Gott
Das ist das Buch, das große, einzig wahre,
Das heute vor mir aufgeschlagen lag:
"Es gilt dem Herrn ein Tag wie tausend Jahre,
Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag."
Ich kenne Gott und sein allmächtig Werde,
Die ganze, große Schöpfung gilt ihm gleich:
Zum Himmel gibt er mit die liebe Erde
Und senkt zur Erde dir das Himmelreich.
Und suchst du Gott in heiligtiefem Ernste,
Du findest ihn — das eine glaube mir;
Vor ihm ist gleich das Nächste und das Fernste,
Du suchst in weit — und er ist doch in dir.
Die Welt
Die Welt ist eine Harfe
Mit Saiten ungeseh'n,
Nur fromme Sonntagskinder
Zu spielen sie versteh'n.
Sie seh'n sie golden leuchten
Und schweben über's Land,
Und greifen in die Fäden
Mit weißer Zauberhand.
Hörst du das leise Beben,
Das Zittern überm Tal?
Sie schlagen goldne Lieder
Aus jedem Sonnenstrahl.
Einsam
Im Walde blühen wilde Blumenglocken,
Die sind so seltsam, sind so blau und tief
Wie deine Augen. Bist du nie erschrocken,
Wenn dich das Lied der stillen Sehnsucht rief?
Du siehst die Welt, die goldenschöne weite,
Mit eines Träumers traurigtiefem Ernst:
Du findest Herzen — deine Arme breite,
Damit du glücklich sein und lieben lernst.
Die Andern
Und die andern singen so hell, so hell,
Und haben die Blumen so gern, so gern,
Und wissen einen Wunsch so schnell,
Wenn aus dem Himmel sinkt ein Stern.
Und die andern gehen zu zwei'n, zu zwei'n,
Hinein in die leuchtende Maienpracht,
Und ich bin so ganz allein, allein —
Und sinkt ein Stern aus funkelnder Nacht,
So fällt kein Wunsch mir ein.
Abendgang
Sieh, die weißen Engel schreiten
In die roten Abendweiten;
Ihre Seidenkleider gleiten
Von der Wolkenstufen Rand.
Ihre gold'nen Locken wehen,
Und auf gold'nen Sandeln gehen
Sie zu zweit und Hand in Hand.
Ihre blauen Augen fragen:
Habt ihr euch denn nichts zu sagen?
Ihre blassen Hände tragen
Einen blanken Lilienstab:
Laßt das Säumen, laßt das Träumen,
In den purpurroten Räumen
Sinkt die Sonne in das Grab.
Ostern
Damals brannten alle Hänge
Von der roten Erika,
Und die ersten Lenzgesänge
Waren mit den Meisen da.
Damals flogen junge Falter
Sich im Sonnengolde nach,
Damals seine Dankespsalter
Sang der eisbefreite Bach.
Damals sind auch wir gegangen
Alle beide Hand in Hand,
Fühlten in dem Frühlingsprangen,
Daß der Heiland auferstand. —
Heute muß ich einsam wandern
Müde an dem Wanderstab,
Stand ein Heiland auf den andern —
Meiner liegt im tiefen Grab.
Gnade
Nicht einmal wie den Ärmsten und Geringsten
Nur wird der Sonne Gnade mir geschenkt;
Mein Blick sich oft zum heiligen Geiste lenkt.
Und freudig nenn' ich jeden Tag mein Pfingsten,
Wenn sich die Flamme auf die Stirne senkt.
All
Die andern beten bleich und stumm
Zu einem Gott in ferner Luft,
Sie zittern bang vor dem Warum,
Die Welt ist ihnen eine Gruft.
Ich bin ein König in dem Reich,
Ein König über diese Welt,
Die sonnwendfroh und ewiggleich
Sich selber in den Händen hält.
Sonnwendglück
Unter hellen Birken gehn
Junge Menschen, und sie sehn
In die Sonnwendabendglut,
Und sie denken: Gott ist gut.
Am verloh'nden Himmel steigt
Leise auf der erste Stern,
Junger Menschen Rede schweigt,
Denn sie haben sich so gern.
Ist doch die Welt fürs Glück gemacht; —
Über den Menschen, welche ruh'n,
Schreitet mit sanften Silberschuh'n
Still die Nacht.
Der Sehnsucht Kind
1900
Kennst du die Menschen, welche elend sind,
Vor denen immerdar die Nähe flieht,
Und deren Blick in Dämmerungen sieht,
Und denen nie zufrieden wird der Sinn?
