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Kind, mein Kind, das eine lerne:
Aus den Tränen werden Sterne,
Die in ihren tiefsten Dunkeln
Unsres Lebens Nacht durchfunkeln.
 


III. Kinder

 

Vom kleinen Mädele
Reiterliedchen
Sunnwend
Herbst
Die Hutsch
Die Gartenkugel
Ende
Das schönste Märchen
Eiapopeiamärchen
Erster Schulgang
Firmung
Meine Mädeln
Schulschluß
Einsame Weihnachten
Das Christkind

Vom kleinen Mädele

        Heiligung

Seh' ich ein Kind, so hab' ich's lieb.
Aus seinem Auge stehle
Den Glanz ich seines schönsten Glücks,
Die Unschuld seiner Seele.

Seh' ich ein Kind, kommt über mich
Von Ewigkeit ein Wähnen,
In meinem Auge sammeln sich
Die ungeschauten Tränen.

Seh' ich ein Kind, so bin ich gut
Und glücklich auf der Erden,
Und meine Arme breite ich,
Als wollt' ich Heiland werden!


        Begegnung

Unter großem, großem Regendach
Geht ein kleines, kleines Mädele,
Haare blond und Augen braun,
Traut sich kaum hinauszuschau'n.

Gehe auf das Kindel zu:
"Mädel sag', wie heißest du?"
Und die Kleine weiß nicht wie,
Soll weinen oder lachen sie,
Und sagt verzagt: "Marie".

Und das Mädele fürchtet sich:
Dieser Mann ist fürchterlich,
Hat 'nen großen, schwarzen Bart,
Eine Stimme tief und hart,
Dieser könnt' ein Räuber sein,
Uns ich lauf' zum Mütterlein!

Unter großem, großem Regendach
Lauft ein kleines, kleines Mädele,
Haare blond und Augen braun,
Traut sich nicht mehr umzuschau'n.


Reiterliedchen

Schimmelpferdchen, hoppa, hott,
Im Himmel tut der liebe Gott
Mit den Englein sieben
Fleißig Kegel schieben.

Ist der Himmel wolkenvoll —
Hu, das pumpert ja wie toll,
Rullerollerulleroll;
Hörst du wie der Donner grollt?
Gottes Kegelkugel rollt.
Die Kugel ist von Silber,
Die Kegel sind von Gold.

Schimmelpferdchen, hoppa, hott,
Kegel schiebt der liebe Gott
Bei dem Blitzgescheine.
Mädel, horch, was ich dir sag' —
Puh! War das ein Wetterschlag:
Jetzt traf er alle Neune!

Und die Donner klingen aus,
Und die Strahlen dringen aus
Schwarzen Wolken wieder. —

Schimmelpferdchen, hoppa, hott,
Wist und auf und nieder! —
Schau, es lacht die Sonnen,
Und mir scheint, der liebe Gott
Hat das Spiel gewonnen.


Sunnwend
(Kufstein, Kienbergklamm)

Im blauen Flachs, im grünen Gras
Der Sunnwendkäferstrahl.
Frau Berchta mit der Eisennas,
Die Berchtel geht im Tal.
Und alle Felder segnet sie
Ganz leise, Schritt für Schritt,
Ein Sonnwendkind begegnet sie,
Ein Anderes aber nit!

Du bist mein blondes Mädele
Und bist ein Sonntagskind,
Geh' auf das Fanggenbödele
Im Sonnwendglanz geschwind!
Und wenn du dort die Berchtel siehst
So segnen Feld und Land,
Daß du dich betend niederkniest
Am grünen Ackerrand!

Wenn sich ein Funkenkäferlein
In deine Haare senkt,
So denk, es sei ein Heiligenschein,
Den dir die Berchtel schenkt,
Damit du holst den Rocken, Kind,
Wenn du erwachsen bist,
Wenn Gold, wie deine Locken sind,
Das Haar des Flachses ist.


Dann spinne Berchtelsegen ein
Und Sunnwendglück in's Haar.
Frau Berchta wird zugegen sein,
Mein Kind, für immerdar!
Dein Brauthemd, Mädel, wird es dann,
Drum nimm es recht genau,
Daß du für einen deutschen Mann
Wirst eine deutsche Frau!

