weiter
 


O wäre ich — die Worte gleiten
Von meinen Lippen still herab:
Könnt' ich im Märchenlande schreiten,
Wie mit dem Wunderhorn der Knab' —
Dann kommt das strenge Wort der Zeiten
Mir wieder fürchterlich zu Sinn;
Ich kann nur meine Arme breiten
Nach ferner Heimat blauen Weiten —
Doch nie von meinen Lippen gleiten
Die Worte, daß ich glücklich bin.
 


IV.
Märchen

 

Wohin
Der Prinz
Die ferne Stadt
Im Königsgarten
Die Hex'
Der Schläfer
Ritter Georg
Das Zauberschloß
Der Frosch
Aschenbrödel
Märchen für große Kinder
Von den sieben goldenen Bergen
Der Schmied
Der Page
Im Zauberwald
Die falsche Mär
Es war einmal
Hexenkind
Der alte Zauberer
Hinter den goldenen Türen
Der Arzt

Wohin


Aus den großen, rosenlosen Gärten
Führst du mich mit leiser, weißer Hand,
Wähltest mich zu deinem Weggefährten
In ein andres unbekanntes Land,
Wo die Bäume alle neigen
Ihre Zweige segenschwer,
Wo die bleichen Lilien steigen
An den Wegen rings umher,
Wo die Wünsche alle schweigen,
Wo die Menschen alle Kinder,
Wo sich alles, alles liebt,
Wo es Sünde nicht, und Sünder,
Wo es nicht verbotne Träume,
Wo es nicht verbotne Bäume
Mit verbotnen Früchten gibt . . .
Laß — ich muß das Glück erst lernen:
Durch die blauen Weiten schreiten
Meiner Seele Seligkeiten
In die blassen Sternenfernen . . . . . .
Wohin?


Der Prinz

Am Müllerhause steht Krausemünz.
Großmutter hält Jung-Anna im Schoß,
Die lauscht dem Märchen mit Augen groß.
Es kommt ein Prinz,

"Der reitet durch die Krausemünz,
Der holt dich in den Königssaal
Und küßt dich als dein ehlich Gemahl.
Das tut der Prinz."

Es blühte und welkte die Krausemünz,
Jung Anna schaut zum Fenster heraus
Bis zum Rande des letzten Himmelblaus:
Wann kommt der Prinz?

Eine Eule fliegt über die Krausemünz.
. . . Im Bett liegt Anna bleich und kalt,
"Herr, gib ihr die ewige Ruh" es schallt.
Es kam der Prinz.


Die ferne Stadt

Ich weiß in weiter Ferne eine Stadt,
        Die goldene Türme
        Und silberne Glocken hat.

Da reite ich auf einem weißen Roß
        Durch sonnige Straßen
        Zum ragenden Königsschloß.

Die Fahnen werden dann herausgetan
        Und silberne Glocken,
        Die fangen zu läuten an.

Die Kinder haben Blumen in dem Haar
        Und streuen die Blumen
        Dem Roß vor die Füße gar!

Des Turmes Wappenflagge weht im Wind;
        Es wartet im Schlosse
        Das blondeste Königskind

Und führt zum goldnen Thronsaal mich hinein
        Und fragt mich leise:
        "Du! Willst du nicht König sein?"


Ich weiß in weiter Ferne eine Stadt,
        Die goldene Türme
        Und silberne Glocken hat . . .


Im Königsgarten

Ich weiß einen goldenen Goldregenbaum
Im Königsgarten am Weihersaum.
In Maienflammen er prangend steht,
Und seine goldenen Blüten verweht
Im Sonnengolde der Maienwind.

Ich weiß ein herrliches Königskind,
Viel schöner als alle Kinder sind,
Mit goldener Krone im goldenen Haar.
Das spielt mit dem Wind am Weiherrand
Und nimmt ihm das Gold mit weißer Hand.

Im Fliederbusche versteckt ich war:
Du schöne Prinzessin Goldenhaar,
Du fingst der goldenen Blüten viel
Am Weiherrande im Maienspiel.