Ich kenne einen, der ich selber bin,
Und nenne ihn: der Sehnsucht Kind.
Ich bin der Sehnsucht Kind.
Mit weißen Händen in der weiten Ferne
Entzündet sie mir immer neue Sterne
Und redet mir, der alles Glück verlor,
Mit Märchenlaut von neuem Glücke vor.
Und holt ein altes aus Vergangenheiten
Und hebt es in den Sternenglanz empor,
Bis sich im Wunsche mir die Arme weiten,
Bis auf die Wangen mir dir Tränen gleiten
Und bis es wieder glaubt der reine Tor.
Dann aber löscht sie mir die Sterne aus. —
Und dunkel ist's. Ich finde nicht nach Haus.
So zwischen Zukunft und Vergangenheit
Erblüht mir nie des Lebens Frühlingszeit
Und funkelt mir als letztes Morgenrot
Der Purpurmantel nur des Königs Tod.
Waldnacht
(Achental 1895)
Die Sterne gehen durch die Tannen
Und fern verklingt ein Stundenruf; —
Ich kann die Seele nimmer bannen,
Sie will zu Dem, der sie erschuf.
Sie beichtet ihre Kinderfragen
Am großen Sternenthrone dort. — —
Und durch die Wipfel wird getragen
Der großen Nacht Erlösungswort.
Es gibt keinen Tod
(Lechtal? 1899?)
Du sitzt da in deinem schwarzen Kleide
Und träumst mit großen Augen in die Ferne
Und willst nicht lassen von vergang'nem Leide!
Sieh, über dir erglänzen tausend Sterne.
Du sollst nicht denken an die Totenkränze,
Du sollst nicht halten eine kalte Hand,
Du sollst nur denken, daß mit jedem Lenze
Das Leben die Vernichtung überwand.
Es kann kein Licht im weiten Weltall sterben,
Für welches andre Strahlen nicht erwachen,
Und keine Blume kann der Herbst entfärben,
Ohn' eine neue für den Lenz zu machen.
In neuen Tönen wird das Glück vernommen,
In neuen Farben wird es dir ersteh'n,
In neuen Formen wird die Freude kommen,
In neuen Menschen dir entgegengeh'n.
Des Weltalls stolzestes Gesetz verkündigt,
Daß kein Atom geht in der Welt verloren,
Und wer an die Vernichtung glaubt, der sündigt,
Denn unsre Zukunft wird aus euch geboren!
Du kannst in Freude auch die Treue halten;
In jeder Frucht, die dir die Erde bot,
Wird ja ein stiller Muttersegen walten,
Die Liebe siegt und — es gibt keinen Tod.
Nur ich
Ich habe Lieder mitgebracht,
Im Wald sind sie entstanden,
Die haben schnell sich fortgemacht
Und wehn in deutschen Landen.
Die jungen Mädchen singen sie,
Die Burschen vor den Toren,
Durch alle Herzen klingen sie . . .
Nur hab' ich sie verloren.
Es glänzt der Tag
Es glänzt der Tag. — Die Stunden schreiten
Auf gold'nen Sohlen durch die Welt,
Und himmelblaue Fernen weiten
Sich vor den Augen glanzerhellt.
Und nach dem großen Sonnwendtage
Die kleinste Nacht in Flammen glüht,
Und nach der Ewigkeit die Frage
Wie eine Sternenblume blüht.
Der Begleiter
Von den Bergen ist die Nacht
Sternenklar herabgesunken,
Und in Millionen Funken
Leuchtet ihres Friedens Pracht.
Einsam geh' ich in die Weite,
Alle Herzenswünsche schweigen,
Alle Qualen sind vorbei.
Und mir ist so bang, so eigen,
Und ich glaube, daß zur Seite
Mir ein Weggeselle sei.
Näher kommt des Tales Schluß,
Immer dunkler wird die Runde . . .
Und auf einmal kommt die Stunde,
Daß ich ihn erkennen muß.
Ahnung
(Chiemsee 1899)
Ich höre nirgends eine Saite rühren
Und keine helle Kinderstimme lacht,
Und keine Mädchen sitzen vor den Türen
Und singen ihre Lieder in die Nacht.
Ich weiß es nicht, was heute alle haben.