Herbst

Geh' hinaus und grüße ihn — Kind!
Sieh, die Herbstzeitlosen, seine Boten,
Und die Blätter, die gelben und roten,
Die da wirbeln draußen im Wind!

Sollst vom Felde die Blumen tragen!
Bringe als Opfer sie! — Nicht im Gebind,
Daß er sie kann in den Lüften jagen. —
Farben will er und Blumen!

                                  Geschwind,
Gib ihm Alles, daß er nicht nehme
Die Farben, die in der Seele sind,
Deine Kränze dir nicht nehme
Und mit seinem Reifdiademe
Schmücke, bis sie gestorben sind
Und vor deinem weinenden Augen
Wehen im Wind!

Geh' hinaus und grüße ihn, Kind!

Die Hutsch

Es steigt ein kleines Mädele
Auf eine große Hutsch,
Des Kindes Augen bitten mich —
Ich geb' ihm einen Rutsch.

Nun fliegt die Schaukel aber hoch,
Fast bis in's Astgerott —
Der Himmel ist der Apfelbaum
Und ich der liebe Gott.

Dann sinkt die Schaukel rasentief:
Das ist nun so Geschick,
Der liebe Gott ging lang schon fort —
Auf einmal reißt der Strick.

Die Gartenkugel

Es loh'n die gelben Sonnenblumen schon,
Die Malven blüh'n mit bunten Sametschäften.
In goldnen Lüften hängt ein leiser Ton
Von einem stillen, kommenden Entkräften.
Die Astern legen ihre Sterne hin,
Mit ihnen spielt ein sonnenblondes Kind
Und freut sich an dem überreichen Blüh'n,
Und weiß nicht, daß es Totenblumen sind.
Des Gartens große Mittelkugel zeigt
Sein Antlitz ihm, die Blüten in den Spiegeln;
Nur Einen sieht es nicht, der von den Hügeln
Mit einer Sense langsam niedersteigt.

Ende
(Maurach, 8. Juni —)

Die Luft ist rauh, der Himmel grau —
Im Wirtshausgarten Herbstverderb.
Fallblätter weh'n. Der Wein ist herb,
Durchs Dorf geht weinend eine Frau.

Sie hämmern dort im Schreinerhaus.
Ein Sonnentod am Felsenzarg —
Ein Mann trägt einen kleinen Sarg —
He, Kellnerin, mein Wein ist aus!

Das schönste Märchen

Frau Holla klopft die Betten aus,
Siehst du die Federn fliegen . . .
Das kennst du schon, du kleine Maus?
Ein andres Märchen dann geschwind:
Im Königsschloß das Königskind
Tut in der Wiegen
Liegen.

Das ist das Röschen in dem Dorn;
Ich kenn das Kindel
In seidner Windel;
Die schwarze Fee hat großen Zorn
Und eine Zauberspindel.

Und deine großen Äugelein
Die wollen Wunder haben . . .
Je nun, mir fällt noch eines ein —
Das von den sieben Raben,
Das von dem goldnen Gansel,
Vom daumenlangen Hansel. — —

Und ist das alles dir bekannt,
Sodann ich dir erzähle
Ein Wunder neu aus Gottes Hand:
Das Märchen deiner Seele.

Eiapopeiamärchen

Siehst du, mein Kind, der Himmel ist dunkel,
Aus dem Dunkel kommt ein Gefunkel
Jetzt wirst du schlafen und träumen müssen.
Eiapopeia.

Nur das eine sollst du noch wissen:
Der Himmel ist eine große Wiese,
Auf der Wiese blühen Narzissen.
Eiapopeia.

Dort die Wolke ist eine Kuh,
Der Mond ist die Hirtin — heißt Annaliese,
Schrecklich dumm und faul ist diese.
Eiapopeia.

Hörst du den Wind, — die Kuh macht muhmuh,
Deine Äugelein fallen dir zu;
Eiapopeia.

Schlafe und träume — unterdessen
Hat der Hirtin schwarze Kuh
All die weißen Narzissen gefressen.
Eiapopeia.
 
Erster Schulgang

Nun stapfe in die Schule, kleiner Schliffel
Da hast du Rechenbuch und da die Bibel,
Da Tafel, Schwamm und goldbeklebten Griffel,
Zum Lesenlernen eine deutsche Fibel.
Du sollst nicht zittern vor dem guten Lehrer,
Er wird die Fehler gerne dir verzeihn;
Er will nur deinem Glücke sein ein Mehrer,
Weil er dich lehrt, ein guter Mensch zu sein.