Prinzessin sah mich im Fliederbusch,
Auf einmal war sie bei mir — husch — husch
Und wußte nicht was sie sagen sollt,
Und gab mir wortlos alles Gold.

Ich weiß einen goldenen Goldregenbaum
Im Königsgarten am Weihersaum . . .


Die Hex'

Dort ist die grüne Wiese
Mit gelbem Löwenzahn.
Das Haus der Hexenliese
Steht ganz am Bannwald an.

Dort bei der alten Tanne
Mit Moos und Schlinggewächs —
Lauf nur, du blonde Hanne,
Und frag die alte Hex.

Sie kocht in einem Topfe
Für ihre rote Katz,
Und wackelt mit dem Kopfe —
Frag sie nach deinem Schatz!

Frag sie, ob dein Geselle
Dich treu und einzig liebt . . .
Ich sag dir auf der Stelle
Die Antwort, die sie gibt.

Wenn sie was weiß, die Alte,
Sagt sie dir sicherlich,
Daß er die Treue halte,
Weil er dich liebt wie — ich.


Drum laß dich herzlich küssen
Grad auf der grünen Wies',
Weil wir nicht fragen müssen
Die alte Hexenlies.

Der Schläfer

Das war ein silbersonniger Tag:
Über den Blumen ein Leuchten lag,
Duftende Rosen blühten im See.
Ich und das Königstöchterlein
Waren traurig, waren allein,
Denn das Scheiden tut so weh —
Und es mußte geschieden sein.

Die Vöglein sangen so süß und so hold . . .
Da gab mir des Königs Töchterlein
Einen Ring von Gold wie ihr Lockengold,
Einen Ring mit einem blauen Stein,
So blau wie ihrer Augen Schein,
Daran sie mich erkennen sollt',
Käme ich wieder ins Land herein.


Und als es wieder wollt Sommer sein,
Da kam ich zurück zum silbernen See
Und harrte aufs Königstöchterlein; —
Die Sonne glänzte auf Ring und Stein,
Die Vögel sangen so süß und weh:
"Es kommt das Königstöchterlein,
Du aber sollst der König sein".
Die Rosen dufteten süß und schwer;
Ich hörte die Lieder nimmermehr,
Ich schloß die Augen und schlief ein.

Ich hab es wohl im Traum geschaut:
Aus dem Walde heraus kam meine Braut
Und legte die Hand in die Hände mein
Und fand den Ring mit dem blauen Stein,
Und leuchten sah ich der Augen Schein
Und leuchten sah ich der Lippen rot,
Als sie den Mund zum Kuß mir bot,
Und ich hörte sie rufen: "Er ist tot!"


Es ging des Königs Töchterlein
Weinend wieder zum Walde ein.
Es waren im See keine Rosen mehr,
Es waren im Wald keine Vögel mehr,
Die Sonne war trüb, die Luft war still. —
Ich aber weiß: trotz Ring und Stein,
Des Königs goldenes Töchterlein,

Das find ich nimmer, das wird nicht mein,
Und wenn ich ans End' der Erde will!


Ritter Georg

Nun auf in den Kampf mit Gesing und Gelach!
Ich weiß einen furchtbar bösen Drach.

Der haust im Bannwald, finster und weit,
Und hütet die blonde Königsmaid.

Je größer und böser die Drachen sind,
So schlanker und blanker das Königskind.

Frisch aus mein Roß, das der Hufschlag schallt
Und widerhallt durch den Zauberwald!

Es schläft der grausige Drachenwurm,
Des Königs Tochter winkt vom Turm:

"O Ritter, viellieber Ritter mein,
Befreie mich und ich bin dein."

Und wer so herrliches Bild gesehn,
Der ist bereit in den Tod zu gehen.


Ich weck den Drach mit der Lanze Stoß.
Nun fährt er flammend auf mich los.

Nun Hieb und Stich! Und es sei, wie es sei!
Ihr Heiligen Gottes, steht mir bei!

Vielleicht das morgige Morgenrot
Leuchtet auf einen, der blaß und tot.

Du Königsmaid! Wenn ich dich nicht hab',
Ist mir das liebste ja doch das Grab.

Mein junges Leben ich dir weih, —
Ihr Heiligen Gottes, steht mir bei!