Dort fällt ein Stern vom Himmel in die See, —
Es wird wohl irgendwo ein Grab gegraben
Und durch die Erde zuckt das Mutterweh.
Heute
Träume nicht von den Zypressen,
Träume nicht vom Morgenrot:
Die Vergangenheit ist tot
Und die Zukunft unermessen.
Träume von der Gegenwart,
Wenn die goldnen Stunden wehen;
Wer zurückdenkt oder harrt,
Läßt das Glück vorübergehen.
Nacht
Vom sternbeblühten Himmel sinkt
Ein scheuer Silberschein,
Und eine arme Seele trinkt
Den Glanz in sich hinein.
Gestalten reden unbefragt,
Erinnerungen gehn,
Und gläubige Augen unverzagt
Ins Land der Hoffnung sehn.
Der Zukunft irres Leuchten schwirrt
Und alte Schuld erwacht,
Und eine arme Seele irrt
Hilflos durch Glanz und Nacht.
Ja, wenn . . .
Ich könnte längst im Amte sitzen
Und wäre wahlberechtigt jetzt,
Vorrücken langsam zu den "Spitzen",
Doch werde immer ich "gesetzt".
Das ist die Sache eben leider:
Die Jugend will nicht unterwärts,
Ich werde nimmermehr gescheider
Und habe immer noch ein Herz.
Du bist nun fort
(13.
Juni 1900)
Du bist nun fort. — Du wolltest nicht mehr bleiben,
Und eine Träne tritt ins Augenlid . . .
In blauer Luft die weißen Wolken treiben,
Die weißen Wolken überm grünen Ried;
Ich bin allein, ich kann ein Lied ja schreiben,
Auf weiße Blätter hin ein dunkles Lied.
Ein Lied, aus welchem alle Freude schied!
Das will ich geben dann den wilden Winden,
Und so wie ich, wird’s keine Heimat finden,
Wird unverstanden in die Weite treiben,
Wie ich, — bis einer vortritt aus dem Ried,
Ein Führer, den der Herr mir her beschied,
Daß er mich lehre, eine Straße finden,
Die dorthin leitet, wo wir alle bleiben.
Umsonst
1901
Es blühen weiße Rosen mir im Garten,
Erzählen von der Liebe süß und still
Und schauen scheu nach mir, denn sie erwarten,
Daß ich jetzt kommen und sie brechen will.
Fürchtet euch nicht! Ihr braucht nicht zu erbeben,
Erzählt nur von der Liebe süß und still;
Ich habe niemand in dem ganzen Leben,
Dem ich die weißen Rosen geben will.
Bald
Bald wird die dunkle Stunde sinken,
Da spricht ein ernster Mann: "Vorbei!"
Und ausgesungen sind die Lieder,
Die mir diktiert der blanke Mai.
Es kommt die Zeit der Sonnenwende:
Die Glut verloht,
Pflicht wird Gebot . . .
Nur an der fernen Berge Ende
Glost noch die Sehnsucht dunkelrot.
Warum?
1900
Warum denn hast du dein Gesicht verborgen,
Weil du in deine weißen Hände weinst?
Ich soll nicht wissen deiner Seele Sorgen,
Weil meine Seligkeit du nahmest einst.
Es überkommt dich eine späte Reue,
Du glaubst, daß ich mich deines Elends freue,
Weil meine Seele du so böse meinst.
Ich habe alles dir verziehen einst,
Auf dieser Welt hat auch der Schmerz ein Ende.
Ich kann nicht sehen, daß du in die Hände,
Mit denen du mein Glück genommen, weinst.
Wunsch
(Kufstein 1899)
Nur einmal möcht' ich dir zur Seite gehen
Am reichbeblühten, weißen Kirschbaumhang,
Wenn durch die Nacht die Silberblüten wehen
Und ferne stirbt der letzten Geige Klang;
Und handverschlungen an dem Flusse stehen,
Der eines blassen Sternes Leuchten trinkt,
Und nach dem Sterne uns'res Glückes sehen,
Bis er in ferner Dunkelheit versinkt.
Seitdem
Ich bin allein.
Ein Mädchen kommt und schenkt mit blassen Händen
In meinen Römer funkelroten Wein
Und tritt ins Dunkel — und ich bin allein.
Ich träume von den roten Sonnenbränden,
Ich denke an des Mohnes Prangen
Damals, als wir zum letztenmal gegangen
So Hand in Hand
Durch eines Sommerabends Purpurland.