Sie lehren dich, an einen Gott zu glauben; —
Schau kinderfroh hinauf ins ewige Licht,
Laß deinen Gott dir nie von Menschen rauben,
Denn lehren können ihn die Menschen nicht!
Und sollte einmal Unglück dir geschehen,
Sprich zu ihm in treuem Kinderton,
Brauch' keinen Mittler, und du wirst es sehen:
Der liebe Gott, o der versteht dich schon!

Das in der Fibel sind nicht schwarze Zeichen,
In ihnen pulst der Ahnen heilig Blut
Und rauschen dir jahrtausendalte Eichen:
"Es ist das Vaterland dein höchstes Gut!"
Und kannst du einst den Namen "Bismarck" schreiben,
Denk, welches Unglück auch das Sein vergällt:
Ich will ein Deutscher sein und will es bleiben,
Wir fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt!

Mit Tafel, Griffel mußt du rechnen lernen,
O rechne rechtlich, immer gut und klar;
Du hast den Schwamm, die Fehler zu entfernen,
Wenn irgend einer eingeschlichen war.
Halte die Tafel rein — in weiten Fernen
Ein Richter steht an einem Hochaltar,
Der richtet strenge über allen Sternen,
Ob deine Rechnung klar und richtig war.

Firmung

Vormittag.
            Im Kirchendunkel
Ist ein scheues Kindergedräng',
Kein Geflüster, kein Gemunkel,
Denn die Heiligen blicken streng.
Am Altar ein Lichtgefunkel,
Nieder sinkt ein Orgelton,
Duftiger Weihrauch ist entglommen; —
Bald muß jetzt der Bischof kommen,
Siehst du ihn, jetzt kommt er schon.
Einen goldenen Mantel trägt er,
Eine Mütze hoch und reich,
Und auf jede Wange legt er
Seine Hand zum Backenstreich.

Nachmittag
            fahren die Kinder aus,
Tragen die Knaben den weißen Strauß,
Sind die Mädchen im weißen Kleide,
Tragen den weißen Kranz im Haar,
Und der Himmel ist blaue Seide
Und die Sonne wunderbar.
Und die Bäume in Frühlingslüften
Senkten Blüten blank und klar,
Oben in den schimmernden Lüften
Singt die Lerche unsichtbar.
Maienkäfer macht brummbrumm
Um den Wagen rings herum,
Sonnenfrohe Schmetterlinge
Schlingen ihre goldenen Ringe,
Ihre hellen Flügel glänzen; . . .
Und die Kinder schaun und staunen,
So die blonden, so die braunen,
Staunen in das große Lenzen,
Sind so still und sind so stumm,
Und sind selig ohne Grenzen,
Und sie wissen nicht warum.

Meine Mädeln
(Bozen 1898)

Donnerwetter, wo bleibt der Kaffee?
's ist Zeit, daß ich in die Schule geh,
Zu meinen Mädeln, die warten schon
Hart auf die Examination.

Ja, meine Mädeln, du liebe Zeit!
Fast alle sind sie siebengescheit,
Um alle flattert der Jugend Glanz
Und alle noch Unschuld gar und ganz.
Nicht nehm' ich ihnen der Jugend Glück,
Wie ich sie bekam, geb' ich sie zurück.

. . . Das Notenbuch und Stock und Hut —
Die Morgenluft . . . wie wohl das tut.

Die Stiegen empor — am Zimmer vorbei,
Da hör' ich Lachen, Geschwätz, Geschrei.
"Der letzte Aufsatz sei so schwer."
Albine findet: "Gar nicht sehr".
Die Toni: "Käme' ich nur heut' nicht auf" —
Ich blicke in das Durcheinandergelauf.

"Valladolid ich dir zeigen will."
"Der Herr Professor!" — Jetzt ist es still.

Sie beten zusammen ein Gebet,
Daß besser das Zeug vonstatten geht . . .
Da sitzen nun alle Kopf an Kopf,
An jedem Kopfe hängt ein Zopf;
Ja, Zöpfe sind genug herin,
's ist gut, daß ich — nicht auch einer bin.