Das Zauberschloß

Ich weiß ein Zauberschloß im Wald,
Von Singen und Klingen ist es umschallt:
Es singen die Brunnen, die aufwärts springen,
Die Vögel singen, die Bäume singen,
         Es singen alle Blüten.
Dort tut ein giftiger Drachenwurm
In einem epheuumrankten Turm
         Die Königstochter hüten.

Es singen die Quellen, es singt der Wind,
Doch schöner als alle das Königskind,
Das blonde im himmelblauen Kleide,
Die Augen wie Sonne, die Haare wie Seide.
         Ist nirgends ein Held, zu schlagen
Mit Schwert und Speer den giftigen Wurm,
Die Königstochter aus dem Turm
         Ins Brautgemach zu tragen?

Es kamen der Ritter wohl viele her,
In lichtem Gewaffen mit Schwert und Speer;
Da fingen die Vögel an zu singen,
Die Quellen und Bäume und Blüten zu klingen —
         Da sind die Junker entschlafen.
Dann kam der Drach mit Gift und Geflamm
Und tötete alle! Alle zusamm!
         Die Prinzen, die Ritter, die Grafen.


Das sind nicht rechte Ritter, Kind,
Die so verträumt und verschlafen sind.
Ich will mein weißes Rößlein zäumen
Und will nicht schlafen, und will nicht träumen,
         Und mag es auch singen und klingen.
Ich will erstechen den giftigen Wurm,
Mir die Königin holen aus dem Turm
         Und auf mein Rößlein schwingen.


Der Frosch

Der Königsschloßteich ist mein Meer,
Und auf einem grünen Seerosenblatt
Fahre ich hin und her.
Meine grüne Insel und Ruhestatt,
Was will ein Frosch noch mehr?

Mein Königsmantel ist wiesengrün,
Es schweben die blauen Libellen,
Und tausend silberne Rosen blühn
In des Königsteiches Wellen.

Dort wo die meisten Rosen sind,
Am allersonnigsten Rand,
Den Goldball wirft das Königskind
Mit ihrer weißen Hand.

Er sinkt zum Grund! — Das Königskind
Weint laut in ihrem Weh;
Ich spring von meinem Blatt geschwind
In den himmelblauen See.

Vom Grunde ich die Kugel heb',
Hab lange suchen müssen.
Und vor ich ihr die Kugel geb',
Prinzeß, sollst du mich küssen!


Das war ein Kuß! So gut und lieb!
Kein alter Zauber mehr verblieb,
Und der erlöste Königsprinz
Küßte die Lippen des Königskinds.

Es kommt der Diener goldener Troß
Und leitet uns ins Königsschloß,
Die Glocken fangen zu läuten an,
Mir wird ein Mantel umgetan:
Mein Königsmantel ist purpurrot,
Wie die Lippe, die sich zum Kusse bot . . . . .


Aschenbrödel

Hab' ein Schloß auf stolzen Felsen,
Steht auf grünem Wiesenplan,
Rings umbuscht von grünen Elsen
Und beblüht von Löwenzahn.

Einsam bin ich mit der Krone,
Und das ist mir gar so schwer,
Daß auf meinem goldnen Throne
Ist der andre Hochsitz leer.

Und ein Herold hoch zu Rosse
Kündet laut: "Ihr Mädchen wißt,
Daß zum Ball im Königsschlosse
Jede eingeladen ist.

Grafentochter, Bürgersdirne,
Kommet alle unverzagt,
Schönheit thront auch auf der Stirne
Einer jungen Küchenmagd."

Von dem Schloß die Fahnen wehen,
Wo der Herold zog durchs Land,
Alle jungen Mädchen nähen
Emsig an dem Ballgewand . . .


                  *

Wagen fahren in den Gassen,
Auch die Schwestern fahren zu;
Du wirst nicht zum Ball gelassen,
Armes Aschenbrödel, du.

Du sollst nächtens Linsen klauben,
Weine nicht so bitterlich:
Sieh', zum Fenster fliegen Tauben,
Diese lesen sie für dich.