Seitdem bin ich allein.
Ich bin allein.
Ein roter Schirm verdämpft den Lampenschein,
In schlanken Vasen blättert roter Mohn,
Aus meinem Römer zittert ein Gefunkel . . .
Ich bin allein — und irgendwo im Dunkel
Sitzt stumm und still der Tod auf seinem Thron.
Die Sphinx
Und auf den Lippen blüh'n dieselben Fragen,
Wie in der Nacht, die sternenscheindurchglommen
Mich rings umschwieg, aus der der Tod gekommen,
Der leise sagte: Sterben oder tragen.
Fast wollte ich ihm meine Hände geben —
Da sah ich in die unermess'nen Fernen,
Es flügelte der Blick zu allen Sternen,
Ich wollte wieder glauben, wieder leben.
Da lag die Sphinx, die stille, marmorbleiche,
Und über ihr erklangen die Zypressen
Und fragten leise: Kannst du es vergessen?
Sonst wand're nieder in des Schweigens Reiche.
Vergessen soll ich jenes Mädchens Hände,
So gut und sanft — als konnten nur zum Segen
Sie sich auf einen Kinderscheitel legen,
Auf meines Kindes . . . doch das ist zu Ende.
Dort oben, wo die tausend Sterne funkeln,
Ist auch für mich ein Stern von Gott entzündet. —
Ob auch sein Licht auf meine Straße findet
Durch das äonenweite Nächtedunkeln?
"Laß mich vor dir auf meinen Knien liegen,
Nur gib mir Antwort!" ich zum Steinbild flehte.
Durch die Zypressen flüsterten Gebete,
Es ging der Tod — es hat die Sphinx geschwiegen.
Und dennoch ging ich wieder in das Leben;
Durch Einsamkeiten lenkte ich die Schritte
Und suchte meinen Stern mit heißer Bitte,
Mir einen Strahl auf meinen Pfad zu geben.
Da sah ich wider jenes Mädchens Hände,
So gut und sanft, als konnten nur zum Segen
Sie sich auf einen Kinderscheitel legen —
Und heut' wie damals stehe ich am Ende.
Aus den Zypressen tritt hervor der Bleiche,
Und fragt er wieder: Sterben oder tragen?
So will ich ihm als meine Antwort sagen:
Es ist kein Stern für mich im Sternenreiche,
Und ob ich mit will, soll er nimmer fragen.
Fazit
Ist das ein Wollen und ein Trotzigsein,
Ein Hoffnungsrasen und ein Wildgebärden —
Auf einmal bricht ein stiller Tag herein,
An dem wird alles besser werden.
Es kommt der Tod, man hat des Glücks genug,
Berechnet nicht mehr seines Lebens Spesen . . .
Das Fazit ist, es heißt im Leichenzug:
"Er ist ein guter Mensch gewesen".
Weihnacht
Es ist die Weihnacht still gekommen;
Mich freut nicht mehr der Kerzenschein,
Mir ist die Seele tief beklommen,
Ich kann kein Kind mehr sein.
Ich möchte doch die Liebe künden,
Die lodernd aus dem Herzen bricht,
Der Menschheit Weihnachtsbaum entzünden,
Für jede Not ein Licht!
Sterne
13.
November 1900
Von des Himmels Weihnachtsbaume
Senken sich aus dunkelm Raume
Blanke Silbersterne nieder,
Und es legen sich die Flocken
Wie ein Kranz in meine Locken,
Und so glücklich bin ich wieder.
Rings ein blasser Silberschein,
Mitten in des Glückes Sternen
Kann ich wieder einmal lernen,
Wie ein Kind so selig sein.
Sterne leuchten, Sterne wehen,
Und ich muß zum Herrgott flehen:
Zünde mir nicht alle Kerzen,
Schmücke mir nicht jeden Ast,
Daß du auch für and're Herzen
Glück und Sterne übrig hast.
Wintergang
Telfs 1900
Ich wandre durch das Winterland
Im weißen, wirren Flockentreiben,
Und denk' an einen Heimatherdbrand
Und an zwei Menschen, handinhand,
Die beieinander bleiben.
Die träumen einen Tag zurück,
Zurück des Fliederdüftewogen,
Und träumen von dem neuen Glück,
Das mit des Kindes erstem Blick
In ihre Seele kommt gezogen.
Im Dunkel
4.
März 1895
Winternacht. Es dunkelt, schweigt und schneit.