Jetzt schauen sie, was ich wohl tu',
Ich klappe das "Klassenbuch" langsam zu,
Dann fahr' ich hinein in meinen Flaus . . .
Jetzt wissen sie's. Sie kennen sich aus:
Heut' wird geprüft! Und jede denkt:
Daß Gott ihn an mir vorüberlenkt!
Beginnt er bei A? — Oder bei Zet?
Gar in der Mitte? Das wäre nett! —

Spanien, — christliches Königtum —
Ich aber schaue im Zimmer herum,
Und an den Augen erkenn' ich's dann,
Ob eine heute etwas kann.

Ein Name klingt; die andre Schar
Denkt: Gott sei dank, — daß ich's nicht war.
Und nun wird gefragt: Vom Ebrostrom,
Von Burgos altehrwürdigem Dom,
Von der Nevada Schneegeblink,
Und von Sevillas Giebelgezink
Und von dem bunten arabischen Stil
Mit Hufeisenbogen oder Kiel.
Wo strömt das brausende Wasser herein?
Und von den Oliven, vom Xerxes-Wein,
Und das das Land katholisch sei,
Und von der spanischen Lumperei,
Vom Stierkampf, der Kultur ein Hohn,
Von der schlechten Kolonisation.
Vom Reiche, das über alle steht,
In dem die Sonne nicht untergeht,
Und von dem sprühenden Sonnenschild
Und von Murillos Madonnenbild,
Und von der kühnen Entdecker Lohn,
Und von der Inquisitation . . .

"Ist gut!" . . . Ins Buch die Note zwei
Und zugeklappt. — Nun ist's vorbei
Mit dieser leidigen Prüferei.

Durchs Zimmer, — wie's zum Vortrag geht,
Ein Seufzer der Erleicht'rung weht.
"Italien bringen Sie herein!"
Sie nimmt den Stuhl, sie ist zu klein,
Und hängt mit ihrer kleinen Hand
Die große Karte an die Wand.

"Italien der Schönheit Land:
Sorrent mit märchenhaftem Strand,
Pompeji: Asche . . . Die Kultur,
Als starre Mahnung spricht sie nur
Wie Weltgerichtsposaunenruf.
Es flammt die Säule des Vesuv. —
So blau und weit der Himmelsraum,
Ich seh' Florenz im Rosentraum,
Auf das in seiner großen Zeit
Herniederbeugt die Ewigkeit:
Die Geister werden groß und froh,
Und Dante, Michelangelo,
Hoch über allem Volksgerott,
Zwiesprechen laut mit ihrem Gott. —
Und Gondelfahrten, Taubenflug,
Und leiser grüner Wellenzug,
Und Loggien, Mandolinenklang:
Es war einmal — doch ist es lang. —
Venezia. — Es ist vorbei.
Horch! Schrill: Memento mori-Schrei!
Und Rom. — Hat eine Stunde Raum,
Zu träumen diesen Weltenraum:
Die Volkstribunen im Senat, —
Des großen Brutus große Tat, —
Die Flamme knirscht, das Elend schreit,
Der Himmel glutet weit und breit.
Und roter Tod das Leben zwingt
Und Neros goldne Harfe klingt. —
Von Äxteschlag erkracht das Tor
Und blonde Deutsche steh'n davor. —
Der Nazarener hat gesiegt. —
Aus allem, was in Trümmern liegt,
Ein neues, volles Leben bricht,
Die Peterskuppel glänzt im Licht,
Die Seide rauscht, der Weihrauch schwült,
Die Kerze strahlt, der Fächer kühlt,
Die Orgel tost und der Choral,
Vermischt in Gold- und Silberstrahl,
Und wolkenfern in Himmelsruh
Seh'n Sanzios schönste Engel zu." —

Es läutet — jetzt ist Zwischenstund,
Hei, was für Arbeit kriegt der Mund!
Das ist ein Semmelknuspern jetzt . . .
In Interwallen wird geschwätzt,
Geschrien, gelacht, gestritten auch,
So wie das alles Jugendbrauch. —

Im Deutschen ging es anfangs schlecht,
Denn die Grammatik war keiner recht,
Ja, sie gestanden ziemlich frei,
Daß sie äußerst langweilig sei.
Da ward meine Stimme auf einmal tief,
Denn eine schrieb in der Schul' einen Brief,
Und wieder sie verweisend spricht:
"Lachen Sie nicht! Schwätzen Sie nicht!"
Aber bei der Literatur
Ist alles ein Staunen und Horchen nur . . .