Mußt das Fliederbäumlein schütteln,
Welches steht an Mutters Grab;
Mutter wird die Wurzel rütteln,
Fällt ein Sternenkleid herab.

Und der Prinz führt dich zum Tanze,
Kaum daß er dich hat erspäht;
Aber fliehe, wenn vom Glanze
Aufgeweckt der Schloßhahn kräht.

— — — — — — — — — — — — — —


Eine wählt der Prinz beim Balle,
Und die Schwestern sehn mit Neid,
Schöner als die Mädchen alle
Ist die Maid im Sternenkleid.

Plötzlich war die Maid verschwunden,
Als der Hahn kräht auf der Flur,
Und man hat von ihr gefunden
Einen Goldpantoffel nur.

                  *

Einsam bin ich mit der Krone,
Hab' im Herzen tiefes Leid;
Säße doch bei mir am Throne
Jene Maid im Sternenkleid.

Und mein Herold, er soll ziehen,
Mit dem Goldschuh durch das Land,
Soll vor jedem Mädchen knien,
Bis er meine Liebste fand.

Jene, der der Schuh von Golde
Nicht zu groß und nicht zu klein,
Ist die Meine, ist die Holde,
Soll des Landes Fürstin sein!

— — — — — — — — — — — — — —


Bald kam eine Maid gezogen; —
Sang das Vöglein Eisenhut:
"Die ists nicht, sie hat gelogen,
Denn der Schuh ist voller Blut."

Kam die Schwester dann gezogen; —
Sang das Vöglein Eisenzwerg:
"Die ists nicht, sie hat gelogen,
Denn der Schuh ist voller Werg."

Kam die dritte Magd gezogen,
Sang das Vöglein Eisenknecht:
"Diese da hat nicht gelogen,
Denn der Goldschuh ist ihr recht."

— — — — — — — — — — — — — —


"Herold sag', wo du gefunden
Meine Maid im Sternenkleid —
Wohl in einem Schloß mit runden
Kuppeln voller Herrlichkeit?"

"In der Küche saß die Dirne,
Hart gescholten und verzagt:
Schönheit thront auch auf der Stirne
Einer jungen Küchenmagd."

"Aschenbrödel, nimm die Krone,
O wie bist du hoch und hehr!
Und der Platz an meinem Throne
Bleibe fürder nimmer leer."

                  *

Also hat der Prinz geworben
Seine Maid im Sternenkleid,
Und wenn beide nicht gestorben,
Leben glücklich sie noch heut.


Märchen für große Kinder

Weißt du, ich bin ein Sonntagskind,
Bin unter fremdem Sonnenschein;
Die Reiche dieser Erde sind
Als König alle mein!

Bald ist ein Sonnwendkäferlein
Und bald ein Stern mein Krondemant,
Dort müssen rote Rosen sein,
Wohin zeigt meine Hand.

Des Morgens, wenn die Sonne loht
Und Glocken singen überm Plan,
Da leg ich mir das Morgenrot
Als Königspurpur an.

Mein Szepter ist ein Lilienstab,
Geformt aus Sternensilberlicht,
So leicht wie Luft und bricht nicht ab,
Und seine Blüte spricht.

Verkündet, was der König will,
Ob Gottesfrieden, ob Gefecht;
Die Untertanen lauschen still:
Dem Volk ist alles recht.


Ich hab 'ne Zwergen- und Riesenschar —
Kind, wenn du diese hast gesehn,
So bleiben dir vor Staunen gar
Die blauen Augen stehn.

Hinaus in meinen Garten itzt,
Dort siehst du eine Wunderschau:
Auf meinen hohen Palmen sitzt
So mancher goldner Pfau.

Dort bei der Lilienhecke gleich,
Dort steht ein goldener Palast,
Ragt bis hinauf ins Himmelreich,
In das er auch noch paßt.

Durchs goldne Tor wird einspaziert,
Ich drück' auf einen Silberknauf,
Und eine Wendeltreppe führt
Zum lieben Gott hinauf.

Der liebe Gott frägt uns im Nu,
Ob alles wohl in Ordnung blieb —
Und frägt er mich, wer du bist, — du . . .
Dann sag ich ihm: "Mein Lieb!"