Nur des Ofens Kohlen leise flüstern,
Monotones Ticktack aus dem Düstern
Kündet leis den müden Puls der Zeit.
Mädchenbild im Winkel . . . bleib' in Ruh'.
Nicht die goldnen Frühzeitgeister wecke,
Denn es liegt des Todes kalte Decke,
Wo die Veilchen suchten ich und du.
Und den Baum, der unsre Namen barg,
Haben die Gesellen umgeschlagen.
Und ich ging zum Meister Schreiner fragen,
Und der Meister Schreiner sprach: "Ein Sarg".
Flitterblumen — Allerseelenzeit . . .
Auf den Gräbern brennen lichte Kerzen;
Meine Lieder brennen in dem Herzen,
Meine Blumen sind schon längst verschneit!
Still die Uhr . . . Es steht der Zeiten Lauf . . .
Hilfe! . . . Keine Hilfe! . . . Längst gesunken
In dem Ofen sind die letzten Funken . . .
Pochst du Bleicher? . . . Komm', ich mach' dir auf.
Trost
Nun werde endlich ich gesetzt,
Nun wird das Haar mir langsam grau,
Und meine Freunde sagen: Jetzt
Ist's höchste Zeit — nimm eine Frau!
Hört Freunde, hätt' ich das getan,
Als noch die Liebe war so heiß,
Vielleicht wär' ich noch übler dran,
Und wäre gar das Haar schon weiß.
Ich muß es sehen
1900
Du hattest dich in Liebe ihm gegeben,
In einer Sternennacht vor Jahren war's,
Nun sollst du treu an seiner Seite leben,
Nach jenem Worte, welches du gegeben
Ihm vor dem Kerzenglanz des Hochaltars.
Du liebst ihn nicht! — Ich muß von ferne sehen,
Wie dir der Wangen lichtes Rot verdirbt,
Ich sehe dich mit müden Schritten gehen,
Ich sehe dich um eine Freude flehen,
Ich sehe, wie dir Leib und Seele stirbt.
Frage
Wann kommt die Stunde, da der Bleiche naht,
Die harte Hand die kalte Klinke drückt?
Mir ist verschneit der ganze Lebenspfad,
Was ich erstrebte, alles ist mißglückt.
Was soll ich noch? — Ich hab' nicht Weib und Kind
Ich grüße dich, du Großer, still und bleich!
Die Türe werfe ich ins Schloß geschwind
Und folge dir — wohin, das gilt mir gleich.
Verzichten
Ich habe längst gelernt verzichten
Und einsam meine Straße geh'n,
Wenn rings die losgerissnen lichten
Maiblüten in den Winden weh'n.
Ich weiß, es wird noch einen geben,
Der mir entgegenkommt und spricht:
Verzichte noch auf dieses Leben,
Dann ist zu Ende dein Verzicht.
Die stille Stunde
Was wäre, wenn die stille Stunde käme? —
Die letzte Liebe ging ins Schattenland
Und leise eine blasse, weiche Hand
Das letzte Lied mir von der Lippe nähme.
— Es war mein Leben reich und voller Schöne,
Ich habe viel an Licht und Glück geglaubt,
Die Furcht mir vom Erkenntnisbaum geraubt;
Hat nun der Abend noch ein Abendrot
Und fernverklingend leise Glockentöne,
Dann sei genug, was mir das Leben bot.
Ich habe viel an Licht und Glück geglaubt —
Die Glocke schweigt und dankbar sinkt das Haupt.
Drüben
Alter Mann — mit deiner Fähre
Fahre leise an den Strand —
Weißt du überm blauen Meere
Nicht ein andres Heimatland?
Wo die Abendwolken glänzen
In dem letzten Rosenschein,
Sind des Landes goldne Grenzen —
Fahre still und leise ein.
Alter Mann, dort überm Meere
Wartet an dem Strand das Glück. —
Alter Mann mit deiner Fähre,
Fahre du allein zurück.
Weihnachten
Fichten standen, schneebeschwerte,
Und ich ging im Wald allein
Und der Weihnachtshimmel leerte
Nieder seinen Sternenschein.
Mitten durch das Flockenprangen,
Mitten durch die Sternenzier
Kam der liebe Gott gegangen,
Und er redete mit mir.
Große, tiefe, stille Worte: —
Du und ich und ich und du; —
Dann des Himmels Silberpforte
Schloß ein bleicher Engel zu.
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