"Und alles, alles er wissen wollt',
Was in der tiefsten Erde grollt,
Was hoch vom Himmel niederflammt,
Und was der dunklen Nacht entstammt,
Und wollte fühlen Lust und Leid,
Den Inhalt der Vergangenheit,
Die Gegenwart mit Satz und Brauch,
Die Hoffnungen der Zukunft auch;
Was je den Menschen niederriß
Zur Selbstverachtung, Finsternis,
Zu Armut, Krankheit, Neid und Not,
Zum Haß, zum selbstgewollten Tod . . .
Was ihm die Ruhmeskränze flicht,
Was ihn emporreißt in das Licht,
Zu Schönheit, Kraft, Zufriedenheit,
Zur Arbeit, die uns Glück verleiht,
Zur süßen Liebe und zum Ruhm,
Zum Mitleid, zum Erlösertum:
Das alles wollte er empfinden
Und so den Weg nach oben finden,
Auf daß er sage ohne Spott,
Erhob'nen Auges: "Ich bin Gott".

Kennt ihr nicht, der kraftdurchbraust
Zum Urquell hinstrebt, — es ist Faust."

Nun aber ist die Stunde aus.
Schwätzend und lachend geh'n sie Nach Haus.

Zum Fenster kommt ein Sonnengeglänz.
Wir haben heute noch Konferenz —
Der Mathematiker kommt herein,
Mathematisch pünktlich muß er sein,
Mathematisch pünktlich ganz und gar.
Ihn fürchtet am meisten die junge Schar.
Die Herren Kollegen aus der Chemie,
Psychologie und Stenographie,
Die Lehrerinnen für Handarbeit,
Französisch — und die "Lady all right".
Heut kommt der Direktor aber spät!
Zuletzt der würdige Katechet.

Es sitzen die andern mit vielem Gebrumm
Um den grünen Tisch herum.
Nun wird gerichtet, streng und scharf.
Die Anna eine Papierkugel warf,
Und die Marie hat mit kräftiger Faust
Die Melanie 'mal durchgezaust.
Die Ida hat schlechte äußere Form,
Das schadet der Seelenbildung enorm.
Die Luise ist schon sehr kokett,
Wenn der Teufel die Hand im Spiele hätt',
Denn nichts ist sicher vor seiner Krall . . .
Isolde jedoch ist der schwerste Fall,
Die sah man bei einem Schüler steh'n,
Rosen wurden bei ihr geseh'n,
Diese Frühlingskontreband'! . . .
— Und draußen blüht das ganze Land
Und guckt der blanke Sonnenschein
Selbst voller Lieb' zu uns herein!
Da steh ich auf: "Ach, Kinderei,
Draußen funkelt eben der Mai,
Laßt den Herzen den Sonnenglanz!
Werdet denn ihr nicht anders ganz?
Fühlt ihr nicht Wunder in euch gescheh'n,
Seid ihr nicht wert, ins Licht zu seh'n.
Zum Teufel, macht sie mir nicht schlecht,
Unsre Mädeln sind gut und recht;
Nehmt ihnen Freude und Jugend nicht,
Die wird verlangt beim Weltgericht!"

Jetzt klingt ein ferner Stundenschlag,
Vorüber ist der Vormittag,
Und manche Note rettete ich,
Drum troll' ich froh nach Hause mich.
Und wieder klingt ein Stundenschlag,
Ich freu' mich auf den Nachmittag.
Sie kennen mir's an den Augen an,
Was heute ich für sie getan . . .

Sie grüßen freundlich, sind mir gut,
Und lernen alle mit frohem Mut.
Ich schelte nicht nach andrer Brauch
Und die besten Noten hab' ich auch;
Das macht, weil ich ihnen die Jugend laß
Und keine Wange mache naß . . .
Ich drücke oft ein Auge zu,
Die Freude der Unschuld laß ich in Ruh;
Und regt sich im jungen Herzen der Mai,
So bin ich still und denk' mir dabei:
Recht glücklich sei! —

Ja, meine Mädeln, die sind recht,
Für die will ich fechten manches Gefecht!
Wer mir sie schilt, dem geht es schlecht!
Das wird einmal ein frohes Geschlecht!
Ja, meine Mädeln! du liebe Zeit,
Fast alle sind siebengescheit,
Und sie haben alle mich gerne,
Und jeder Jugendbildner lerne
Die Zauberformel, die ich schrieb:
"Ich hab' euch lieb — habt auch mich lieb!"