Von den sieben goldenen Bergen

Auf sieben goldenen Bergen
Sieben Schlösser von Kristall
Und sieben Liliengärten
Und in jedem ein Wasserfall.

An jedem Wasserfalle
Ein blondes Königskind
Horcht, ob nicht Hörnerklingen
Vom Tale bringt der Wind.

Es kamen sechs Hörnerrufe,
Es ritten sechs Prinzen ein . . .

Ich hab' zu blasen vergessen,
Ich hab' zu reiten vergessen,
Auf marmorner Brunnenstufe,
Da ist die siebte gesessen
Und wartete ganz allein:
Die siebte, die schönste ist mein!


Der Schmied

Du sollst es keinem sagen:
Ich bin ein Königssohn,
Muß rußige Lampen tragen,
Ein Räuber sitzt am Thron.

Im Wald steht eine Schmiede,
Die Glut der Blasbalg nährt,
Ich schmiede mit wildem Liede
Das neue Königsschwert!

Und ist das Schwert geschmiedet,
Schlag ich den Räuber tot,
Es wird das Land gefriedet
Vor Jammer, Angst und Not.

Dann reit' auf weißem Rosse,
In Gold und Edelstein,
Herab vom Königsschlosse
Ich vor die Hütte dein.

Dich, blonde Maid, noch immer
Trag' ich getreu im Sinn;
Nun komm in Glanz und Schimmer
Und sei mir Königin!


Der Page

Sie hat am seidnen Kleide
Einen goldgestickten Saum,
Ich habe Saum und Seide
So oft geküßt im Traum.

Sie hat ein goldenes Haar,
Ein blaues Augenpaar
Und Lippen purpurrot;
Wenn es der König wüßte,
Wie oft im Traum ich sie küßte —
Der schlüge den Pagen tot! —

Der Frühling ist gekommen,
In Blüten steht der Baum,
Nun soll das Küssen frommen,
Doch nimmermehr im Traum.

O Minne, süße Minne;
Den König fürcht ich nit,
Hinter der Königinne
Wandle ich Schritt für Schritt.

An der Schleppe von ihrem Kleide
Küsse ich Saum und Seide,
Der König mag es sehn; —
Dann küß' ich Locken und Augen und
Zuletzt den purpurroten Mund, —
Dann mags zum Teufel gehn!


Im Zauberwald

Ein König bin ich voller Glanz und Gnad',
Und auf dem silberüberstreuten Pfad
Schreit' ich mit purpursamtnem Schuh.
Vom Tannenast herab ein weißer Pfau
Neigt grüßend sich der blonden, schönen Frau;
Die hohe Königsfrau bist du.

Es rauscht der ganze Wald so feierlich,
Und hinter uns die Zweige schließen sich,
Und irgendwo ein Garten singt . . .
Wer in den Wald geht, kehrt nicht mehr zurück,
Darum von uns und unserm stillen Glück
Gar niemand eine Kunde bringt.


Die falsche Mär

Ich hab geträumt von einer fernen Stadt,
Weiß nicht, was sie mir vorgespiegelt hat.
Es war ein bloßes Dämmerspiel der Luft,
Ein Märchen war es nur von Licht und Duft,
Das Märchen war es von der fernen Stadt,
         Die goldene Türme
         Und silberne Glocken hat.

Die Glocken läuten nicht mir zum Empfang,
Und keine Kinder stehn den Weg entlang
Und werfen meinem Schimmel Rosen vor,
Nicht reit ich grüßend durch das alte Tor, —
Ein Märchen war es von der fernen Stadt,
         Die goldene Türme
         Und silberne Glocken hat.

Aus blauer Luft nicht bunte Wimpel wehn,
Und keine Königstochter seh ich stehn,
Die wartet und mich führt zum Thronsaal ein,
Liebleise fragt: "Willst du nicht König sein,
Der Märchenkönig sein der fernen Stadt,
         Die goldene Türme
         Und silberne Glocken hat?


Es ist ein süßer, böser Zauberbann,
Von dem der Tod erst löst den müden Mann.
Und die Prinzessin, die am Solder stand,
Vergeß ich nicht, bis mich die kalte Hand
Des Bleichen führt in jene ferne Stadt,
         Die goldene Türme
         Und silberne Glocken hat.

