dann umflochten von den Rosen,
Die spendete das Morgenrot.

Du hast die Treue mir gehalten;
Vielleicht tut es dein Bruder nicht,
Wenn er in blauen Gletscherspalten,
Den letzten Halt versagend, bricht.

Ein Todesengel, Heimatminne
Darbringend, mir sich niederbeugt,
Indes von hoher Bergeszinne
Schon nach dem Aas ein Geier äugt.

Du alter Pickel — tausendteilig
Vor deinem Schlag das Eis zerbricht. —
Und auch dein Bruder sei mir heilig,
Wenn er mich führt, wie du, zum Licht!

Erkenntnis

Auf den Berg war ich gestiegen
Und es schwieg des Tales Ruf,
Leuchtend sah ich's drunten liegen,
Wie es Gottes Liebe schuf.

Und was ich mein Eigen nannte,
War ein jubelndes Gebet,
Und die Seele, sie erkannte
Sich in Gottes Majestät.

Angst
(Totenkirchl)

Block auf Block im weiten Kar.
Keine Blumen, keine Stimmen,
Abendschatten, dunkelblau,
In den Felsenwänden klimmen.

Sonne sinkt an dem Gezack
Eines fernen Felsenzarges,
Und der Himmel lastet schwer
Wie der Deckel eines Sarges.

Starr wie die Gerechtigkeit
Niederschaut auf Schuld und Fehle,
Blickt die Schöpfung finster her,
Und um Hilfe schreit die Seele.

Kirchtag
(1896?)

Und Kirchtag ist, der Böller kracht,
Die Jungfern sind im grünen Kranz;
Ich steig' zum grauen Kar empor,
Die drunten haben Spiel und Tanz.

Der Abend sinkt, ich bin allein,
Es ist verhallt der letzte Schrei.
Ich bin ein Mensch, den niemand mag.
Es kommt der Sturm. — 's ist einerlei . . .

Die Luft ist rauh. — Gewitterwind
Dem Fels die Nebelkronen flicht;
Der Herrgott löscht mit dunkler Hand
Am Himmel aus das letzte Licht.

Der Gletscher leuchtet
(Kasern 1900)

Der Gletscher leuchtet von der Ferne her,
Am blauen Himmel glänzt ein Sterngefunkel,
Und eine schwarze Fichte sinkt ins Dunkel.
Und während in der Höhe mehr und mehr
Die kleinen, stillen, blassen Sterne steigen,
Klingt aus der Felsenschlucht ein Bergbachrauschen
So schlummereinsam — du vergißt zu lauschen —
Und in die Einheit fließen Ton und Schweigen.

Winteralpenrosen

Und als der Sommer langsam ging zu sterben,
Hab' ich so innigstill an dich gedacht,
Von Alpenrosenstauden unter Zerben
Die Zweige dir ins graue Tal gebracht.

Weihnachten ist — das Christkind geht mit bloßen
Füßen im Schnee . . . die Knospen brechen aus,
— Ich bringe mit den roten Alpenrosen
Den allerersten Frühling dir ins Haus.