Schulschluß

Heidi, jetzt geht der Sommerwind
Und jagt uns aus den Stuben;
Jetzt in die Sommerfrisch' geschwind
Mit Mädeln und mit Buben.

Die Wangen werden wieder rot,
Die wir ganz blaß uns lernten,
Und für des Schuljahrs liebe Not
Wir Luft und Freiheit ernten.

Jetzt geht es durch die Felder fort
In frohem, wildem Treiben,
In Ruhepausen ist als Sport
Das Ansichtskartenschreiben.

Jetzt geht’s uns allen gut, und wie!
Per Paula, Poldi, Anna,
Hermin', Albine, Melanie,
Elvira und Johanna.

Man schläft, so lange es gefällt,
Nicht stören uns Vokabeln,
Und rings erzählt die Sommerwelt
Die herrlichsten Parabeln.

Hei, Sonnenglanz und Sturmgepeitsch
Und kräftig Mittagessen!
Da wird von dem gelernten Deutsch
Die Hälfte leicht vergessen.

Die eine geht zur Alpenhöh'
Und hört Lawinen schallen,
Die andre rudert in dem See
Und wird ins Wasser fallen.

Die Freiheit zieht in unsre Brust,
Ein zügellos Ergetzen:
Jetzt darf man doch nach Herzenslust
Recht schwätzen, schwätzen, schwätzen.

— — — — — — — — — — — — — — — —

Zum letztenmal in diesem Haus . . .
Denn Gott sei Dank, jetzt ist es aus.

Der Lehrer geht zur Türe und . . .
Behüt euch Gott — und bleibt gesund!

Einsame Weihnachten

Der ganze Wald ist schwer von Silbersternen,
Eisüberbrückt die Quelle leise rinnt,
Auf weißem Pfad die Kinder gehen zum Lernen
Und reden selig von dem Jesukind.

Mir bringt es Puppen! — Ich will Bleisoldaten,
Ich ein Theater! — Mir ein Märchenbuch!
Mir eine Küche, drinnen will ich braten
Und lade euch dann alle zum Besuch!

Ein Kripplein bring' mir, hab' ich ihm geschrieben
In einem Brief, ein blonder Knabe sprach.
— Da bin am Waldesrand ich stehn geblieben
Und blickte lange diesen Kindern nach.

Die Fichten standen da und sagten: Zünde
Auf unsern Zweigen Lichter für die Nacht!
Ich bin allein . . . Auf dieser Erde finde
Ich keinen Menschen, den es selig macht.

Einst war es anders. Der ich Treu geschworen,
Der ich sie halte durch mein Leben lang,
Die hat von meiner Seite sich verloren;
Ich aber wandre einsam meinen Gang.

Nie liegt für mich ein Kindlein in der Krippe,
Nie strahlt für mich am Weihnachtsbaum ein Licht,
Und niemals eine treue Frauenlippe
Mir still das Wort der großen Liebe spricht.

Für den Verlassnen keine Weihnachtsgnade
Glänzt aus dem hellen Kinderaugenstrahl,
Er wandert einsam auf verschneitem Pfade,
Der zu den Toten führt ins stille Tal.

Das Christkind

Die weißen Sterne sinken so,
Der Kinder Augen blinken so,
Die Kinder wissen, daß gar bald . . .

Noch ist das Christkind in dem Wald.
Jetzt legt es an die Silberaxt,
Das Holz der Fichte bricht und knaxt,
Nun steckt es kleine Lichter an.
Und ist die Arbeit auch getan,
Dann kommt das Christkind aus dem Wald,
Und dann . . . und dann . . . gar bald . . . gar bald
Ein kleines, feines Glöcklein schallt.

Ich bin allein im Winterwald.
Ich hoffe nicht: — gar bald . . . gar bald.
Das Christkind meiner Kinderzeit
Ist märchenweit, waldwinterweit,
Ist hinter tausend Sternen dort.
Es kommt kein Leuchten von dem Ort
Und alle Wege sind verschneit . . . .