Es war einmal

Es war einmal — so fangen Märchen an,
Recht süße Märchen für die kleinen Leute —
Die blonde Gänsemagd am Wiesenplan;
Da kam der reiche Grafensohn und freite.

Sie lebten glücklich — klingen Märchen aus,
So süße Märchen für die kleinen Leute —
Und führte nicht sie in ein stilles Haus
Der bleiche Tod, so lebten sie noch heute.


Ich hätte solcher Liebesmärchen not,
So süßer Märchen für die kleinen Leute:
Die blonde Magd ist schon so lange tot,
Der arme Grafensohn — der lebt noch heute.


Hexenkind

Der Mutter Grab ist an der Kirchhofwand,
Wo niemals Kreuz und Weihbrunnkessel stand.

Nur wilde Nesseln stehn am Hügel dort,
Und Feuergilgen flüstern Glut und Mord.

Ich bin ein armes, wildes Hexenkind
Und rede gern mit Sonne, Baum und Wind.

Und in der heiligen Walpurgisnacht
Wird an der Mutter Hexengrab gewacht.

Dort gibt die Mutter mir die Zauberschuh
Und sagt: "Im Königsschlosse tanze du!

Der König stieß mich auf den Scheiterstoß,
Tanz' mit dem Prinzen, laß ihn nimmer los!" —

Dann tanze ich im Königsschlosse froh,
Denn keine Andere kann tanzen so.

Der junge Prinz ist blond und schlank und blank
Und seine Braut ist blaß und müd und krank.

Es läßt der Prinz sie auf dem Königsthron
Und tanzt mit mir — und treppenab davon.


Wir tanzen rasend bis zum dunklen Moor,
Aus dem noch keiner lebend kam hervor.

Die Prinzenbraut vor Angst und Weh vergeht; —
Der rote Freimann bei dem Richtblock steht.

"Ein letzter Tanz mir Henkersgnade sei,
Dann schleppt nur das blanke Beil herbei!

Dann tanzt mein Kopf vom blutigen Block herab,
Dann scharrt mich zu der Mutter in das Grab!"

Der alte Zauberer

Ich bin ein alter Zauberer,
Mein Bart ist silberweiß,
Ich weiß die Gegend neunmal kalt
Und neunmal wieder heiß.


Am Glasberg steht mein Zauberschloß
Aus Amethystenstein,
Ein dreibekopfter Drach' bewacht
Viel schöne Mägdelein.

Die eine stammt aus Morgenland,
Hat Turban und den Mond,
Die andere heißt Schwanehild,
Ist deutsch und blank und blond.

Die schwarze mit dem Perlenschurz
Kam aus dem Negerland,
Die schlanke man am Gangesstrand
Auf Lotusblumen fand.

Die eine mit dem Klee im Haar
War eine Hirtendirn,
Der andern leuchtet goldenklar
Die Krone auf der Stirn.

Hab auch ein wildes Hexenkind,
Das folgt nicht meinem "Komm",
Und die da drüben Trübsal spinnt
Ist eine Nonne fromm. — — —


Doch einmal sprühen Funken auf
Von dem glasharten Pfad,
Weil auf demantbehuftem Roß
Der Mädchen Retter naht.

Der schlägt dem Wurme ab
Die Köpfe alle drei,
Und stößt die goldnen Türen auf
Und läßt die Mädeln frei.

Dann kommt der Teufel aus der Höll
Mit rotem Feuerschein
Und ruft: "Du alter Zauberer,
Marsch in die Höll hinein!"

Ich folg' dir in die Hölle gern,
Wo du die Glut bestellt,
Ich hatte ja jahrtausendlang
Den Himmel auf der Welt!


Hinter den goldenen Türen

Hinter den goldenen Türen,
Da ging ein Uhrenschlag,
In purpurseidenen Kissen
Die kranke Prinzessen lag.

Es kamen die weisen Ärzte
Weit her aus dem Morgenland,
Des Herzens Weh zu stillen
Keiner das Mittel fand.

Der blonde Bursche im Garten,
Der auf die Rosen band,
Der schaute hinauf zum Schlosse,
Der hätte das Mittel gekannt.

Durchs Schloß vertönt ein Rauschen
Vom grauen Regentag,
Und hinter den goldenen Türen
Verstummt der Uhrenschlag . . .


Der Arzt

Ich schlief in einer Pfinztignacht
Unter dem Ulmenbaum,
Auf einmal bin ich aufgewacht
Aus einem wirren Traum.
Die Mitternacht herüberklang
Vom fernen Kirchenturm,
Und aus des Berges Höhlen sang
Sein wildes Lied der Sturm.

Der Ulme Zweige rauschten so,
Der Buhin schrie so laut,
Des Mondes Scheibe feuerloh
Den Baum mit Blut betaut.
Wildefeu rings den Stamm umglitt,
Das hungrige Gewächs,
Auf jedem Ast des Baumes ritt
Gar eine böse Hex.


Und eine sprach: "Was tatest du
Dem Menschen, unserm Feind?"
Die zweite drauf: "Des Pfarrers Kuh
Hab' ich gar arg vermeint.
Sie melken her, sie melken hin,
Die Kuh gibt rote Milch,
Es hupft vor Wut die Häuserin
Schier aus dem alten Zwilch!"

Die dritte drauf: "Des Grafen Kind,
Noch Unschuld gar und ganz,
Das führte ich zum Wald geschwind
Und streute Sonnenglanz.
Der fiel und leuchtete so arg
Auf Beeren, schwarz und rot; —
Seit Abendläuten liegt im Sarg
Das Kindlein blaß und tot."

Die jüngste sprach: "Was ich getan,
Das muß doch größer sein,
Ich blies die roten Wangen an
Dem Königstöchterlein.
Kein weiser Arzt mehr helfen kann,
Wie Blumenflaum zerstiebts . . ."
""Und weiß man gar kein Mittel dann?"" —
"O doch, ein Mittel gibts."

Die jüngste Hexe flüsterte —
Ich hab es doch erlauscht,
Wenn auch der glutdurchdüsterte
Baum gar so sehr gerauscht —
Und leiseleise ist verblaßt
Das Rot des Mondenscheins,
Die Hexen flohen voller Hast,
Vom Turme schlug es Eins.

Und als zur Stadt ich morgens ging,
Aus einem jeden Haus
Als dunkle Trauerzeichen hing
Man schwarze Fahnen aus. —
Es war am Kirchplatz nach dem Amt,
Der Herold kam und rief —
Der Herold war in schwarzen Samt: —
"Hört eures Königs Brief!

Ihr Ärzte und ihr Weisen mein,
Das Königskind ist krank;
Dem Retter soll beschieden sein
Des Königs höchster Dank!
Er kriegt die sieben Schlösser all,
Dazu das ganze Land,
Den Reifen mit dem Kronkristall
Und der Prinzessin Hand!"

Es kam so mancher Arzt herbei
Mit langem weißen Haar,
Gar einer tief aus der Türkei
Im Morgenlande war.
Es half nicht Salbe, Palmenwein,
Noch der Narzeien Naß,
Dem blonden Königstöchterlein
Die Wangen blieben blaß.

Da lieh ich einen Kaftan aus,
Ein Brillenglas und ging
Bis zu des Königs goldnem Haus
Und zog den Pfortenring.
Der Kämmerling mit trübem Blick
Führt mich zum Mägdelein,
Den Vorhang schlug ich schnell zurück
Und ließ die Sonne ein.

Dann führt ich sie zur Kammer aus
An ihrer weißen Hand,
Der Garten vor dem Königshaus
In hellen Rosen stand.
Und wo die Rosen gar so rot,
Küßt' ich sie auf den Mund
Und küßt' ihr auch die Wangen rot
Und küßte sie gesund.

Seit ich die Königskrone trag',
Fiel es gar oft mir ein,
Wie ich am Ulmenbaume lag
Beim Hexenstelldichein;
Wie leise tat die jüngste kund:
"O ja, ein Mittel gibts,
Das macht das Königskind gesund:
Man geht halt hin und — liebt's."